Wind Beyond Shadows

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Grauenvolle Musik? - Check! Viel zu viele Menschen? - Check! Direkte Lust wieder umzudrehen und zu gehen? - Ebenfalls check. Waren die besten Voraussetzungen für den Abend, wie ich mir eingestehen musste während ich mich durch die fuchtelnde Menge schob und mich fragte, was ich mir mit diesem spontanen Clubbesuch eigentlich beweisen wollte.
Wie das Leben wohl sein musste, wenn man seine eigenen Handlungen verstand? Ob es Vorteile hatte, wenn man sein eigenes Verhalten zeitweise nicht erklären konnte? Zweifelhaft. Die Kopfschmerzen, die es mir einbrachte meine Handlungen zu rationalisieren waren es mitnichten wert.
Während ich die Bar im Blick hatte, glitt jener hin und wieder auch zu den Leuten, die schwitzend die Atmosphäre feierten. Eines war klar. Bevor ich mir die schöntrinken würde, musste ich es erstmal bei der Musik tun, falls überhaupt genug Alkohol da war um das zu schaffen.

Endlich der See aus tanzenden Leuten entstiegen erreichte ich mein Ziel und schob mich auf den letzten leeren Barhocker zwischen irgendwelche Fremden, die ich mir genauer gar nicht ansehen wollte und starrte auf die Tafeln an der Wand, auf denen die Getränkekarte in aller Ausführlichkeit und in auch für betrunkene noch ausreichend großen Zeichen aufgelistet war. Womit läutete man so einen Abend ein? Zwei Shots Vodka mussten den Anfang machen, so ging es am schnellsten und ich wusste wirklich nicht, wie lang ich das alles nüchtern aushalten würde. Außerdem hatte der Alkohol den wunderbaren Nebeneffekt, dass mir meine eigenen Gedanken egal wurden - definitiv nützlich, wenn man mal fünf Minuten Ruhe von den eigenen Zweifeln hatte, die entstanden wenn man das eigene und das andere Geschlecht betrachtete und sich fragte, wo man nun hinwollte. Wo ich wieder bei der Eingangsfrage war: Was wollte ich mir beweisen mit diesem Besuch in einem Club voller Kerle? Dass ich drauf stand? Dass ich nicht drauf stand? Wie albern, und das in dem Alter! Die meisten hatten ihre Sexualität bereits seit der Pubertät im Griff und hier saß ich, steuerte - wenn auch sehr langsam - auf 40 zu und hatte keine Ahnung was bei mir abging. Und wer war schuld? Der Idiot, der der Frage immer wieder auswich, genau.

Seufzend legte ich den Kopf in den Nacken als ich das erste Glas leerte und bereute meine Wahl für einen Augenblick. Scheußlich. Was erwartete ich auch, es war Vodka.
Ich schob mir die Ärmel meines dunkelgrauen dünnen Pullovers bis zu den Armbeugen und legte mich mit dem zweiten Shot an, bevor ich zwei weitere bestellte. Der Typ hinter der Bar musste auch denken, dass ich hier gerade einen Speedrun-Highscore anstrebte bei dem Takt in dem ich die Drinks vernichtete. Aber eigentlich wollte ich nur endlich die Bar verlassen und ein paar Sehenswürdigkeiten finden, mit denen ich mich befassen konnte.

Nach 4 Shots Vodka bestellte ich mir ein Bier in Flasche, bezahlte schließlich, zwinkerte dem Barkeeper übermütig zu und rutschte von dem Hocker herunter, der direkt von irgendjemand anderes in Beschlag genommen wurde. Unschlüssig blieb ich stehen, schob eine Hand in meine Hosentasche und nippte am Bier. Links, rechts, geradeaus - viel mehr Auswahl gab es nicht! Die Umgebung ein wenig eingehender betrachtet konnte ich Treppen ausmachen. Eine führte irgendwo hoch, die andere irgendwo runter. Also machte ich mich daran, erstmal die, die nach oben führte auszukundschaften und schlängelte mich durch die tanzenden Massen, spürte hier und da Blicke und Hände oder andere Körperteile an mir und versuchte einfach mich drauf einzulassen. Anders würde ich das nicht überstehen, wenn ich weiter so gegen die Stimmung ankämpfte, die hier vorherschte. Dann wär es alles wieder umsonst. Einfach über meinen Schatten springen, sich zumindest im Ansatz im Takt bewegen und die Blicke erwidern, die man mir hin und wieder zuwarf. Und am wichtigsten: Die Gedanken ignorieren, die noch da waren. Natürlich tauchten sie nicht immer auf, doch bei manch einem Leckerbissen driftete meine Fantasie doch schneller in die Gosse als ich weggucken konnte. Also: Ignorieren oder dazu stehen!

Nach gefühlten Ewigkeiten war die Treppe mit ihrem Schildchen in Reichweite und ich konnte entziffern, dass es sich wohl um den VIP-Bereich handeln musste, wo die Treppe hinführte. Faszinierend, ob da wohl bessere Musik lief? Leider ließ sich das vorerst nicht herausfinden also musste ich jetzt wohl stattdessen den Keller auskundschaften gehen!
Ab und zu einen kleinen Besuch abzustatten, war nötig, um alles unter Kontrolle zu behalten. Dabei kontrollierte er die Bücher, genoss die vorzügliche Aussicht, die sich durch die gutaussehenden Tänzer bot und testete den ein oder anderen Drink. Wenn da die Musik nicht wären, die ihm viel zu laut beschallte, konnte man es als recht annehmlich bezeichnen. Was die tanzende Menge daran fand, konnte er nicht sagen und im Grunde war es ihm auch gleich, solang sie genug Geld hier ließen. Um es den Kund neben den Getränken auch auf andere Weise aus den Taschen zu ziehen, bemerkten die Leute meist erst dann, wenn es zu spät war. Yuu war nicht dumm. Angetrunkene gaben mehr aus, als nüchterne, so gab es eine gute Handvoll bezahlter Leute hier, die verführten, provozierten, flirteten und noch mehr verleiteten, in dem sie schöne Augen machten oder den Kunden mit nach unten nahmen. Von all dem bekam er einen bestimmten Prozentanteil ab. Der Gedanke stimmte ihn milde, während er die Musik ertrug.
Immerhin hatte er für heute alles erledigt, sodass er sich vorerst auf die Aussicht beschränken konnte. Manche zogen seine Blicke mehr auf sich, als andere. Weder hatte er Interesse an halben Kindern, die sich irgendwas beweisen wollten, in dem sie sich trauten, hier einen drauf zu machen, noch an jenen, bei denen der Zug längst abgefahren war und die glaubten, keinen anderen mehr abzubekommen. Letztere standen vielleicht auch auf frisches Gemüse, welches sie verderben konnten. Was auch ihre Beweggründe waren, sie sollten ihr Geld hier lassen.
Yuu ließ sich einen Whisky geben, einen doppelten, da er nicht gleich nach einem neuen verlangen wollte. Bei dem Andrang konnte es selbst für ihn bedeuten, dass er sich ein wenig gedulden musste. Leider. Einen Vorwurf konnte er auch nicht machen.
Er stieß sich vom Rand der Bar ab, schlängelte sich gekonnt durch die Menge, unnötigen Berührungen aus dem Weg gehend und visierte die Treppe an, die ihn nach oben bringen würde. Von dort aus würde er einen guten Blick über die wogende Masse haben, die manches Mal an das Meer erinnern konnten, wenn sie ihre Leiber im Takt wiegten. Welch philosophische Gedanken und das an einem solchen Ort, fast hätte er über sich selbst gelacht. So viel hatte er doch noch gar nicht intus.
Bevor er die Stufen erreichte, musste er einen Ausfallschritt vollführen, da es einer der Gäste zu gut meinte und tatsächlich glaubte, sich gegen ihn werfen zu können. Ob es eine neue Art der Anmache war, konnte der Yakuza nur vermuten.
Der Gast verlor das Gleichgewicht, denn das Getränk, welches Yuu balancierte, war dann doch wichtiger, als der Körper, der sich darauf verlassen hatte, dass man ihn einfing. Nach solchen primitiven Anmachen stand ihm nicht der Sinn. Es gehörte ein wenig mehr dazu, als sich in seine Arme zu werfen, hoffend, dass er den edelmütigen Retter spielte. Er, ausgerechnet er.
Mitleidlos sah er auf den Mann mittleren Alters herab, hob die Braue und ging dann weiter, ohne ihn zu beachten. Ob er peinlich berührt war? Vielleicht. Sollte er doch noch einen Trinken und sich an den Hals des nächsten werfen. Ohne den Gedanken weiterzuverfolgen, stieg er nach oben, wo ihm auch schon der nächste entgegenkam. Was ertrug man nicht alles für einen guten Umsatz?
Ihre Blicke kreuzten sich für Sekunden, die dadurch unterbrochen wurden, dass sich jemand zwischen ihnen hindurchzwängte. Missbilligend hob Yuu sein Glas mit dem teuren Alkohol und verhinderte das Verschütten nur, in dem er sich erneut wegdrehte. Er biss die Kiefer aufeinander. Wie schön es doch nun wäre, dem Kerl ein Bein zustellen, zu sehen, wie er die metallenen Stufen herunterfiel, ein angenehmes Poltern verursachte, um dann am Ende mit gebrochenem Genick liegenzubleiben. Strafe genug, wie er fand, doch würde es unzähligen Papierkram nach sich ziehen, der Laden würde sich leeren und der Umsatz… An den einbrechenden Umsatz wollte er gar nicht denken. Sein Glück, er konnte weiter ziehen und sich mit dem Kerl vergnügen, der sich in Yuus Arme hatte werfen wollen.
Ein leises Schnauben, welches in der pulsierenden Musik unterging, entwich ihm, als er den Arm langsam wieder sinken ließ. Den Blick richtete er bohrend wieder auf seinen Gegenüber, der auf den Weg nach unten war.
Während es nicht unbedingt das erste Mal war, dass ich mit Männern verkehrte, so war es doch mein erster Besuch in einem Etablissement, das nur auf sie zugeschnitten war. Und die Unterschiede lagen mir zum Teil auf den Oberarmen oder Schultern. Männer waren direkter und ließen anscheinend beim Kennenlernen gern 20 Schritte der Etikette aus um zum Punkt zu kommen. Kein ewiges Geflirte mit den Augen und heimlichen Blicken, wenn man interessant war, bekam man das wortwörtlich zu spüren. Für mich Neuland aberdefinitiv spannend zu beobachten - oder am eigenen Leib zu erfahren. Für jemanden, der es nicht unbedingt mit Körperkontakt hatte durchaus ein Erlebnis, das so schnell nicht wieder passieren musste, aber um das volle Paket auszukosten ließ ich es über mich ergehen und wand mich danach geschickt aus den Griffen der anscheinend eher Verzweifelten. ich war sicherlich nicht die erste Wahl irgendwelcher Jungs, die gerade erst herausgefunden hatten wo ihnen überall Haare wachsen konnte. Ich sah für mein Alter noch ganz jung und knackig aus, aber anscheinend war ich doch mehr der Typ irgendwelcher Leute, die es ... sehr nötig hatten. Grandios, definitiv gut fürs Selbstbewusstsein zu wissen, dass immer irgendwo ein "bad boy" gebraucht wurde, wofür manch einer mich mit meinem äußeren Erscheinungsbild wohl halten musste. Solang ich auch irgendwo ein Mitspracherecht hatte ...

Der Weg von der VIP-Treppe zu der anderen Treppe, von der ich nur mutmaßen konnte wo sie hinführte fühlte sich gleich dreimal so lang an, auch wenn ich wirklich mein bestes gab mich auf all das hier einzulassen.
Das einzig gute an der Musik war, dass der Bass gut dröhnte und ich ihn in meinem Brustkorb spüren konnte. Und er übertönte jegliche Gespräche, die um mich herum stattfanden. Ich war niemand, der aus Langeweile darüber nachdachte, was andere wohl besprechen könnten aber in dieser Situation war es doch irgendwie unmöglich sich nicht manchmal irgendwas auszudenken, wenn man wieder irgendeinen der Singlebörse-Stammkunden sah, der wieder vergeblich nach einem jungen Erwachsenen fern ihrer Liga die Hand ausstreckte und ihnen irgendwas hinterherbrüllte.

Nach gefühlten Ewigkeiten hatte ich mich zur Treppe geflüchtet und blieb erstmal in ihrer Nähe stehen, verschaffte mir einen Überblick über meine momentane Lage - Richtung der Bar, Richtung des Ausgangs, ob ich noch alles bei mir hatte. Etwas fehlte! Nein, nicht das Portemonnaie, meine Würde lag irgendwo am Boden und wurde wohl von irgendwem als Tanzfläche benutzt. Naja, da hatte sie dann ja wenigstens etwas mehr Spaß als ich.
Doch irgendwie wurde mir bewusst, dass es vielleicht mal an der Zeit war für das, wofür ich eigentlich hergekommen war. Der Test. Also drehte ich mich der breiten, schwingenden Masse zu und atmete tief durch, seufzte beim Ausatmen und überlegte. "Fuck, marry, kill" im Singleplayer ... und ohne "Marry" und "Kill", ging es mir durch den Kopf während meine Augen langsam die tanzenden Kerle betrachtete, bevor mir überhaupt erst gewahr wurde, dass hier nicht nur Kunden rumwackelten sondern auch anscheinend bezahlte Tänzer. Vielleicht war es einfacher, mit ihnen ein Urteil zu fällen, immerhin waren sie ja dafür gewählt, einladend zu wirken. Und sie wirkten. Aber wie hoch war die Wahrscheinlichkeit sich je so jemanden zu angeln? Vielleicht doch lieber auf dem Tanzboden der Tatsachen bleiben und sich den Pöbel ansehen, mit dem man auf einer Stufe stand. Hier und da konnte ich auch attraktive Körper ausmachen, wenn auch die Gesichter nicht immer ganz so dazu passen wollten, aber auch da ließen sich einige Ausnahmen ausmachen. Und während ich meine Bierflasche für eine kurze Erfrischung hob bemerkte ich eines: Eine attraktive Ausnahme steuerte direkt auf mich zu. Was ich durch meine persönliche Safari natürlich viel zu spät festgestellt hatte denn er war quasi direkt vor mir, als ich mir seiner Anwesenheit überhaupt gewahr wurde. Und so schnell wie sich unsere Blicke trafen, war der Augenblick auch schon wieder vorbei, weil sich irgendeine Hackfresse dazwischendrängte.

Er - definitiv nicht der Störenfried, der andere "er" - hatte definitiv das attraktivste Gesicht, das ich bei dem flackernden Licht der Scheinwerfer im Halbdunkeln hatte ausmachen können, was vermutlich aber auch nur an der unmittelbaren Nähe lag, und da ich mental gerade noch bei "Was würde ich rein theoretisch wenn ich müsste, abschleppen" war, hatten die Gedanken sich ziemlich schnell selbstständig gemacht. Während mein Gegenüber sich recht elegant aus dem Weg zog, ließ mein Reaktionsvermögen doch arg zu wünschen übrig, also wurde mein Arm angerempelt und das Bier spritzte ein wenig aus der Flasche, die ich praktischerweise ja fast auf Gesichtshöhe gehoben hatte. Glücklicherweise endete das meiste von dem Verschütteten auf dem Boden, doch ein paar Spritzer hatten sich auf meine Wange und meine Lippen verirrt, die ich mir mit dem Finger langsam abwischte und jenen absolut ohne auch nur einen Gedanken an die Situation zu verschwenden ableckte.

Und als der Sichtschutz davongezogen war bemerkte ich den bohrenden Blick ...
Für einen Herzschlag musste ich mich umsehen um sicherzugehen, dass der Blick mir galt und nicht irgendwem anderes, aber bis auf Wand, Treppe und irgendwelche Pärchen etwas abseits war da nichts, das man so anstarren konnte. Hatte ich was verbrochen? Hatte ich mein Bier auf seine Schuhe gekippt? Ne, konnte nicht sein, wir standen zu weit auseinander. Maximal die Sichtschranke hatte was abbekommen, bevor sie in die Menge gewankt war.
Oh!
Ich machte einen Schritt zur Seite drehte ihm meine linke Seite zu, verbeugte mich leicht und bedeutete ihm mit der Hand, dass er gern zuerst die Treppen in den Keller hinabsteigen durfte. Da war es wieder ... das Verhalten, das ich nicht erklären konnte. Wie kam man darauf, jemand Fremden solch eine Geste zu zeigen? War ich irgendwie bescheuert? Ließ sich wohl mit einem klaren Ja beantworten, das mir ein leichtes Schmunzeln auf die Lippen zauberte, während ich mir mental den Kopf gegen die nächste Wand hämmerte.
Blicke. Worte, die man bei dem Lärm nicht verstand und schon ging es nach unten. Manche beeilten sich mit ihrem Vorhaben, andere ließen sich Zeit. Es schien, als würde es für jede Vorliebe hier den richtigen Anlaufspunkt geben. Traute man sich nicht, gab es die richtigen Möglichkeiten, selbst die weit gefächert. Drogen, jedoch limitierte Ware von sorgsam ausgesuchten Dealern oder Alkohol für jene, die nicht so mutig waren, sich abzuschießen. Ein Sündenpfuhl, wenn man so wollte, in dem wohl jeder Dämon seinen Spaß gehabt hätte. Allem voran die Wollust, die manchen buchstäblich ins Gesicht geschrieben stand.
Yuu machte sich nicht die Mühe, demjenigen die Zunge abzuschneiden, der ihn ansah, sich über die Lippen leckte und meinte, ihm Kunststückchen mit eben jener zu zeigen. Menschen konnten so primitiv sein, dabei gab es so viel Sinnlichkeit, die man entdecken konnte. Nichtbeachtung war das, was der Mann erntete, der locker 20 Jahre mehr auf dem Buckel hatte, als er selbst.
Definitiv wurde es Zeit, dass er der beweglichen Masse entkam, die ihm viel zu dicht beieinander stand. Einer rempelte den nächsten an und schon zog sich die Reihe der umkippenden Leiber, die ihn an Dominosteine erinnerten, fort. Ungewollte Berührungen, wie sehr er es doch hasste. Platz, um den zu entgehen, hatte kaum, so hielt er sich nur, wenn es nötig war, unten auf. Lieber hatte er einen Blick von oben, doch dahin zu gelangen konnte eine wahrliche Odyssee werden. Vielleicht sollte er veranlassen, eine breitere Treppe zu bauen, doch was dann? Wahrscheinlich wäre diese dann auch verstopft oder man würde es wagen, sich hier schon die Kleider vom Leib zu reißen.
Was für ein Abend.
Ein kleiner Lichtblick eröffnete sich am scheinbar bewölkten Himmel, als er jemanden entdeckte, der sich nicht seinen animalischen Instinkten hingab. Die Zeit schien für einen Moment stehenzubleiben, nicht auf diese kitschige Art und Weise, wie sie immer in Büchern und Liedern besungen wurde. Es war einfach ein Moment, in dem das Drumherum keine Rolle mehr spielte, weil die Person einfach anders war. Benennen konnte und wollte er es nicht, kaum auch nicht dazu, drängte sich doch jemand zwischen sie, blubberte etwas Unverständliches und zog, ebenso wie seine Schweißfahne, die er nach sich zog, von dannen. Yuu wandte die Nase ab, vergrößerte den Moment, bis er den eigentlichen Menschen wieder ansah, um sie unter den Luftzug der Klimaanlage zu halten. Er atmete durch und wandte den Kopf zurück, hob ihn im gleichen Winkel, wie zu vor, doch der Moment war vorbei. Die Gedanken liefen in gewohnten Bahnen. Das, was der Drängler unterbrochen hatte, kam nicht zurück. Ein Grollen sammelte sich in seiner Kehle, ging aber im dröhnenden Bass der Musik, unter.
Was war es gewesen? Ihm fehlten die Worte, um es passend zu benennen oder zu verstehen. Doch war es noch wichtig bei dem, was er sah? Finger, die über eine Wange strichen, letzte Tropfen aufnahmen und dann von einer Zungenspitze entfernt wurden. Glücklicherweise traf ihn nichts von dem Bier. Glück? An sowas glaubte er nicht. Zufall? Nicht recht weniger. Jedenfalls verfehlte es ihn knapp, wie er glaubte, sonst hätte er einen Schritt zurück gemacht, ungeachtet dessen, wer oder was hinter ihm stand. Nach Bier zu stinken… War nicht seine Absicht. Stattdessen heftete er den Blick wieder auf den Mann vor sich, nicht weniger fixierend, als zuvor. Durchaus entsprach er seiner Beute, im Gegensatz zu all den anderen Menschen hier, die der männlichen Gattung abstammten.
Ein Blick, bohrend, fixierend, der nun mal seinem Wesen entsprach und den er meist nur auf das richtete, was er wollte, folgte der Geste. Doch statt zu gehen, schnaubte er leise, ehe sein Blick amüsiert funkelte. War dies jetzt eine Einladung? Seine Braue wanderte nach oben. Ob nun amüsiert oder fragend, kommentierte er nicht. Wahrscheinlich entsprach es beidem, aber dies behielt er für sich.
Ob nun mutig oder dumm, sei dahin gespielt doch irgendwie… Yuu konnte es nicht benennen, aber musste man allem einen Namen geben? Es katalogisieren und in eine Schublade stopfen, nur um es aus dem Sinn zu bekommen? Irgendeine Stimme in ihm – wahrscheinlich die, welche man den Namen i]Vernunft[/i] gegeben hatte – sagte ihm, dass er es besser lassen sollte. Nicht hier, wo es so viele Augen gab, Blicke, die mehr zusehen glaubten, als da eigentlich waren, aber seine Leute… Sie wussten, was ihnen blühte, sollten sie das Maul weiter aufreißen, als er es ihnen erlaubte.
Er packte ihn am Kragen, zog ihn bis auf wenige Zentimeter zu sich herunter, ungeachtet dessen, der er zwei, drei Stufen überbrücken musste, und sah ihn erneut bohrend, aber auch fordernd an. Ihm lagen Worte auf der Zunge, die bei dem Lärm sicher untergegangen wären, selbst bei dieser Distanz. Ja, er hatte auch die ein oder andere Absicht, was er nun tun könnte.
Weitere drückten sich an ihnen vorbei, jedoch so, dass man ohne Probleme sehen konnte, dass sie ihnen weit möglich aus dem Weg gehen wollte.
Weitere Millimeter, die er ihn zu sich zog. Andere hätte er für die Einladung nach unten was abgeschnitten oder die Treppe heruntergestoßen. Ja, der Papierkram war immer noch lästig. Stattdessen hielt er ihn fest. Was sollte er mit diesem frechen Kerl anstellen? Bestrafen? Ein minimales Lächeln legte sich auf seine Lippen, auch als er den Vodka, gemischt mit Bier roch. Da er nicht davon ausging, dass ihr Barkeeper seltsame Bier-Vodka Mischungen anbot, musste er zunächst das eine, dann das andere zu sich genommen haben. Immerhin keine Drogen, wie er an seinen Pupillen erkennen konnte. Das wäre nun ein absolutes Ausschlusskriterium gewesen. Selbst mit gelegentlichen Konsumenten wollte er nichts zu tun haben, diese waren immer so unberechenbar. Es reichte, wenn er der unberechenbare von ihnen war. Zwei solche Größen in einer Gleichung vertrugen sich nicht.
Es wäre wirklich gütig gewesen, wenn mir irgendjemand gesagt hätte, was hier gerade passierte, denn ich hatte absolut keinen blassen Schimmer. Rückblende: Blickkontakt, Hackfresse kam dazwischen, mehr Blickkontakt und schließlich glaubte ich im Weg zu stehen und machte diese absolut alberne Geste - für die ich mich im Übrigen im nachhinein selbst ohrfeigen könnte - und wollte ihm den Vortritt lassen und nun ... nun hing er an meinem Kragen und sein Blick bedeutete mir, dass dass ich wohl irgendetwas falsch gemacht hatte. Nur was? Wenn ich schon meine eigenen Handlungen manchmal nicht verstand, wie zur Hölle sollte ich dann die von anderen deuten? Was wollte er denn jetzt von mir? Hatte ich ihn irgendwie beleidigt oder provoziert? Musste ich mich jetzt und hier prügeln? Auf der Treppe? Musste ja nicht unbedingt sein!
Auch wenn ich es versuchte, ein wenig Überraschung würde wohl dennoch in meinem Blick erkennbar sein, während meine Augenbrauen ein wenig hochgezogen waren, ähnlich den seinen, wenn seine Mimik auch anderes ausdrückte als ein "Ups, was geht hier ab?".

Und musste er so ziehen? Die Nähe tat meinen Gedanken wirklich nicht gut und die Position war auch echt alles nur nicht bequem. Angestrengt versuchte ich irgendwie einen Schluss zu ziehen und eine Entscheidung zu fällen, wie ich jetzt mit der Situation umging, doch zwängte sich da immer diese dämliche Kopfstimme mit dummen Kommentaren dazwischen, direkt aus den Fantasien kriechend, die sonst eher beängstigend waren, jetzt aber eher wie Inspiration auf meine Impulse wirkten.
Am einfachten hätte sich das alles ja mit Worten klären lassen, aber leider besaß ich nicht das Stimmvolumen um die Musik zu übertönen, also musste ich wohl mit Gesten sprechen. Die erste war, dass ich etwas abwehrend die Hände zu den Seiten hob um ihm anzudeuten, dass ich mich nicht wehren würde, was immer er vor hatte. Dann sorgte ich mit zwei langsamen Schritten dafür, dass wir auf Augenhöhe waren und er mir nicht mehr so den Nacken verbiegen musstez. Und während er noch immer die Strecke zwischen uns mit seiner Körperkraft zu verringern versuchte, ließ ich mich eben drauf ein. Was er bezweckte konnte ich nicht sagen, vielleicht spielte auch er "Fuck, marry, kill", nur, dass er gerade bei "Kill" angekommen war und mich ausgesucht hatte.

Mit einem kurzen Seitenblick drückte ich irgendeinem Fremden, der gerade die Treppe hochkam meine Bierflasche in die Hand. Da wo ich hinging, brauchte ich die nicht mehr. Im Jenseits gab es sicherlich andere Erfrischung. Außerdem hatte ich so eine nicht angeleckte Hand frei, die ich betont langsam hob und dem inzwischen ansatzweise lächelnden Kerl - falls ich die Mimik im Licht nicht komplett falsch deutete - eine seiner schwarzen Strähnen aus dem Gesicht schob. Seine Haut berührte ich dabei nicht, auch wenn sie wirklich einladend weich und glatt wirkte. Er war ja wirklich hübsch. Fast schon zu hübsch zum verderben ... aber wenn er hier herumstromerte, dann war es sicherlich bereits zu spät sich darüber noch Gedanken zu machen.

Kopfkino war wirklich gefährlich, wenn man absolut nichts anderes mehr hatte, auf das man sich verlassen konnte. Und während ich nun im Gegenzug ebenfalls die Zentimeter zwischen uns überbrückte, indem ich noch einen kleinen Schritt näher kam, entschloss ich mich, nun auch einmal 20 Schritte in der Etikette zu überspringen, während mein Blick der sich wirklich nur kurz von seinem getrennt hatte um das Bier loszuwerden, von den Augen hinab zu seinen Lippen wanderte und diese fixierte. Vernunft und Fantasie führten einen eisernen Kampf während die erhobene Hand sich in seinen Nacken legte und nun im Gegenzug seinen Kopf näher schob. Das konnte jetzt einen von zwei Wegen gehen als ich womöglich die Signale komplett misverstand und ihm meine Lippen auf den Mund legte.
Prügeln würde er sich nicht, das war nicht sein Stil, wenn, dann machte er kurzen Prozess. Oder, wenn es die Situation verlangte, bereitete er einiges vor, um die Qual so lang es ging auszureizen. Aber Prügeln war unter seine Würde, sodass er es vermied, so weit es ging. Das überließ er seinen Handlangern, die dafür bezahlt wurden. Zudem würde es ein schlechtes Licht auf den Club werfen, wenn der Chef sich hier vor aller Augen prügelte, selbst dann, wenn es grade mal 10% von den Anwesenden waren, die wussten, wer und was er war.
Wenn er nach dem Leitspruch des anderen gegangen wäre, hätte er eine andere Option gewählt. Der noch immer bohrende Blick war zwar noch immer lauernd, doch schlich sich nun ein Funken Provokation dazu, um die Frage zu übertünchen, die er sich stellte. Wie weit würde der andere wagen zu gehen? Yuu spielte gern auf seine Art und Weise, die man verstehen musste, aber das konnte man erst, wenn man ihn kannte und das wiederum war nicht so leicht, wie man es sich vorstellte.
Angst? Das konnte er nicht sagen. Viele hätten sie in dieser Situation, zweifelsohne, aber bis jetzt konnte er nicht viel davon erkennen. Entweder konnte sei Gegenüber diese gut überspielen, oder er hatte keine, einschätzen konnte er es nicht, aber der Umstand, das dieser es wagte, zu ihm aufzuschließen… war interessant. Yuu dachte nicht daran, den Griff zu lockern, denn das würde implizieren, das er Freiraumgewährte, wo keiner war. Ebenso bestand die Gefahr, das sich wieder jemand zwischen sie drängte und das wollte er nicht. Sollten sie doch sehen, wie sie die Treppe und somit an ihnen vorbei kamen. So lang kein Feuer ausbrach, war es ihm herzlich egal, wer da oben versauerte.
Als er die Bewegung im Augenwinkel wahr nahm, hob sich der linke Mundwinkel ein wenig, um sich seinem spöttisch amüsierten Blick anzupassen. Da wurde scheinbar jemand mutig. Und frech. Na sieh mal einer an. Kein Wimmern. Kein ausweichen. Kein weg drücken. Ja sogar die Flasche hatte er abgegeben. Die Sache schien wirklich interessant zu werden, das Yuu zumindest den Griff der einen Hand lockerte, nur um die Finger zu lösen und sie um dessen Kinn zu legen. Weitere Zentimeter, die er überbrückte, in dem er ihn zu sich zog. Soweit, das er seine Worte vernehmen konnte, ohne das er die Stimme gegen die pulsenden Lärm der Lautsprecher erheben musste.
„Andere haben dafür schon ihre Finger verloren.“, raunte er ihm zu, was nicht mal gelogen war. Und doch hielt er ihn nicht auf oder wehrte sich dagegen. Wozu auch. Es gab einige Möglichkeiten, damit er keine Dummheiten machen konnte, aber vorerst waren diese nicht möglich.
Den Blick riss er von den frechen Fingern los, richtete sie wieder auf ihn, während sich Daumen und Zeigefinger sich um dessen Kinn legten. Sein Daumen strich dabei der Kieferlinie nach, bis er ihn unter der Lippe ruhen ließ. Sanfter, aber ein bestimmender druck sorgten dafür, das er die Lippen öffnete. Weitere Möglichkeiten eröffneten sich ihm. Ebenso wie der Blick auf eine dünne Eisfläche, auf die er sich besser nicht begeben sollte, konnte es ihm doch Kopf und Kargen kosten aber…
Eis, welches nur noch dünner wurde, jedoch nicht für ihn. Eine Fläche, die allein vom reflektierenden Schimmer gehalten wurde, den sie wiederspiegelte. Dieser Kerl war wirklich frech, aber Yuu wäre nicht Yuu, wenn er die Situation nicht gleich für sich nutzen und die Lippen des Gegenüber ein wenig mehr auseinander zwingen würde, ehe sich ihre Lippen trafen.
Bier. Vodka und noch irgendwas anderes, was ihn an einen Sommersturm denken ließ, schmeckte er, als sie sich trafen. Dumm, natürlich. Wie konnte man das, was er tat, sonst bezeichnen? Das Wissen, das 98% der Anwesenden mit sich beschäftigt waren, half nicht, denn es blieben noch immer 2% über, mit denen er sich befassen musste, damit das, was sie sahen und vielleicht nicht in der Dunkelheit des abwesenden Lichtes, nicht unterging, verborgen blieb.
Er biss dem Unbekannten in die untere Lippe und sog sanft an dieser, schmeckte ihn, ehe er ihn noch ein paar Millimeter zu sich zog, darauf bedacht, sich nicht einzukeilen.
Ich war noch immer nicht sicher wie der Abend enden würde, war immerhin schwer zu sagen bei der Reihe an merkwürdigen Ereignissen. Doch zumindest für einen Augenblick glaubte ich, mein Leben behalten zu dürfen, als ich die Schritte auf ihn zugewagt hatte und sich sein Griff an meinem Kragen tatsächlich lockerte. Doch anscheinend war er es nur leid, Stoff festzuhalten und vergriff sich stattdessen an meinem Kinn, das nun zwischen seinen Fingern ruhte. Ich spürte die Wärme seiner Haut auf meiner und den leichten Druck, den er ausübte. Nicht unangenehm, nur bestimmt.

Ich war zu investiert in diese Sache um nun noch einen Rückzieher zu machen, ich wollte wissen wie weit es ging und meinem sehr lebhaften Kopfkino verdankte ich dieses Verlangen, der forschen Art meines Gegenübers entgegenzukommen. Gänzlich auf ihn konzentriert war es, klang seine Stimme klar und laut. Bis auf den Puls ver Musik nahm ich sie selbst kaum noch wahr, so sehr lag meine Aufmerksamkeit auf ihm. Und der klang seiner Stimme ließ einen leichten Schauer - beginnend im Nacken - meine Wirbelsäule hinabwandern. Ich war nicht sicher, wie viel Bedeutung ich seinen Worten beimessen konnte. Manch einer sagte soetwas nur dahin, manch einer meinte es wörtlich. Ich konnte ihn nicht gut genug einschätzen um hier eine Entscheidung zu treffen. Doch die Ausstrahlung die er besaß, sein Blick und dieses gewisse Etwas in seinen Augen sorgte dafür, dass ich dazu tendierte ihm zu glauben.

Angst um meine Finger hatte ich dennoch nicht. Noch nicht, denn er machte noch keine Anstalten seinen Worten Taten folgen zu lassen, weswegen ich sie direkt einsetzte um mich für seine Berührungen zu revanchieren. Meine Fingerspitzen legten sich auf die warme Haut in seinem Nacken und drückten ganz leicht zu um seinen Kopf in meine Richtung zu lenken, während er damit beschäftigt war, mit seinem Daumen mein Kinn leicht hinabzufahren. Ich konnte spüren was er vorhatte als sich meine Lippen automatisch etwas öffneten und so war es doch etwas weniger Stress veranlassend diesen Schritt zu gehen und die Initiative zu ergreifen. Und doch fühlte ich mich nicht, als hätte ich die Kontrolle. Störte es mich? Nicht wirklich, wollte er die Oberhand, so würde ich sie ihm lassen. Er schien zu wissen was er tat und was er wollte und ich war niemand, der sich anderen aufzwang. Ich hatte klare Grenzen und ich ließ nicht zu, dass jemand sie ungefragt überschritt, doch bis es zu dem Punkt kommen würde war noch sehr viel Luft nach oben. Also warum nicht einfach das Zepter abgeben und schauen was passiert?

Man spürte direkt, dass man einen Mann küsste. Es war einfach anders. Nicht unbedingt die Form der Lippen sondern einfach ... nun wie könnte man es beschreiben? Forscher? Kraftvoller? Rauer? Dominanter? Oder war es nur er? Angestiftet von dem was vor meinen leicht geschlossenen Augen abging ließ ich ihn und seine Zähne gewähren, spürte wie seine Lippen sich um meine Unterlippe schlossen und fuhr mit meiner Zungenspitze leicht über seine Oberlippe.
Ich hatte bereits vergessen, dass wir auf einer Treppe, mitten im Weg standen. Ich wusste noch immer nicht wohin diese Treppe führte, doch für den Moment war es auch egal. Alles was meine Neugier weckte, stand momentan vor mir und ich hatte kein Interesse daran, es loszulassen. Stattdessen schob ich meine Finger nur langsam seinen Nacken hinauf, hinein ins dunkle Haar um ihn davon abzuhalten sich zurückzuziehen. Mein Kopf sagte mir, ich brauchte mehr von seiner Art zu küssen und so setzte ich dazu an, es aus ihm herauszulocken.
Glauben oder nicht, er musste nur passende Stelle berühren, um zu erfahren, das Yuus Worte nicht nur leeres Gerede waren, doch ehe es soweit kam, brachte er sie oft außer Reichweite. Nicht jeder musste wissen, was er alles bei sich trug. Es spielte jetzt auch keine Rolle, noch nicht, denn der Blick, den er in den anderen bohrte, war weiter ununterbrochen, selbst als sich ihre Lippen berührten. Hier ging es nicht um Zärtlichkeiten, liebe volle Intimitäten oder Verliebtheit. Hier war etwas andres wichtiger. Weiter spann er den Faden noch nicht. Ungelegte Eier, die vielleicht keine Rolle spielten. Vielleicht auch nicht spielen würden. Mit großer Wahrscheinlichkeit sogar nicht spielen würden.
Seine Daumenspitze rieb über das Kinn, welches glatter war, als er angenommen hatte, aber nicht zu seinem Unwillen, im Gegenteil. Mit glatter Haut konnte man viel mehr anstellen. Ein winziges Schmunzeln umspielte seine Mundwinkel, ehe er erneut zu biss. Ein wenig sanfter, wenn man es so wollte, jedoch nicht weniger fordernd.
Seine Lippen schlossen sich um die Untere seines Gegenüber, umfingen sie, ehe er leicht daran sog, sie kostete, ehe er sie wieder freigab. Ablassen? Mit Nichten, denn leicht strich die Zungenspitze über die eben noch malträtierte stelle des Älteren. Ein weniger rauer hatte Yuu sie sich vorgestellt, als die Erkenntnis ihn überkam, das er sich irrte. Es kam nicht oft vor, doch in diesem Moment nahm er sie willkommen entgegen, ehe sich seine Lippen nun fordernder auf die des anderen drückten. Noch widerstand er den Drang, ihn gänzlich an sich zu ziehen, ja ihn vielleicht zu entführen und an einen anderen Ort zu bringen, dennoch war es nur ein kleines Spiel, an dem sie sich alle beide beteiligten. Keiner wusste, was der andere beabsichtigte und… es war gut so. Angenehm, aufregend und amüsant, sodass er seinen Spaß daran hatte.
Seine rechte lockerte sich nun auch um den Kragen, gab ihn zumindest in diesem Bereich frei, jedoch nur, um dessen Hüfte zu packen, ihn mit sich zu drehen, das er einen halben schritt nach unten machen musste. Sie hatten sich wahrlich keinen Platz aus gesucht, an dem man verharren wollte. Sich aber zu bewegen, woanders hinzugehen war genau so unwillkommen, wie zu bleiben. Der Strom der Menschen hatte zwar ein wenig abgenommen, aber versiegt war er noch lange nicht.
Irgendwo überlegte ein kleiner Teil, wohin sie gehen sollten. Da er kein Tänzer war, schied die Stelle, wo sie am wenigsten auffallen würden, aus. Bliebe noch der VIP-Bereich, aber dieser war so eingerichtet, das man gut jemanden beobachten konnte, insbesondere, weil man dort an Tischen saß.
Seine Finger bohrten sich in die Hüfte, hielten ihn an Ort und Stelle fest, das er ja nicht auf die Idee kam, zu flüchten. Er sollte es ja nicht wagen. Einen Blick zu riskieren, empfand er als Überflüssig, hatte er die Lider doch halb geschlossen. Entspannt war er nicht, nicht hier, nicht jetzt, sich fallen zu lassen, schloss er rigoros aus und doch stand er hier und hielt einen Kerl fest, mit dem er herum knutschte. Eigentlich eine Situation, um über sich selbst zu lachen, hätte er es doch nicht für möglich gehalten, sich dahingehend verleiten zu lassen. Aber sein Club. Seine Regeln. Alle anderen würden bluten, die dagegen verstießen.
Er genoss dieses Spiel, das, was zwischen ihnen passierte… die Verlockung, ihn zu erkunden, zu mehr zu verleiten, als das, was sie gerade taten, war groß. Vielleicht sollen sie wirklich… aber dann würde er vorerst von ihm ablassen, was er nicht wollte. Dann würde er sich in einen Bereich begeben müssen, der noch so fern schien, denn er bedeutete eindeutige Absichten. Absichten, von denen er selbst noch nicht überzeugt war. Abgeschiedenheit wäre nun gut, aber die war hier und jetzt nicht so leicht zu bekommen.
Was im hübschen Köpfchen des anderen vorging wusste ich nicht, ahnte nicht, woran er dachte, was er ausschloss und worauf er abzielte. Ich war gänzlich eingenommen von dem Moment, vielleicht auch zum Teil beeinflusst vom Alkohol der nun begann seine Wirkung Stück für Stück zu entfalten. Es war nicht viel gewesen, nicht für meine Verhältnisse, doch war es genug um dafür zu sorgen, dass ich das Interesse daran verlor mich zurückzuhalten vor der breiten Masse. Was sie taten, worauf sie starrten ... all das war mir egal. Ich war hier ein niemand und so machte ich mir keine Sorgen darüber, wer das hier mitbekommen könnte. Wie es um den Herrn an meinen Lippen stand wusste ich nicht. Eigentlich wusste ich nichts von ihm und er genauso wenig von mir. Aufregend und gefährlich zugleich. Doch so war es am besten. Während meiner Findungsphase wollte ich nicht unbedingt in komplizierte Situationen verwickelt werden dadurch, dass ich zu viel preisgegeben hatte oder zu viel erfuhr. Ich wollte im Moment leben, vor allem dann, wenn er so schmackhaft und wohlproportioniert war wie dieses Exemplar, das meinen innersten Wünschen nachkam.

Ihm signalisierend, dass ich sicherlich keinen Schritt unternehmen würde, all dies zu unterbrechen lehnte ich mich in den Kuss und begegnete seinen Bissen und den anderen Spielereien mit wachsendem Enthusiasmus. Wenn er so weitermachte dann würde es nicht mehr lang dauern und ich wäre bereit mich diesen Abend einfach zu vergessen. Vielleicht war es unvorsichtig, gar lebensmüde so viel Vertrauen in einen Fremden zu setzen, doch irgendwo gehörte zumindest ein Funke davon zu jedem One-Night-Stand. Natürlich endeten einige im Desaster, weil man die falsche Person gefunden hatte. Noch konnte ich darüber nicht urteilen, aber noch war ich auch noch nicht so weit mir über weitere Schritte Gedanken zu machen. Ich genoss einfach seine Aufmerksamkeit und den Fakt, dass er mich nun wirklich gänzlich freigelassen hatte - im übertragenden Sinne, denn auch wenn er den Kragen nun wirklich nicht mehr in den Fingern hatte, so waren sie dabei mich an der Hüfte zu halten und einmal mehr den Abstand zwischen uns zu verringern. Gleichzeitig aber verlor ich auch meine Position auf Augenhöhe während er uns drehte. Vielleicht um den anderen ein wenig mehr auszuweichen? Wahrlich ein beschissener Ort für all das und dennoch konnte es mir nicht egaler sein. Wenn er hier bleiben wollte, dann war es so. Im Zweifel würde ich es ihm auch auf der Treppe besorgen ... mischte sich für einen Moment ein Stimmchen in meinem Kopf ein, das hin und wieder anzügliche Kommentare von sich gab während ich versuchte es zu ignorieren. Einerseits waren meine spärlichen Erfahrungen mit Männern eher jene gewesen, dass sie es kaum erwarten konnten. Doch irgendwie, auch wenn der Kerl sehr direkt und bestimmend war ... er wirkte nicht wie jemand, der einem in fünf Minuten die Hosen runterzog. Und ich war genauso. Selbst wenn es nur Spaß war, die Befriedigung irgendwelcher Fantasien und Impulse, ich glaubte es hatte doch etwas mehr Niveau als irgenwelchen animalischen Gelüsten zu folgen und sich für Umstehende zum Deppen zu machen.

Natürlich könnte ich ihm Signale geben, doch waren sie subtiler. Mein Körper folgte den Fingern, die sich durch den dünnen Pullover dennoch etwas in meine Haut drückten und verringerte den Abstand zwischen uns auf ein neues Minimum. Überall dort, wo man sich im Stehen ... auf einer Treppe berühren konnte, berührten wir uns. Doch war ich ein wenig geschmackvoller als ihm nur meine Körpermitte gegen die Hüften zu drücken. Ich wollte ihm einfach nur gänzlich nah sein, die Hitze zwischen unseren Körpern spüren und ihm ein für alle mal klarmachen, dass ich nirgendwohinging und es an ihm lang zu entscheiden, wohin er die Reise antreten wollte und ob er sie allein machte oder mit mir als nächtliche Begleitung.
Es könnte ihm Kopf und Kragen kosten, würde man ihn erwischen. Er wog sich in trügerische Sicherheit, verdrängte den Gedanken daran, was passieren könnte, dass es hier passieren würde. Ebenso verdrängte er Gedanken an jene Person, die das letzte Wort dazu sagen würde, denn dieser würde dafür sorgen, dass alles in sich zusammen fiel, was dabei war, sich aufzubauen. Leichtsinnigkeit, die dem sonst so überlegten Mann selten zu Gesicht stand. Er musste und sollte sich zügeln und doch tat er es nicht, er ließ es laufen, ließ es geschehen, ließ die Hand tiefer wandern, an der Seite entlang. Doch statt gierig nach dem Hintern zu packen, hatte sich sein Daumen in den Gürtel des anderen, trat mit ihm auf ungeschützte Haut, die plötzlich ein wenig frei lag. Der Rest der Hand verharrte seitlich am festen Gesäß, vorerst.
Seine Zungenspitze strich über Lippen, erkundete sie, ehe er fast schon zufällig zwischen ihnen verschwand, vordrang, mit der Absicht zu entdecken, doch zunächst zog er sich mit einem kleinen, diabolischen Grinsen auf den Lippen zurück. Es schien fast unschuldig anzumuten, dass er zögerlicher vorging, sich vorantastete, statt zu holen, was er wollte, doch… Was wollte er? So leicht würde er es nicht offenbaren. Tastend strich der warme Muskel weiter…
Nach Reden stand ihm nicht der Sinn, so gab er sich wenigstens den harmlosen animalischen Verlockungen nach. Wann er das letzte Mal so gut unterhalten wurde, war schon einige Zeit her, was daran lag, dass er sehr vorsichtig vorgehen musste. Doch hier, im wechselndem Lichtspiel der Scheinwerfer war die Verlockung, sich verbotenen Dingen hinzugeben, sehr groß. Die Vernunft wurde kleiner, das Adrenalin stieg und erstickte sie zusehend. Seine Hand packte fester zu, ließ dann aber wieder locker, um nach oben zu wandern unter die störende Wolle oder was das war, was ihn bedeckte. Gern hätte er ihn eingehender betrachtet, doch dafür waren die Möglichkeiten nicht gegeben, gleich wo sie sich in dem Club befanden. Sein Büro wäre vielleicht geeignet, doch dort stapelten sich die Akten.
Der Kerl, von dem er nicht mehr den Namen wusste, der auch keine Rolle spielte, verleitete ihn zu Dummheiten. Sicher wäre es, ihn zu entführen, doch weder wollte er ihn in sein Haus lassen, noch sich mitten auf der Straße präsentieren. Das Leben konnte schon schwer sein. Wenn er den Faden weiter spann, würde es zweifelsohne der Darkroom werden, aber selbst dort gab es abgeschiedene Ecken, ja, einen kleinen VIP-Bereich, den er sich zu Nutzen machen würde.
Ein herausforderndes Lächeln lag auf seinen Lippen. Der Bereich schien wirklich wie gemacht zu sein. Natürlich war er das. Als er ihn hatte errichten lassen, war der Gedanke, dort seinen Spaß zu haben, nicht abwegig. Oft waren es die Angestellten, die sich die Pause auf ihre Weise vertrieben, wenn sie Abgeschiedenheit wollte.
Sich erneut mit ihm drehend, zwang er ihn eine Stufe tiefer zu treten, ihn am Hosenbund haltend, damit er nicht hinabstürzte. Dass er dafür von der weichen, warmen, ja verlockenden Haut hatte ablassen müssen, war leider ein Kollateralschaden, den er später beheben würde. Innehalten, ein an sich ziehen. Jemanden so zu dirigieren, war nicht leicht, aber unmöglich war es auch nicht.
„Du gehörst mir!“, raunte er zwischen den hungrigen Küssen, nicht weiter definierend, wie er das meinte. Seine Worte versprachen eine sündige Versuchung, die sich so schnell sicher nicht wieder bieten würde. Ein erwartungsvolles Kribbeln rann seine Wirbelsäule herunter, sammelte sich in seinem unteren Bauch, um dann noch tiefer zu wandern. Yuu biss ihn erneut, um dann die Lippen zwischen die eigenen zu saugen. Nachdem er sie freigegeben hatte, drang seine Zunge erneut vor, nun mit der Absicht, ihn zu erkunden. Zunächst war es nur ein leichtes, ja fast schon verspieltes tasten, bis es zu einem verlockenden Tanz wurde, mit dem er den fremden verführen wollte.
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