Wind Beyond Shadows

Normale Version: Kintsugi – golden scars & dirty souls
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Die Schritte der Mitarbeiterin des Reinigungsteams verhallten in den langen Fluren des Museums. Noch immer haftete sein Blick auf der immer kleiner werdenden Gestalt, ehe diese nun gänzlich um die Ecke bog und er erneut allein war mit ihr. Sie hatte sich lediglich nach dem Befinden von Lotta erkundigt. Eine nette und freundliche Geste, auch wenn die Wölfin ihm gegenüber niemals darauf eingehen würde.

Stolz und mit einem unbrechbaren Willen hatte sie bereits Janet, seiner Assistentin, die Stirn geboten und nach ihrem emotionalen Zusammenbruch, nun erneut diese Maske aufgelegt, die die immer noch roten Narben und dunklen Hämatome auf ihrer Seele verbarg. Wunden, die ihr ein Mann zugefügt hatte. Verletzungen an denen sie immer noch litt.

Narben, was war das schon? Viele verstanden darunter silbrige Schichten der Haut, die mal mehr oder weniger schön eine verheilte Verletzung bedeckten. Fibrose, ein Ersatzgewebe, dass versuchte die ursprüngliche Form wieder herzustellen und zu bedecken. Doch war es eben nur das – Ersatz. Niemals wieder würde der ursprüngliche Zustand erreicht werden, egal, welche Mittel man verwendete um das Gewebe weicher und elastischer zu machen. Ähnliche, wie Scherben eines Gefäßes, die man provisorisch mit Kleber wieder zusammengefügt hatte. Stetig würde man sie sehen.

Narben auf der Seele zeigten sich hingegen in unterschiedlichster Form. Mal durch Panik, die einem aus heiterem Himmel heimsuchte, bis hin zu einem schon irrwitzigen Zittern, dass den Körper lähmte, oder eben schlicht in dem stupiden Ignorieren der Ursache, als stetigen Schutz.

Die Wölfin vor ihm trug eben dies, wie auch er selbst.

Heiter lächelte sie ihn nun an, dabei hatte er eben noch die grausame Wahrheit in ihren Augen gesehen. Den Schmerz hatte sie erneut verborgen. Hinter einem einfachen Lächeln. „Ja, dass wollte ich.“, fügte er lediglich freundlich an ihre Frage an, dass er ihr ja etwas zeigen wollte.

„Komm.“, gesellte sich ein Lächeln dazu und er deutete mit der Hand auf den Flur vor ihnen. Eine einladende Geste ihm zu folgen.

„Du wirst deinem Chef morgen nichts zu berichten haben.“, ging er nun ruhig neben ihr her und scheinbar waren sie in dem Flügel des Museums, die einzigen, den kein Laut verriet eine Security und einen Besucher der Ausstellung dieses namenhaften Künstlers, dessen Vase eben noch zu Bruch gegangen war.

„Ich habe mit der Kuratorin gesprochen und ihr zugesichert, dass ich die Vase im Sinne des Künstlers reparieren werde.“, liess er offen, wie er dies überhaupt bewerkstelligen wollte. Ruhig, immer noch seine Hände in den Hosentaschen, führte er sie zielsicher an verschiedenen Kunstwerken vorbei.

An einer aus Milchglas bestehenden Sicherheitstüre hielt er knapp inne. Leise piepste es, als er den notwendigen Code in dem Zahlenfeld neben dem Türrahmen eingab und diese schwere Türe aus Glas und Metall sich surrend öffnete.

„Der Künstler ist mein Mentor.“, bog er ein wenig die Wahrheit und hielt ihr die Türe auf. „Ich bin einer seiner Assistenten.“, leicht verzogen sich seine Lippen zu einem schiefen Grinsen, da dies ihr ebenfalls die Erklärung lieferte, warum Janet sich vom ihm hatte etwas sagen lassen. „Auch nicht mehr wie eine studentische Arbeitskraft.“, schnaufte er nun beinahe erheitert und liess sie hinaustreten in den Innenhof des Museum, den man wie einen kleinen Garten angelegt hatte. Große Fensterfronten vermochten es den Besuchern sich neben der Ausstellung eben dort ihren Augen einen Ruhepol zu gönnen.

Das er ein Assistent war. Nun, dass war eine aus der Not geborenen Lüge die er sich zu eigen gemacht hatte wann immer jemand nach seiner Position oder seinem Verhältnis zu dem Künstler fragte. Weder war er der Assistent noch eine studentische, billige Arbeitskraft. Was lediglich Janet, seine eigentlich einzige Assistentin wusste, er war der Künstler selbst – Yul.

Sein Blick huschte hinauf zu der ersten Etage. Jeglicher Flur war aufgrund der Veranstaltung noch hell beleuchtet und so viel der sanfte Schimmer des Lichts auf die dort angelegten Pflanzen und liess deren Blattwerk nun tatsächlich lebendig erscheinen.

„Dort oben ist übrigens das Bild mit zwei Kirschen in Orangesaft.“, deutete er mit seinem Kinn auf ein Gemälde, dass man lediglich, aufgrund des Winkels nur zu Hälfte zu sehen vermochte.

Langsam schoben sich seine Mundwinkeln ein wenig weiter hinauf, als er an ihre Diskussion über den Affenhintern dachte und wie man den Primaten wohl dazu gebracht hatte, sich eben auf diese Leinwand zu setzen.

„Vielleicht ist es auch einfach nur der Abdruck des humanoiden Halters.“, war er genüsslich ein, als er damit daran erinnerte, während sie den Innenhof auf einem Kiesweg durch das Grün durchquerten.

Erneut hielt er vor einer Türe inne, dieses Mal aus stupiden Metall. Eine Sicherheitstüre, wie man sie kannte und erneut gab er einen Pin piepsend ein. Eine Art leeres Vorzimmer folgte, ehe er mit ihr eine weitere Türe durchschritte. Bereits, als er diese öffnete, roch es nach Papier, Holz und Leim. Sie waren in den heiligen Hallen des Museums angekommen, der Werkstatt der Restauratoren, an die sich ebenfalls im hinteren Bereich eine kleine, provisorische Wohnung anschloss.

Er führte sie an den metallischen Werktischen vorbei und hielt vor einer hölzernen Kiste inne, aus dem bereits die größten Stücke der zerbrochenen Vase hervor schauten.

Charlotta Fraser

Eine ehrliche Entschuldigung würde sie nie bekommen. Niemals. Nicht für das, was er ihr angetan hat. Nicht dafür, dass sie an manchen Tagen nicht mal in den Spiegel sehen konnte ohne sich selbst mit all den Blessuren zu sehen, die sie einst erlitten hat. Eine Entschuldigung brauchte sie auch nicht von ihm. Es wäre nur eine Heuchelei. Außerdem war sie froh, ihn nicht sehen zu müssen. Sie brauchte damals den Abstand zu ihm, musste untertauchen und Phils Idee nach Japan zu gehen kam ihr danach auch sehr gelegen. Kontinente lagen zwischen ihr und ihrer Vergangenheit. Eine Entfernung, durch welcher sie alles von sich schob und aufblühte ohne alles richtig aufzuarbeiten. Musste sie auch nicht. Da ging es ihr gut, sie fand sich selbst wieder. Aber mitunter saß der Schock, die Narben auf ihrer Seele, immer noch tief.

Auf seine Worte sagte sie nichts weiter, senkte nur den Blick. Eine leise Zustimmung seiner Worte. Sie wusste, sie war nicht schuldig und dennoch, fühlte es sich so an. Nicht, weil sie dachte sie hätte es verdient verprügelt zu werden. Sondern viel mehr die Schuld daran, nicht eher gegangen zu sein. Das sie 3 Jahre lang an seiner Seite war und nicht gegangen ist! Sich nicht losreißen konnte. Das war es, weswegen sie sich die Schuld daran gab. Es war ihre Sache, wie sie mit ihren Narben umging. Das stimmte und das tat sie auch, in dem sie einfach so tat als wäre sie stark, unabhängig, eins mit sich selbst und verdammt Selbstbewusst. Sie war selbstbewusst, keine Frage. Aber jetzt im Moment war es genau diese Maske die sie brauchte, um allen anderen zu zeigen, dass es wieder ging. Das sie es nicht erlauben durfte ihre Fassung weiter zu verlieren, lag wohl klarer auf der Hand als es ihr lieb war. Ihre Kollegen entfernte sich weiter, sichtlich erleichtert das niemand was zu befürchten hätte und sie in den Feierabend offiziell entlassen wurde.

Lächeln und weitermachen. Eine Taktik, die bisher immer gut funktionierte für jene, die diese Oberflächlichkeit möchten und nicht in der Lage waren alles andere zu deuten. Ihre Geschwister würde sie nichts vormachen können. Ihre ganze Familie würde das aufgesetzte Lächeln als solches interpretieren, was es letztlich auch war: eine Maskerade um Haltung zu bekommen. Um sich selbst vorzugaukeln, das es wieder ging und um sich so davon zu überzeugen, das wirklich alles gut war. Zumindest würde das, was der junge Mann ihr zeigen wollte, für Abwechslung sorgen. Immerhin wollte er ihr etwas zeigen.

Langsam folgte sie ihm und lauschte seinen Worten. Mit jedem weiteren Schritt ging sie aufrechter. Weg von dem Ort, wo sie gerade ihre Fassung verloren hatte. Distanz gewinnen, ein hilfreicher Tipp für den Moment. “Wie, du reparierst sie? Warum kannst du sagen, dass du sie reparierst und als ich das angeführt habe, wurde ich angepampt? Ich habe doch gesagt, man kann die Vase reparieren.” warf sie leise ein und würde der blonden Schnepfe gerne noch mal ihre Meinung ins Gesicht klatschen. Von wegen, das ging nicht und man hätte sie gänzlich zerstört. Reparieren konnte man so vieles, wenn man sich nur mal ransetzte. “Gut, das erklärt warum du Ahnung von dem Ganzen hast. Dann hoffe ich mal, dass du wirklich weißt, wie man diese Vase repariert. Nicht, dass es am Ende aussieht wie eine Giraffe und nicht mehr wie eine Vase.” scherzte sie ein wenig. Heiterkeit kam langsam zurück, klang aufrichtiger.

Sie folgte ihm weiter, musterte immer wieder die wechselnde Umgebung und musste dann breit grinsen, als er von dem Bild mit den zwei Kirschen in Orangensaft sprach und darauf zeigte. Sie verstand sofort, was er meinte und grinste vor sich hin. “Das ist ein wahres Kunstwerk, selbst wenn man nur die Hälfte davon sieht.” meinte sie. “Vielleicht könnten wir uns das nachher mal komplett ansehen?” eine leise bittende Frage, vorsichtig und zaghaft. Dann wandte sie ihren Blick wieder davon ab und zog eine Augenbraue hoch. “Vielleicht. Menschen sind auch nichts weiter als Affen. Wen kümmert es da schon, ob es ein richtiger Affe war oder jemand, der gleichgestellt mit ihm ist?” fragte sie schelmisch. Lottas Augen musterten weiterhin alles. Vor allem, weil sie nicht so genau wusste wohin es ging und ob sie später alleine raus finden musste. Das würde sich nämlich als schwierig erweisen. Die würde sich hier noch verlaufen und unterm dem Affenpo-Bild schlafen. Das würde sie sicherlich irgendwie finden. Selbst, wenn sie bisher nur die Hälfte davon gesehen hatte.

Als nächstes ging es durch eine Sicherheitstür. Ein piepsen drang an ihr Ohr und schon ging es in ein leeres Vorzimmer. Als die nächste Tür erreicht war, strömte ihr direkt eine Ladung an diversen Gerüchen in die Nase. Holz, Papier und Leim. Eine Mischung aus allem, was man sich nur vorstellen konnte. Es war kein unangenehmer Geruch, viel eher ein sehr interessanter Geruch. Etwas, was man sich durchaus vorstellen konnte bei jemandem, der sich um Kunst kümmerte. Sie waren dann auch endlich da angekommen, wo sie hinwollten. Zumindest war die zerbrochene Vase in einer Holzkiste zusammengesammelt worden. Vorsichtig nahm sie eines der Stücke heraus und betrachtete es, während sie den Kopf mal zur einen und dann zur anderen Seite legte. “Familienerbstück… Wir haben keine Erbstücke. Es sei denn, man zählt die Asche meines Bruders dazu.” kam es ihr unüberlegt über die Lippen und ganz langsam zog sie ihre silberne Kette hervor, die sie stets unter ihrer Kleidung versteckte. Eine fein gearbeitete Phiole hing daran. Neben der Phiole war ein kleiner Anhänger in Form eines Wolfspfotenabdruck. Vorsichtig ließ sie die Kette wieder sinken, die nun auf ihrer Kleidung auf der Höhe ihres Herzens zu liegen kam. Die Phiole war klein, unscheinbar, versteckte sich meist zwischen ihren Brüsten, wenn sie diese unter ihrer Kleidung trug.

“Nur wegen dir, wurde ich angemotzt. Ich hoffe das entschädigt es, das man dich umgestoßen hat. Das und die Reparatur. Mit der Praktikantin werde ich nochmal ein Wort sprechen.” sagte sie und sah ihn, bei den letzten Worten wieder an und legte langsam wieder das zerbrochene Vasenstück zu den anderen in die Kiste, strich über einige Kanten vorsichtig herüber. “Wie gesagt. Sie hat Probleme. Sie wird keinen großen Ärger bekommen. Denke, das gerade war schon Lektion genug. Dennoch… Ein paar Wörter müssen wir darüber noch verlieren. Aber das hat Zeit. Sie muss sich auch erst wieder sammeln. Sie ist nun mal noch verdammt jung.” sagte Lotta im ruhigen Ton und sah sich noch einmal im Raum um. “So, und wie repariert man das? Sekundenkleber? Schuhkleber? Wäre es Stoff, wüsste ich genau wie ich es wieder hinbekomme. Unsichtbare Nähte? Kein Problem. Du hast ein Loch in der Hose? Kriege ich hin. Aber ich bezweifle, dass man die Vase zusammennähen kann.” fragend blickte sie ihn an.

“Ich bin übrigens die Lotta. Eigentlich Charlotta aber mir ist Lotta lieber, wenn ich nicht gerade arbeite. Wie soll ich dich nennen?” fragte sie dann, um sich auch mal vernünftig vorzustellen. Sie hatte vorhin seinen Namen nebenbei etwas aufgeschnappt aber so ganz daran erinnern? Das gelang ihr gerade nicht. Irgendwas mit T… Das wusste sie aber weiter? Da war sie doch etwas überfragt.
Er wusste das sie mit jedem Schritt ihre Gedanken sortierte und in diesen wälzte, weswegen zunächst eine Ruhe sich über die beiden legte, als sie den Innenhof überquerten. Er liess ihr diese Augenblicke, ahnte er doch, dass sie mit jedem Schritt mehr die Distanz zu dem eben Geschehenen suchte, wie auch zu dem Vergangenen.

Gar richtete er noch nicht einmal seinen Blick auf sie, sondern auf den mit feinem Kies ausgelegten Weg vor ihnen, auf denen ihre Schritte leise knirschten. Liess ihr den Raum die schützende Maske erneut aufzulegen, um all dieses Grauen darunter zu verbergen.

Hätte er ihre Gedanken gekannt, hätte er ihr versichert, dass er bei seiner Meinungsäußerung verbleiben würde. Niemand trug an dem Ganzen Schuld, außer der Täter selbst. Weder hätte sie etwas an dem Geschehenen ändern, noch es verhindern können. Selbst, wenn sie diesen Typen früher verlassen hätte. Immerhin schienen sie sich in einer Beziehung befunden zu haben, als dies alles geschah. Wie hatte sie es erwähnt? Ihr Exfreund. Unweigerlich schnaufte Yul leise und stieß mit seinem Fuss einen etwas größeren Stein zur Seite.

Das Wesen der Wölfe war geprägt von Loyalität und Vertrauen, erst recht wenn sie sich denn in einer Beziehung befanden. Dabei war es egal, ob diese gebunden durch einen Gefährtenbund war oder eben nicht. Ihr Ex hattet dieses Urvertrauen darin missbraucht und ihre Loyalität auf das Übelste ausgenutzt. So würde es Yul nicht verwundern, wenn sie sich erst im letzten Moment von diesem Arschloch gelöst hätte. Einfach, da ihr Instinkt ihr immer und immer wieder zugeflüstert hatte, dass sie doch bei ihrem Partner zu bleiben hätte. Ein mieser, kalkulierter Schachzug, zumindest wenn ihr Ex ebenfalls in die Lebensweisen der Wölfe eingewiesen war.

Näheres zu dieser Beziehung erfragen würde Yul allerdings nicht. Zu einem verbot es ihm der Respekt vor ihr und zum anderen war er der Ansicht, dass sie, wenn sie denn darüber sprechen wollte, sicherlich dieses Thema irgendwann von allein anschneiden würde.

Knapp wanderten seine Augen in die Winkel, beobachtend hin zu ihr. So erschien ihre Taktik wie die der Pinguine aus Madagaskar. >Immer lieb lächeln und winken. Immer lieb lächeln.< Eine Maskerade, um das zu bewahren, was tief in ihr schlummerte und versuchte zu heilen, dass war ihm nach den vergangenen Minuten mehr wie bewusst. Doch betrachtete er diese Lächeln nun eher kritisch, mit seinen eigenen Gedanken darin. Er hatte es vorher nicht bemerkt, eben, da sie geübt darin zu sein schien. So bemerkte man sehr wohl, dass das Lächeln nie ihre Augen erreichte. Diese nicht dabei strahlten, außer es lag wirklich Erheiterung dahinter, wie eben bei der Erwähnung des Auslösers ihres Kopfkinos.

Leise lachte er und senkte seinen Blick, als sie sich nun darüber entsetzte, dass er einen anderen Einfluss auf die Kuratorin hatte wie eben sie. „Das werde ich.“ ,bestätigte er ihr mit einem freundlichen Lächeln und suchte nun erst den Augenkontakt zu ihr. „Womöglich liegt es daran, dass ich den Künstler und seine Arbeiten gut kenne. Es lag sicherlich nicht an deinem gut gemeinten Willen oder deinem Können, dass sie damit abwerten wollten.“, versicherte er ihr diplomatisch, ehe er ihr erläuterte, dass er der Assistent des Künstlers war.

Seine Iriden wanderten immer wieder über ihr Gesicht. Beinahe konnte man ihre Gedanken nun mehr wie deutlich in der Luft schweben hören, die sich darauf abzeichneten und ihn amüsiert die Lippen schürzen liess.

„Du darfst es ihr nicht übel nehmen.“, schien er dann doch ein Wort zur Verteidigung von Janet zu finden. „Sie kümmert sich hauptsächlich um das Marketing und die organisatorischen Dinge. Sie hat mehr die versicherungstechnischen Auswirkungen im Blick als die Bedeutung der Keramik.“

Offen lächelte er sie nun an. „Das hoffe ich auch.“, stimmte er ihr mit einem Nicken zu und schüttelte leicht erheitert seinen Kopf. „Solange sie nicht aussieht wie ein Affenhintern oder ein Wurmfortsatz eines Künstlers ist doch alles in Ordnung, oder?“, provozierte er sie erneut und griff ihre Heiterkeit damit auf.

Ebenfalls wies er sie auf das berühmt und berüchtigte Bild in der ersten Etage des Museums hin, dessen man nur ein Stück gewahr werden konnte und lachte nun offen, als er sie verkündete, dass dies ein wahres Kunstwerk sei. „Also so wie der Haufen aus Müll?“, zuckte erheitert seine Augenbraue hinauf, als er sie darauf aufmerksam machte, dass sie das Schattenbild mit diesem gleichsetzte. Sollte er nun beleidigt sein darüber? Sicherlich nicht. Hatten sie doch bereits im Laufe des Tages festgestellt, dass Kunst eben im Auge des Betrachters lag.

Die leise Bitte entging ihm nicht und er folgte ihrem Blick hinauf zu dem Bild. Überlegend nickte er. „Die Veranstaltung endet gegen 23.00 Uhr. Solange wird die Security des Museums anwesend sein. Danach werden alle Sicherheitssysteme wieder hochgefahren. Wenn wir es bis dahin schaffen…“, schoben sich nun nachdenklich beide Augenbrauen hinauf.

Letztlich wusste er um den Aufwand, der ihnen nun bevorstand. „…außer du willst den Alarm des Museums auslösen und eine Gratis-Wellness-Übernachtung bei der Polizei buchen.“, griente er nun schief.

„15 Gitterstäbe, sind schon beeindruckend. Zusätzlich eine harte Gucci-Gummimatraze und eine Wellnessmassage bei der renommierten Körperkontrolle…“, führte er auf. „Klingt doch gut, oder?“, scherzte er weiter, ehe er ernster wurde.

„Wenn ich es bewerkstelligen kann, wirst du das Bild sehen.“, sicherte er ihr zu und ein Lächeln blieb weiterhin auf seinen Lippen.

Er mochte sie und dies sah man in seinen Augen, als er nun ihren Blick auffing. Zudem tat es ihm leid, was ihr an diesem Abend widerfahren war. Sicherlich, sie fühlte sich für die Praktikantin verantwortlich. Dennoch war es eben nicht ihre Schuld, dass die Vase zu Boden gestürzt war. Mit ein Grund warum er sie nun in die Werkstatt der Restaurateure mitnahm.

Ein Raum, der für ihn mehr Rückzugsort war, als der Garten im Innenhof des Museums. Wohl weniger der Raum an sich, der kaum etwas mit seiner Werkstatt gemein hatte, denn mehr die Arbeit die hier vollrichtet wurde. Es waren die immer wiederkehrenden Handlungen, die ihm halfen seinen Alltag zu meistern, überhaupt, ein Stück seines Lebens zurückzugewinnen. Zumindest das wenige, was man noch als lebenswert erachten konnte. Die Arbeit half ihm seine Gedanken zu verarbeiten, seine Erinnerungen, die wenigen die er besaß, erträglich zu machen. Mit eine Grund, warum er sich in die Arbeit regelrecht stürzte und als Assistent eines renommierten Künstlers, selbst als Dozent an der Kunsthochschule hier unterrichten würde.

So hatte er die Erlaubnis der Direktion, nicht nur die kleine Künstlerwohnung die sich an diese Räumlichkeiten anschloss, sondern auch diese Werkstatt zu nutzen. Lediglich kleine Ergänzungen hatte er in einem Ecken der Werkstatt vorgenommen. So fand man nun eine kleine Drehscheibe neben einem der metallischen Tische. In verschiedenen Behältnissen lagerte er seinen Ton. Ordentlich eingewickelt in feuchten Tüchern, die das austrocknen in den luftdichten Behältnissen noch verhindern sollte. Eine Art großer Humidor, aus dem man jegliche Regale entfernt und die Frontscheibe verdunkelt hatte, stand in einem der Regale. Auch diesen Schrank hatte er mit eingebracht.

Ruhig trat er neben sie, als sie sich nun die Bruchstücke besah. „Es hat eine besondere Bedeutung für den Künstler. Eines der wenigen Objekte, die die Zerstörung seiner Werkstatt und die Ermordung seiner Familie überlebt hatte.“, nahm er das Stück entgegen und besah es sich ebenfalls.

Sie hatten wohl Glück, neben einigen kleineren Scherben, waren die meisten Stücke, doch etwas größer. Bei dem leisen Klirren ihrer Kette sah er auf und Traurigkeit füllte seine Augen.

„Alles was Erinnerungen trägt sind Erbstücke unserer Seelen.“, lächelte er traurig, während sein Blick knapp auf den wundervollen Anhänger hängen blieb.

„So sollte man alles betrachten, was die Toten uns hinterlassen.“, legte er nun ebenfalls eine große Scherbe zur Seite.

„Dein Verlust tut mir sehr leid.“, liess er seinen Kopf knapp sinken und räumte erst dann die Scherbe wieder zu den anderen.

„Janet hatte sich im Ton vergriffen.“, sah er erneut auf, nachdem sie zu der Scherbe gesprochen hatte. „Sie weiss, was dieses Stück für den Künstler bedeutet, so wie ich. Und ich denke, du siehst es nun auch mit anderen Augen.“, schien er sich sicher.

„Weder du noch sie werden Probleme bekommen.“, versicherte er erneut. „Ich habe versichert, dass ich die Vase im Sinne des Künstlers reparieren kann.“, drückte er sich ein wenig von dem Tisch fort und nahm eine kleine Tube, Papierklebeband, Spachtel, metallische kleine Messlöffel, Handschuhe und Schmirgelpapier in die Hand. Letzteres reichte er ihr, nachdem er festgestellt hatte, dass sie eine der untersten Scherben erwischt hatte.

„Wir haben Glück, dass es nicht so viele Scherben sind. Diese gehört an den Boden.“, deutete er mit dem Kinn auf die Scherbe die sie hielt und zog er selbst nun das große, erhaltene Stück des Bodens hervor und zeigte, wie die Scherbe anzusetzen war, damit sie sich wieder an ihren Platz fügte.

„Wir haben Glück, dass es ein Stück war, dass dickwandiger ist. Sonst müssten wir hunderte Teilchen zusammenfügen.“, schien er überhaupt nicht beunruhigt vor dieser Aufgabe.

„Fehler begeht man in jedem Alter.“, murmelte er ruhig und suchte die nächste Scherbe, die passen konnte und hielt sie an den Boden an. Mehr würden sie wahrscheinlich nicht kleben können. Dafür war dies ein viel zu aufwendiger Prozess der Wochen kosten würde.

Ruhig zog er die nächste Schublade auf, ehe er leise unter ihrer Frage und Vermutung mit dem Schnellkleber lachte, und zog einen kleinen Beutel mit einem weißen Pulver hervor.

„Mit viel Geduld…sehr viel Geduld und ki urushi.“, schob er ihr das Schleifpapier zu.

„Einem natürlichen Lack der mit Reismehlkleister vermischt wird.“, versuchte er es überlegend zu erklären.

„Du musst die Kanten abschleifen und säubern.“, schmunzelte er sie an und zeigte ihr den Vorgang an dem Stück, dass er selbst nun zur Hand nahm.

„Die Haftung ist besser und…das Alte macht dem Neuen Platz.“, zeigte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht. „Wir brauchen eine geringe Lücke zwischen den Stücken für den…Kleber.“

Schief schmunzelte er nun. „Und niemals dafür Sekundenkleber verwenden, dass wäre der Tod des Stücks.“, schien er sich darüber zu amüsieren. „Sozusagen der Affenarsch.“

Knapp beobachtete er, was sie tat und erst als er sich sicher war, dass sie gründlich in ihrer Arbeit des Schleifens vorging, legte er sein Stück zur Seite und zog eine größere Glasplatte nun heran, die er zum Anmischen des Klebers nutzen würde. Finger glitten in die Latexhandschuhe und er begann aus der Tube ein wenig des rotbraunen ki urushi auf die Platte aufzutragen und tat etwas von dem weißen Pulver hinzu. Vorsichtig mischte er die Zutaten miteinander, bis die rotbraune Masse Fäden zog.

Er hielt nicht inne in seinem Tun und doch schien er leicht bei ihrer Frage zusammenzuzucken. Nicht merklich und doch merkte man, dass er überlegte. Lächelnd sah er auf. „Lotta.“, schien er den Klang ihres Namens zu prüfen und betrachtete sie, noch während dem Mischen.

Welchen Namen sollte er ihr nun nennen. Janet hatte in mit seinem alten Namen angesprochen „Takeru“.

Er hatte diesen Namen abgelegt, auch wenn er diesen noch in seinen Papieren stehen hatte. War dieser Name doch behaftet mit den wenigen Erinnerungen. Schmerzlichen Lichtpunkten aus seiner Vergangenheit. Wie auch dem Wissen, dass die Triaden ihn unter diesem Namen kannte. Ob dies nun nach über 20 Jahren immer noch der Fall sein würde, immerhin war er für die Triaden ein toter Mann? Wer wusste das? Ein Risiko, dass er nun tragen musste. Dennoch war er gezwungen ab und an diesen Namen zu nutzen, eben, wenn er sich als Assistent ausgab oder eben eine Anstellung annahm.

Yul sog langsam Luft. „Ich Takeru.“, entschloss er sich bei der Wahrheit zu bleiben.

„Doch so nennt mich kaum mehr jemand.“, hielt er nun tatsächlich knapp inne und nahm von ihr das Bruchstück entgegen.

„Yul. So nennen mich meine Freunde.“, beschmierte er die geschliffenen Ränder mit dem zähen Kleber und ergriff bereits sein Stück, dass er eben geschliffen hatte und tat es gleich, ehe er sie an den Boden zusammenfügte.

„So…bitte mit kleinen Klebestreifen die Bruchstücke sichern. Einfach in gewissen Abständen über die Naht kleben.“, würde er die Scherben solange halten.

Er beobachtete sie dabei und lächelte. „Nenn mich Yul.“, war er auch hier bereit das Alte durch etwas Neues zu ersetzen.

„Gut…Sehr gut. Mehr können wir sowieso im Moment nicht machen.“, murmelte er anschließend und deutete mit dem Kinn auf den Feuchtschrank.

„Öffne bitte den kleinen Schrank.“, würde sie dies tun, würde er vorsichtig den Boden mit den zwei angeklebten Stücken der Vase zu diesem hinübertragen und behutsam hineinstellen.

„Der Kleber muss nun für mehrere Tage trocknen, erst dann ist es stabil genug für die nächsten Scherben anzufügen.“, wirkte er zufrieden und nahm stattdessen eine kleine Schale hervor.

Auffallend war der längliche Riss, der sich in einer unregelmäßigen Linien über die eine Seite zog. Gar musste ein kleines Stück am Rand gefehlt haben, dass nun mit Rotbraun aufgefüllt war. Vorsichtig schloss er die Türe, kontrollierte noch die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit und wandte sich dann wieder zu ihr.

„Der Prozess ist aufwendig. Das Trocknen dauert mehrere Tage. Danach wird immer wieder der Riss mit Holzkohle und Wasser geschliffen und weiter aufgefüllt. Wieder Trocknen, dann versäubern. Stück für Stück setzte sich so alles wieder zusammen.“, erklärte er ruhig weiter und setzte sich nun mit der Schale und deutete auf den Platz neben sich.

„Du fragst dich sicher, was all dieser Aufwand soll, oder?“, konnte er bereits ihre Gedanken erahnen und zog einen feinen Pinsel hervor.

Geschickt trug er nach und nach eine letzte, sehr dünne Schicht des reinen ki urushi auf den bereits vorbereiteten, geschliffenen Riss.

„Zieh mal die Schublade dort auf.“, deutete er darauf.

„Darin findest du eine schwarze Lederne Hülle mit einem kleinen Plastikbeutel in dem ein Papierbriefchen ist. Sei vorsichtig damit.“, schmunzelte er.

„Es ist Pulvergold.“, vollendete er die Linie und schob die Schale zu ihr.

„Das hier ist eine traditionelle Art und Weise zerbrochene Vasen und Schalen zu reparieren. Aufwendig, sicher.“, zuckte er leicht mit den Achseln. „Und doch wird das Zerbrochene wieder zu etwas Neuem zusammengefügt. Klar. Der Schaden wird ersichtlich sein. Für immer. Es sind dessen Narben, die nun zu der Geschichte dieses Stückes gehören. Doch anstatt sie zu verbergen werden sie mit Gold betont. Es entsteht somit etwas Neues, Vollkommenes, mit der Schönheit seiner eigenen Geschichte.“, gab er seine Gedanken preis und reichte ihr einen Rosshaarpinsel, zog das Briefchen hervor und faltete es auf und schob es ihr hin.

„Nimm ein wenig des Goldes mit dem Pinsel auf und halte ihn anschließend über den Riss. Tipp den Pinsel vorsichtig an, dass das Gold sich darauf verteilt.“, riet er ihr leise und half ihr bei dem ersten Stück, bis sie ein Gefühl dafür hatte. „Klappt gut.“, lobte er sie zufrieden und begann damit die Werkzeuge zu reinigen.

„Die schönsten Menschen die uns in unserem Leben begegnen. Sind die, die Niederlagen, Leiden und Verluste erlebt und ihren Weg aus der Tiefe gefunden haben.“, sah er sie mit einem Mal fest an und lächelte.

Charlotta Fraser

“Dennoch hat sie einen abgewertet und mich beleidigt. Ich habe nicht damit angefangen und mit Beleidigungen um mich geworfen.” meinte sie und hob abwehrend die Hände, ehe sie mit den Schultern zuckte. Sie selbst war ein sehr impulsiver Mensch, was sie durchaus gerade auf eine extreme Art und Weise gezeigt hat. “Spielt ja letztlich auch keine Rolle, solange wie dieses Vase wieder repariert wird und ich hinter dem ganzen einen Haken setzen kann.” sagte sie etwas leiser. “Nicht übel nehmen… Ich nehme ihr nicht übel, das sie ihre Arbeit macht. Die Art und Weise, wie sie damit umgegangen ist, nehme ich ihr übel. Ich nehme es ihr übel, dass ich beleidigt wurde und es dafür keinen Grund gab, mich so anzugreifen. Ich nehme es ihr übel, das ich einen halben Herzinfarkt hatte, aus Angst meinen Job zu verlieren und damit alles, was ich mir mühsam aufgebaut habe.” erwiderte sie ein wenig kühl und musterte den jungen Mann mit einem prüfenden Blick. “Für dich ist die Sache zügig erledigt. Du reparierst es und musstest um nichts bangen. Ich hingegen schon und ich hasse es, wenn man mich provoziert und sich dann am Ende wundert, dass ich ausfallend werde.” ergänzt sie und zuckte mit den Schultern.

Lotta eben. Sie besaß durchaus ein wildes Herz, etwas was sich nur schwer beschreiben ließ. Es gab Menschen, denen sah man an der Nasenspitze an wie sie ticken und dann gab es Leute wie Lotta, die so viel mehr in sich trugen als man glauben mochte. Die ein gutes Herz besaßen und dennoch ihre negativen Seiten zu Tage förderten und zeigten, dass in ihnen manchmal ein Sturm war der unbedingt ausbrechen musste. Sie war jemand, der sich im Griff hatte und manchmal nicht kontrollieren konnte, was geschah. Vielschichtig war sie, facettenreich ihr Charakter und am Ende kam es immer darauf an, mit wem sie sich umgab und wie man mit ihr umging. Bei seinem provokanten Scherz schob sie ihre Unterlippe ein wenig hervor und ein ehrliches Grinsen zeichnete sich ab. “Das wäre doch mal ein tolles Motiv für eine Vase. Eine Lichterkette dazu und das Ding ist eine wahre Pracht.” scherzte sie und musste bei der Vorstellung, von so einer Vase, lachen. “Überleg mal, wo man in so einer Vase, die so eine Form hat, die Blumen reinstellen würde. Wobei… Nein, böses Kopfkino.” fügte sie lachend hinzu und schüttelte kurz mit dem Kopf um das Bild los zu werden.

Bei seiner Frage, verneinte sie und stoppte in ihrer Bewegung. “Der Haufen Müll ist schöner als das Affenpobild. Das Affenbild ist ein Meisterwerk, weil es so schön sichtbar ist. Man schaut es ein und versteht es direkt, kann da zügig sich seinen Teil dazu denken. Der Haufen Müll ist aber besser. Es sieht zwar aus wie Müll, auf den ersten Blick aber hat ein schönes leuchtendes Geheimnis. Vermutlich braucht es auch mal eine andere Bezeichnung. Wie wäre es mit funkelnder Müll oder so was?” schlug sie grinsend vor und lächelte dann sanft als sie weiter sprach. “Ich mag die Bedeutung hinter dem funkelnden Müll mehr. Diese Bedeutung, den Blickwinkel zu ändern und nicht zu vorschnell jemanden zu verurteilen. Der Affenpo ist und bleibt ein Affenpo, egal aus welcher Richtung man ihn betrachtet.” kam es ihr ehrlich über die Lippen.

Als er ihr erklärte, dass ab 23 Uhr das Alarmsystem in Kraft gesetzt werden würde und man mitunter bei der Polizei landen würde, erhellten sich ihre Augen vor Heiterkeit und beinahe wie ein freudiges Kind, klatschte sie einmal in die Hände. “Oh ja, das klingt doch kuschelig! Ab in die Gucci-Gummimatratzen Zelle bei der Polizei.” sagte sie grinsend und benahm sich dann wieder ihrem Alter entsprechend. “Keine Sorge, ich habe nicht geplant heute noch einen Polizeieinsatz auszulösen. Sollte es zeitlich nicht klappen, ist das so. Dann komme ich einfach irgendwann wieder, sofern man mich hier nochmal reinlässt. Der Affenpo wird sicherlich noch eine Weile hier sein und sonst machst du davon mal ein Foto und schickst es mir per Handy. Fotografieren darf man Kunst doch, oder wird man dafür auch in die Gucci-Gummizelle geworfen?” fragte sie ihn. Ein wenig schelmisch grinste sie ihn an. Sie würde für heute nicht mehr unnötig für Stress sorgen, das hat sie sich vorgenommen. Aber gut, so gut planen konnte man es nun wirklich nicht. Manchmal kam man in Situationen, wo man nicht anders konnte. Doch, sofern der restliche Abend ruhig blieb, würde sie auch ruhig bleiben. Einfaches System.

Die Werkstatt war sicher ein wahres Paradies für einen Künstler. Für Lotta war es nur ein Raum voller Dinge, von denen sie keine Ahnung hatte und nicht so genau wusste, was man hier anfassen konnte ohne das es direkt kaputt ging und wie frei sie sich hier bewegen durfte. Von daher würde sie sich hier durchführen lassen. Bei den Worten von ihm, über das Familienerbstück, nickte sie verständnisvoll und ein trauriger und mitfühlender Blick hielt Einzug auf ihrem Gesicht. “Da verstehe ich, warum sie ihm wichtig. Wenn es eins der wenigen Überbleibsel ist, was man noch hat…” fast flüsternd sprach sie diese Worte aus und strich behutsam über die Kante der Scherbe, die sie in der Hand hielt. Ihr trauiger Eindruck wurde noch etwas trauriger, melancholischer, als ihr Bruder zusprechen kamen. Etwas, was sie selbst ins rollen gebracht hat. Seinen Worten lauschte sie bedächtig, strich über die Phiole, in der die Asche ihres Bruders war.

“Er hat Japan geliebt. Wir waren 14 Jahre gemeinsam hier. Wir haben nie hier her gepasst aber das störte uns nicht. Es war unser Neuanfang, unsere Art und Weise die Schatten der Vergangenheit abzuschütteln. Er entschied 2020 das es für ihn Zeit war zu gehen. Aber ein Teil bleibt immer hier. Ich trage ihn immer bei mir. Ich hätte niemals meinen kleinen Bruder irgendwo zurück lassen können, irgendwo unter der Erde.” kam es ihr mit einem traurigen Lächeln über die Lippen und sie blinzelte mühsam die aufkommenden Tränen weg, die ihre Augen glänzen ließen. “Was wäre ich dann für eine große Schwester? Der hätte mir den Kopf dafür abgerissen, wenn ich ihn nicht überall mit hinnehmen würde. Wirklich, der wäre wie ein Zombie auferstanden und hätte mich verfolgt, um mir den Kopf abzureißen.” scherzte sie mit einem ehrlichen Lächeln auf den Lippen. “Ich weiß wie hart es ist, wenn man Teile seiner Familie verliert. Ich weiß, was für eine leere im Herzen ist, wenn man nichts weiter hat als die Erinnerungen an etwas, was mal war. Man klammert sich an die Dinge, die einem das Gefühl geben, noch einen Teil der Verstorbenen bei sich zu haben.” fügte sie sanft hinzu, während sie kurz ihre Hand um die Phiole schloss. Die Tränen ebbten wieder ab ohne das sie über ihre Wange gerollt waren. Ihre Fassung fand sie schnell wieder. Ein Emotionssturm wie vorhin gab es hier nicht. Nur ein wenig Traurigkeit, die ihr Herz zusammenziehen ließ und sich schnell wieder in den Griff bringen ließ.

“Ich sehe viele Dinge mit anderen Augen, wenn ich die Chance dafür bekomme.” warf sie ein und meinte damit eigentlich, dass sie dafür einen ruhigen Moment brauchte. Janet hätte nur ruhig bleiben müssen, dann wäre es nicht eskaliert. “Ich vertraue auf dein Wort. Was anderes bleibt mir auch nicht übrig, nehme ich an.” erwiderte Lotta. Ihr war klar, dass sie darauf vertrauen musste. Keine Probleme… Es würde keine Probleme geben. Vermutlich würde Lotta es erst dan richtig glauben, wenn es wirklich so war. Wenn es wirklich eintraf, dass weder die Praktikantin noch sie ihren Job verlor. Auf seine Worte hin, dass die Scherbe an den Boden gehörte, legte sie diese vorsichtig ab und musterte seine Finger, die gerade ein großes Stück des Bodens hielten. Sie würden wohl alles aneinander kleben müssen, irgendwie. Wie so ein großes Puzzle.

Ruhig ließ sie sich erklären, wie das Vorgehen war. Er kannte sich damit aus und sie würde seinen Anweisungen folgen. Die Kanten abschleifen und säubern, kein Problem. Das bekam sie hin! Da war sie sich sicher. “Kein Sekundenkleber, okay. Ich mache einfach das, was ich machen soll. Dann mach ich zumindest nichts kaputt.” murmelte sie leise vor sich hin und schenkte ihm ein kurzes Lächeln, während sie sich mit dem Schleifpapier beschäftigte. Konzentriert ging sie an die Arbeit und nahm jede einzelne Scherbe behutsam in die Finger. Etwas, was man ihr lassen musste war, dass sie gewissenhaft ihrer Arbeit nachging und darauf bedacht war, diese ordentlich zu erledigen. Nur gelegentlich sah sie zu ihm rüber, beobachtet kurz was er tat und fokussierte sich wieder auf ihre Arbeit. Beim aussprechen ihres Namens, schmunzelte sie zufrieden und nickte. Lotta, das war sie. Das war der Name, der zu ihr einfach besser passte als jeder andere, wenn man sie fragte.

Takeru war sein Name. Er sprach nach einem kurzen Moment weiter und sie musterte seine Bewegungen, versuchte alles einzufangen und es dann richtig umzusetzen. Beim verteilen des Klebers, war sie deutlich vorsichtiger und kaute auf der Innenseite ihrer Wange herum. “So?” fragte sie als sie fertig war und sah prüfend zu ihm. Er kannte sich immerhin damit aus und es sollte schon richtig werden. Notfalls musste sie die Vase eben komplett zertrümmern. Dann war sie eben nur noch Staub, wobei das Museum sie dann erst Recht verklagen würde. “Yul…” kam es ihr über die Lippen und sie grinste ihn an. “Kann ich mir merken. Yul ist kürzer als Tak… Tak… Takeru? Siehst du, Yul geht viel flüssiger über die Lippen.” meinte sie schelmisch. Kurze Namen waren immer gut. Sie gingen leicht über die Lippen.

Seinen Anweisungen leistete sie ohne Widerworte folge und öffnete für ihn den Schrank, auf den er zeigte. “Das heißt, du hast noch ganz lange Arbeit? Oder darf ich zum helfen nun für eine Weile hier herein spazieren, wenn du da bist?” fragte sie interessiert. Allein schon, weil sie wissen musste. ob sie hier generell erwartet wurde. Für sie war es eine Frage des Stolzes dabei zu helfen, wenn was kaputt gegangen war. Sie würde sich nicht davor drücken, sofern man ihr nichts anderes sagte. “Warum so kompliziert?” fragte sie ihn, als er fortfuhr mit seiner Erklärung, wie der Prozess ablaufen würde. Es klang nach verdammt viel Arbeit…

Während sie den nächsten Worten von ihm lauschte, tat sie das was er ihr sagte. Schublade öffnen, ihm Dinge reichen. Dann blickte sie auf die Schale, die Yul nun vor sie schob und auf das Pulvergold. Ein wenig perplex zog sie die Augenbrauen zusammen, als sie ihm zuhörte. Diese Erklärung, diese Vorgehensweise… Es machte was mit ihr. Im ersten Augenblick wirkte sie noch völlig gefasst, bis sie dann vorsichtig das Pulvergold auf dem Riss auftragen sollte. Sie ging vorsichtig mit dem Pinsel darüber und hielt den Blick zu ihm für einen Moment aufrecht, als er sie fest ansah und lächelte. “Manche Geschichten sind aber nicht so schön, das man sie erzählen kann. Manche Geschichten, kann man nicht laut aussprechen. Manche Geschichten sorgen dafür, dass man Angst hat, anders behandelt zu werden.” begann sie und hielt den Blickkontakt zu ihm aufrecht. Atmete ruhig ein und aus.

“Es ist schwer… Gold lässt die Narben vielleicht schimmern und glänzen, sie anders wirken. Aber es wird nicht verändern, warum sie entstanden sind. Die Narben sind dennoch da. Werden für immer bleiben. Manche hören auf weh zu tun, man fängt an sie mit Stolz zu tragen. Dennoch können sie einreißen, erneut Schmerz auslösen.” sagte sie weiter und senkte dann den Blick. “Jeder von uns trägt doch Narben. Jeder von uns hat Narben, über die man nicht sprechen kann. Ich kann sagen, dass es häusliche Gewalt war. Ich kann sagen, dass ich dumm, blind und bescheuert war und diese scheiße 3 beschissenen Jahre mitgemacht habe. Doch darüber zu sprechen, was für mich der Punkt war an dem ich abgehauen bin? Das geht nicht. Allein schon, weil mein Kopf sich dagegen sträubt, mir Erinnerungen fehlen.” kam es ihr leise, fast schon heiser, über die Lippen.

Dann sah Lotta wieder zu ihm und ihre Haltung festigte sich wieder, fast so als sei sie aus einem Versteck gekrochen. “Jeder, der Narben auf der Seele oder der Haut hat, jeder der gelitten und gekämpft hat, weiß wie schwer es ist weiter zu machen. Aber hey, trotz Narben auf der Seele, sitzen wir hier und sorgen dafür das die Schale ein wenig Gold bekommt.” meinte sie und drückte Yul einen kleinen goldenen Punkt auf die Hand und sich selbst auch. “Manchmal muss man nicht wissen, was ein Mensch alles erlebt hat um zu merken, dass er gelitten hat. Man spürt es, merkt es durch die Art und Weise wie jemand mit einem umgeht und was für Schlüsse derjenige zieht ohne das man darüber je ein Wort verloren hat um ihm auf die Sprünge zu helfen. Eine Schale kann man anmalen, man könnte sich die Haut in einen goldenen Schimmer bepinseln aber die Narben auf dem Herzen wird der Gold so nie erreichen. Aber vielleicht hilft es ja, sich vorzustellen, dass irgendwann ein Schimmer darauf liegt und man selbst so leuchten kann, wie dieses schöne Schattenbild.” ein zaghaftes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, während sie den Blickkontakt zu ihm suchte. “Noch was, was ein wenig Gold vertragen könnte?” fragte sie und hob den Pinsel ein wenig an. Bereit um weiter zu machen.
In aller Ruhe war er neben ihr hergegangen, hatte sich den ergießenden Wortschwall an Impulsivität über sich ergehen lassen, ohne, dass er diesen verurteilen würde. Entgegen ihr hatte er eher einen sachlichen Blick auf die Geschehnisse.

„Es scheint durchaus eine Rolle für dich zu spielen.“, begann er ruhig.

„Sonst würdest du nicht ihr den Kopf abreißen wollen.“, zuckte bei dieser Feststellung leicht sein Mundwinkel.

„Ich glaube, sie hat die Anschuldigungen lediglich an die Praktikantin gestellt. Nicht an dich. Du warst zuerst überhaupt nicht im Kreuzfeuer gewesen.“, nachdenklich betrachtete er sie knapp.

„Du fühlst dich für sie verantwortlich. Das ist gut und soll auch so sein. Doch sie hatte es ausgefressen und du hältst deinen Kopf bereitwillig hin? Das hattest du nicht nötig, auch wenn du dich ihr gegenüber verantwortlich fühlst. So wenig wie Janet es nötig hatte so ausfallen zu werden.“, gestand er ruhig ein.

„Natürlich ist es ein schmaler Grad, zwischen Verantwortung tragen für andere, aber auch für sich selbst. Du darfst dich selbst bei dem Ganzen nicht vergessen.“, mahnte er. „Und das hast du. Du bist bereitwillig für sie in die Bresche gesprungen, ohne die anderen Umstände zu kennen.“

Tief sog er Luft, dass sich seine Schultern dabei hoben. „Sie war angetrunken gewesen. Ich habe es selbst gerochen, als sie mich angesprochen hatte. Und das nicht von den wenigen Minuten Aufenthalt bei der Eröffnung. Sie war aufdringlich und respektlos, so dass du selbst eingreifen musstest.“, wartete er eine Reaktion auf seine Worte nun ab.

„Es ehrt dich, dass du dich für sie verantwortlich fühlst und für sie einstehst. Das ist dein Job. Doch solltest du ebenfalls diese Punkte mit bedenken und in deine eigene Wertung mit einfließen lassen, wenn du mit ihr sprechen solltest.“, riet er ihr.

„Für mich ist diese Sache nicht zügig erledigt. Ich werde wahrscheinlich noch Tage damit verbringen und hoffen, dass ich sie wieder herrichten kann. Also ja, ich hoffe, doch ich weiß es nicht. Was ist, wenn ich mein Wort nicht halten kann?“, hinterfragte er ihre Annahme, dass er um nichts bangen musste.

Er hätte es sich denken können, dass sie diese *Vorlage* nicht einfach so übergehen würde. Dennoch hatte er nicht damit gerechnet, mit welchen Bildern sie seine Provokation über die neue Form der Vase ausfüllen würde. So wurde aus dem Schmunzeln ein leises gelachtes Räuspern, hin zu einem dezenten Husten, als habe er sich verschluckt.

„Je nach Blüte? Böses Kopfkino…ganz böse.“, versicherte er ihr und seine Augen funkelten auf, als er nun zu ihr sah. Er war froh darüber, dass sie erneut ihre Fröhlichkeit wiedergefunden hatte.

Vielleicht mochte man ein wenig Erleichterung in seinem Gesicht erkennen, als sie letztlich erwähnte, dass sie den Haufen Müll als interessanter und schöner betrachtete, als eben das Bild eines Affenhinterns. Beruhigend. Zumindest empfand er dies so. Steckte doch seine stundenlange Arbeit in dem Werk. Leicht verdreht er schmunzelnd die Augen, als sie meinte, es sei zwar ein Haufen Müll, doch sofort lenkte sie ein, dass es dies nur auf den ersten Blick sei. Etwas, was ihn beschwichtigte.

„Funkelnder Müll?“, neigte sich sein Kopf zur Seite zu ihr, sie war stehen geblieben und sah hinauf zu dem Bild.

„Ich werde es vorschlagen.“, schob sich nun leicht sein Kinn vor, als er seinen Kopf wieder anhob.

Ein zufriedenes Lächeln zeigte sich nun auf seinen Lippen. „Tja, ein Affenarsch, wird halt immer ein Affenarsch bleiben. Egal aus welcher Richtung man ihn betrachtet.“, stimmte er ihr vollkommen zu.

„Heute nicht? Gut. Dann bin ich beruhigt.“, kam es vollkommen trocken und doch amüsiert von ihm, als es um den Polizeieinsatz ging.

„Warum sollte man dich nicht reinlassen?“, schoben sich nun seine Augenbrauen hinauf. Es war wohl nicht, dass er nicht wusste, was sie meinte. Doch war er weiterhin der Ansicht, dass nicht sie die Vase umgestoßen hatte.

„Du warst nicht der Verursacher. Somit, kein Hausverbot für dich.“, zwinkerte er ihr zu.

„Das könnte sich allerdings ändern, wenn du versuchst ein Foto von alldem zu machen.“, riet er ihr mit einem Lächeln.

„Ich würde es unterlassen. Wird nicht gerne gesehen.“, verzog er ein wenig sein Gesicht.

Yul selbst liebte diesen Ort, diesen Raum. Der Geruch nach Holz, Leim und Farben, weckten in ihm eine tiefe Ruhe, die er sonst lediglich in seiner eigenen Werkstatt empfand. Es beruhigte ihn, beinahe wie ein Seelenschmeichler und durch sein regelmäßiges Arbeiten mit dem Ton, vermochte er seine Gedanken zu lenken und das zu verarbeiten, was die Nächte ihm meist in grausamen Alpträumen vor die Füsse warf.

Zufrieden lächelnd nickte er ihr bekräftigend zu, als sie meinte, dass sie es verstehen würde. Ihr Blick wurde traurig, gar melancholisch, als sie nun über die Scherbe strich. Ein Moment der ihn tief einatmen liess, als ein eisiger Schauer über seinen Körper hinwegfegte. Es war ihre Trauer, die nun greifbar war, spürbar regelrecht, dass er knapp zu den Scherben sah, um sich zu fangen. Er spürte ihren Schmerz, war es doch sein eigener, als er nun gar kurz seine Augen schloss. Es waren die liebevollen Worte über ihren Bruder, die ihn so bewegten.

Langsam sah er auf, sah noch wie sie blinzelte, ehe erneut sich ein trauriges Lächeln zeigte, dass er ihr spiegelte und lachte leise mit ihr, als sie den Scherz mit dem Zombie machte. Doch ihre nächsten Worte, trafen ihn tief in seinem Herzen, dass er sie mit einem Mal anstarrte.

„Wie grausam muss es sein, noch nicht einmal die Erinnerungen an sie zu besitzen.“, entglitt es ihm und schüttelte dann den Kopf, den er sinken liess. Er tat so, als sortierte er bereits die Scherben. Behutsam, als würde er ein Neugeborenes aus seiner Wiege bergen.

„Vor über 20 Jahren verlor dieser Künstler alles.“, seine Stimme war merkwürdig rau geworden, dennoch konzentrierte er sich auf seine Arbeit.

„Seine Familie, sein Haus, sein ganzes Leben.“ Sein Kehlkopf hüpfte als er nun schluckte und den noch ganzen Boden der Vase auf den Tisch stellte.

„Ein gewaltsamer Raubüberfall. So sagte die Polizei. Er selbst kann sich an nichts mehr erinnern. Vielleicht ein Segen und doch eine tiefe Qual. Von seiner Familie fand man lediglich Blut auf dem Boden und die Spuren eines Kampfes. Sein Haus…alles war zerstört, bis auf weniges und diese Vase gehörte dazu.“

Seine Hände stützten sich knapp auf der Kante des Tisches ab, seine Finger umschlossen dabei die Kante so stark, dass die Adern auf seinem Handrücken hervortraten und seine Finger weiss wurden. Es war erst das zweit Mal, dass er so offen darüber sprach.

Langsam sah er nun zu ihr, als er glaubte, dass er sein Gesicht, seine Emotionen wieder im Griff hatte. Dennoch sah man den tiefen Schmerz in seinen Augen. „Er hat nichts von ihnen. Keine Fotos, keine Erinnerungen, kein Andenken. Nichts, als das Wenige was er fand.“, sog er erneut die Luft tief ein. „Daher ist diese Vase so wertvoll und die Arbeit daran nun so schwer.“

Sanft und traurig lächelte er bei diesen seltenen Worten, ehe er die wenigen Bilder dieser Nacht die vor seinem inneren Augen vorbeihuschten, erneut wieder tief in sich begrub.

Verständig nickte er bei ihrem Eingeständnis.

„Du kannst auf mein Wort vertrauen. Ich bin mir der Tragweite meines Handelns durchaus bewusst.“, versicherte er ihr. Hatte er doch mit der Zustimmung die Vase zu reparieren ebenfalls die Verantwortung dafür übernommen. Zumindest aus der Sicht der Kuratorin.

„Nun bekomm ich dich doch noch zum puzzeln, mhm?“, versuchte er die Traurigkeit weiter von sich zu schieben, als er ihr nun erklärte, wie man die Vase reparieren könnte.

Ehe er dann leise lachte und den Kopf schüttelte über ihre Aussage, dass sie dann wenigstens nichts kaputt machen würde. „Im Gegenteil.“, schob er ihr nun das Schleifpapier hin und nickte erneut zufrieden. „Das machst du sehr gut.“

Schweigend begannen sie zu arbeiten und ab und an sah er zu ihr hinüber. Zunächst um ihre Arbeit zu kontrollieren, doch bereits nach den ersten Minuten war ihm bewusst, dass er dies nicht musste. Sie erledigte diese mehr wie gewissenhaft. Danach waren es eher heimliche, verstohlene Blicke. Er beobachtete sie, wie sie konzentriert über den Stücken sass und diese bearbeitete und irgendwie, gefiel es ihm.

„Lotta.“, teste er erneut ihren Namen und lächelte sie an.

„Sind wir uns nun offiziell vorgestellt?“, schnaubte er leise erheitert. „Was ein Haufen Müll doch alles bewirken kann.“, konnte er sich zwinkernd nicht verkneifen.

Als sie die ersten großen Scherben an den Boden zusammenfügte, nickte er bestätigend. „Genauso.“, versicherte er ihr erneut. „Den einen Streifen nur etwas höher und dann das Ganze auch von außen.“, wirkte er mehr wie zufrieden und lächelte sie an.

Ei leises amüsiertes Schnaufen folgte, als sie seinen Namen nun testete. „Leichter zu merken? So schwer ist mein Name doch auch nicht. Takeru.“, betonte er nun jede Silbe und lachte leise, als sie das schelmische Lächeln auf ihrem Gesicht sah.

Ein ehrliches, leises Lachen, dass seine Augen erreichte. „Nun gut. Dann bleiben wir bei Yul.“ Tat er so, als habe sie für ihn entschieden und lächelte.

„Sehr lange. Ich muss die Vase Stück für Stück wieder zusammenfügen und durch das Aushärten und Schleifen und immer wieder Neubearbeiten, wird es wohl mehrere Wochen dauern. Doch das Ergebnis ist die Mühe es wert.

„Du willst helfen? Immer noch?“, wirkte er durchaus ein wenig verwundert und auch erheitert. „Du weisst nicht, was du dir damit antust.“, kontrollierte er gerade die Klebenaht, als auch die Papierklebestreifen, die nun das alles zusammenhielten. Doch er nickte zufrieden.

„Wenn du willst…natürlich gern.“, sah er von ihrer gemeinsamen Arbeit auf und neigte dabei leicht seinen Kopf zur Seite, als sie fragte, warum es so kompliziert sein musste.

„Weil ich möchte, dass es für eine Ewigkeit hält.“, verriet er ihr und strich nun beinahe liebevoll über den Rand des unteren Bodens. „Ich habe keine Technik bisher gefunden, die so gut alles wieder zusammenfügt, wie diese hier.“, erhob er sich nun, und stellte es in den Schrank. „Es wird etwas vollkommen Neues entstehen, geboren aus dem Alten, und das ist diese Arbeit es wert.“

Ruhig erklärte er ihr den weiteren Vorgang, als er ihr die Schale mit dem bereits aufgetragenen Lack auf der Rissstelle nun zuschob. Es war der vorletzte Schritt von vielen wichtigen Schritten, die diese Keramik durchwandert hatte, nur um erneut neues Leben eingehaucht zu bekommen.

Sein Blick blieb an ihrem haften und doch zeigte sich keine Ablehnung in seinen Augen, als sie nun sprach. „Ist es nicht unwichtig diese zu erzählen und damit die Angst unnötig? Geschichten sind dazu da um zu lernen. Egal ob man diese erzählt oder für sich behält, sie prägen uns und wir verändern uns durch sie. Wie die Schale nun mit ihren Rissen. Sicherlich, sie werden nun glänzen. Doch machen nicht gerade die Risse die Schale einzigartig und besonders? Wie darf sich dann ein anderer ein Urteil darüber erlauben?“ , fand er einfühlsame und ehrliche Worte.

„Das ist wahr. Sie werden die Ursache niemals vertreiben.“, stimmte er ihr nachdenklich zu. „Doch es ist dir überlassen, wie du sie trägst. Ob mit Gold oder eben schlicht für dich allein.“, hielt er weiterhin den Blickkontakt zu ihr und schluckte unter ihren weiteren Worten.

„Manches braucht Zeit. Wie eben die Keramik Zeit in diesem Prozess benötigt. So brauchen auch diese Narben Zeit, Lotta.“, Wärme lag in seinen rehbraunen Augen. Er verstand jedes Wort was sie sprach, wusste, wie sich der Heilungsprozess anfühlte, der womöglich niemals enden würde. Es war ein stetiger Kampf mit sich selbst.

Was nun an Worten folgte, damit hatte er absolut nicht gerechnet. Er starrte auf den kleinen Punkt an Gold auf seinem Handrücken, dann auf ihren. Er war tatsächlich für einen Augenblick sprachlos und hob seinen Blick hin zu ihren Augen. * Manchmal muss man nicht wissen, was ein Mensch alles erlebt hat um zu merken, dass er gelitten hat. Man spürt es…* Worte bei dem sich sein Herz schmerzhaft zusammenzog. Wahre Worte, die tief in ihn eindrangen und dafür sorgten, dass er tatsächlich nicht wusste, was er ihr erwidern sollte.

„Manche von diesen Menschen leuchten bereits jetzt von innen und merken es nicht einmal.“, trat sein Gedanke über seine Lippen und er hielt ihren Blick fest. Was zum Teufel geschah hier nur, dass diese kleine Wölfin ihn so berührte?

Ihr zaghaftes Lächeln und ihre Frage unterbrach ihn in seinen Gedanken, dass er vollkommen verwundert auf die Schale sah. „Nein….“, behutsam nahm er ihre den Pinsel aus der Hand und lächelte. „…nein…wir sind fertig.“, zog er die Schale zu sich, während er versuchte seine Fassung wiederzugewinnen. „Sie muss nun trocknen. Dann wird sie gesäubert und ist fertig.“

Er erhob sich nun mit einem dankbaren, zufriedenen Lächeln auf seinen Lippen und öffnete vorsichtig den Schrank.

„Also…“, er sah knapp auf seine Uhr am Handgelenk, die sich unter dem Manschetten des schwarzen Hemdes das er trug, verbarg.

„…mit dem Hintern…das wird eine enge Geschichte.“, schien er sich der Wortwahl nicht gänzlich bewusst zu sein, als er nach einer zeitlichen Möglichkeit suchte, dass sie noch das Bild sehen konnte.

„Wenn wir uns beeilen...“, schloss er nun die Türe des Schrankes und kam herüber. „Ich muss allerdings hier noch alles säubern und wegräumen. Ich könnte dich hinführen und erledige das dann alleine.“, schlug er vor, während er bereits die Reste des Klebers auf der Glasplatte mit dem Spachtel zusammenschob. Aus der Schublade zog er nun eine kleine Flasche Öl und tupfte dieses auf ein Tuch, um damit über die Glasfläche zu reiben.

„Also…was willst du?“, fragte er sie direkt und suchte ihren Blick und das Tuch landete in den Müll, bevor er zu einem weiteren Griff und nun den Pinsel bearbeitete.

Charlotta Fraser

Sie ließ ihn aussprechen, hörte ihm zu und schob in Gedanken jedes Wort hin und her. Sie ließ die leichte Ermahnung über sich ergehen. Sie neigte dazu, sich dazwischen zu drängen und für andere den Sturm abzufangen. Sie war in diese Rolle hineingeboren. Sie war es immer gewesen, der alles vor ihren Geschwistern abgelenkt hat. Sie war es, die gelernt hat Verantwortung zu tragen und anzuführen, sie zu leiten und dafür zu sorgen, dass sie beruhigt schlafen gingen. Sie war Jahrhunderte lang in dieser Rolle gewesen und selbst heute, wo sie mit ihren Geschwistern nicht mehr zusammen lebte und jeder sein eigenes Leben ging, war sie es, bei dem man Rat suchte. Sie war es, die bei allen wichtigen Entscheidungen einbezogen wurde und die stets erreichbar war, falls es einen Notfall gab. “Es gibt Leute wie sie, die direkt einknicken. Jene, die in Tränen ausbrechen und noch lernen müssen sich zu behaupten und durchzusetzen. Das ist ein Prozess, den jeder durchlebt, wenn man erwachsen wird. Außerdem war es meine Truppe, ich wäre so oder so dafür zur Verantwortung gezogen worden.” kam es ihr trocken über die Lippen und atmete einmal tief durch, so als würde sie selbst realisieren, dass man ihr nicht abkaufen würde, das es ihr gleichgültig war. Schon gar nicht nach seinen nächsten Worten.

“Ich weiß, dass sie angetrunken war. Ich habe es doch selbst gerochen.” lenkte sie ein und biss sich einmal auf die Unterlippe, ehe sie weiter sprach. “Weder du noch diese Dame kennen die Umstände. Soll ich jemanden dafür strafen, weil er Suchtkrank ist? Sie war nüchtern als sie ihren Dienst angetreten ist, das habe ich überprüft. Wir kommen aber nie als geschlossene Gruppe her. Wir bekommen den Auftrag bei uns in der Firma, jeder sammelt sich seinen Kram zusammen und wir treffen uns dann beim Ort der Veranstaltung. Ja, sie war aufdringlich und respektlos und das ist ein Verhalten, was ich nicht dulde.” fuhr sie sachlich ruhig fort und zuckte mit den Schultern. “Sollte ich mit ihr sprechen, wird alles mit einbezogen. Fakt ist, das der Abend hätte anders ablaufen müssen und das ich für meine Truppe Entscheidungen zu treffen habe, damit so etwas nicht nochmal passiert.” versicherte sie ihm. Sie würde mit der Praktikantin reden und ihre Truppe auch nochmal zusammen trommeln. Das würde sich schon alles ruhig besprechen lassen.

Bei seiner Frage neigte sie kurz den Kopf zur Seite und schenkte ihm ein zuversichtliches Lächeln. “Wenn du dein Wort nicht halten kannst, kümmere ich mich darum. Dann muss man irgendwie versuchen den Schaden zu begleichen auf einem anderen Weg. Du wirst schon nicht deinen Job verlieren und falls sie doch damit drohen sollten, sag mir Bescheid und ich zertrümmere irgendwas mit einem riesigen Hammer, während ich ein Dinokostüm trage und lauthals ‘Affenpo an die Macht’ brülle.” versprach sie ihm und versuchte ihn mit ihrem Scherz aufzuheitern. “Ich halte gerne meinen Kopf hin und vergesse mich selbst dabei, das hast du gerade selbst gesagt.” ergänzte sie leise und hoffte, dass er die Vase wieder hinbekommt und die Sache irgendwann der Vergangenheit angehörte und man den Vorfall abhaken konnte.

Das Kopfkino war wirklich böse. Vor allem sorgte sein Einwurf dafür, dass sie rot anlief und kichernd den Kopf schüttelte. Kopfkino… Schön und gleichzeitig eine Qual. “Ja, funkelnder Müll. Wobei ich wohl echt grausig darin bin, mir kunstvolle Namen einfallen zu lassen.” kam es ihr grinsend über die Lippen. Ein Affenarsch würde immer ein Affenarsch bleiben, keine Frage. Da würde es nichts ändern, wenn man ihn auch noch beleuchtete. Dann nickte sie schelmisch. Sie hatte nicht vor heute für noch mehr Ärger zu sorgen. Das musste nun wirklich nicht sein. Warum man sie nicht reinlassen sollte, ließ sie nur mit den Schultern zucken. “Weil ich eine rotzfreche Göre bin vielleicht? Was weiß ich, was für Gründe es noch haben könnte, warum man hier nicht mehr rein darf.” warf sie unschlüssig ein. Dann blickte sie ihn überrascht an. “Wie keine Fotos? Warum darf man bitte nicht von Kunst Fotos machen? Also, angucken darf man es sich aber ein Foto machen ist verboten? Das ist doch unlogisch.” meinte sie nachdenklich. Manche Dinge ergaben für sie einfach keinen Sinn.

Über Phil zu reden war immer eine Mischung aus Freude und Trauer. Sie liebte ihn. Ihr kleiner Bruder war mehr als nur ihr Bruder. Sie waren beste Freunde, haben sich aufgefangen und unterstützt. Sie waren ein Herz und eine Seele. Nun hing seine Seele in einer Phiole fest, die sie stets am Herzen trug. Erinnerungen waren hart und schön zugleich. Zumindest, wenn sie an Phil dachte. Es gab so viele schöne Erinnerungen, lustige Momente und dumme Witze. Sie hatten Unmengen an Insidern, die nur sie verstanden. Auf der anderen Seite gab es diese Momente seines Untergangs, diese Erinnerungen an einen Phil der sich immer mehr aufgab und den Lotta nicht mehr auffangen konnte. Sie konnte ihn nur fliegen lassen, musste ihn ziehen lassen und das tat am meisten weh. Das er ihr entglitten war und ihr gleichzeitig versicherte, dass es für ihn richtig war zu gehen. Gerade als sie auf seine Worte eingehen wollte, sprach Yul schon weiter und Lotta hörte ihm einfach nur ruhig zu, strich über einzelne Scherben der Vase und musterte ihn.

Jede Bewegung von ihm wurde unbewusst von ihr eingefangen, analysiert und zu einem Bild zusammen gefügt. Von wegen Praktikant oder Handlanger vom Künstler… Welcher Assistent würde so reagieren, wenn man über die Familie und den Verlust des Künstlers sprach? Seine ganze Haltung war angespannt und als seine Finger die Tischkante umschlossen, so dass die Adern hervortreten, legte sie vorsichtig ihre Hand auf seine. Es war nur eine flüchtige Berührung, eine Geste um zu zeigen dass sie da war. Etwas, was sie instinktiv tat ohne darüber nachzudenken. Sie ließ ihre Hand noch einen Moment auf seiner verweilen, bis sie das Gefühl hatte, dass er sich wirklich wieder soweit gefangen hat und zog ihre dann wieder zurück. “Kannst du dem Künstler sagen, dass es mir wirklich leid tut, dass diese Vase kaputt ist? 20 Jahre sind für manche eine lange Zeit, für andere nichts weiter als ein Wimpernschlag. Was sind schon 20 Jahre, wenn man Jahrhunderte hat? Verliert man seine Familie auf so eine Vase, ist alles von Bedeutung, was noch an sie erinnert. Egal, was es ist, man möchte es festhalten und so wenigstens etwas haben, was wahrhaftig da ist. Etwas, was man anfassen kann, was real ist und wo man sich in die letzten Erinnerungen verlieren kann. Es kann ein Segen sein, sich an nichts zu erinnern und gleichzeitig macht es das aber auch zu einem Fluch, weil damit auch die schönene Erinnerungen verloren gegangen sind.” sagte sie sanft und blickte ihn dabei direkt an. Sie würde ihm nicht sagen, dass sie vermutete, das er der Künstler war.

Er würde schon seine Gründe haben, warum er sich als Assistent vorgestellt hat. “Ich weiß wie schmerzhaft das alles ist. Ich wurde in jungen Jahren von meinen Eltern getrennt. Ob sie noch leben? Keine Ahnung. Vermutlich sind sie verstorben. Man fängt an ihre Stimme zu vergessen, ihre Gesichter verschwimmen und ich weiß nicht mal mehr genau wie sie riechen. Aber ich erinnere mich an die Liebe, die sie uns gegeben haben. Daran, dass sie uns stark gemacht haben. Gesagt haben, dass es nichts gibt, was uns in die Knie zwingen darf. Wir sind Fraser’s. Die geben nicht auf. Niemals. All die Erinnerungen, die der Verstand anfängt zu vergessen, bleiben aber im Herzen. Sie sind da, auch wenn das Gehirn einem vorgaukelt das es nicht so ist. Keine Erinnerung ist ewig verloren. Sie sind nur gut verschlossen aus Gründen, die der Verstand nicht begreifen kann oder will.” sagte Lotta sanft, mitfühlend und mit einem zaghaften Lächeln auf den Lippen. Eine liebevolle Note lag in ihrer Stimme. So, als würde man jemanden versuchen mit der Stimme in eine Decke einzuwickeln, damit es ihm wieder besser ging.

Die nächste Äußerung sollte die Traurigkeit vertreiben und Lotta nickte grinsend. “Ja, wer hätte das gedacht? Ich und puzzeln. Du bist echt ein schlechter Einfluss.” scherzte sie locker und zwinkerte ihm zu. Die Arbeit um die Vase zusammen zu setzen, zumindest einen Teil davon, lenkte gut vom vorherigen Gespräch ab und ließ es zu, dass die Gedanken in andere Bahnen gelenkt wurden und man sich auf andere Dinge fokussierte. Sie versuchte wirklich alles richtig umzusetzen, eine richtige Hilfe zu sein bei dem hier, auch wenn sie keine Ahnung davon hatte. Aber bisher schien sie nichts falsch zu machen. Sie war eifrig, keine Frage und vor allem besaß sie Pflichtbewusstsein. Versprach sie etwas, hielt sie sich dran. Sie hatte zwar eine große Klappe und durch ihre Art und Weise fiel sie einigen negativ auf, doch sie hat ihr Herz am richtigen Fleck. Sie nickte bei seiner Frage. “Ich denke schon. Wir sollten uns bei dem Haufen Müll bedanken. Vielleicht leuchtet er nochmal für uns.” meinte sie mit einem freudigen Strahlen in ihren Augen.

Die nächste Anweisung setzte sie direkt um und wirkte hochkonzentriert darauf. Das er jede Silbe seines Namens betonte, half ihr nicht gerade, um den Namen als leicht einzuschätzen. “Tak.” sagte sie dann und ihr Grinsen wurde breiter. “Takeru… Es geht schon aber Yul lässt sich wirklich besser merken. Außerdem passt Yul besser zu dir.” meinte Lotta lächelnd und überspielte mit diesem Lächeln ihre aufkommende Verlegenheit. Er sah einfach gut aus und, wenn sie ihn so musterte und die Namen durchging, passte Yul besser. Er sah eher nach einem Yul aus. Aber gut, wer konnte das schon so genau sagen? Ihre Eltern dachten auch, dass Charlotta zu ihr passte und sie selbst fand Lotta aber schöner. Charlotta klang so ernst.

Dann blickte sie ihn überrascht an, weil er scheinbar überrascht war, dass sie ihm helfen wollte. “Mehrere Wochen eine Vase reparieren, hört sich doch lustig an.” warf sie grinsend ein und besann sich dann zur Ernsthaftigkeit und ein ehrliches Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. “Ich helfe dir sehr gerne dabei. Was gibt es schöneres am Abend? Wirklich, ich habe meist nichts vor und das hier ist doch ganz schön.” erwiderte sie und fügte in Gedanken hinzu, dass es sicherlich auch schön war, ihn noch mal sehen zu können ohne sich was aus den Fingern saugen zu müssen. So hatte sie einen Grund hier her zu kommen und mit ihm zu reden. Er faszinierte sie. Seine ganze Haltung war ruhiger als ihre, er war gebildet und sah gut aus. Es war eine interessante Mischung und das machte sie neugierig auf ihn. Eine Neugier, die sie selbst nicht so ganz begriff, warum sie vorhanden war. Sie könnte sich dem ganzen sträuben oder sagen, sie ließe es einfach laufen. Letztlich hat sie sich, durch ihre Worte, für letzteres entschieden.

Das die Technik dafür sorgen konnte, das es für die Ewigkeit hielt, ließ sie unkommentiert. Es erklärte, warum er sich so viel Arbeit machte. Es war doch schön, wenn sie dann besser hielt und man daraus sogar was komplett Neues machen konnte. Das nächste Thema jedoch löste bei ihr einen kleinen Redeschwall aus, einen auf dem er mi einfühlsamen und ehrlichen Worten antwortete. Worte, sie ihr Herz berührten und sie sanft Lächeln ließen, während sie den Blickkontakt aufrecht hielt. Sie wollte nicht weg sehen und würde es auch nicht? Warum auch? Jedes einzelne Wort von ihm fing sie ein und schloss es in ihr Herz ein. Sie fühlte sich verstanden von ihm und sie verstand ihn. Dafür brauchte man keine Erklärungen, keine großen Worte. Taten reichten, kleien Gesten oder die Körpersprache die einen verriet. Sie lächelte ihn dankbar und sanft an, ein Lächeln was zeigte dass sie all das gesagte aufgefangen hat. Vielleicht waren sie beide ein Haufen Müll, der leuchtete? Bei dem anderen mehr und beim anderen etwas weniger aber sie leuchteten. Das war die Hauptsache.

Das sie letztlich mit ihrer Frage das ganze unterbrach und dafür sorgte, dass sie aus dem Moment gerissen wude, tat ihr hinter her doch etwas leid. Sie hätte es gerne noch etwas länger genossen in diese schönen warmen Augen zu schauen. Aber nun gut, ihre Worte waren schneller gewesen. Verlegen, mit geröteten Wangen wandte sie kurz den Blick ab und räusperte sich einige Male. Zumindest schien auch er seine Fassung zu suchen. Das hieß, sie war nicht alleine damit und das machte die Sache doch gleich wieder angenehmer. “Trocknen und säubern. Gut zu wissen.” erwiderte sie leise und war froh, dass er sich erhob und sie so nicht mehr so stark seinen Duft in der Nase hatte. Das half um sich wieder gänzlich zur Fassung zu bringen.

Während er für ein wenig Ordnung sorgte, ließ Lotta ihren Blick schweifen und entdeckte einen Tretschalter, den sie fasziniert musterte. Sie hörte ihm nur noch mit halben Ohr zu und sah dann kurz auf, als er fragte, was sie wollte. “Der Affenhintern wird ja sicher nicht plötzlich Beine bekommen und abhauen, oder?” fragte sie ihn grinsend und trat auf den Schalter neugierig rauf, während sie ihn fragend ansah. “Was macht das hier?” Noch während sie die Frage stellte, begann sich eine Scheibe auf dem Tisch zu drehen und sie bekam erneut große Augen und grinste vor sich hin. Vorsichtig nahm sie den Fuß wieder vom Schalter herunter und wiederholte den Vorgang noch zwei mal. Immer musternd und beobachtend, wie der Vorgang war. Rauftreten und die Scheibe drehte sich. Teilweise mochte sie wie so ein verwildertes Ding wirken, was gerade erst die Welt entdeckte. Bestimmte Dinge waren ihr nun mal noch nie vor die Augen gekommen und, wenn sie die Möglichkeit bekam, versuchte sie diese dann näher kennenzulernen und raus zu finden, wofür sie gut waren. “Das dreht sich! Siehst du das?” fragte sie ihn und neigte den Kopf zur Seite. “Wofür ist das? Was macht man damit? Kann man da Sachen rauf stellen zum reparieren?” fragte sie und ließ die Scheibe noch einen Moment drehen, ehe sie den Fuß komplett vom Schalter nahm.
Sie versicherte ihm erneut das Gespräch mit der Praktikantin zu suchen. Ein Urteil würde er sich nicht über diese junge Frau erlauben, die offenkundig suchtkrank war.

„Dennoch liegt es nicht in deiner Verantwortung, was sie in ihrer Freizeit macht.“, erwähnte er ruhig seine Meinung.

Für ihn war es eindeutig. Die junge Frau hatte eine Chance erhalten und dennoch hatte sie über die Strenge geschlagen, eben in jenem Moment als sie alleine war und diese Freiheit hatte ausnutzen können. Natürlich war ihm bewusst, dass jemand mit einer solchen Erkrankung ebenfalls unter einem enormen Druck stand.

„Du bist nicht ihre Therapeutin.“, mahnte er ruhig und meinte diese Worte auch so. Sie war nicht für das seelische Heil dieser Person zuständig. Dennoch stimmte er ihr zu, dass wohl ein Folgegespräch notwendig war.

Leise schnaufte er unter dem Scherz, den sie über ein Dinokostüm machte, falls ihm angedroht würde, dass er seinen Job verlieren könnte. Nein. „Ein interessanter Vorschlag.“, funkelten seine Augen auf, ehe er erheitert seinen Kopf schüttelte.

„Aber ich denke nicht, dass es soweit kommen wird.“, beruhigte er sie.

„Affenpo an die Macht.“

Dennoch betrachtete er sie danach ernst, gerade, als sie erwähnte, dass sie gern ihren Kopf für andere hinhielt.

„Das ist nicht immer gut und nicht immer notwendig. Wie sollen andere lernen, wie zum Beispiel deine Praktikantin, Verantwortung zu übernehmen, wenn du es ihnen andauernd abnimmst?“, hinterfragt er ruhig und dennoch mit einem leichten Schmunzeln, dass seine Mundwinkel weiter hinaufziehen liess.

Tatsächlich erhielten ihre Wangen eine zartes Rot als Farbe, als er ihren Gestaltungsvorschlag ein wenig mehr ausführte und ebenfalls ausschmückte. Sein Blick heftete sich daran, wie an ihre Augen, an denen ebenfalls ihr fröhliches Kichern nicht vorbeiging. Es stand ihr. Verfluchtes Kopfkino.

Schmunzelnd senkte er knapp seinen Blick, ehe er ihn wieder hob. „Rotzfrech? Eher ehrlich.“, tat er seine Meinung kund und lehnte mit seiner Hüfte leicht gegen das Metall des Tisches. Kopfschüttelnd lachte er leise. „Nein. Keine Fotos. Und nicht unlogisch, wenn man betrachtet, womit die Museen ihr Geld verdienen.“, erinnerte er sie daran, dass man immer noch einen Eintritt zahlen musste. „Stünden alle Kunstwerke mit Fotos im Netz, geht keiner sie sich mehr hier anschauen, oder?“

Sie berührte erneut die Phiole, die sie an der Kette um ihren Hals trug. Womöglich war es eben das Gespräch über ihren Bruder, der diese hohe Mauer, die Yul um sich errichtet hatte überwand. Kaum einer hatte dies geschafft und noch nie jemand in einer solchen Schnelle, wie diese junge Wölfin.

Dicke Mauern, dahinter verbarg er seine Emotionen. Seinen Schmerz über den Verlust, den er nie hatte richtig betrauern können. Wusste er doch nicht, um wen genau er trauerte. Lediglich spürte er, dass es eine tiefe Verbindung war, die sie beide einst geteilt hatten. Damals, bevor all dies geschah und sein Leben, als auch seine Erinnerung in die Dunkelheit gezogen wurde. Mindestens ein Kind mussten sie gehabt haben. Lediglich konnte er sich an einen schwarzen Schopf erinnern, den er liebevoll geküsst hatte, an den Geruch. Schmerzlich schloss er seine Augen als er sprach. Als das Wenige was er wusste, seinen Geist mit Trauer, Wut und Zorn zu überschwemmen drohte. Trauer um das Verlorene und diese unstillbare Wut auf die, die ihm dies genommen hatten.

Er bemerkte nicht, wie sie ihn betrachtete, als er sprach. Seine Reaktionen waren unbewusst, unkontrolliert und doch zurückhaltend, dass er nicht erwartet hatte, dass man es überhaupt bemerken würde. Die Mauer in ihm bröckelte und die Risse zogen sich schmerzhaft für ihn durch den Putz, als er sprach.

Eine Hand legte sich auf seine. Eine flüchtige und zarte Berührung, die ihn kurz in seinem Redefluss innehalten liess. Seine Lungen füllten sich schmerzlich mit Luft, als sein Blick sich auf ihre Hand heftete, ehe es ihm möglich war weiterzusprechen. Es war für ihn vollkommen ungewohnt. War er doch sonst derjenige, der jemanden Stärke oder Schutz lieh, wenn derjenige diesen benötigte. Umgekehrt gab es nur wenige Personen, denen er dies überhaupt erlaubt hatte und sie war nun eine davon. War es doch eine Schwäche, die man sich eingestehen musste. Eine Schwäche, die sich jemand wie er nie hatte leisten können. Einen Augenblick starrte er weiter auf die Hand, ehe er sich endgültig fing und weitersprach. Langsam zog sie ihre Hand wieder zurück.

„Das werde ich.“, versicherte er ihr mit einem eher zögerlichen Lächeln.

Noch schienen nicht alle Bilder ihn losgelassen zu haben, ehe er nun zögerlich zu ihren Worten nickte. Dem konnte er im Moment nichts hinzufügen. Nicht, dass er nichts zu sagen hätte, die Worte wollten einfach nicht über seine Lippen kommen. Denn er war im Begriff sich selbst zu verleugnen. Noch schlimmer. Sich selbst und seine Familie, denen er zur Ehre verpflichtet war.

„Ein Segen oder ein Fluch. Erneut kommt es auf die Sichtweise an.“, ergänzte er lediglich unter der Hinzunahme eines traurigen Lächelns. „Ich werde es ihm ausrichten. Ich denke, es wird ihn freuen.“, sicherte er ihr zu.

Aufmerksam hörte er ihr zu, als sie über ihre Eltern berichtete und nutzte die Gelegenheit sich weiter aufzurichten.

„Nun. Wie mag es dann sein, wenn man nichts von alldem mehr weiß?“, liess er sie ein Stück über die Mauer blicken.

„Weder Geruch, noch ein Gesicht, noch die Stimmen. All dies kann verloren gehen, viel früher, als man glaubt.“, widersprach er ihr unbewusst.

„Du solltest sie dir gut bewahren. So gut es eben möglich ist. Erinnerungen aufschreiben, sie erhalten. Denn nur schnell kann etwas verlorengehen, dass man einst so innig geliebt hatte.“, schien er durchaus seine eigenen Erfahrungen damit gemacht zu haben.

Bittere Worte, die doch von seinem tiefen Schmerz hinter seiner inneren Mauer zeugten.

Er war froh, dass sie das Thema wechselte und ein wenig Heiterkeit wieder Einzug hielt. „Und das freiwillig? Das enttäuscht mich nun.“, griente er sie verschmitzt an.

„Mein schlechter Einfluss? Verstehe…“, wurde sein Grinsen breiter und schüttelte leicht lachend den Kopf über den lockeren Scherz.

Er würde gern ihr Sündenbock sein, damit hatte er kein Problem. Es waren Worte, die das Zusammensetzen der Vase begleiteten und mit dieser Arbeit zusammen, die traurigen Nuancen der Worte davor langsam vertrieb. Leise lachte er verhalten, als sie meinte, dass sie sich wohl bei dem Haufen Müll bedanken sollten.

„Vielleicht sollten wir das.“, neigte er leicht seinen Kopf zu ihr und erfasste das Strahlen in ihren Augen. „Da bin ich mir sicher, dass er das tun wird.“

„Wo du puzzeln doch so liebst?“, hinterfragte er mit einem nicht zu überhörenden zynischen Unterton, trotz ihres ernsthaften Lächelns.

Leicht neigte er nun wieder seinen Kopf nachdenklich zuerst zu der einen, dann zu der anderen Seite. „Gut.“, kam es in einem dunkleren Ton seiner Stimme von ihm, als erwartete er noch, dass sie ihre Meinung ändern würde.

Doch dem war nicht so. Leicht nickte er darauf hin und ein Lächeln zeigte sich nun auf seinen Lippen.

„Gern. Ich kann Hilfe sicherlich gebrauchen.“, war er dem Ganzen nicht abgeneigt. Was wohl auch daran lag, dass er diese kleine Wölfin zu mögen schien.

Ihre darauffolgenden, einfühlsamen Worte überraschten ihn von daher noch mehr und bekräftigten seine Entscheidung ihrem Willen eingelenkt zu haben. Es faszinierte ihn, wie sie dachte, wie sie selbst die feinfühligsten Worte fand, in dem sie selbst ihre Gedanken noch einmal hinterfragte und überschlug. Es lag eine Weisheit in ihren Aussagen, dem sie sich selbst kaum bewusst zu sein schien. Ihre Blicke trafen sich, noch während er sprach und jegliches Wort schien sich langsam in seine Seele zu graben und diese wie eine Decke zu umhüllen. Beinahe wie das Gold, dass sie eben auf die Schale aufgebracht hatte.

Ein Lächeln von ihr, war in diesem Moment heilender, wie jegliche Salbe oder Pflaster. Es lag eine Wärme darin, die ihn tief in sich berührte, dass es beinahe schon irritierend schon war. So versank er tatsächlich für einen Augenblick in ihren Augen, liess sich einfangen von ihnen, wie sie von den seinigen. Ihre Frage trat ihr wohl unbewusst über die Lippen, unterbrach dieses zarten Kontakt untereinander. Röte zeigte sich erneut auf ihren Wangen und ein verlegendes Räuspern folgte, wie auch bei ihm. Es tat gut nun einen gewohnten Arbeitsschritt auszuführen und die Schale zurück in den Feuchtschrank zu stellen, damit diese trockenen konnte. Gab dieser Moment ihm doch die Zeit, sich zu fangen.

„Wer weiß…zuzutrauen wäre es ihm.“, erwiderte er trocken und beobachtete dann doch fasziniert, was sie gerade für sich entdeckte.

Ruhig lehnte er sich erneut mit der Hüfte gegen die Arbeitsplatte des Metalltisches, als sie wie ein Kind den Tretschalter der Töpferscheibe erkundete, so wie sie es zuvor mit seinem Kunstwerk getan hatte, als sie bemerkt hatte, dass mit einer Lampe ein wundervolles Schattenbild entstand.

Leise lachte er bei ihrem Ausruf. „Ja.“, eine schlichte, einfache Antwort. „Eine Töpferscheibe. Ich brauche sie für meine Arbeiten.“, wischte er sich gerade die Hände sauber, die er eben noch an dem Waschbecken an der Wand neben dem Schrank gewaschen hatte.

„Ich habe eine Stelle an der Kunsthochschule angenommen. Die Scheibe hilft mir, meine Arbeiten dafür her zu erstellen und vor allen Dingen meinen Geist freizubekommen.“, erklärte er ruhig und ahnte bereits was kommen würde.

Ruhig knöpfte er seine Manschetten auf und krempelte die Ärmel bis zu den Ellenbogen hinauf.

„Warte…ich zeig es dir.“, legte er sich eine Schürze um und schnürte sie einmal um seine Mitte, ehe er eine Plastikkiste hervorzog.

Mit einem Stück Draht trennte er ein wenig Ton ab. Vielleicht mochte es knapp für eine Teetasse genügen, doch es würde reichen, für eine kleine Demonstration. Behutsam deckte er den Ton erneut ab, ehe er die Plastikkiste zurückschob. Mit einer kleinen Schüssel Wasser und dem Klumpen in der Hand kehrte er zu ihr zurück.

„Den Ton…“, knapp überlegte er was er sagen sollte, beinahe hätte er sich verraten.

„…bekomme ich aus Okinawa von meinem Mentor. Er stellt ihn selbst her.“, liess er den Klumpen mit einem Rums auf den Tisch knallen.

„Zum Drehen ist er wunderbar, doch muss er zunächst geschmeidiger werden.“, lächelte er sie an und begann diesen Klumpen mit kräftigen Armen zu bearbeiten und zu kneten, immer wieder fügte er etwas Wasser hinzu, bis er dessen Konsistenz mochte.

Ruhig legte er ihn nun auf die Mitte der Scheibe und zog mit seinem Fuss den Hocker dazu.

„Pass auf.“, lächelte er erneut und liess die Scheibe drehen. Seine Finger tauchten sich in das Wasser und umhüllten erst den Klumpen, ehe er ihn in der Mitte eindrückte. Es sah so leicht und elegant aus mit seinen schlanken Fingern, die offensichtlich mühelos die Wände der Teetasse hinaufzogen. Immer wieder nahm er ein wenig Wasser, während aus dem Klumpen eine kleine Tasse entstand.

„Siehst du.“, stellte er die Scheibe nach wenigen Minuten ab und wollte gerade die Tasse mit einem Draht von dem Teller lösen.

Charlotta Fraser

Vielleicht müsste Lotta lernen, wann es Zeit war anderen die Dinge alleine regeln zu lassen. Vielleicht müsste sie lernen, dass sie nicht jedem vor einem Fehler und Kritik schützen konnte und es nicht ihre Aufgabe war. Mitunter lag es auch einfach daran, dass Lotta diese Konfrontationen suchte. Das sie sich unbewusst hineinsteigert, weil sie dadurch das Gefühl hatte, richtig zu Leben. Eventuell lag es daran, weil sie in all den Jahrhunderten gelernt hat zu kämpfen. Seine Worte ließ sie sich durch den Kopf gehen. Es war schwierig sich nicht für andere verantwortlich zu fühlen, wenn es genau das war, was ihr Leben bisher ausgemacht hat und was ihr immer wieder Kraft gegeben hat. Da sein für andere hat dafür gesorgt, dass sie immer wieder aufgestanden ist und gekämpft hat. Nach der häuslichen Gewalt und dem Frauenhaus hat sie sich hoch gekämpft und weiter gemacht. Sie hatte ihre Familie und wusste, dass sie nicht nur geliebt sondern auch gebraucht wurde. Mitunter hielt sie deshalb für andere den Kopf hin.

Ihre Faszination für den jungen Mann wuchs im Laufe der Gespräche immer mehr und der Blick in seine Augen, als sie sich wirklich beide erlaubten diesen Moment einen Augenblick lang auszuweiten, verstärkte dies nur noch. Irgendwas hatte er an sich, so das sich ein Teil von ihr in den schönen Augen verlieren wollte. Ein Teil von ihr wollte nichts anderes als diese Ruhe genießen, die er ausstrahlte und die dafür sorgte, dass in Lotta nichts anderes vorging als der Rhythmus ihres Herzens, der etwas schneller war als sonst. Aber so schön dieser Moment auch war, irgendwann war dieser vorbei. Lotta hatte den Mund nicht halten können aber gut, das war typisch sie. Sie war gut darin Dinge kaputt zu machen. Teilweise zumindest. Es gab die Lotta, die unbewusst Dinge zerstörte und dann die Lotta, die mit Wut im Bauch das Auto ihres Exfreundes mit einem Baseballschläger zertrümmerte und ‘aus Versehen’ ein Streichholz auf die Benzinspur fallen ließ nur um das Auto brennen zu sehen.

Eine Geschichte, die sie niemandem einfach erzählen würde. Eine unschöne Geschichte ihres Lebens. So wie sie ihre Geschichten hatte, besaß auch Yul seine und das er ihr, unbemerkt, mehr Einblick darin gewährte als ihm bewusst war, behielt Lotta für sich. Sie urteilte nicht darüber, wertete es nicht. Sie schloss seine Worte in ihr Herz ein, merkte sich das was für sie selbst wichtig war und am Ende kam sie nur zu einem Ergebnis, welches alles zusammenfasste: er war ein gebrochener Mensch, der hell strahlte und es schaffte sein Strahlen mit anderen zu teilen. Vielleicht waren sie kein Schattenbild, würden zusammen kein schönes Bild ergeben, doch sie hatten ihre Geschichten die sie zeichneten. Waren geprägt von Erinnerungen, Leiden, Geschichten, Vergangenen und saßen nun gemeinsam hier und reparierten eine Vase und philosophierten über dieses oder jenes. Trotz all dem, was auf ihrer Seele gezeichnet war, waren sie hier und konnten Scherze reißen und sich unbewusst Halt geben, wenn dieser benötigt gewesen ist. Auch, wenn es nur kleine Geste waren.

Neben den Mann faszinierte sie nun aber die Scheibe, die sich beim betätigen eines Schalters drehte. Es war die selbe Faszination wie beim Schattenbild, etwas was sie erkunden und verstehen musste. Zusammenhänge erkennen, schauen was geschah wenn man dies oder jenes tat. Es waren neue Dinge und dafür nahm sie sich Zeit, wenn sie konnte. Jedoch hatte sie im Alltag gelernt, das dieses Verhalten nicht gern gesehen war. Sie musste so wirken wie jemand, der das alles kannte. Der eine vernünftige Schulbildung hinter sich hatte und wusste, wie die Dinge funktionierten. Hier jedoch, in der Nähe von Yul, warf sie das über Bord. Sie gehörten derselben Art an und warum sich vor ihm verstellen, wenn er genau wusste, dass sie im Herzen ein Wolf war? Das ihr menschlicher Körper nur eine Hälfte ihrerselbst war? Wobei dies auch nicht immer eine Garantie war, das man Zeit bekam um die Dinge zu erkunden. Ihr Ex fand sie teilweise zu kindlich, zu kleingeistig, zu dämlich.

Yul ließ ihr den Moment und bestätigte dann auch ihre Feststellung, mit einem knappen Ja. “Töpferscheibe…” wiederholte sie und drückte mit dem Fuß nochmal auf den Schalter, beobachtete ganz genau wie ihr Fuß diesen berührte und dann, wie sich die Scheibe anfing wieder zu drehen. Dann nahm sie ihren Fuß komplett runter und schenkte ihm wieder ihre Aufmerksamkeit. “Was macht man damit? Töpfe? Kommt Töpferscheibe davon, weil man damit Töpfe macht?” fragte sie ihn voller Neugier. Sie wollte es verstehen. Sie war im 1600 geboren und dennoch waren ihre viele Dinge nicht so geläufig. Wie auch? Sie hat Jahrhunderte lang darauf geachtet, die Welt der Menschen so gut es ging aus dem Weg zu gehen. “Wie kann eine Scheibe dabei helfen? Also… sie dreht sich… Muss sie sich drehen, damit du arbeiten kannst?” hakte sie nach und musterte nun die Scheibe und wusste noch nicht so ganz, was sie sich darunter vorstellen sollte. “Kann man sich da, wenn das Ding größer wäre, auch raufsetzen oder raufstellen und Menschen drehen lassen?” eine eher scherzhafte Frage, ein fixer Gedanke in ihrem Kopf der ausgesprochen werden musste.

Neugierig musterte sie ihn, während er sich eine Schürze umlegte und seine Ärmel bis zum Ellenbogen hochkrempelte. Yul kam dann mit den Utensilien wieder, die man so brauchte und aufmerksam verfolgte sie mit ihren Augen jede noch so kleine Bewegung von ihm. Bei dem Rums, den der Ton auslöste als er auf den Tisch fiel, ließ sie kurz aufschrecken und sie schüttelte sich einmal. “Ton…” wiederholte sie und piekste mit einem Finger gegen den Ton. “Es fühlt sich so ähnlich an wie Lehm oder sehr nasse Knete. Als ich lesen und schreiben gelernt habe, in der Zeit im Frauenhaus, hatten wir einen der uns mal Lehm mitbrachte und erklärt hat, wie man das früher genutzt hat für Häuser. Aber der hatte da keine drehende Scheibe. Der hat nur einen Eimer dabei gehabt mit dem Lehm darin.” erzählte sie ohne groß darüber nachzudenken.

Dann ließ sie ihn machen und beobachtete weiterhin alles, was er tat. Das er kräftige Arme hatte war ein Umstand, den sie durch Zufall bemerkte, als ihre Augen seine Arme musterten während er den Ton bearbeitete. “Ist das so ähnlich wie, wenn man einen Hefeteig hat? Der muss auch immer gut geknetet werden. Wird er zu wenig geknetet, ist der Teig unregelmäßig und zerreißt leicht. Ebenso wird er nicht richtig aufgehen können. Knetet man Hefeteig zu viel, wird er hart und zäh.” warf sie nachdenklich ein, während sie den Vorgang beobachtete. Nur, weil sie gewisse Dinge nicht kannte, hieß es nicht das sie gar nichts im Kopf hatte. Sie war durchaus schlau und besaß eine gute Allgemeinbildung, war auf gewissen Themen sehr gut bewandert. Alles, was sie je gelernt hat, blieb in ihrem Kopf hängen und um das hier näher zu verstehen, versuchte sie Vergleiche zu finden um es ihrem Kopf leichter zu machen es einzuordnen und zu verstehen.

“Jetzt bin ich dran.” sagte sie dann mit einem Mal, als er mit der Tasse fertig war. “Also, wenn du mich lässt.” fügte sie dann noch zügig ein. “Ich kriege sicher auch eine kleine Tasse hin. Hezezöpfe und Knettiere kriege ich wirklich gut hin und das sieht gar nicht mal so schwer aus.” kam es ihr über die Lippen. Sie glaubte immerhin an sich, was gut war. Auf der anderen Seite war es ja oftmals so, dass die Dinge die bei eine geübten Hand so leicht aussahen, nicht immer so leicht waren für jene die das erste Mal damit zu tun hatten. “Darf ich? Bitte?” fragte sie ihn mit einem aufgeregten Grinsen auf den Lippen und krempelte sich schon mal die Ärmel hoch, um gleich loslegen zu können.
Er liess ihr die Zeit, die sie benötigte. War es für ihn doch ebenfalls ein faszinierendes Schauspiel, wie sie den Schalter immer und immer wieder betätigte, um die Scheibe zum Drehen zu bringen. Auch schien es ihn ein wenig diese Faszination zu überraschen, bis eben zu dem Punkt, als ihm einfiel, dass sie eben noch erzählt hatte, wie früh sie ihre Eltern verloren hatte.

Verurteilen würde er sie nicht. Weder würde er aufgrund ihrer angeborenen Neugierde auf ihren Intellekt schließen, noch auf eine fehlende Schulbildung oder schlechte Erziehung. Nein. Was sie zeigte war die typische neugierige Reaktion einer jungen Wölfin, die zum ersten Mal ein solches *Ding* überhaupt sah. So liess er sie und erfreut sich doch selbst an der Freud, die sie bei ihrer Neuenddeckung empfand. Wie jemand sie abstempeln vermochte, gerade wenn derjenige wusste welchen Volk sie angehörte, dass konnte er sich bei bestem Willen nicht vorstellen.

„An der Seite findest du einen kleinen Kippschalter mit dem man die Richtung ändern kann.“, erklärte er noch ruhig, während er begann die Utensilien zusammenzusammeln.

Bestätigend nickte er, getragen von einem Lächeln, als sie neugierig nachfragte. „Beinahe. Die Töpferscheibe wird zum Töpfern von Keramikgefäßen genutzt. Tassen, Vasen, Kannen, Schalen. Alles Mögliche kann gedreht werden.“, erneut folgte ein bestätigendes Nicken.

Das Lächeln das man nun auf seinen Lippen sah, war kein belustigtes über ihr Verhalten, sondern ein zufriedenes, getragen von der eigenen Herzensruhe jemanden etwas über sein Handwerk zu vermitteln.

„Sie muss sich drehen, damit ein schönes Gefäß entstehen und gleichmäßige Wände entstehen können.“, beantwortete er ruhig ihre Fragen, ehe er lachte. „Es gibt tatsächlich noch größere. Doch ich habe nie versucht mich selbst draufzusetzen. Eine Idee wäre es.“, funkelten seine Augen amüsiert über diesen scherzhaften, fixen Gedanken.

Die Neugierde sprühte regelrecht aus ihren Augen und die Worte sprudelten beinahe aus ihr heraus. Selbst als er nun den Ton auf dem Werktisch durchknetete und erneut ein wenig befeuchtete. Es schien ihn kaum anzustrengen, obwohl dies tatsächlich sonst schwere Arbeit für jemanden war, der sich nicht damit auskannte. Normalerweise wurde der Ton Stück für Stück geknetet, ehe man es zu einem Klumpen wieder formte, um ihn weiterzubearbeiten.

„Lehm beinhaltet auch einen Teil Ton. Im Prinzip ist es eine andere Art von Erde.“, versuchte er es zu erklären. „Lehm hat noch einiges mehr beigemischt. Aber dennoch ist ein Teil davon eben Ton.“ Ruhig knetete er den kühlen Ton, allein diese Handlung beruhigte ihn. „Der Lehm wurde früher mit Stroh vermischt und als Putz zum Beispiel an die Wände gebracht oder gar Lehmziegel daraus gebrannt.“ , walkte er weiter das Stück, als habe er das Wort Frauenhaus überhört. Tatsächlich jedoch hatte sich eben bei diesem Wort knapp sein Herz schmerzlich zusammengezogen.

Ruhig begann er zu arbeiten und sein Werk schien ihm tatsächlich leicht von der Hand zu gehen. „Es ist ähnlich.“, presste er den Klumpen bei den ersten Umdrehungen der Scheibe fest auf. „Die Feuchtigkeit muss sich verteilen. Er muss Wasser aufnehmen um ihn geschmeidiger zu machen, damit man ihn bearbeiten kann. Ist er zu trocken, dann kann ich daraus nichts fertig.“, benetzte er nun den Klumpen auf der Drehscheibe erneut mit Wasser, ehe sich seine Hände in die drehende Masse drückten.

Die Tasse löste sich von der Scheibe mit Hilfe des Drahtes und er hielt sie ihr gerade entgegen, als sie bereit herausposaunte es auch versuchen zu wollen. Verwundert neigte sich sein Kopf ein wenig zur Seite.

Knapp sah er in die großen Augen, die ihn nun bittend entgegenstarrten. Er zögerte nicht, da er es sich überlegte, sondern schlicht, da er diesen Blick mochte. „Warum nicht.“, zerdrückte er die Tasse in seiner Hand und machte daraus erneut einen Klumpen. Immerhin war der Ton nun schön weich und würde ihr das Arbeiten erleichtern. Erneut drückte er den Ton auf die Scheibe, ehe er sich erhob. „Nun Hefezöpfe kann ich nicht.“, warf er schmunzelnd ein und knöpfte die Schürze los. „Hier?“, hielt er ihr die Schürze hin, während sie sich bereits die Ärmel hinauf krempelte. Ruhig würde er sie agieren lassen, während er sich nun mit der Hüfte erneut gegen den Tisch lehnte, aufmerksam sie beobachtend.

Charlotta Fraser

Es waren wenige Minuten, der Hauch einer kleinen inneren Ewigkeit, die Lotta damit verbrachte sich mit der Scheibe vertraut zu machen und sich damit auseinanderzusetzen, wie diese funktionierte. Das an der Seite sogar ein Schalter war, mit dem man die Richtung ändern konnte, musste auch direkt ausprobiert werden. Neugierig neigte sie ihren Kopf und sah zu, wie die Scheibe zuerst in die eine und dann in die andere Richtung drehte. Ein zaghaftes Lächeln lag auf ihren Lippen und ihre Augen glänzten vor Begeisterung. Es gab viele Dinge, die sie in der Welt der Menschen kennengelernt hat, viele Dinge mit denen sie bereits vertraut war und dennoch gab es gewisse Dinge, die sie zum allerersten Mal sah. Dinge, die sie zuvor nie richtig verstanden hat, weil ihr die Erklärung dafür fehlte. Yul schien sich die Zeit für sie zu nehmen. Sie fühlte sich von ihm nicht gehetzt oder ähnliches.

Sie lauschte seinen Worten, sog jedes Wort auf und sah zwischen ihm und der Scheibe hin und her, um die Verknüpfungen herzustellen. “Daher also Töfperscheibe… Weil man töpfert. Okay, die Scheibe beschreibt dann die Tätigkeit und nicht das Produkt.” kombinierte sie und allmählich formte sich ein Bild in ihrem Kopf, setzte sich Stück für Stück zusammen. “Kann man damit auch Sachen zum hinstellen machen? So was wie ein Vogel, den man bemalen kann?” fragte sie weiter und ihr Interesse ebbte nicht ab, ganz im Gegenteil. Sie wollte es verstehen und er hat die Ahnung davon. Er war Künstler, wer sonst sollte sich mit den Dingen auskennen? Das hier war seine Welt, das womit er sich ständig beschäftigte. Er hatte diese ganze Werkstatt für sich, während Lotta in ihrem Job als Haushälterin und Putzfrau aufging. Sie hatten ihre Sachen, in denen sie gut waren und was ihrem Leben eine gewisse Richtung zuwies.

“Das heißt, wenn sie kaputt ist, kannst du nicht viel machen?” fragend sah sie wieder zur Scheibe und grinste dann breit, als er bei ihrem Scherz lachen musste. Sein Lachen war ehrlich, etwas was ansteckte und was sie gerne noch öfter hören würde, wenn es sich einrichten ließ. “Bei einer größeren, musst du es mal ausprobieren. Ich drehe dich auch. Wir wollen ja nicht, dass das Ding kaputt geht, wenn ich mich raufsetze. Du bist wahrscheinlich etwas leichter als ich.” kam es ihr frech über die Lippen. Sie selbst hatte kein Problem mit ihrem Körper und auch nicht damit, dass sie nicht so mega dünn war wie viele andere. Es gab diese Frauen mit sehr dünnen schlanken Taillen und dann gab es Frauen wie Lotta, die etwas mehr auf den Rippen hatten. Über sich selbst lachen zu können war ein Segen. Sie stand zu sich, liebte sich so wie sie war. Mit jedem einzelnen Gramm, mit jedem kleinen Makel, jede einzelne Sommersprosse die sich besonders im Sommer auf ihrem Gesicht abzeichneten.

Die nächsten Worte ließen sie kurz nicken. Sie begann es immer mehr zu verstehen, die wichtigen Dinge aufzufangen und immer weiter in ihrem Kopf Verknüpfungen herzustellen. Alles, was er sagte, wurde aufgenommen und verarbeitet, während ihre Augen alles beobachteten und aufnahmen. “Ton ist dann also nur etwas andere Erde? Ohne Ton gibt es dann wohl keinen Lehm, wenn ein Teil Ton immer dabei gemischt wird. Bedeutet, Ton muss wohl schon sehr alt sein, mindestens so alt wie Lehm. Lehmziegel… Warum wird das denn gebrannt? Reicht es nicht, das einfach stehen zu lassen? Wird das nicht von alleine hart? Knete trocknet mit der Zeit auch aus.” warf sie ein und ihr Kopf fing an etwas zu kramen. “Ist das so etwas wie Salzteig? Natürlich, Salzteig lässt sich auch über Tage hinweg an der Luft trocknen, jedoch kann man ihn aber auch in den Ofen tun, wenn es etwas schneller gehen soll.” Wahrscheinlich war der Brennvorgang bei Lehm oder Ton ein anderer, aber sie brauchte ein ungefähres Bild, etwas was sie nehmen und zusammen setzen konnte um ein klares Bild, eine klare Definition für alles zu bekommen.

“Damit kann ich was anfangen. Mir etwas besser was darunter vorstellen.” kam es Lotta leise über die Lippen, als er meinte das es so ähnlich war wie mit dem Hefeteig. Es war zwar ein Unterschied, ob man nun Wasser dazu mischen musste oder nicht, doch der Vorgang als solches ergab für sie nun Sinn. “Das Wasser kommt aber nur dazu, wenn man daraus was machen möchte, richtig?” wollte sie dann noch wissen. Immerhin hat er vorhin was von brennen gesagt und es war wohl sicherlich nicht so optimal, wenn man das Ding was gebrannt wurde, immer wieder nass machte.

Mit großen Augen und einer leicht vorgeschobenen Unterlippe, sah sie ihn an, während sie darauf wartete das er sie machen ließ. Als er dann einlenkte, grinste sie bis über beide Ohren vor Freude. “Ich kann dir zeigen, wie man Hefezöpfe macht. Du bringst mir was bei und ich dir, Deal?” fragte sie und schüttelte dann den Kopf, als er ihr eine Schürze hinhielt. “Das geht schon ohne.” meinte sie. Selbst, wenn die Sachen dreckig wurden, man könne sie doch waschen. Wie dreckig konnte man schon werden? Die Masse sah nicht gerade so aus, als würde sie wie Schokopudding durch die Hände laufen und alles bekleckern. Bevor sie sich jedoch richtig hin setzte um los zu legen, holte sie ihr Handy raus und sah kurz auf das Display, nur um das Handy zur Seite zu legen. “Das stört nur.” meinte sie mehr zu sich selbst. Ihr Handy war nicht unbedingt das neueste, aber es funktionierte. Es lag mit dem Display nach unten, so das man die Hülle sehen konnte. Eine durchsichtige Hülle, durch welche man einen handgeschriebenen Zettel sah. ‘Let it burn like the car. - Phil’. Eine Erinnerung an ihren Bruder, die einfach dabei sein musste.

Dann machte sich Lotta an die Arbeit und versuchte es mal. “Okay… Also die Drehscheibe dreht sich, das ist wichtig, weil es sonst nicht gut wird. Der Ton braucht manchmal Wasser, weil er nicht gerne trocken ist. Man muss es kneten wie Hefeteig und dann soll es aussehen wie eine Tasse.” ging sie laut durch und grinste ihn amüsiert an. Sie versuchte es wirklich. Das Kneten an sich war kein Problem. Es war zwar etwas anstrengender aber das ging. Kompliziert wurde es aber erst, als es dann darum ging, daraus was zu formen. Mit dem Finger rein pieksen war okay, das ging aber daraus sollte ja eine Tasse werden. “Warte… Wie hast du das gemacht?” murmelte sie mehr zu sich selbst und versuchte irgendwie die Scheibe in Bewegung zu setzen und ihren Händen irgendwas brauchbares zu übermitteln, dass aus dem Tonklumpen eine Tasse wurde. Es wurde zu einem anders aussehenden Klumpen und sie schaffte es sogar, mit ihrer Hand den Tonklumpen immer weiter zum Rand der Scheibe zu schieben und wunderte sich dann, warum der Ton plötzlich runter fiel. “Oh…” sagte sie und sammelte den Ton schnell wieder auf, tat so als wäre nichts gewesen und versuchte es erneut.

Sie war mit Eifer dabei und dennoch merkte man ihr an, je länger sie davor saß und nichts gescheites bei raus bekam, dass sie leise vor sich hin blubberte. Sie murrte ein wenig vor sich hin und es ging ihr doch nicht so leicht von der Hand, wie gedacht. Sie könnte jetzt sagen, sie bräuchte Hilfe und würde sich damit eingestehen, dass sie den Mund zu voll genommen hat. Aber sie wollte sich diese Blöße nicht geben. Man konnte in Lottas Gesicht ganz klar ablesen, dass sie gerade keine Ahnung hatte was sie hier überhaupt tat und ein wenig Frustration zeichnete sich auch ab. “Man…” grummelte sie leise und beobachtete den Ton einen Moment, wie der sich auf der Scheibe drehte.
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