Wind Beyond Shadows

Normale Version: Wiedersehen ohne Erinnerung
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Wie jeden Tag fragte sich Vi, wie es nur so weit hatte kommen können. Einstmals die Beste ihres Jahrgangs, versauerte sie nun hinter einer Bar, wenn sie nicht gerade ihren Vater pflegte. Beschweren würde sich der Rotfuchs niemals, dafür liebte und respektierte sie ihren Vater viel zu sehr und dennoch.... das Leben, von dem sie einstmals geträumt hatte rückte immer mehr und mehr in die Ferne, verschwand hinter einem Nebel, ohne das es die Chance gab, diesen jemals zu durchqueren.
Immerhin konnte sie sich heute hinter ihrem Tresen verstecken. Das Trinkgeld war hier zwar um einiges mickriger, doch immer noch besser, als wenn man ständig begrabscht wurde und alles andere, als seriöse Angebote bekam. Das zudem gerade noch Kenkoku Kinen no Hi war erleichterte ihr die Arbeit ungemein. Waren die Meisten doch mit ihren Familien und Freunden auf den Strassen unterwegs, so das die Bar tatsächlich um einiges leerer war, als üblich. Nur hier und dort sassen vereinzelt Gäste alleine, oder in kleinen Gruppen an den Tischen. Oftmals schon gut angeheitert, da sie schon vorher auf dem fest waren, andere hingegen wohl in Vorbereitung auf das Fest, so wie sie den billigen Alkohol fast schon in sich hinein schütteten. Wahrscheinlich wollten sie so Geld sparen, doch das war Violette herzlichst egal.
Wollte sie doch nur die Schicht hinter sich bringen und möglichst schnell in ihr Bett kriechen, um ein wenig Schlaf zu bekommen. In letzter Zeit war ihr Vater noch mürrischer als eh schon und da die Preise ständig stiegen, musste sie noch mehr Schichten als üblich übernehmen. Somit war Streitereien ein fast täglicher Begleiter geworden.

Leicht runzelte der Rotschopf die Stirn, als die kleine Türglocke erklang und 2 Männer die Bar betraten, welche irgendwie fehl am Platz zu sein schienen. Waren sie doch viel zu gut gekleidet, für das übliche Klientel und auch sonst, schienen sie nicht gerade die Typen für solch dubiose Orte zu sein. Dies beschwören würde sie jedoch nicht. Wurde sie doch Schicht um Schicht immer wieder Zeugin der dubiosen Geschäfte ihres Chefes. Wer weiss, vielleicht hatte er neue Geschäftskunden gefunden, oder sich gar mit der falschen Gruppe angelegt. Wissen konnte und wollte sie es nicht. Hielt sie sich von derlei so fern, wie es nur eben möglich war.

"Kann ich Ihnen etwas anbieten, oder wissen sie schon, was sie wollen ?" fragte sie, während sich ein kleines, nicht unfreundliches Lächeln auf ihr Gesicht legte.
Eigentlich hielt er sich von solchen Orten fern, schrien sie doch regelrecht danach, Sünden zu begehen. Schmuddlige Ecken, die sonst untypisch für dieses Land waren und Läden, denen man ansah, das es dort nichts hochpreisiges zu kaufen gab. Typisch Mensch. Es roch nach Alkohol, während sich die Menschen aneinander drängten, es gab wirklich bessere Orte, an denen er lieber sein wollte, insbesondere, da er nicht allein hier war, doch die Arbeit rief.
Ein Schutzengel sollte sich hier verstecken. Ohne Kenntnis über sein früheres Leben. Eine Strafe, die man ihm nicht weiter erläutert hatte, aber das spielte vorerst keine Rolle. Er wollte sie kennen lernen, wissen, was sie aus ihrer gegebenen Strafe gemacht und ob sie daraus gelernt hatte. Jemanden zu retten, während man das eigene Mündel vernachlässigte… ein Gedanke, der ihn zu Rai sehen ließ, der ihn begleitete. Er sollte das Verhalten von normalen Menschen kennenlernen. Und – was er ihm nicht sagen würde – er wollte, das er ihn begleitete, aus ganz primitiven Beweggründen.
„Wo willst du sitzen?“, fragte er, um ihm die Wahl zu lassen, was er sehen wollte. Entweder das Innere des Ladens oder viel mehr die Straße und die darauf befindlichen Festlichkeiten. Ayato wäre beides recht. So ansehnlich waren die meisten Menschen nicht, als das er sie sehen musste, wenn es nicht sein musste. Gefahr schien vorerst nicht zu drohen, daher sollte sein Menschlein es sich aussuchen.
Kurz streifte er dessen Hand, rein zufällig, um ihn in eine bestimmte Richtung zu lotsen, ohne das es all zu auffällig wirkte. Er wollte die Frau am Tresen im Auge behalten, die auf die Beschreibung passte, die er bekommen hatte. Nun, da er sie sah… all zu sehr hatte sie sich vom Aussehen nicht verändert, was ihm ein kleines schmunzeln abrang. Natürlich kannte er sie. Er kannte fast alle Engel, gleich in welchem Bereich sie sich aufhielten. Neugier, nicht mehr, nicht weniger.
„Alkohol?“, wollte er dann Wissen, nahm sich die kleine Karte, auf der verschiedene Cocktails aufgelistet waren. Die Vermutung lag nah, das diese gestreckt wurden. Aber vielleicht tat er dem Personal unrecht. Nur weil die Besucher, die sonst hier einkehrten sich nicht viel leisten konnten.. die Vermutung machte er an einem jungen Mann fest, der sich besser hätte kleiden könne. Die Jogginhose, die er trug, hatte ein Loch und wenn Ayato das selbst aus der Entfernung schon sehen konnte…. Seine Aufmerksamkeit wurde jedoch von der jungen Frau abgelenkt, wegen der er hier war.
"Wir schauen noch, oder weißt du es schon?", wollte er von seinem Menschlein wissen, wandte sich aber kurz darauf ab und musterte die junge Frau.
Noch immer hatte Rai keine Ahnung, warum er den Engel hatte begleiten sollen, geschweige denn, was er an solch einen Ort sollte. Nun gut, der Engel nannte es "Sozialisierungsversuch", auch wenn ihm die Logik dessen nicht wirklich erschloss. Immerhin hatte er sich viele Jahre versteckt innerhalb der Gesellschaft bewegt und wusste durchaus, welche gesellschaftlichen Konventionen im Umgang mit Menschen erwartet wurden. Umso unlogischer war dieser Ausflug in eine mehr als nur fragwürdige Bar, auch wenn er sich dies nicht grossartig anmerken liess. Schliesslich war er ein Medialer und stand weit über Emotionen und den Menschen, die ihr hart verdientes Geld hier versoffen. Eine Angewohnheit, die er ebenso wenig nachvollziehen konnte, wie die Launen seines Begleiters, oder dessen komische Neigungen ihn zu necken und zu ärgern.
Heute jedoch, würde er ihm einen Strich durch die Rechnung machen. Hatte es der Engel doch nur all zu oft schon geschafft ihn aus der Ruhe zu bringen. Heute nicht.... beschloss er insgeheim.
So verzog er noch nicht einmal die Nase, als ihm der Geruch von Alkohol und anderen Ausdünstungen entgegen schlug, kaum das sie die Tür öffneten. Stattdessen beobachtete er seinen Begleiter aufmerksam und schlug bei seiner Frage den Weg zur Theke ein. "Ich denke dies sollte deinem Vorhaben entgegen kommen" mutmasste er, denn auch wenn er nichts aussergewöhnliches an der Frau dahinter entdecken konnte, so war ihm doch nichts entgangen, das der Engel sie fest im Blick hatte.
Warum ? Keine Ahnung, vielleicht war sie eines seiner Projekte, oder gar ein Auftrag. Viel verriet ihm der Engel nie und er war nicht so vorlaut, um nach Antworten zu bohren. Immerhin wurde er selbst ja auch nicht ausgefragt, wenn er mal wieder durch die Welt teleportierte, um seine Feinde auf eine neue, falsche Spur zu locken.
Kurz blickte er zu ihm, als er mal wieder den Körperkontakt suchte und sorgte dafür, das er einen kleinen, sehr kleinen Blitzschlag für seine Dreistheit ab bekam. "Nur weil wir unter Menschen sind, heisst es noch lange nicht, das du dies schamlos ausnutzen kannst" wies er ihn telepathisch ein klein wenig zurecht, wohl wissend, das er sich den Spruch auch gleich hätte sparen können. Liess sich der Engel im Gegensatz zu ihm doch ständig von Impulsen treiben, statt logisch und rational zu handeln und ein zu sehen, das Körperkontakt absolut überflüssig war. Eine Meinung, die nicht selten für hitzige Debatten sorgte, insbesondere dann, wenn der Engel ihn mal wieder überrumpelte und in die Ecke drängt. Natürlich könnte er ihn ernsthaft in die Schranken zu weisen. Nur warum ? War es doch für andere Spezies vollkommen normal, so das er es innerhalb gewisser Grenzen mittlerweile tolerierte, auch wenn er dem ganzen Getatsche noch immer nicht viel abgewinnen konnte. Selbst das leichte Kribbeln, welche die Berührungen von ihm auslösten überzeugten ihn nicht vollends.
"Bestell du etwas, was deiner Meinung nach passend erscheint" ermunterte er ihn, ohne sein Geheimnis preis zu geben. Denn auch wenn er nicht das erste Mal in solch einem Etablissement war, so hatte er doch noch nie Alkohol getrunken und wusste somit selbstverständlich auch nicht, was er bestellen sollte.
Vio war schon einiges an Gästen gewohnt. Meist einfache Leute, die sich nach der harten Abend das ein oder andere Feierabendbier genehmigten, oder Stammgäste die fast jeden Abend hier waren, um ihr ganzes Geld auf den Kopf zu hauen. Umso mehr fielen ihr die neusten Gäste auf. Schienen sie doch absolut fehl am Platz zu sein, fast als hätten sie sich verlaufen, oder als ob sie schlecht beraten worden waren. Natürlich entging ihr auch der Blick des Älteren nicht, auch wenn sie den abtat. Frauen verirrten sich sehr selten hier her, umso mehr wurden die wenigen Exemplare begafft, welche hier arbeiteten.
Was nun aber der Grund war, das ging sie nichts an. Hatte sie schliesslich schon sehr schnell gelernt, das Fragen oder gar neugierige Blicke hier nichts erwünscht waren. Jeder machte, was getan werden musste und kümmerte sich nicht um die Belange der Anderen. Insbesondere, wenn es sich um die Geschäfte ihres Chefs handelte. Legal war da wohl nur die Bar, beim Rest log und betrog er, was das Zeug aushielt. Auch war er sich nicht zu schade dafür die ein oder andere Tüte verstohlen unter der Theke hinweg den Besitzer wechseln zu lassen.
Ein Verhalten, welches Vio absolut anekelte und verurteilte und doch blieb ihr keine andere Wahl. Jobs liefen einem ohne Ausbildung nicht gerade hinterher und noch weniger Chefs tolerierten es, wenn sie einmal kurzfristig die Schichten wechselte, oder gar neu verteilen musste, wenn es ihrem Vater schlecht ging.
Somit hatte die junge Frau keine andere Möglichkeit, als die Augen und Ohren zu verschliessen und gleichzeitig das Beste aus der Lage zu machen.
"Wie wäre es mit einem der Cocktails ?" schlug sie vor, als sie die Ratlosigkeit des Jüngeren bemerkte, der sich nicht wirklich wohl zu fühlen schien. "Ich weiss, das die hier nicht allzu beliebt sind, aber vielleicht kommt das ihrem Geschmack ja entgegen" schob sie mit einem Lächeln auf den Lippen hinterher. Immerhin konnte ihr Chef bei den Zutaten nicht wirklich viel herum panschen, so das die Cocktails, sofern sie dann doch einmal bestellt wurden, wirklich gut waren.
Das er hier arbeiten musste, hatte er bis jetzt für sich behalten, denn alles musste sein Menschlein nun nicht wissen. Wie alles verlaufen würde, zeigte sich im Verlauf des Tages, denn vielleicht hatte die junge Frau die Lektion noch nicht gelernt und sie musste ein weiteres Jahr an ihr Dasein hängen. Eins wurde mit dem anderen verbunden, denn wenn Rai mal aus seiner Höhle kam, Situationen ausgesetzt wurde, die er nicht bestimmen konnte, wäre das sicher nicht für seinen Nachteil. Zur Not war er ja dabei, denn einfach abhauen kam nicht in Frage.
„Du bist unmöglich. Fall doch nicht immer gleich mit der Tür ins Haus.“, grummelte er und fragte sich, warum er in anderen Lebensbereichen nicht auch so vorging, statt ihn fragend anzusehen und sich das Hirn zu zermartern, was der Engel wollte. Direkt zu sein war eben nicht immer gut, insbesondere, wenn man beobachten wollte, aber das konnte er ihm nicht auf die Nase binden. Sie zu belauschen wäre ein leichtes für die junge Frau, ob mit Absicht oder nicht.
Denk nicht zu viel rein, weil du wieder was annimmst, was nicht da ist. Außerdem wollte ich die Frau erst mal beobachten, was an der Theke nicht so funktioniert., sandte er ihm zurück und vermied es, sich die stelle zu reiben, die er sich für seine Folter ausgesucht hatte. Später sollte er ihm wirklich den Hintern versohlen! Seinem Gedanken folgend blickte er ihn an und malte sich die Situation in einigen Farben aus, das er dabei ein wenig grinste… nun denn.
Rai musternd entscheid er sich für je einen Kaffee und lauschte ihren Worten, überlegte. „Wenn, dann zwei, die nicht so süß sind. Eher was herbes?“ Hochprozentiges würde er schon vertragen und Cocktails waren ja nicht so stark, wie das pure Zeug. Und wenn es nicht so süß war… Zu hoffen, das Rai Gefallen daran fand, wäre übertrieben, aber vielleicht entspannte er sich mal ein wenig. Abfüllen wollte er sein Menschlein nichtgleich, das konnte er machen, wenn alles erledigt war. Der Gedanke gefiel ihm.
Sei froh, dass ich dich nicht auf meinen Schoß ziehe., ließ er fallen, als er sich dann endlich mal setzte, nicht ganz zufrieden mit seiner Aussichtsposition. Rai war definitiv voreilig gewesen, dennoch bereute er es nicht, diesen mitgenommen zu haben. Allein das er hier war, amüsierte ihn ein wenig. Es brachte Rai aus seiner Blase raus, die er gewöhnt war und von dort entführte er ihn ja am liebsten. Alles was ihn aus dem Gleichgewicht brachte, war ihm in einem kalkulierten Rahmen recht. Ob er je mal Alkohol getrunken hatte? Heute würde er es herausfinden, während er seiner Arbeit nach ging. Die junge Frau…. Wenn er es nicht besser wüsste, bemerkte man ihr nichts an, aber das war auch Sinn der Sache, zu ihrem eigenen Schutz.
Während er ihr nachsah, überlegte, wie er vorgehen sollte. Später würde er sie allein abfangen müssen. Nicht, weil er mit ihr sprechen musste, von Worten löste sich die Blockade nicht, aber er konnte ihr auch nicht vor aller Augen an die Stirn Schnippen.
Erst mal den Abend beginnen, vielleicht würde Rai etwas wissen, sonst war er ja auch so Neunmalklug, wie in der Platzwahl.
Rai hatte keine Ahnung, was diese kleinen Versuche des Engels bezwecken sollte. Nicht das er dessen Nähe nicht als angenehm empfand... nun ja, er hatte sich damit arrangiert und kam mit klar. Doch solche Ausflüge hasste er wie die Pest. Hatte er doch schon immer Orte mit vielen Menschen gemieden. Der ständige Andrang ihrer Gedanken, die er von sich schieben musste, dazu das nicht enden wollende Geplapper.... keine Ahnung, warum sie sich dies freiwillig antaten. Dummerweise konnte er jedoch auch nicht ständig zu jedem Vorschlag nein sagen, so das er ausnahmsweise einmal zugestimmt hatte, um ihm eine Freude zu machen. Waren soziale Interaktionen für ihn doch vollkommen normal und ständige Zurückweisung taten emotionalen Rassen nicht gut. Etwas was er weder verstehen, noch begreifen wollte. Da war es einfacher ab und an zu zu stimmen.
"So etwas nennt man eine effiziente Arbeitsweise" hielt er ihm ruhig entgegen, als er doch tatschlich getadelt wurde. War sein Interesse an der Frau für ihn doch mehr als nur eindeutig gewesen. Warum sollte er sie dann nicht gleich aus der Nähe betrachten können. "Nun, wenn dir der Sitzplatz nicht gefällt, dann können wir einen anderen nehmen. Gewöhnlich sitzt man in einer Bar jedoch an der Theke, da man so am schnellsten bedient wird" klärte er ihn seelenruhig auf. Zudem konnte er die Frau so doch am Besten beobachten, wenn er direkt an der Quelle sass.
Jedoch schien es den Engel nicht sehr zu ärgern, wenn man sich sein leichtes Grinsen so ansah, welches dafür sorgte, das er nachdenklich leicht die Stirn runzelte. "Egal was du auch ausheckst.... vergiss es gleich wieder" warnte er leise. Kannte er diese Form des Lächelns doch mittlerweile schon allzu gut und ahnte, das er ihm wieder auf die Pelle rücken würde. Grinste er doch vorher immer so, bevor seine Attacken los gingen. "Versteck deine Gedanken besser, eh ich sie versehentlich doch lese" warnte er ihn trocken. War es doch ein ungeschriebenes Gesetz, das keiner die Gedanken der anderen las und doch.....ab und an.... war er tatsächlich der Versuchung nahe, besonders wenn er so lächelte. Wüsste er doch dann schon was ihn erwartete und könnte ihm zuvor kommen.
"Definitiv nichts zu Süsses" stimmte er zu. War es doch mehr als nur unhöflich die Barkeeperin noch länger warten zu lassen. Immerhin waren sie nicht die einzigen Gäste, um die sie sich zu kümmern hatte.
Zufrieden, das sie vorerst dann doch beim Kaffee blieben, mit dem er gut vertraut war, riss er leicht die Augenbraue hoch und funkelte ihn leicht an. "Untersteh dich gefälligst. Sowas gehört sich nun absolut nicht2 empörte er sich. Wie kam er nur immer wieder auf solche Ideen ?! "Versuch es und es wird nicht nur ein klein wenig Kribbeln! schob er vorsichtshalber noch nach, darauf hoffend, das die Warnung ein klein wenig Vernunft wieder zu Tage förderte. Obwohl man sich da bei dem Engel nie wirklich drauf verlassen konnte. Hatte dieser doch seine eigenen Regeln und die waren nicht immer konform mit denen der Gesellschaft und schon gar nicht mit den seinen.
"Lass uns doch da rüber setzen" bot er an und nickte in eine kleine Nische zu ihrer linken Seite. Wog die schnelle Bedienung doch bei weitem nicht den Krach der Gäste neben ihm auf, die sich lautstark über das Spiel echauffierten, welches gerade im TV über der Bar lief. Seinen Kaffee schnappend, als er kam, rutschte er flink vom Hocker und verkrümelte sich in die Ecke, so das er alles genau beobachten konnte.
Nun gut, viel zu beobachten gab es nicht, ausser man wollte das Alkoholverhalten von Menschen studieren, sowie dessen Auswirkungen auf die zunehmend gröber ausfallende Artikulation. "Ich versteh den Sinn von solchen orten absolut nicht" murmelte er leise zum Engel gebeugt, damit ihn bloss keiner hörte. Nicht auszurechnen, was dann passieren würde. Rai jedenfalls war nicht sehr erpicht darauf es heraus zu finden.
Das sie kontrolliert, oder gar beobachtet wurde, merkte der Rotschopf nicht wirklich.
Immerhin arbeitete sie in einer Bar und noch dazu an der Theke. Blicke auf sich, Starren und ja auch lüsterne Blicke war sie gewohnt und ignorierte sie gekonnt. Hatte sie doch absolut keine Lust darauf engere Bekanntschaften zu den Kunden zu schliessen, oder gar noch mehr. Einzig und allein der Lohn zählte, damit sie all ihre Rechnungen zahlen und sich weiter um ihren Vater kümmern konnte. Nicht gerade einfach, doch schliesslich hatte sie keine Wahl.
Wer sonst sollte sich schon um ihren Vater kümmern ?
War es nicht ihre Verantwortung als Tochter sich um ihn zu kümmern ?
Pläne für die Zukunft machte sie schon lange nicht mehr. Warum auch ? Wer würde eine ungelernte Kraft heute noch einstellen, noch dazu, wenn sie öfter mal die Schichten schieben musste, wenn es ihrem Vater schlecht ging ? Niemand, wenn man ehrlich war. Umso wichtiger war es für sie, das sie das Beste aus der Situation machte, um nicht plötzlich arbeitslos da zu stehen.
Immerhin waren die neuen Gäste eine willkommene Abwechslung. Roch sie sie doch nicht schon vom Eingang her und wurde sogar vernünftig und respektvoll behandelt, ein allzu seltenes Gut. Zudem fand sie die Beiden irgendwie faszinierend. Wanderte doch ständig ein Blick zum anderen und wieder zurück, fast als könnten sie sich auch ohne Worte verstehen. Vollkommen hirnrissig, doch die ein oder andere kleine Fantasie erlaubte selbst sie sich ab und an. Erhellte es die Ödness ihres tristen Lebens ungemein.
Als sich die Beiden wegen der Cocktails nicht wirklich entscheiden konnten, zog sie sich höflich zurück und brühte lieber den bestellten Kaffee auf, während sie gedanklich alle möglichen Cocktails durchging, welche weniger süss waren. Kein allzu leichtes Unterfangen, da genau dies den Grossteil der Cocktails ausmachte...viel Alkohol und zuckersüss.
Den Kaffee vorsichtig zurück zu ihnen balancierend samt Kaffeerahm, Zucker und obligatorischem Keks, wartete sie höflich ab, bis sie ihre Aufmerksamkeit bekam.
"Die meisten Cocktails sind leider süss, aber es gibt einige, die ich ihnen empfehlen könnte. Beispielsweise den Green Tea Margarita, der neben grünen Tee einen Schuss Tequila hat und mit etwas Zitronensaft passend gesüsst werden kann. Beim Grapefruit-Rosmarin-Drink wird frisch gepresster Grapefruit-Saft mit etwas Wodka vermischt. Den letzten Schliff gibt das Rosmarin, das dem Cocktail beigegeben wird. Falls sie etwas Exotisches bevorzugen, so empfehle ich den Blue Lagoon. Er besteht aus Ananassaft, weißen Rum und etwas Blue Curacao" bot sie verschiedene Möglichkeiten an, welche hier eigentlich weniger gefragt waren. Billig und hochprozentig musste es hier sein, was jedoch nicht hiess, das nicht auch anderes möglich war. Ein bisschen Abwechslung wäre recht nett, nur wollte sie auch nicht drängen und zog sich zu den anderen Gästen zurück, als der Jüngere einen anderen Platz vorschlug.
Eigentlich schade, da sie nun nur den betrunkenen Vollidioten zuhören konnten, die sich mal wieder über eines der Spiele aufregten, ohne das es etwas am Resultat ändern würde. Leise seufzte der Rotschopf auf. Zeit zum Verweilen blieb nicht, da schon die nächste grölende Truppe durch die Tür stürmte und sie sich fleissig mit einem leichtem Lächeln auf den Lippen ans Werk machte. Die Neulinge streifte sie nur hin und wieder mit einem Blick, eher um sich zu vergewissern, das sie nichts brauchten, ohne jedoch lästig zu erscheinen.
Absichten waren hinlänglich egal, die würde er eh nicht preisgeben und im Zweifelsfall würde es ihm ausreichen, wenn es seinen kleinen Menschlein ärgerte und aus der Fassung brachte. In wohldosierten Portionen natürlich, denn die Umgebung in Schutt und Asche zu legen, würde dann doch auffallen. Und die Arbeit, die daraufhin folgen würde… Aber in diesem Fall wollte er einfach, dass Rai sich mit den Menschen und allem, was sie eben mit sich brachten, auseinandersetzte. Sich immer ins Schneckenhaus zu verziehen, half ihm nicht, denn auch wenn er sich beherrschen konnte, sollte er es schlichtweg nicht verlernen, dass man eben auch mal was aushalten musste.
Ayato tätschelte beruhigend seinen Schenkel. Rai mochte recht haben, aber war Effizienz nun mal nicht immer der beste Weg. Sich nun darüber zu unterhalten, würde seiner Absicht zuwiderlaufen und er könnte das beobachten vergessen, daher verschob er es auf später. Die Arbeit wartete. Die Person, die er beobachtete, hören zulassen, dass er hier war, um genau das zu tun… Das würde nicht zum gewünschten Ergebnis führen.
“Danke für den Tipp, nicht, dass du am Ende herausfindest, was ich gegen dich plane!“ Ayato machte sich nicht die Mühe, sein geheimnisvolles Grinsen zu unterdrücken. Ob Rai es wagen würde? Lauernd sah er ihn an, bekam aber keine Antwort, wenn er nicht selbst die Grenze überschreiten und dessen Gedanken lesen würde. Irgendwann vielleicht, wenn sie sich besser kannten, allein, um ihn zu ärgern, doch momentan hatte er recht. Abgesehen davon war es nicht der richtige Ort und auch nicht die richtige Zeit.
Er zog die Hand zurück und ließ sich von Rai nicht weiter stören, kannte er dessen Proteste doch zur Genüge. Irgendwann würde dieser schon merken, dass Ayato es nur gut mit ihm meinte. Sein Blick wanderte zur Uhr, die an der Wand hing, hinter der er die Küche vermutete. Wie lang die junge Frau wohl noch arbeiten musste? Anschließend würde er sie abfangen und ihr die Erinnerungen an ihr vorheriges Leben zurückgeben, an ihr Dasein, ihre Aufgabe…
Rai entscheid sich dann einfach für eine kleine, abgeschiedene Ecke, wo er nichts dagegen hatte. Hier würde es definitiv weniger auffallen, wenn er sie im Auge behielt, während er auf ihren Feierabend wartete. So war die Wahl, wohin er sich setzte, recht leicht, als er sich auch schon Rai Gegenüber fallen ließ.
„Später konnten wir noch Billard spielen, aber ohne Tricks!“, schlug er vor und nickte zu einem Tisch in der Ecke. Dass sich sowas hier befand, wunderte ihn einerseits, andererseits aber auch nicht.
„Menschen treffen sich hier, ob sich billig zu betrinken, damit das Leben erträglicher ist.“, erklärte er. „So vergessen sie, wie schwer sie es haben, weil das Geld, welches sie haben, hinten und vorn nicht reicht.“ Wie sollte man so ein Verhalten besser in Worte fassen?
Die junge Frau kam wieder auf sie zu, um ihnen eine kleine Auswahl zu bieten, die wohl sooft nicht genommen wurde, was Ayato wirklich freute. Wie Rai wohl regieren würde? Gut, abfüllen wollte er ihn nicht, neugierig war er trotzdem. Ein Auge hatte er ja eh immer auf ihn, was sollte also passieren?
„Ich finde den mit Rosmarin und grünem Tee recht interessant, was meinst du?“, fragte er, als die junge Frau auch schon wieder verschwunden war. „Wenn du einen mit mir trinkst, verrate ich dir, was wir hier machen.“, lockte er sein Menschlein, von dem er schon wieder eine Weigerung erahnte. Das man ihn auch immer irgendwie verlocken und einen Handel schließen musste.
Entspannt lehnte er sich zurück und wartete, wie Rai sich entscheiden würde. Insgeheim hatte er sich selbst schon für den Cocktail mit dem grünen Tee entschieden, der wirklich verlockend war. Schade nur, dass er selbst keinen Alkohol bemerkte. Da war ja noch ein quengelnder Zauberer. Was der wohl macht?, fiel ihm wieder ein. Inzwischen mussten doch wirklich 100 Jahre vergangen sein, als er ihm eine neue Bar versprochen hatte.
Rai wusste selbst noch nicht einmal, warum er ihn auf seine offenen Gedanken hinwies. Immerhin wäre dies doch die beste Möglichkeit um endlich herauszufinden, was sie hier wollten. Vollkommen legal und doch kam es ihm falsch vor. Immerhin hatten sie sich versprochen nicht in den Gedanken der anderen herum zu stöbern und daran gedachte er sich auch zu halten, auch wenn das leichte Lächeln ihn neugierig machte. "So wie du lächelst heckst du eh wieder irgendetwas aus" unterstellte er ihm dreist, wohl wissend, das er damit wohl gar nicht so falsch lag. Im Laufe der vergangenen Wochen war er zwar noch immer nicht schlau aus seinem Mitbewohner geworden, doch den ein oder anderen kleinen Tick hatte er doch entdeckt und gelernt sich daran zu orientieren. So aus dieses Lächeln das meist dann auftauchte, wenn er etwas plante, was dem Psi so gar nicht behagte und ihn aus seiner Planung und Konditionierung riss. Beschweren brachte jedoch nicht wirklich etwas, so das er lieber auf der Hut blieb.
Seinem Blick folgend schmunzelte er leicht. "Wieso sollte man bei dem Spiel tricksen ?" fragte er, während er die Spieler beobachtete und relativ schnell begriff worum es ging. "Mit etwas Mathematik und dem richtig berechneten Winkeln sollte es eigentlich gar kein Problem sein zu gewinnen" vermutete er. Immerhin musste der Ball doch nur in eines der Löcher rollen. Was also sollte daran so schwer sein ?! "Wenn dann sollte ich wohl eher von dir keine Tricks fordern" drehte er den Spiess um und blickte nun ihn herausfordernd an. Immerhin war der Engel für seine Tricks bekannt und nicht umgekehrt. "Spielt man um Geld, oder einfach nur um die Zeit totzuschlagen ?" wollte er wissen, da er den ersten Grund durchaus verstehen konnte. Bei all den torkelnden Gästen sollte es ein Leichtes sein sich etwas Geld dazu zu verdienen. Eine Vermutung die durch die Aussage des Engels nur unterstrichen wurde.
Das die Menschen lieber heim gehen und ihr Geld nicht verschwenden sollten, diesen Gedanken behielt er lieber für sich. Immerhin waren Menschen schon immer irrational veranlagt und gingen lieber ihren eigenen trieben nach, statt sich wirklich zu konzentrieren.
Viel weiter kam er jedoch nicht in seinen Gedanken, da die Bedienung mit dem Kaffee kam und ihm so ein paar Sekunden blieben, um die junge Frau genauer zu betrachten. Auf den ersten Blick wirkte sie vollkommen unscheinbar und irgendwie auch fehl am Platz. Sie schien nicht in diese zwielichtige Gegend zu passen, was seine Neugierde nur noch mehr verstärkte. Was nur wollte der Engel von der jungen Frau ? Gedanken die wie wild umher wirbelten, so das er fast die Frage des Engels nicht mitbekam. Zweifelnd blickte er ihn an. Angesichts der Gäste hier war Alkohol alles andere als prickelnd und doch kannte ihn der Engel gut genug und versuchte ihn zu bestechen. "Also Bestechungen verpackt man eigentlich subtiler" wies er ihn fast schon amüsiert zurecht, während er langsam etwas Milch in den Kaffee goss. "Aber wenn du dir schon so Mühe gibst wäre es wohl mehr als unhöflich diese zurück zu weisen" gab er nachdenklich zu und ging gedanklich noch einmal die verschiedenen Komponenten durch, auch wenn er von den verschiedenen Alkoholsorten absolut keine Ahnung hatte. "Ich denke der mit dem grünen Tee" beschloss er schliesslich. Diesen hatte er schon mehrfach getrunken und erstaunlicherweise als angenehm empfunden. Somit war die Wahl gut kalkuliert und sollte nicht zu sehr schief gehen. Hoffte er jedenfalls. Hatte er doch bisher noch nie Alkohol getrunken und somit auch keine Ahnung wie dieser schmeckte, geschweige denn wie er darauf reagieren würde.
"Aber bestenfalls nach dem Spiel" schränkte er ein, ohne zu erwähnen, das er noch nie mit Alkohol in Kontakt gekommen war. Wahrscheinlich ahnte dieser es eh schon, so das es unnötig wäre es laut zu erwähnen. "Bist du oft in solchen Lokalen ?" versuchte er das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken, während er vorsichtig an seinem Kaffee nippte, welcher aber erstaunlicherweise gut war. So entspannte er sich ein wenig, blendete die anderen Gäste aus und konzentrierte sich voll auf den Engel ihm gegenüber.
„Gegen dich habe ich immer was im petto.“, grinste er Rai direkt an. Man konnte ihn fragen und schon wüsste er was, wie er Rai ärgern oder aus der Fassung bringen konnte, denn es gab so viel, was er mit ihm anstellen wollte. Auf die Nase binden würde er es ihm aber nicht, daher schoss er sich wirklich selbst ins Knie, in dem er den Engel auf die Gedanken hinwies. Zumal… nicht viele beherrschten Telepathie, wen also sollte es kümmern? Es war nicht so, dass er wichtiges bedachte.
„Um zu gewinnen natürlich. Menschen spielen oft um Geld, was das Gewinnen lukrativ macht.“, erklärte er, da er aber nicht um Geld spielen würde, hatte es kein Gewicht. Manche spielten mit Mathematik, andere aus dem Gefühl heraus und beide hätten ihre Vor- und Nachteile. Da sie so schnell nicht wieder dazu kommen würden, wäre ein Spielchen drin. „Sowohl als auch. In erster Linie wohl um Geld, andere, weil sie Zeit totschlagen wollten.“ Zudem war es minderjährigen Menschen wohl verboten, um Geld zu spielen, jedenfalls fiel es bei ihnen weniger auf. Jedoch lag die Vermutung nach, dass sie einfach keines hatten. So wichtig war es nicht, das zu verfolgen. Interessanter wäre es mit Rai ein Spielchen zu wagen. Nur weil er die richtige Herangehensweise hatte, musste es ihm ja nicht gelingen. Vielleicht gefiel es ihm?
Ayato bemerkte den Blick Rais und schmunzelte. „Was hältst du von ihr? Welchen Eindruck hast du?“, wollte er wissen und blickte ihr nach, als sie wieder verschwand. Es wäre interessant zu wissen, was ein außenstehender von ihr dachte. Was sie war, bemerkte man natürlich nicht, ber im Vergleich? Noch verriet er nichts, aber je nach dem, was Rai sagte, würde er weiter fragen, was er von ihr hielt. Ob er verriet, was sie war, würde er dann sehen. Neugierig war er in jedem Fall insbesondere, da Rai noch mal anders an eine Sache heran ging.
„Dann zeig mir doch, wie man es besser verpackt? Ich habe da nicht so viel Erfahrung drin.“, behauptete er, was insoweit hinkam, dass er Kontakt zu Menschen auf das Nötigste beschränkte, was jedoch nicht bedeutete, dass er nicht wusste, wie es ging. Hach, wie gern er ihn doch ärgerte, selbst wenn es doch manchmal ins Leere lief.
Kaum das die Wahl wegen dem Alkohol gefallen war, stand er auf, um zur Bar zu gehen und den Alkohol zu bestellen. Für Rai den mit dem grünen Tee und für sich den anderen, so konnten sie beiden kosten, ohne dass Rai dreckige Lieder sang. Sein Tun hatte auch den Grund, dass er kurz mit ihr allein sprechen konnte, auch wenn es eher das geschäftliche betraf. Es war ein einfacher versuch, Sympathie aufzubauen, damit er später mit ihr sprechen konnte. Er lächelte ihr zu und kehrte dann zum Tisch zurück, wo er an seinem Kaffee nippte.
„Du den mit grünem Tee, ich den anderen, dann können wir beide kosten.“ Das er die Entscheidung umging, dass sie den Alkohol erst nach dem spiel tranken, umging, war halb so wild. Man trank diesen langsam, nebenbei. Ihn in mehreren schnellen Zügen zu trinken, um ihm in leer zu bekommen, weil sie Feierabend hatte, wollte er Rai nicht antun.
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