Wind Beyond Shadows

Normale Version: ER - Our prime purpose is to help others
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Nervös tippte Kyoko mit ihrem Kugelschreiber auf den Block mit Papier vor ihr. Immer wieder huschten ihre dunkeln Augen zu den Desktop des PS`s vor ihr, zu den Zeichen und Werten, die sich darauf befanden. Leise piepste es im Hintergrund. Ein Geräusch, dass sie hier stetig begleitete. Wie auch die leise an ihr Ohr herantretenden Geräusche, die durch die Abtrennung des Wartebereichs drangen.

Verzweifelte Gespräche, die mit jemand anderem an dem Smartphone geführt wurden. Die nervösen, teils zornigen Schritte, eines auf- und abgehenden Wartenden. Ängstliches Weinen eines verzweifelten Kindes, dass sich an seine Mutter drückte. Wie in einem gläsernen Schaukasten zeigte der Wartebereich der Ambulanz einen faszinierenden und zugleich beängstigenden Querschnitt der Emotionen wieder. Der von Freude bis zur gänzlichen verzweifelten Wut reichte. Früh hatte Kyoko dies bereits feststellen müssen. Was für andere vielleicht beeindruckend schien, war für die Dunkelhaarige mehr und mehr ein Spiegel von den Geschehnissen geworden, die sich hinter den zugezogenen Vorhängen der einzelnen Bereiche der Notaufnahme abspielten. Den ein jeder Mensch, der dort lag, barg ein Schicksal, dass sich ebenfalls in den Wartenden wiederfand. Umso trauriger war es, wenn eben dieser Schaukasten leer blieb. Niemand auf denjenigen wartete, der dort durch ein unglückliches Ereignis Hilfe benötigte. Das war eben die traurige Seite. So barg diese Abteilung den kompletten Querschnitt durch jegliche Schichten der Bevölkerung und wies eben auch die dunkelsten Seiten auf.

Nachdenklich kniff Kyoko die Augen zusammen, sah hinauf zu dem flachen Bildschirm über ihr an der Wand, auf dem die Notfälle verzeichnet waren. Noch, zum Glück, schien es ruhig zu bleiben.

Auch wenn man es sich kaum vorstellen mag, doch Kyoko hoffte, dass es weiterhin so ruhig blieb. Denn dies bedeutete auch, dass niemand in Not war.

Obgleich die Notaufnahme recht gut gefüllt zu sein schien, so hatte Kyoko in den letzten Tagen ihrer Hospitalisierung diese ebenfalls auch schon in Hochbetrieb gesehen. Ein Vorhang wurde aufgezogen und eine der Schwestern rief sie mit einem einfachen Winken zu sich. Mit einem kleinen Kopfnicken, gab sie ihr zu verstehen, dass sie diesen Wink verstanden hatte und griff, ohne ein Muren, nach der Nierenschale aus Pappe auf der Anrichte hinter ihr. Ruhig ging sie hinüber und bereits als sie sich näherte, wurde der Geruch nach dem süßlich Erbrochenen deutlich.

„Es ist lediglich ein einfacher Magen- Darminfekt.“, hing sich die einzig anwesende Ärztin ihr Stethoskop gerade wieder um den Nacken, mit dem sie eben einem kleinen Mädchen den Bauchraum abgehört hatte, um den Hals.

„Aber da muss doch mehr sein! Sie erbricht andauernd und immer wieder!“, eine verzweifelte Mutter nahm das Kleine von hinten in die Arme, dass gerade sich wieder, nun blass und entleert, sich gegen den Oberkörper der Mutter lehnte.

Die Ärztin schüttelte freundlich lächelnd den Kopf. „Ein wenig Tee, Ruhe und die Tropfen, die ich Ihnen aufschreiben werde, werden ihrer Tochter helfen. Geben Sie sie ihr jeweils am Morgen, Mittag und Abend. Natürlich für heute Nacht ebenfalls.“

Kyoko nickte verständig, als die Ärztin diese Weisung gab. Sie wusste genau, welche Tropfen sie aufschreiben sollte. Krampflösend, würden sie der Kleinen helfen wenigstens den Tee bei sich zu behalten und damit ihrem Magen Ruhe schenken.

Auch solche Fälle gab es. Zu Hauf sogar. Einfache Infekte, die durch verzweifelte Eltern und Angehörige zu schwerwiegenden Krankheiten aufgebauscht wurden, dass eben eine Notaufnahme aufgesucht werden musste. Beruhigen, untersuchen und eben Ruhe vermitteln, dass war das Einzige was dort noch half.

Ruhig trat Kyoko zurück, zog den Vorhang wieder zu, nachdem sie die Schale der Krankenschwester gegeben hatte, die nun die Mutter weiter beruhigen würde. Leise wurden ihr die Anweisungen gegeben, welches Medikament und welche Dosierung und sie notierte es sich flink auf ihrem Tablet.

„Ich werde alles vorbereiten.“, versicherte sie der Ärztin und wollte gerade zurücktreten an den Tresen, als auf dem Bildschirm über diesem ein Notfall blinkend angezeigt wurde und der Pager an ihrem Gürtel zu vibrieren begann. Eilig scrollte sie auf ihrem Tablet hinauf, dass ebenfalls nun eine rote Warnung anzeigte.

„VU, vermutlich Autounfall. Ein Verletzter, bewusstlos. Bauchraum unauffällig. Blutdruck….“, ratterte sie nun die Werte runter, als eine weitere Warnung hereinkam. Wie schnell doch diese Ruhe umschlagen konnte

„VU, Kollision eines Motoradfahrers mit einem LKW. Ein Schwerverletzter, bewusstlos. Ein Leichtverletzter, bei Bewusstsein. Bei Ersterem - Schädigung HWS vermutet, hartes Abdomen…“, ratterte sie weiter runter und sog hektisch Luft.

Wundervoll sie waren nur zu zweit!

„Hirosue! Sie gehen mit dem Autounfall in die 3, ich mit dem LKW-Unfall in die 5 und 6!“, kam bereits die Anweisung von der Ärztin, während die fünf anwesenden Schwestern bereits begangen, die genannten Bereiche vorzubereiten.
Ich wusste, dass diese riesige Stadt niemals schlief. Nun, eine ganze Weile konnte ich auch ohne Schlaf auskommen, irgendwann zwang mich mein Körper dann dazu, aber während der Einsätze hatte ich sehr oft von dieser Eigenschaft profitiert und nur durch leichtes dösen meine Reserven aufgeladen. Hier und heute war es mittlerweile nach Mitternacht und ich selbst bewegte mich durch die breiten Straßen dieser Stadt. Es waren nicht mehr so viele Menschen wie tagsüber unterwegs, aber auch nicht so wenige wie es um diese Zeit zu vermuten wäre. Die letzten Tage hatte ich einige Ausflüge gemacht, mir das Umland angeschaut, immerhin war ich schon eine Weile hier. Ich merkte, dass ich eine kleine Pause brauchte, die Nacht würde ich vermutlich bis um die zehn Uhr verschlafen, zumindest glaubte ich das. Ich ahnte noch nicht, dass sich hier noch anderes ereignen könnte, was meine Pläne zumindest durcheinander brachte.
Ich wartete gerade an einer Ampel darauf, dass sie auf grün umschalten würde, während sich ein Wagen näherte. Kurz stockte ich, denn er war viel zu schnell und hatte rot auf seiner Fahrspur! Doch anscheinend war ihm das egal und er bog an der Kreuzung nach rechts ab! Als er den Fußgänger sah, konnte er nur noch leicht ausweichen, raste dann weiter, noch ehe ich mir das Gesicht des Fahrers merken konnte, verdammt! Die Person die er erwischt hatte war zu Boden gegangen, lag nun auf der Seite zusammen gekrümmt da und ich rannte hinüber! Währenddessen zog ich das Handy schon hervor, drückte auf die Notruftaste, irgendwo würde ich landen, sie schickten Hilfe, dass wusste ich. Das funktionierte auch hier. Nur dass ich die Angaben auf Englisch machte und sie meinen Standort orten konnten. Alles andere wäre ein normaler sachlicher Notruf, mit den Angaben des Unfalles, Fahrerflucht, einer verletzten Person. Ich kniete mich hinunter, zwei Wagen waren ebenfalls stehen geblieben und hatten sich so positioniert, dass uns nun nicht noch jemand über den Haufen rasen konnte. Auch die Fahrer wollten wohl einen Notruf absetzen, aber ich zeigte schon auf das Handy, war erledigt. Ja, ich hatte da in manchen Dingen eine gewisse Routine. Meine hände tasteten über den zusammen gekrümmten Körper, der sich von mir aber recht problemlos bewegen ließ, was mir zeigte, dass die Person das Bewusstsein verloren hatte. Ich ertastete den Nacken, dann am Rest des Körpers entlang, konnte nichts feststellen, vielleicht hatte er Glück, vielleicht war es noch nicht so schlimm... Meine Hand legte sich auf den Bauchraum, der sich darunter merklich verhärtete... das war gerade noch nicht... Ich versuchte ihn aufzuwecken, merkte die eigene Nervosität und das leichte Kribbeln in meinem Körper.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis ich die Sirenen des Rettungswagens hörte, die sich immer schneller näherten. Ich selbst fühlte mich matt, hatte immer noch kein Wort mit dem Mann am Boden wechseln können, aber immerhin hatte sich die Bauchdecke wieder entspannt. (Nathan ahnt nicht, dass er das bewirkt hat, und die Müdigkeit davon auch kommt.) Kurz mache ich die benötigten Angaben, was passiert war, wie er sich bis dahin verhalten hatte, als der Mann plötzlich die Augen leicht öffnet und seine Hand tastet. Ich greife fast schon wie aus Reflex danach, rede mit ihm leise auf Englisch:
"Ganz ruhig, bleiben sie ruhig liegen, der Rettungsdienst hilft ihnen."

Der Notarzt und die Sanitäter beginnen mit ihrer Arbeit und ich möchte beiseite rücken, merke aber auch wie die Hand mich nicht los lässt, der Griff sich verstärkt. Kurz kommt das Bild eines jungen Mannes vor mein inneres Auge, dunkelblonde Haare und grüne Augen... mein Sohn dürfte jetzt im Alter des Mannes hier am Boden sein, und in meinem augenscheinlichen menschlichen Alter, wenn ich die 'Extrajahre' mal abrechne... und ich schaffe es einfach nicht mehr mich von ihm zu lösen, bleibe bei ihm sitzen, gebe ihm die Nähe die er braucht, und sei es nur durch den Händedruck. Erst als ich an der Schulter geklopft werde, die Männer die Trage hoch heben möchten, erwache ich aus meiner Trance, nicke sachte und stehe mit auf. Ich bekomme kaum richtig mit, wie ich mit in den Wagen steige, spüre nur das Kribbeln in meinem Körper und seinen Händedruck... das ändert sich wohl erst, als der Wagen in der Klinik hält, die Türen sich öffnen und wir wieder zusammen aussteigen.

"Hier werden sich die Ärzte um sie kümmern",
rede ich sachte mit dem jungen Mann der vor mir liegt. Aber auch jetzt möchte er mich nicht gehen lassen. Vermutlich würde sich das erst ändern, wenn der Arzt ihm ein schmerzlinderndes Mittel gibt, dass ihn sachte weg dösen lässt und so den Griff löst. Ich würde bei ihm bleiben, solange er es gerade braucht. Auch wenn ich gerade etwas müde aussehe und mich auch so fühle, aber nach den letzten Tagen kein Wunder, deswegen mache ich mir darüber auch keinen großen Gedanken.
Dass ich diesem jungen Mann das Leben gerettet haben könnte, weil sein Körper durch den Wagen mehr Verletzungen hatte, die durch meine Heilkräfte verschwunden sind, dass ahne ich nicht in kühnsten Träumen, denn ich weiß nicht, wozu ich fähig bin.
Meist waren es nur wenige Minuten, wenn es hochkam vielleicht eine Viertelstunde, bis die Krankenwagen nach der Rückmeldung der Sanitäter und der Leitstelle bei ihnen aufschlagen würden. Minuten, die sich meist mit einer geladenen Spannung füllte, in der man begann erneut den Sitz der Handschuhe oder die Werte zu kontrollieren, die man bis dahin bereits von allerhand Medien entgegengeschlagen bekam. Minuten, die so unendlich wirkte, als wären es Stunden, die manch Einer schweigend vor den Schiebetüren der Notaufnahme verbrachte.

Wenige Momente des in sich Kehrens, des Luft Nehmens, bevor die Sirenen und das Licht der Signalanlage kurz einen lähmte, wie den eigenen Atem oder den Herzschlag. Niemand konnte sich diesen Moment entziehen, wenn das unausweichliche auf einen zuraste und man nicht wusste, welche Schicksale einen nun überrollen würden. Immerhin konnte das Leben grauenvoll sein.

Kyoko gehörte zu jenen, die angespannt in die mit Laternen beleuchtete Straße hinabsah, als würde sie den Sturm kommen sehen. Sie mochte diese Zeit nicht, blieben einem doch viel zu viele Moment des Nachdenkens in diesen Minuten, die dann zu einer quälenden Ewigkeit wurden. Letztlich war sie froh, dass sie sich für die Kinderchirurgie entschlossen hatte. Ja, auch dort gab es Moment des kurzen Innehaltens, doch zugleich wurde das Spiel fortgeführt, sobald man wusste, was auf einen zurollte. Ähnlich wie hier, doch die Spanne bis zur Handlung, dem Helfen an sich, war wesentlich kürzer von der Entscheidung des behandelnden Arztes gelegen. Hier in der ER war sie gezwungen zu warten. Untätig zu warten. Nichts konnte grausamer sein.

Ihre behandschuhten Finger rieben nervös aneinander und in der Kälte der Nacht löste sich ihr Atem hinauf in kleine Atemwolken von ihren Lippen. Endlich sah sie den Schimmer der Signalleisten der Rettungswagen die Straße in ein unheimliches Rot tauchen, wie auch die Sirene, die nun entfernt aufschrillten. Kyoko sog die kühle Luft tief in ihre Lungen, es ging los. Das erste Mal würde sie beinahe auf sich allein gestellt sein. Knapp sah sie hinüber zu der diensthabenden Ärztin, die ihr bestätigend zunickte. „Das ist Ihrer, Kyoko.“, schien sie sich sicher und lächelte sie aufmunternd an, ehe ein weiterer Wagen am Horizont der Straße erschien, gefolgt von einem weiteren. „Los geht`s.“

Die kühle Stille, die eben sie noch erfasst hatte, war nun fort, in jenem Moment als sich die Türen des Rettungswagens öffnete und die Trage mit dem Verletzten herausgezogen wurde. Daten wirbelten ihr um die Ohren und Kyoko nickte jede ab, während sie selbst nun mit einer kleinen Lampe die Pupillenreaktionen des jungen Mannes prüfte. „In die drei mit ihm.“, warf sie bittend nur einen der Sanitäter zu, der bereits losrollte. Zitternd hielt die blasse Hand des jungen Mannes die eines Älteren. Eines Amerikaners oder Europäers? Kyoko war dies herzlich egal. Sollte der Junge doch letztlich jede Hilfe bekommen die er benötigte. Eilig huschte sie an dem Tresen vorbei. „Ich brauche noch eine Schwester in der drei.“ , schätzte sie wohl die Verletzungen des jungen Mannes als nicht so schwer ein.

Dennoch waren ihre Schritte eilig, mit denen sie nun den länglichen Flur entlanghuschte. Ihr Herz schlug ihr bis zum Halse, als sie alle Punkte in ihrem Kopf durchging. Atmung…Blutdruck….Puls…Augen…Herz…., ratterte sie sich selbst immer wieder innerlich herunter, als sie nun den Vorhang zur Seite schob. Der Sanitäter nutzte sofort die Gelegenheit um ihr die wichtigsten Werte und Fakten an den Kopf zu werfe, die die Krankenschwester, die ebenfalls nun hereingetreten war, auf dem Tablett notierte. „Naoki Koyama, 17 Jahre, angefahren von einem Wagen, als er gerade die Straße überqueren wollte. Werte sind schwankend…“, wurde sie ebenfalls mit instruiert und sie nickte sich bedankend dies ab, war sie doch damit beschäftigt den jungen Naoki an die Monitore anzuschließen und ihm erneut in die Augen zu sehen. „…offene Oberschenkelfraktur, Platzwunde am Kopf und…“, begann man die Liste der offensichtlichen Wunden nun aufzusplittern.

Kyoko liess sich von dem allem nicht beunruhigen. Ruhig tastete sie vorsichtig die Halswirbelsäule des jungen Mannes ab, der unter ihren Händen nun vor Schmerz sich verkrampfte. sofort zog sie ihre Finger zurück. „Herr Koyama , ich bin Kyoko Hirosue. Ich werde mich um Sie kümmern. Können Sie mir erzählen was passiert? Wo sind sie aufgekommen?“, versuchte sie etwas von dem jungen Mann zu erfahren, der jedoch schnaufend und keuchend weiter schwieg. Kritisch sah sie knapp zur Seite, als erneut die Werte die der Monitor zeigte leicht absackte. Was zum Teufel war das nur? „Herr Koyama , bitte sprechen Sie mit mir. Ich muss wissen, was genau geschehen ist.“, diente diese Information nicht nur der Ermittlung der Verletzungen, sondern auch sorgte das Sprechen dafür, dass der junge Mann bei Bewusstsein blieb. Doch der junge Mann schwieg, vollkommen eingenommen von seinen Schmerzen. Mit einem Nicken und leisen Worten wies sie die Krankenschwester an, dem jungen Mann einen Zugang zu legen, während sie selbst nun eilig ein Schmerzmittel aufzog. „Entschuldigen Sie.“, schob sie sich dabei in der engen Kabine an Nathan vorbei. „Und Sie sind ein Bekannter oder Verwandter von Herrn Koyama?“, fragte sie während der Untersuchung und spritzte vorsichtig nun ein Schmerzmittel in den angeschlossenen Tropf. „Ich brauche ein MRT von Kopf und der HWS. Röntgen des Beines.“, wies sie eilig und doch in Ruhe an.

Behutsam legte sie den Bauch des Jungen frei, betasteten ihn vorsichtig und sah erneut misstrauisch zu den Werten. „Ich brauche ein anderes Pulsoxymeter.“, bat sie ruhig die Schwester. „Bitte kontrollieren Sie die Anschlüsse…“, schüttelte sie misstrauisch ein wenig ihren Kopf. Etwas stimmte hier nicht. Der Bauchraum war weich, dann fühlte sie doch Stellen, die sich begangen zu verhärten. Ebenfalls waren seine Werte auf einer einzigen Berg- und Talfahrt. „Das Bein und der Nacken müssen vorläufig fixiert werden.“, wies sie immer noch in Gedanken an und sah zu den Mann, der weiterhin die Hand des Jungen hielt. „Können Sie sagen, was geschehen ist?“, wollte sie diesen merkwürdigen Werten auf den Grund gehen. „Haben Sie etwas beobachtet?“, wirkte selbst der Mann nicht ganz so frisch. „Sir? Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“, wechselte sie in das Englische, als er nicht sofort zu reagieren schien.

Ein Handy klingelte und sie ging knapp dran. „Er kann nun in das MRT.“, gab sie der Schwester die Anweisung und deutete auf die Apparate. „Achtete weiterhin auf die Werte. Ich traue dem nicht.“, erschien ihr doch merkwürdig, was sie im Bauchraum ertastet hatte. „Herr Koyama, wir bringen sie nun in das MRT. Das geht sehr schnell. Sie werden nichts davon spüren. Ich habe Ihnen ein entsprechendes Medikament gegeben.“, versicherte sie beruhigend dem jungen Mann und sah dann zu dem Dunkelhaarigen, der offenbar die moralische Stütze nicht aufgeben wollte.

Leise hörte man, wie sie einen Handschuh auszog und den wegwarf. Behutsam legte sich eine zierliche Hand auf die von Nathan. Es war nicht ungewöhnlich, das Angehörige oder auch Zeugen eines Unfalls die Menschen, die sie moralisch begleiteten, nicht loslassen konnten. „Er ist in guten Händen und wird gleich wieder hier sein.“, lächelte sie den müden Mann an. „Lass Sie los.“, forderte sie ruhig und dennoch sanft und neigte leicht ihren Kopf ein wenig zur Seite. „Ich werde Sie mir in der Zwischenzeit ansehen.“, kam ihr dessen Zustand etwas komisch vor. War er womöglich sogar der Fahrer, der nun von seinen Schuldgefühlen überrannt wurde?
Dieses Gefühl der Wartezeit kannte ich genau. So fühlte es sich auch an, wenn wir zu Einsätzen unterwegs waren, der Kopf noch schnell alles durch ging, ob alles bereit war, ehe der Hummer oder Heli sein Ziel erreichte.
Ich selbst war gerade allerdings sehr weit von diesem Zustand entfernt, zumindest nachdem ich den Rettungswagen alarmiert hatte. Denn sonst hätte ich wohl kaum einen Siebzehnjährigen auf dreißig Jahre geschätzt, oder? Vielleicht war es auch einfach seinem Zustand geschuldet. Sein Körper reagierte durch den Schock mit einer sehr blassen Hautfarbe, was auch schon verfremdet. Und wer weiß, vielleicht spielte mir da auch einfach mein Kopf einen Streich, hatte sich der heimliche Wunsch Kontakt zu meinem Sohn zu haben hervor geschlichen. Doch dies war nicht mein Sohn. Es war eine fremde Person die Hilfe brauchte.
Durch die Marines hatte ich da eine gewisse Vorbildung/Ausbildung, um im Einsatz helfen zu können, bis der Rettungstrupp da wäre, das hatte jeder von uns. Meine Hände hatten den Körper vorsichtig abgetastet und am Oberschenkel gespürt dass da etwas nicht in Ordnung sein könnte, aber so ganz hatte das meinen Kopf wohl noch nicht erreicht, erst als die Ärztin davon sprach, da wurde ich mir dessen wieder bewusst. Dass meine Handfläche automatisch auf dem Bauchraum liegen blieb, merkte ich ebenfalls kaum. Aber immerhin entspannte es sich darunter, meiner Meinung nach durch die Berührung. Dass es da eine Verletzung gab, die durch mich teilweise geheilt wurde, ich hatte keinen blassen Schimmer. Vermutlich wäre er sonst schon innerlich verblutet, ehe wir zusammen die Klinik erreichten? Denn durch den Kontakt unserer Hände blieb auch die heilsame Verbindung erhalten, die mir allerdings einiges an Energie kostete.
Ich war immer davon ausgegangen, dass ich mein Dasein durch die Hilfe für andere bezahlte, denn wer bekam so etwas schon umsonst geschenkt? Dabei opferte ich dann auch hier und da eines meiner Leben, was mir aber kaum etwas ausmachte, denn meistens hatte ich schon dabei die Gewissheit, dass alles gut wurde. Ich wusste nicht, dass auch die 'heilenden Hände' zu dem Plan gehörten, ich danach meine Energiereserven aufladen musste.
Wir erreichten die Klinik und hier erwachte ich beim Stillstand des Rettungswagens wieder aus meiner Trance, verließ ihn weiterhin Hand in Hand mit dem jungen Mann auf der Trage. Eine junge Frau stand schon bereit, die offizielle Übergabe erfolgte und die Informationen tackerten wie im Flipperautomaten durch meinen Kopf, ohne dass ich sie fassen konnte, da ich nichts verstand. Ich ging durch meine Größe etwas gebeugter nebenher, meine Schritte passten sich der Geschwindigkeit der Trage an, während mein Blick teils die Umgebung sondierte, ob alles frei war, teils auf das blasse Gesicht zurück kehrte. Genauso sah es wohl auch aus, wenn ich einen verletzten Kameraden begleitet hatte, sondieren und begleiten... "Schön hier bleiben", drückte ich ab und an leicht seine Hand, wenn ich den Eindruck hatte er könnte abdriften. Mir war klar, dass ich ihn nicht ewig so wach halten konnte, aber für die Hauptarbeit war ja schließlich die Ärztin da. 'Werte sind schwankend', bei den Worten würde ich nur mühsam lächeln, meine fühlten sich auch gerade nicht so prickelnd an und es wurde immer schlimmer...
Mir pochte die Stirn, mein Oberschenkel zog merklich und ich konnte nur mit Mühe ein leichtes Humpeln vermeiden, und auch mein Rücken schmerzte, von dem Druck in meinem Bauchraum ganz abzusehen! Okay, Nathan, jetzt fängst du an zu spinnen... Als die Ärztin die Halswirbelsäule abtastete, zog es dort auch bei mir stärker, aber ich konnte es noch überspielen. Ich atmete durch, die Probleme bei mir wurden weniger, die Werte bei ihm sanken! "Nicht locker lassen", kam es leise im typischen Amerikanisch über meine Lippen. Auf die Idee für ihn zu antworten kam ich nicht, ich konnte kein Japanisch... Schnell wurde noch ein Zugang gelegt, über den ersten gab es schon eine Infusion zur Flüssigkeitsversorgung, und erst als sie mich dann ansprach, kam ein leichtes Kopfschütteln. Aber aus dem Grund dass ich sie nicht verstand.
Flinke Hände legten den Stifneck und das Beinpolster an, damit beides fixiert war. Wieder begannen die Werte zu schwanken und in mir stieg ein flusiges Gefühl auf. (Bin mir nicht sicher, ob er da das Schmerzmittel leicht spürt. Alles verrät er mir leider auch noch nicht.) Wieder sprach sie mich an und ich schaute fragend zu ihr hinüber, ehe sie ins Englisch wechselt! "Ja, mir geht es soweit gut. Bisschen müde." Untertreibung (!), aber alles andere würde sie mir doch nicht glauben!
Das flusige Gefühl in meinem Kopf verstärkte sich und ich atmete merklich durch, strich mir kurz mit der freien Hand über die Schläfe, ehe ich ihre Hand auf meiner realisierte! Sie war so schmal uns zart, die Berührung sachte wie ein Schmetterling, auf meiner großen 'Pranke', auch wenn diese Hände durchaus auch zart sein konnten. Langsam verstärkte sie den Druck und ich löste meine Finger: "Oh, tut mir leid. Nein, es ist alles gut, ich wollte nichts aufhalten", und ich zog meine Handzögernd zurück, ließ damit den Jungen alleine... "Mir geht es gut, ich bin von dem Tag nur müde...", murmelte ich, während die Trage mit ihrem Passagier zu weiteren Untersuchungen geschoben wurde.
Langsam ließ der Druck in meinem Kopf und Bauch nach, auch das Ziehen in Oberschenkel und Nacken verschwand und normalerweise hätte ich mir das zusammen reimen können, aber mein Kopf war dazu gerade nicht mehr fähig. (Das ist so gewollt, damit er seine Fähigkeit nicht erkennt. Noch nicht Tongue ) "Ich hatte angerufen. Er ist von einem PKW beim Überqueren der Straße komplett erwischt worden. Er hatte grün, der Wagen rot, der Fahrer flüchtete, ehe ich Gesicht oder Kennzeichen sehen konnte", sprudelte es leise hinaus, als ob mein Kopf jetzt alle erforderlichen Informationen nachholen wollte. Vermutlich hatte auch mein Körper mit einem Adrenalinschub reagiert, der durch die Berührungen wieder abgeflacht wurde. Zumindest war auch das flusige Gefühl in meinem Kopf fast weg. Alles sehr eigenartig, doch schaffte ich es nicht mir da einen Reim drauf zu machen. Ich hatte längst vergessen, was für 'Schmerzen' ich noch vor einem Moment spürte! Es war einfach aus meinem Gedächtnis verschwunden!
"Mich ansehen? Alles soweit in Ordnung. Ich brauche nur eine ordentliche Mütze voll Schlaf." Zumindest war das meine eigene Einschätzung. Wobei meine Werte schon einen ziemlich erschöpften Eindruck vermuten ließen und ich hatte Durst! Ich schluckte trocken, doch das Gefühl bleib. Ich merkte, wie mein Blutdruck langsam sank, ich musste etwas trinken! "Könnte ich bitte etwas Wasser haben?" kam es heiser. Okay, ich wusste, dass ich darauf achten musste, hatte heute im Laufe des Tages auch schon meine vier Liter durch, wobei es durch die Bewegung auch noch ohne Probleme ein Liter mehr sein könnte. Kurz schlich sich der Gedanke ein, ob ich einen leichten Schock haben könnte, da ich auf die Situation ja nicht vorbereitet war, aber meist kam der nur bei Verletzungen, und ich war definitiv nicht verletzt. Und dennoch fühlte ich mich gerade matt. 'Ich war einfach heute sehr lange unterwegs.' versuchte ich eine logische Erklärung zu finden. Vielleicht fehlte auch ein kleiner Imbiss, aber das machte sich nie so stark bemerkbar wie zu wenig Flüssigkeit. Wenn es mir möglich wäre gerade zu reflektieren, ich hätte schnell eine Erklärung. (Die Heilkräfte entziehen Energie, die er durch Wasser auffüllen muss. Genauso wie er nach dem 'Erwachen' durch die Regeneration auch gut mindestens zwei Liter bräuchte, wenn er mal wieder ein Leben abgegeben hatte.) Reflektieren war allerdings gerade nicht möglich. "Schafft er es?" versuchte ich es dann mit Ablenkung, plötzlich aus dem Nichts heraus, ja, ich machte mir Sorgen um den jungen Mann...
Ein portable Gerät wurde an dem Bettgestellt des Patienten piepend und blinkend eingehakt. Der Infusionsständer bekam ebenfalls einen Platz an dem Gestellt und ruckte nun leicht, mit der rollbaren Liege, die nun aus der Verankerung gelöst wurde. Wohl aus Schreck, verzog der junge Mann darauf zischend sein Gesicht, wobei er sich immer noch weigert zu sprechen. Er wirkte benebelt von dem Schock und natürlich von dem Medikamenten, die man ihm nun gegeben hatte. Kyoko betrachtete ihn erneut kritisch, wie auch die Werte auf dem Pulsoxymeter, dessen Patches sie gerade noch einmal überprüft hatte. Sie konnte sich nicht helfen, es war ein merkwürdiges Gefühl in ihrer Magengegend der ihr sagte, nicht auf die Werte des sonst so zuverlässigen Gerätes zu vertrauen. Es war ein Unbehagen, als würde sie etwas warnen, dass hier etwas nicht stimmen konnte.

„Moment.“, behielt sie ihren Patienten weiter im Auge und kontrollierte abermals den Bauchraum des Jungen, der lediglich leise unter ihren Fingern keuchte. Harte, murmelartige Bereiche fühlte sie unter ihren Fingerspitzen. Beunruhigend und doch so gering, dass man es als unwesentlich einstufen konnte. Unwesentlich, wenn sie sich nicht vergrößerten. Nach Ruhe suchend, fern von der Hektik die sie umfing provoziert von Geräten, Gesprächen und Schmerzenslauten, schloss sie ihre Augen. Sie brauchte ein Bild vor ihrem inneren Auge und doch schaffte sie es nicht dieses sich heraufzubeschwören. Nachdenklich schüttelte sie den Kopf. Manchmal wünschte sie sich tatsächlich direkt in ihre Patienten hineinsehen zu können. „Ich trau der Sache nicht.“, gab sie der Schwester weiter und presste ihre Lippen knapp aufeinander, mit sich selbst um eine Entscheidung ringend. „Ein MRT vom Bauchraum bitte zusätzlich.“, wies sie dann letztlich an, auch wenn sie ahnte, dass bei einem fehlenden Befund womöglich bei ihrem Stationsarzt vorsprechen müsste. Dennoch. Sie wollte es nicht riskieren. Dieses merkwürdigen Verhärtungen konnten Blutungen sein. Einblutungen in das Gewebe, dass dann darunter anschwoll. Es war die Lage der punktuellen Blutungen, die sie störte. Leicht unterhalb der untersten Rippe. Leber…Milz…spekulierte sie und konnte doch nichts richtig zuordnen. Je schneller nach dem jungen Mann nun gesehen wurde, umso besser.

Mit musternden und doch freundlichen Blick, wandte sie sich an den Begleiter des jungen Mannes, der ebenfalls etwas mitgenommen wirkte. „Sir.“, ermahnte Kyoko den dunkelhaarigen Begleiter des jungen Mannes noch einmal sanft und drückt leicht mit ihrer Hand zu, die sie eben auf seine gelegt hatte. „Sie sollten nun loslassen. Er ist wirklich in guten Händen, dass versichere ich Ihnen.“, wollte sie ihm scheinbar die Sorge nehmen, mit der er sich an die Hand des anderen zuvor geklammert hatte und nun lediglich langsam los liess. „Da bin ich mir sicher.“, lächelte sie ihn sanft an, als er meinte, dass er nichts aufhalten wollte, während die Schwester und der Pfleger nun ihren Patienten eilig aus dem mit Vorhängen abgetrennten Bereich der ER schoben. Man hörte das seichte Rattern der Liege noch wenige Meter, als sie den Flur entlangeilten und nun hinter der nächsten Doppeltüre verschwanden. „Nichts muss Ihnen leid tun.“, zog sie leicht den Vorhang wieder zu, um nun ihn vor den neugierigen Blicken der eintreffenden Angehörigen der Patienten dieser zwei Unfälle zu schützen.

Ein wenig neigte sie musternd ihren Kopf von einer Seite zu der anderen. „Setzen Sie sich.“, forderte sie freundlich, wirkte er doch ein wenig durcheinander. Zudem schien er leicht zu schwanken und seine Pupillen waren etwas verkleinert. Ruhig zog sie zwei neue Handschuhe aus dem Spender. „Waren Sie bei dem Unfall dabei?“, versuchte sie erneut seine Aufmerksamkeit zu erhaschen und setzte sich auf einen kleinen Rollhocker vor ihm. „Er schein großes Glück gehabt zu haben.“, begann sie ruhig und legte ihre Hände auf ihre Oberschenkel. Es juckte ihr in den Fingern den Mann vor ihr zu untersuchen. Er wirkte benebelt, beinahe als habe er getrunken oder Drogen genommen. Oder es war schlicht der Schock. Ruhig hörte sie ihm zu, als er nun von dem Unfallgeschehen erzählte. „Haben Sie gesehen ob er seitlich getroffen wurde?“, fragte sie ruhig und zog eine kleine Stiftlampe hervor und leuchtete ihm vorsichtig in die Augen. Unter seinem Einwand, dass er lediglich eine Mütze voll Schlaf benötigt, hob sie kritisch ihre Augenbrauen.

„Nun. Sie sind blass. Schwanken beim Stehen. Ihre Sprache ist fahrig. Dies ist mehr wie Müdigkeit.“, lächelte sie ihn bestimmt an und zog nun den einen Handschuh aus. Es waren warme Finger, die sich nun um sein Handgelenk legten und seinen Puls abnahmen. Kritisch verzog sie erneut ihr Gesicht und behielt die Werte für sich, als sie nach der Blutdruckmanschette griff. „Natürlich können Sie das.“ , legte sie ihm diese behutsam um, drückte einen Knopf und liess diese aufpumpen. Während das Gerät die Daten erfasste, erhob sie sich und ging hinüber zu einem Waschbecken. Aus einem Schrank zog sie einen einfachen Becher, füllt ihn. „Der Junge hatte großes Glück, dass jemand in der Nähe war und ihm direkt half.“, sprach sie ruhig. „Er wird Ihnen dafür sehr dankbar sein, wenn er wieder bei Sinnen ist. Im Moment ist er noch betäubt von den Schmerzmitteln. Das wird noch ein wenig anhalten.“ Das Gerät piepte laut und sie reichte ihm dabei den Becher. „Hier, trinken Sie.“, lächelte sie ihn freundlich an. „Ihr Blutdruck ist ganz schön im Keller.“, bewertete sie die Werte auf dem Gerät, setzte sich erneut auf den Rollhocker und rollte damit ein wenig zur Seite. „Ich gebe Ihnen ein wenig Kochsalzlösung mit Elektrolyten. Das sollte etwas ihren Blutdruck puschen“, zog sie bereits einen Beutel hervor und mischte, bis sich die Flüssigkeit leicht gelb verfärbte. „Es ist ungefährlich und harmlos.“ Kam sie wieder zu ihm und zog alles hervor, um ihm einen Zugang zu legen. „Sie sollten meine Hilfe annehmen.“, lächelte sie ihn freundlich an und sah zu ihm auf, wohl um seine Erlaubnis zu erbitten. Ohne diese würde sie nicht fortfahren.

„Ich hoffe, dass er es schafft. Im Moment sieht es gut aus. Danke Ihnen.“, war sie sich sicher und öffnete bereits die Packungen für die Nadeln. „Meist sieht es auch schlimmer aus, als es ist. Bei ihm…mach ich mir allerdings Sorgen um seine Werte. Sie sind schwankend.“, gestand sie ein. „Ich glaube, es ist sicherer, wenn ein Oberarzt sich ihn anschaut, sobald er von dem MRT wiederkommt.“ , sah sie nun erneut zu ihm hinauf, deutlich war er größer wie sie.
Nach und nach war er mit allem versorgt worden, was gerade benötigt wurde, um seinen Zustand zu überwachen. Die portablen Geräte sind dafür optimal und gehören natürlich zur üblichen Krankenhausausstattung dazu, nicht dass es auf dem Weg zu weiteren Untersuchungen noch böse Überraschungen geben könnte. Dass ich seine Werte durch mein unbewusstes Handeln verändert hatte, ahnte ich nicht, würde aber verstehen, wieso sie so kritisch wirkte, denn dass war eindeutig nicht normal. Aber immerhin hatte er dadurch bei mir Vorteile, denn dadurch hatte ich ihm wohl bis hier hin das Leben gerettet. Als ob ich mir darauf was einbilden würde, wieso?
Es war gut, dass sie da auf ihre innere Stimme hörte und eine weitere Untersuchung einberaumte. Bis dahin würde ich die inneren Verletzungen nicht mehr stoppen und sie konnten auf den entsprechenden Bildern erkannt werden. Es hatte ihm eindeutig mehr Zeit verschafft. Aber das ahnte ich auch nicht, war ein klein wenig mit mir selbst beschäftigt und der Tatsache, dass mein eigener Körper gerade recht zickig reagierte, was ich natürlich nicht zugeben wollte, aber wie sollte ich ihr das bitte erklären, ohne die Wahrheit zu sagen. Und die erfuhren nur sehr wenige, wirklich wenige Personen.
Ich setzte mich hin, das Schwanken meines Körpers hörte dadurch komplett auf, aber mein Blick blieb immer noch ziemlich benebelt. Getrunken, Drogen? Oh, da müsste ich das Doppelte intus haben wie ein normaler Mensch, um die normale Wirkung zu erzielen, was im übrigen auch für jegliche andere Medikamente galt. Auf ihre Frage, ob ich dabei war, nickte ich kurz: "Ja, ich war genau an der Ecke der Kreuzung." Zögerlich konnte ich meine Aufmerksamkeit nun doch direkt auf sie richten, da die Schmerzen und anderen Erscheinungen aus meinem Gedächtnis und Körperempfinden verschwunden waren, wenn es nur mit der Müdigkeit auch passiert wäre, aber die hielt sich hartnäckig. "Seitlich, er hatte den Wagen nicht einmal kommen sehen, so schnell ging es..." und in meiner Stimme war doch ein Groll zu hören, wenn ich doch nur zumindest das Kennzeichen erkannt hätte, aber ich war in dem Moment so auf den jungen Mann zu gestürmt, der nach seinem Sturz auf die Straße viel zu ruhig liegen geblieben war. Meine Pupillen reagierten beidseitig gleichmäßig, auch wenn sie eher Stecknadelkopfgroß waren.
"Leichter Schock?" kam es eher fragend, auch wenn ihre Beschreibung mir deutlich machte, dass ich doch recht matschig aussehen durfte. Mein Puls war... schnell, flach... eindeutig zu niedriger Blutdruck, man könnte meinen meinem Körper würde einiges an Blut fehlen, aber das fehlte eher dem jungen Mann dort, zumindest in den Bereichen wo es sein sollte. Ich hielt ihr brav meinen Arm hin, so dass sie die Manschette befestigen und das Gerät starten konnte, was dann auch brav meine Werte maß, autsch, niedrig bis arg niedrig, man Nathan! Da das Gerät ja noch arbeitete, vermied ich das Sprechen und nickte nur, als sie mir von dem Jungen erzählte und mir den Becher gab. Den führte ich an meine immer noch recht blassen Lippen und trank ihn in wenigen Zügen leer, wobei sie nicht ahnen konnte, dass das Wasser es nicht einmal bis zu meinem Magen schaffte, sondern schon vorher in meinem Körper verteilt wurde!
"Ich merke es, sitzen ist schon angebracht gerade...", gab ich kleinlaut zu, stehen könnte ich momentan nicht mehr, dessen war ich mir durchaus bewusst. Als ich den Infusionsbeutel sah, hob sich eine Augenbraue doch ein klein wenig, nicht wegen der Nadel, eher wegen der Inhaltsstoffe und ich sah sie so direkt wie möglich an: "Ist da Glukose dabei? Dann sollte ich mich hinlegen, die ist bei mir nämlich das beste Schlafmittel. Und nein, ich weiß nicht woher das kommt, aber ich komme gut damit klar." Ein sachte Lächeln mildert die sachlichen Worte ab und ja, ich hielt ihr wieder meinen Arm hin. Ich hatte keine Probleme mit Nadeln. Allerdings könnte es sein, dass sie etwas sah, was bei einem Menschen nicht normal war. Denn mein Körper würde versuchen, die Flüssigkeit aus dem Infusionsbeutel so schnell wie möglich in sich hinein zu ziehen, weil er sie benötigte. Soll heißen, sollte sie den Regler komplett aufmachen, könnte sie dabei zuschauen, wie sich der Infusionsbeutel mit doch recht merklicher Geschwindigkeit leerte! Sollte Glukose dabei sein, viel Spaß Nathan, schlaf gut! Aber zum Glück kippte ich nicht einfach so aus den Latschen, das war mir nie passiert, also noch genug Zeit mich eventuell hinzulegen.
"Schwankend? Das ist eigenartig?" Nein, natürlich konnte ich ihr nicht mehr sagen, dass ich seine Schmerzen gespürt hatte, denn jemand verhinderte eindeutig, dass ich zu gute Schlussfolgerungen ziehen und damit eines meiner letzten Geheimnisse erkennen konnte...

(Ich lasse da so manches offen, je nachdem wie es bei ihr passt^^)
Es war ein stetiger kritischer Blick, den Kyoko auf die Geräte, als auch auf den jungen Patienten vor sich hatte. Sicherlich, anhand der Werte war er mehr wie stabil und doch legte sich um ihren Magen ein merkwürdig eisig kühles Band, dass sich mehr und mehr zusammenzog. Zweifel, die nun in ihr wuchsen und sich nun erneut in ihrer Skepsis äußerten. Keine Zweifel über ihr Tun oder dem der Schwester, die ihr Bestes gaben den jungen Patienten nun so weiter zu betten, dass man ihn zu dem angeordneten MRT transportieren konnte. Sehr wohl lagen ihre Bedenken mit dem, was sie an den Werte auf den Display der sonst so zuverlässigen Geräte wiederfand. Etwas was sie veranlasste sich noch einmal den Bauchraum des Patienten anzunehmen, diesen behutsam abzutasten.

„Wechselt bitte das Pulsoxymeter, wenn ihr bei dem MRT angekommen seid.“, bat sie noch die Schwester, während sie das Stethoskop nun um ihren Nacken legte, nachdem sie auch ihr gegenüber ihre Bedenken mitgeteilt hatte.

Selbst als nun die leisen Rollen des Bettes rauschend über den PVC-Boden geschoben wurden, sah die diesem Patienten noch hinterher. Ein MRT würde sicherlich mehr Aufschluss über all dies bieten, als ihre Finger und ihre Gespür und dennoch überkam die junge angehende Ärztin ein schlechtes Gefühl, als habe sie gerade einen großen Fehler begangen. Einer Intuition, der sie knapp nun ihre Gedanken schenkte, dabei in ihrem Geist Seite für Seite der Fachliteratur durchblätterte. Doch nichts schien darauf hinzudeuten, weswegen ihr Magen rebellierte und weiterhin dieses schlechte Gefühl mit Unbehagen fütterte.

So brauchte sie einen Atemzug, wenn nicht sogar zwei, um sich des anderen Mannes nun mehr und mehr gewahr zu werden, der offensichtlich selbst mit sich zu kämpfen hatte.

Umso froher war sie, als der Dunkelhaarige nun ihrer freundlichen, wenn auch bestimmenden Aufforderung nachkam und sich endlich auf einen Stuhl in der Ecke setzte, während sie neue Handschuhe über ihre Finger zog. Mit einem freundlichen Lächeln zog sie nun einen kleinen Roll-Hocker aus der Ecke hervor und setzte sich vor ihm. Deutlich musste sie sich nun strecken, um ihm untersuchend in die Augen zu sehen. „Wie ist Ihr Name?“ Jeglicher ihrer Blicke schien darauf ausgerichtet zu sein Wissen zu sammeln, sich diesen zu merken und für sich auszuwerten. „Sie haben also alles gesehen?“, fragte sie vorsichtig nach, während sie erneut seine Pupillenreaktion überprüfte, nur um die kleine Taschenlampe dann erneut in der Brusttasche des Kittels verschwinden zu lassen. Verständig nickte sie nun, während sie betreten ihre Lippen aufeinanderpresste. „Unfälle dieser Art geschehen schnell in der Dunkelheit. Leider. Ich vermute, dass die Polizei später noch mit Ihnen sprechen möchte.“, lächelte sie ihn an. „Dann waren Sie es, der angerufen hatte?“, hörte man bereits das leise Ratschen des Klettverschlusses des Blutdruckmessgerätes. Geschickt verwickelte sie ihn in ein Gespräch, um zumindest die wenigen Grundwerte für sich verzeichnen zu können und vor allen Dingen um ihr Gewissen zu beruhigen, dass sie tatsächlich alles für die Unfallbeteiligten, und das war eben auch er als Zeuge, getan hatte.

Das leise Grollen nahm sie war und kurz hielt sie inne, während sie jegliches kleine Puzzleteil in ihrem Kopf zusammenfügte. „Es war also Fahrerflucht.“, betreten drückte sie auf den Knopf um die Messung des Blutdruckes auszulösen, nachdem sie ihm die Manschette umgelegt hatte. „Ich hoffe, dass irgendwelche Aufnahme von der Verkehrsüberwachung dort exzitieren, dass sie den Verursacher finden.“, konnte sie ihre Meinung nun nicht zurückhalten und nickte nun bei seiner Nachfrage über den Schock. Doch dies war bevor sie nun knapp auf die Werte seines Blutdruckes sah. Irritiert zog sie ihre Augenbrauen darüber zusammen, noch während sie bereits hinüber zu dem kleinen Schrank trat, um einen Infusionsbeutel hervorzuziehen. „Ja…“, lachte sie nun leise und ihre Augen schienen ein wenig sogar zu funkeln, wohl in der Freude, dass er erkannte hatte, dass sie doch wohl recht gehabt hatte, dass Sitzen wohl besser war. „Nicht direkt.“, hielt sie nun erneut bei dieser Frage inne und sah zu ihm auf, bereits mit der Nadel in der Hand. „Es ist ein geringer Wert an Glykose enthalten.“, informierte sie ihn und legte nun ihre Hand auf seinen dargereichten Unterarm. „Sie Schlafen dadurch?“, hinterfragte sie weiter und erwiderte unsicher sein sachtes Lächeln. Der Beutel in ihrer Hand sank jedoch auf ihren Schoss. „Ein sehr merkwürdiger Umstand. Woher kommt dieser? Wurde das schon einmal bei Ihnen untersucht?“, wollte sie wissen und rollte erneut rüber. Wohl war ihr die Gefahr etwas falsch zu machen doch zu groß. Mit ruhigen Bewegungen zog sie einen neuen Infusionsbeutel hervor, zog erneut eine weitere Spritze mit einer gelblichen Flüssigkeit, dieses Mal aus einer anderen braunen Flasche, auf und spritzte es direkt in den Beutel. „Mhm…wir sollten vorsichtig sein. Ich möchte Sie nicht ausknocken.“, schmunzelte sie nun und legte ihm bereits den Zugang, da er wohl mit dem dargereichten Arm sein Einverständnis gab. „Also nur Kochsalzlösung. Die Flüssigkeit wird Ihnen gut tun.“, versicherte sie ihm und klemmte bereits den Beutel an.

Mit einem kontrollierenden Blick sah sie auf den Beutel, dann auf das kleine Plastikventil, dass sie nun vorsichtig öffnete. „Durchaus. Leider.“, erwiderte sie noch in ihrem Tun. „Es ist beinahe, als wäre es gerade erst geschehen. Ich…“, sollte sie zugeben, dass sie sich unsicher war? Das sie glaubte etwas übersehen zu haben? „Ich vermute, dass das Gerät defekt ist. Wenn er so getroffen wurde, wie Sie es mir berichten, dann sollte er mehr wie nur kleine punktuelle Einblutungen haben. Es ist….“, sie seufzte mit einem Mal und sah von dem Beutel fort, der sich nun tatsächlich zügig entleerte, hin zu ihm. „Mit gefällt etwas nicht und ich bekomm es noch nicht zu fassen. Es ist lediglich mein Gefühl. Die Werte schwanken. Als er hereinkam waren sie gut, doch nun fallen sie wieder.“, schüttelte sie nachdenklich den Kopf, ehe plötzlich ihr Piepser losging und sie eilig darauf sah. „Was…?“, Blässe zeigte sich mit einem Mal in ihren geschockten Zügen, die sie dann doch schnell wieder unter Kontrolle hatte. „Entschuldigen Sie bitte…der Junge…ich muss schnell zu ihm.“
Ich ahnte nicht einmal, dass ich das Befinden des jungen Mannes dahingehend positiv beeinflusst hatte. Ich würde es auch nicht erfahren, denn mein Kopf ist in dem Bereich einfach blockiert, es erkennen zu können. Da hatte jemand für gesorgt, der mir meine Fähigkeiten schenkte. Ich hoffte natürlich, dass der Patient den Weg gut schaffte und die nachfolgenden Untersuchungen und festgestellt wurde was ihm fehlte. Und dass er sich erholte, aber das lag nicht in unserer Hand, das Personal hier gab sein Bestes.
Oh ja, ich merkte, dass sitzen eindeutig besser war, das gab ich ja auch zu, damit hatte ich keine Probleme. Mein Blick wandert in ihren und ich antworte: "Nathan Nilsen." Ein Nicken folgte: "Ja, ich bin ja genau auf diese Kreuzung zugelaufen. Ich habe angerufen, ja." Immerhin war ich froh, dass ich dafür kein Japanisch brauchte.
"Nun, das denke ich auch, ist halt so." Ich nicke sachte, das war mir schon klar, dass die Polizei da noch mit mir reden wollen würde. Damit hatte ich kein Problem, ich hatte in meiner Dienstzeit wohl unzählige Befragungen hinter mir, aus verschiedensten Gründen, mit verschiedensten Vorgehensweisen... okay, an manche möchte ich nicht mehr denken, aber die waren vor meiner Zeit bei den Marines.
"Es war eindeutig Fahrerflucht, es ist noch nicht einmal jemand ausgestiegen, einfach weiter gefahren. Ich war den ganzen Tag unterwegs, schon bisschen müde, ich konnte mir das verdammte Kennzeichen nicht mehr so schnell merken." Grummeln erklang, oh ja, sie würde merken, wenn ich mal sauer war, konnte ich durchaus richtig sauer sein, aber nicht ihr gegenüber, keine Sorge. "Stimmt, hier gibt es ja überall Überwachungskameras auf den Straßen, ja, das hoffe ich auch." Hey, das Lachen stand ihr verdammt gut! Ich konnte zu meinen Schwächen stehen, eindeutig.
"Ja, es macht mich vollkommen müde, ich hatte das mal bei Zuckerwatte, von der ich einen Happen probierte. Kurz darauf saß ich auf einer Bank und war tief und fest eingenickt. Aber da wusste ich nicht woher, bis ich das mal beobachtete, wann mir diese kleinen 'Aussetzer' passierten. Allerdings gibts auch nichts besseres als zwei Täfelchen Traubenzucker, wenn ich nicht schlafen kann." Ich erzählte es ihr ganz offen, soweit ich es in den letzten Jahren heraus gefunden hatte.
"Ich habe keine Ahnung, ich hatte es früher nicht, oder aber ich habe weniger Zucker gegessen, keine Ahnung. Anhand meines Blutes ist nichts zu erkennen." Von daher würde es wohl auch nichts bringen, wenn sie da nochmal nachschaute, meiner Meinung nach.
"In Ordnung. Muss nicht sein, nein, sonst belege ich hier erstmal für paar Stunden den Raum." Ich lachte leise vor mich hin und nur kurz spüre ich den Einstich, reagiere aber nicht wirklich darauf. Wobei ich merke, wie mein Kreislauf gerade wieder kurz flattert und atme dann doch durch. "Ist grad wieder etwas flau, ich habe aber keine Probleme mit Nadeln..." schwanke ich sachte und ja, als sie den Beutel anschließt, wird die Flüssigkeit schon merklich rein gezogen! Was aber auch bei mir das Schwanken wieder abebben lässt. "Eindeutig besser." Mein Blick wandert auf den Infusionsbeutel und ich sehe, wie er sich sichtlich leert und hoffe, dass sie es 'übersieht', aber so schätzte ich sie nicht ein, eindeutig nicht.
"Ich vertraue darauf, dass sie alles richtig gemacht haben, es kann an der Technik liegen, und wenn sie sich da nicht wohl fühlen, die Untersuchungen zeigen es bestimmt." Ich versuche so normal wie möglich zu klingen, mir nicht anmerken zu lassen, dass ihre Worte da eine Frage in mir hervor gekitzelt hatten, wieso es mir da vorhin so übelst ging und es jetzt wieder besser war. Und fast als wolle wieder jemand verhindern, dass wir das Thema mehr verdeutlichen konnten, ging ihr Piepser! Als sie jedoch meinte, dass es um den Jungen ging, schaute ich erschrocken und wäre am liebsten mit ihr mit gegangen, aber alleine der kurze Versuch mich aufzusetzen brachte das Behandlungszimmer wieder heftig ins Schwanken und ich setzte mich freiwillig wieder hin, wischte mir über das gerade wieder kaltschweißige Gesicht. "Ich laufe nicht weg, eindeutig..." murmle ich nur hinterher.