Wind Beyond Shadows

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Charlotta Fraser

Bis in die frühen Morgenstunden genossen die beiden das Spiel zwischen ihnen, den Haut an Haut Kontakt und lauschte all den Lauten, die sie dem anderen entlockt haben. Es war unbeschreiblich schön gewesen und jede einzelne Sekunde hat sie in vollsten Zügen genossen. Als sie beide so langsam zum Ende des Akts fanden, kuschelte sich Lotta an ihn, mit ihrem Rücken an seine Brust und schlief ein wenig. Sie glitt sogar für einige Minuten in die Tiefschlafphase. Ihr Körper brauchte definitiv etwas Schlaf um sich zu regenerieren. So schön, wie die Nacht mit ihm war, so anstrengend war es auch gewesen. Ihr Körper hatte in der Nacht mehrfach gebebt, schüttete ständig Adrenalin und Dopamin aus, etwas was natürlich früher oder später seinen Tribut in Form von Müdigkeit forderte. Ihr Körper brauchte diese Ruhe, diese wenige Stunden Schlaf die möglich waren. So wickelte sie sich etwas in die Decke ein, zog diese bis zu den Ohren hoch und versank in den Schlaf.

Im Laufe der paar Stunden Schlaf rückte sie immer mal wieder an ihn heran oder rutschte etwas weiter zum Bettrand. Etwas, was eben im Laufe des schlafens auftrat. Ebenso konnte man durchaus, immer mal wieder, einen kleinen Sabberfaden erkennen. Der Schlaf war kein Schlaf, der über die ganzen Stunden hinweg ging sondern wurde immer mal wieder kurz unterbrochen, nur um ihn beim schlafen zu beobachten. Es waren immer nur wenige Minuten, in denen ihre Augen ihn musterten und sie in sich hinein lächelte. Ihr Herz hüpfte auf und ab, ihr Verstand glitt zu den vorherigen Stunden und sie fühlte sich glücklich. Es war kaum zu glauben, dass sie wirklich hier nebeneinander lagen. Das sie wirklich hier zusammen lagen und sie auf ihrem Hals sichtbare Zeichen der letzten Nacht trug. Zeichen, die ihr immer noch einen Schauer über den Rücken jagten, wenn sie sanft mit den Fingerspitzen darüber strich.

Dann glitt sie wieder in den Schlaf, döste zeitweise vor sich hin bis sie dann am Morgen die Augen aufschlug und es wagte sich ein wenig zu strecken. Ein leises müdes Gähnen schlich sich ein und sie rieb sich über die Augen. Vermutlich würde sie sich später, wenn sie wieder Zuhause war, erneut hinlegen und versuchen den Restschlaf nachzuholen den ihr Körper noch brauchte. Doch jetzt im Moment, wollte sie nicht weiter ans schlafen denken. Einen Augenblick beobachtete sie ihn, wie er langsam atmete. Beobachtete, wie sich sein Brustkorb hob und senkte. Ihre Augen glitten über seinen Körper und kurz biss sie sich auf die Unterlippe, wenn sie an die Muskeln dachte und daran, wie kraftvoll er sie gestern gepackt hat. Sie rückte wieder dicht an ihn heran, strich sanft mit ihren Finger über seinen Arm und drückte ihm einen zärtlichen Kuss unterhalb des Ohres auf den Hals, gefolgt von einem noch zärtlicheren Biss an dieser Stelle.

Das ihr Handy immer noch hinten in der Werkstatt lag und aus war, daran dachte sie nicht. Sie hatte die ganze Nacht nicht eine Sekunde daran gedacht. Es tat gut, es nicht dabei zu haben und somit für eine erste Abgrenzung zur Familie zu sorgen. Auch, wenn Lotta diese Abgrenzung in dem Sinne noch gar nicht bewusst war. Sie wusste nur eins: die Nacht hätte sie sicherlich nicht genießen können, wenn ihr Handy in der Nähe und angeschaltet gewesen wäre. Das einzige, was sie von ihrer Familie bei sich trug, war die Phiole um ihren Hals. Die Kette hat sie letzte Nacht nicht abgelegt, sie trug sie immer und das, seit dem ihr Bruder sein Leben ließ. Die Kette hat auch beim Akt in keinsterweise gestört. Ihre Kleidung abzulegen war kein Problem, die Kette hingegen schon. Sie hätte sich vermutlich auch dagegen gesträubt, die Phiole abzulegen.

Mit jedem Atemzug sog sie seinen Duft ein, vergrub auch kurz ihre Nasenspitze an seiner Haut. Auch, wenn sie seinen Duft die ganze Nacht in der Nase hatte, konnte sie sich immer noch darin verlieren. Sein Duft, der sie umgab und mit einer hohen Wahrscheinlichkeit noch etwas länger an ihr haften würde. Ihre Augen musterten jede seiner Bewegungen und erneut hüpfte ihr Herz in ihrer Brust, testete sich aus und sprang wild hin und her. Es war ein merkwürdiges Gefühl, etwas was sie wirklich gern fühlte und sich gleichzeitig fragte, ob sie sich schon jemals wirklich so vollkommen gefühlt hat. All das hier war etwas, was sie so noch nie erlebt hat. Noch nie war dieses Verlangen so groß gewesen, jemanden für sich zu beanspruchen und der Welt zu zeigen ‘Finger weg, er gehört zu mir’.
Die Nacht verging wie ein einziger Rausch, der immer noch tosend in seinen Ohren sein Blut zum Pochen brachte. Kaum liess sich sein Herz beruhigen, getrieben von der blinden Gier seines Wolfes. Sie hatte ihn mitgerissen, wie einen Tsunami. In stetig sich mitreißenden Wogen, bis er gar seine Klauen und Zähne in ihre Haut vergrub, als er drohte an ihren Klippen zu zerschellen. Ihr Salz und die Süße ihres Blutes schmeckte er immer noch auf seinen geschwollen Lippen, wie er dieses elektrisierende Gefühl ihres Bisses unterhalb seines Ohres spürte, dass sich sanft prickelnd über seine Nervenbahnen fuhr.

Ein Mal, dass sie ihm in der Hitze ihrer eigenen Ektase gesetzt hatte. Ein Biss, mit dem sie Anspruch auf ihn erhob, ihn als den ihr Ausgewählten zeichnete.

Yuls Augäpfel glitten unruhig unter seinen Lidern und doch war sein Atem flach und entspannt. Gänzlich anders noch, als wenige Stunden zuvor. Es war ein innerer Kampf gewesen, den er gegen sich selbst geführt hatte. Ein nicht enden wollendes Ringen mit dem Willen seines Wolfes, dessen Instinkten er verlernt hatte zu misstrauen. Eine Auseinandersetzung die schier unmöglich war zu lösen, ohne das er selbst sich verlor. Zweifelnd, ob der Drang seines Wolfes diese junge Wölfin zu beanspruchen, tatsächlich der Wahrheit entsprechen konnte. Einem Drang, den er, selbst in der Ektase niemals nachgegeben hätte. Wäre da nicht ihr Biss im zuvorgekommen. Es konnte nicht sein. Wie war dies nur möglich? Wie?

Unruhig flackerten seine Lider und angeregt durch eine sachte Bewegung neben ihm, hoben sie sich. Sein Kopf drehte sich leicht zu ihr, ehe sein Körper folgte, angelockt von ihrer Wärme. Fragen über Fragen durchwühlten seinen Geist, brachten diesem Unruhe und doch… Sein warmes Rehbraun wanderte über ihr Gesicht, auf dem sie ein leichtes, entspanntes Lächeln trug. Sie strahlte vor Glück, während ihre Hand immer noch auf dem Mal lag, dass sie eben noch berührt haben musste. Seinem Mal. Yuls Hand glitt selbst zu dem ihrigen, berührte es an seinem Hals. Wund fühlte sich das Fleisch unter den Fingerkuppen an, taub, in den nächsten Stunden würde es wohl tief dunkel in Lila und Blau schimmern. Ein sanftes, prickelndes Ziehen wanderte über seinen Körper, erinnerten ihn erregend daran wie sie ihm dieses Mal gesetzt hatte. Ein wohliger Schauer erfasste seinen Körper, rann hitzig sein Rückgrat hinab. Er begehrte diese Frau, die regelrecht in sein Leben geplumpst war.

Tief sog er ihren Duft nun ein und langsam schoben sich seine Mundwinkel hinauf. Er sollte es nicht weiter hinterfragen, nicht jetzt, nicht in diesem Moment, in dem er sein Glück so offenkundig vor sich liegen hatte. So schob er diese Sorge zumindest so weit fort, dass er diesen Augenblick genießen konnte. Waren sie doch selten geworden in seinem Leben. Glück. Durfte er dies empfinden? Konnte er? Entschlossen schloss er diese Frage tief in sich ein.

Yul drückte seinen Kopf tiefer in das Kissen, neigte ihn ein wenig, um sie näher im Schlaf zu betrachten. Stunden könnte er womöglich damit verbringen ihre Rundungen zu erforschen, die Konturen ihres Gesichtes zu erfassen. Behutsam zog er die Decke ein wenig über ihre nackte Schulter, strich ihr die wenigen Strähnen ihres rotbraunen Haares zurück, die sich noch zuvor in ihrem ruhigen Atem wiegten. Schmunzelnd schnaufte er knapp, als er den Sabberfaden sah und seine Lider senkten sich leicht. Sie war wunderschön. Seine Wölfin.

Er bemerkte nicht, wie er sich in ihrem Anblick mehr und mehr verlor, bis sich erneut seine Lider schlossen. Zufrieden hatte er sie sanft an sich gezogen, um ihren hitzigen Körper erneut an sich zu spüren. Zärtlich vergrub er seine Nase in ihrem Haar, innig, als würden sie sich bereits länger kennen, als erst einen Tag.

Eine Berührung an seinem Arm entlockte ihm einen leisen, wohligen Laut, einem schon geträumten Knurren gleich. Ruhig drehte er sich auf die andere Seite, während ein tiefer Atemzug seinen Brustkorb hob und wieder senkte. Lippen berührten den blauen Fleck unterhalb seines Ohres, entzündeten damit ein erneutes, sanftes Feuerwerk an prickelnden Funken, die ihn leise brummen liessen. Seine Hand wanderte über ihre Hüfte, glitt in ihren Rücken hinein, als wüsste er blind, mit geschlossenen Lidern, wo sie war. Eine Nasenspitze grub sich in seine Haut, wie zuvor ihre Fingerkuppen und Klauen, liessen sein Herz schneller schlagen. Den er erkannte sie, auch ohne, dass er seine Lider öffnete. Sein sanftes Brummen wurde dunkler, voller, als er sie nun zärtlich an sich zog. Lippen suchten ihre, erwischten ihre Nasenspitze. Mit einem Schmunzeln und einem tiefen Ausatmen landete ein kleiner Kuss darauf, ehe er frech in diese Biss. Ihre eventuelle Empörung schluckte er mit seinen Lippen, die sich sofort auf ihre legten.

Charlotta Fraser

Es war ein merkwürdiger Gedanke, wie sicher sie sich bei alle dem gestern gefühlt hat und sich immer noch sicher fühlte. Sie hatte noch nie zuvor das Gefühl, jemanden für sich zu beanspruchen. Noch nie war dieses Verlangen in ihr so unerträglich groß gewesen, dass sie dem folgen musste. Sie war es gewesen, die als erstes den Schritt gegangen ist und gezeigt hat ‘Ich will das du mein bist’. Aus einem Impuls heraus, hatte sie ihm das Mal verpasst, zärtlich in seine Haut gebissen und damit dafür gesorgt, dass er selbiges bei ihr tat. Würde man mit einem logischen Verstand versuchen diese Sache zu verstehen, würde man nur weitere Fragezeichen hervor rufen. Denn, logsicher Verstand würde das hier nicht verstehen. Es war etwas, was man fühlen musste. Es war etwas, was in ihrem Instinkt tief verankert war. Irgendwann trifft man einen Wolf, bei dem sich all das richtig anfühlt und diesen Wolf sollte man an sich binden. Es war etwas, was tief aus dem Herzen entsprang und durch den Instinkt gelenkt wurde. Bei ihrem Ex hatte sie nicht mal Ansatzweise dieses Gefühl gehabt. Ganz im Gegenteil! Er durfte sie berühren aber niemals den Hals. Nicht mal mit den Fingerspitzen durfte er rüber fahren, weil dies nicht für ihn gedacht war. Ihr Instinkt ließ dies nicht zu, dass er ihr dort näher kommen durfte und dabei war ihr klar gewesen, dass er sie am liebsten dazu gedrängt hätte um sie ‘sein Eigen’ nennen zu können.

Ihren Hals hat sie bis aufs Blut verteidigt, damit er nicht mal ansatzweise Anspruch auf sie erheben konnte und sie dies auf ihrem Hals trug. Bei Yul hingegen war es anders gewesen, so als würde man zwei Puzzlestücke ineinander fügen, die direkt miteinander verschmolzen. Jede einzelne Berührung löste eine Kettenreaktion aus, die dafür sorgten, dass der Drang der intuitiven Handlung nur weiter bekräftigt wurde und immer mehr danach schrie, sich dem ganzen hinzugeben. Es einfach zuzulassen. Denn, warum auch nicht? Warum sollte sie sich dem entziehen, was sich so richtig anfühlte? Er gefiel ihr, sie wollte ihn und warum dies nicht mit dem Mal zeigen? Sie trug seines mit Stolz. Jeder durfte sehen, dass sie sich ihm hingab, das er sie für sich beanspruchte. Für Menschen mochte dies so klingen, als würde man einer Trophäe nachjagen. Doch Menschen würden diese Tragweite nicht verstehen, nicht die Bedeutung dahinter gänzlich verstehen und nicht nachvollziehen können, warum dies alles so unfassbar wichtig im Leben eines Wolfes war. Die Suche nach dem Seelengefährten, nach dem Lebensgefährten, war eine Aufgabe im Leben die jeder anstrebte. Jeder wollte den oder die eine finden. Jeder wollte dieses vollkommene Glück verspüren, die das alles versprach und da gehörte das markieren dazu. Das Mal, ein Zeichen dafür, ein Prozess, ein Anfang des Ganzen.

Das er sie im Schlaf betrachtete, fiel ihr nicht groß auf. Ausnahmsweise war sie mal nicht auf der Hut, lauschte nicht auf jedes noch so kleinste Geräusch sondern vertraute auf die Sicherheit, die sie hier fühlte. Mitunter würde sie sich bei seinen Blicken ohnehin nicht unwohl fühlen. Wie auch? Letzte Nacht hat er sie begehrt, so wie sie ihn. So, wie es immer noch war. Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, als er sie sanft an sich zog und seine Nase in ihrem Haar vergrub. Es fühlte sich so unfassbar vertraut an. Das war es, was ihre Mutter ihr einst beigebracht hat: man fühlt es ohne das es logisch richtig erfasst werden kann. Sie hatte bei ihren Geschwistern gesehen, wie schnell es gehen konnte, wenn man wirklich angekommen war. Zeit war da keine Frage, sondern wie es sich anfühlte, wenn man beisammen war. Wie sehr man einander wollte, wie stark der Instinkt auf den anderen reagierte. Vertrauen auf den eigenen Instinkt, dessen was in ihnen schlummerte, war wichtig und das worauf man sich zu verlassen hat.

Mit einem strahlenden Lächeln und einem verträumten Blick lauschte sie dem leisen wohligen Laut, den ihre Berührungen bei ihm entlocken. Es war eine schöne Melodie in ihren Ohren, etwas was sich mit der letzten Nacht mischte und sich in ihrem Kopf abspeicherte. Alles an ihm faszinierte sie. Seine ganze Art war faszinierend. Er war ruhig und ausgeglichen und besaß dazu noch diese animalische wölfische Seite. Er war dominant und ruhig, etwas was ihr sehr gefiel und was letzte Nacht dafür sorgte, dass sie durchaus die Kontrolle abgab. Sanft glitt seine Hand über ihre Hüfte ihren Rücken hinauf. Etwas, was sie noch mehr vor sich hin lächeln ließ und ein kribbeln auf der Haut auslöste. Jeder Zentimeter, den er hinauf strich, fühlte sich erhitzt an und jagte ihr einen angenehmen Schauer über den Rücken. Einfach den Moment genießen, sich ihm nahe fühlen und den Duft einatmen.

Ein sanftes brummen ging von ihm aus gerade als er sie an sich heran zog, noch ein Stück dichter als sie ohnehin schon war, sehnte sie sich nach seinen Lippen. Jedoch traf er ihre Nasenspitze und als sie erwidern wollte, dass es knapp daneben war und ein Biss in die Nasenspitze doch ziemlich frech von ihm wäre, legten sich seine Lippen auf ihre. Sie schloss ihre Augen und strich mit ihrer Hand durch sein Haar, bis sie die Fingerspitzen dort für einen Moment vergrub. Sie löste sich aus dem Kuss und musterte sein Gesicht und glitt dann mit den Augen zu seinem Hals, betrachtete das, was sie letzte Nacht mit ihm angestellt hat. “Guten Morgen.” kam es ihr grinsend über die Lippen und sie suchte nun den Blickkontakt zu ihm. “Musst du heute noch irgendwo hin? Irgendeine Zeit, auf die man achten müsste?” fragte sie und wollte vor allem wissen, wie lange sie hier noch im Bett liegen konnten zusammen. Direkt los wollte sie nicht und sie selbst hatte heute nicht besonders viel vor. Er hingegen war in einer anderen Branche tätig und da wusste man ja nicht so genau, ob er nicht heute noch irgendeinen dringenden Termin hatte oder so. “Sonst bleibe ich nämlich solange hier, bis ich dir zum Hals raus hänge.” scherzte sie und küsste sanft die Stelle an seinem Hals, wo sie ihn gestern markiert hat.
Es war ein Zögern gewesen, als hätte sein Verstand die Instinkte seines Wolfes in Ketten gelegte. Belastet durch die Emotionen, die die Berührungen in ihm hervorriefen, wie auch die Bilder, die ihm normalerweise Nachts in seinen Träumen heimsuchten, hatte er es schlicht nicht erkennen wollen. Ein Akzeptieren, dass er wohl noch lernen musste und was diese Wölfin ihm regelrecht mit ihrem feurigen, einnehmenden Wesen in seine Hirn hämmerte, dass er kaum die Chance dazu hatte noch in der Nacht viel darüber nachzudenken.

So waren es doch seine Gedanken, die sein eigener, innerer Feind waren. Verdeckt durch den Schleier des Vergessens, war es stetig immer nur ein Gefühl, dem er folgen konnte. Oder nicht? Was von all dem war Emotion und was war geboren aus seinem Unterbewusstsein? Er vermochte es nicht mehr zu sagen und so rang stetig sein Verstand mit seinem Instinkt, dem selbst er nicht mehr vertraute, bis zu eben diesem Moment, als er sie liebevoll im Schlaf beobachtete. Wie vermochte sich etwas Falsches, Unmögliches, nun richtig anfühlen?

Scharf sog er die Luft ein, als seine Fingerkuppen nun die spürbare, silberne Narbe an seinem Halsansatz berührten. Eine Linie die sich von seiner linken zur rechten Seite des Halses zog. Sauber hatte man seine Haut, Muskeln durchtrennt und doch offenbar stümperhaft genug, dass man die Luftröhre verfehlte. Zumindest würde man dies erwarten, wenn man sich die Narbe genauer besah, die er stets unter Stoff verbarg. Eine offenkundige Verletzung, die ihn eigentlich hätte das Leben kosten müssen und doch…lebte er. Ein anderes Vermächtnis, dessen starre, stählerne Fäden den Wolf immer noch hielten, der sich nicht aus seinen Erinnerungen erklären konnte, wie dies zustande gekommen war oder überhaupt was geschehen war.

So waren es nur wenige Fragmente, die ihn sonst jede Nacht aus dem Schlaf rissen. Das Aufblitzen einer, blutigen Klinge in seinen geöffneten Händen, wie sie langsam ihm durch die Finger glitt, hinab auf den Boden. Eine Erinnerung, die zu der länglichen Narbe an seinem Bauch passte, die einen Teil des blauen Drachenkörpers durchschnitt, beinahe wie ein Pfeil, der sich in dessen Körper bohrte. Der Schrei eines Kindes oder doch von zweien riss ihn immer wieder aus seinen Träumen. Oder war es doch der Schrei einer Frau? Helle Stimmen, die nach ihm schrien, auch wenn er sich nicht mehr an die Worte erinnerte, so war es der Klang der verzweifelt geschrienen Silben, die ihn bis heute Eiseskälte über seinen Körper laufen liess. Verzweiflung, Angst…Todesangst. Knapp schlossen sich seine Augen, als er versuchte dies aus seine Gedanken zu verbannen.

Sein Daumen glitt von der Narbe, die er noch nie hatte jemand anderes berühren lassen, selbst sie nicht. Wobei sie sich ihrer sehr wohl gewahr gewesen war. Ihr Blick hatte einen schmerzlichen Augenblick darauf geruht und doch hatte sie geschwiegen. Als wenn sie diese noch unüberbrückbare Barriere akzeptierte, die er dort mit sich trug. Unausgesprochen hatte sie wohl gespürt, dass er nicht wollte, dass man diese berührte. Noch nicht.

Eine sanfte Berührung, ein zarter Biss an dem Mal was ihn zeichnete und ihr Atem, der auf eben dieser Narbe regelrecht nun brannte, zogen ihn erneut aus seinen Träumen. Das er eingeschlafen war, hatte er nicht gespürt. Ungewöhnlich traumlos schien er von ihrem Bild, dass er immer noch vor Augen hatte, sofort in den Schlaf geglitten zu sein, beseelt von einer Ruhe, die sie auf ihn ausgestrahlt hatte. Die Dämonen, die ihn sonst jede Nacht heimsuchen, schien sie damit wohl zu verdrängen.

Lippen legten sich auf ihre, noch während seine Mundwinkel sich hoben. Sanft schluckte er ihre Widerworte und das leise Seufzen, dass er ihr entlockte, noch währen seine Zunge erneut ihre Süße kostete. Ihre Finger vergruben sich in seinen kurzen Haaren, während seine Hand sich nun in ihrem Rücken spreizte und die rötlichen Striemen ihres Aktes auf ihrer Haut berührte.

Sie löste sich sanft aus dem Kuss und musternd wanderten ihre Blicke über sein Gesicht, ehe ihr Blick zu seinem Hals wanderte, hin zu dem Mal, aber auch zu seiner Narbe. Ein Schauer erfasste ihn, heiss und kalt, als sie dies tat. Doch er schwieg, ehe bereits jeglicher dunkler Gedanke von ihm mit einem Grinsen von ihr davongewischt wurde. „Guten Morgen.“, senkten sich halb genießerisch seine Lider und er atmete sanft aus.

Sanft zog er mit seinen Fingern Kreise über ihre Haut, ehe er diese Hand hob und ihr sanft eine Haarsträhne erneut hinter ihr Ohr schob. „Erst gegen Mittag. Eine Besprechung mit Janet.“, verriet er ihr und sog die Luft, als der Name der Blondine fiel. „Wegen der gestrigen Eröffnung und möglichen Aufträgen.“, verriet er ihr. „So?“, schmunzelte er amüsiert über ihren Vorschlag und sog scharf die Luft ein, als sie ihr Mal an seinem Hals küsste und ein hitziger Schauer an tausenden, prickelnden Nadelstichen sich erneut erregend über ihn legte. „Bis du mir zum Hals raushängst? Wer sagt, dass das irgendwann der Fall sein wird?“, grollte er nun lachend, packte sie mit einem Mal, rollte sich leicht mit ihr, bis sie auf ihm zu erliegen kam. „Warum solltest du?“, schob er sein Kinn keck und selbstbewusst vor, während seine Hände sich auf ihren Po bereits gelegt hatte. Gespreizte Finger, deren Kuppen sich erneut in ihre Haut drückte. „Warum sollte ich das wollen?“, knurrte er düster, während doch ein Lächeln auf seinen Lippen lag, als er leicht seine Hüfte erneut an ihr rieb.

Charlotta Fraser

Es gab Dinge, bei denen man direkt wusste, das man sanft mit ihnen umgehen sollte. Narben waren etwas, wo man bedächtig heran ging. Ihre Narben auf dem Rücken durfte er letzte Nacht küssen, diese berühren ohne Probleme. Seine Narbe jedoch, die er am Hals trug, war etwas wo selbst Lotta vorsichtig heran ging. Immer darauf bedacht, diese nicht einfach direkt zu berühren und die Frage, woher diese stammte, klemmte sie sich. Auch, wenn sie neugierig war, ließ sie es bleiben. Jeder würde darüber reden, wenn er das Gefühl hatte, über die Narbe sprechen zu wollen. Es war nichts, was man direkt fragte. Manche Narben sprachen für sich, zeigten das sie mit Leid und Qual in Verbindung standen und nicht von einem kindlichen Abenteuer stammen konnten. Innerlich fühlte man es, ob man lieber die Klappe darüber halten sollte oder doch fragen durfte.

Er lächelte in den Kuss hinein, sie fühlte wie sich seine Mundwinkel etwas hoben. Leicht öffnete sie ihren Mund, damit seine Zunge leichtes Spiel hatte. Es war schön, zu merken, dass all das von letzter Nacht noch da war. Das dieses innige Gefühl, sich nahe sein zu wollen, nicht verschwunden war. Das Gefühl war noch genauso wie letzte Nacht, die Faszination war immer noch vorhanden und vor allem dieses Verlangen, ganz ihm zu gehören. Yul so entspannt zu sehen, war schön. Er wirkte ausgeglichen und glücklich. Etwas, was sie selbst auch war. Vollkommen glücklich, ein Gefühl was sie so nicht kannte. Sie machte sich mal keine Sorgen um ihre Familie, darum ob sie gerade irgendwo gebraucht wurde, sondern dachte nur an die letzte Nacht, an ihn und auch an sich. Etwas, was sie unterbewusst tat.

“Soll ich mitkommen und ihr Hallo sagen?” fragte Lotta mit einem diabolischen Grinsen, was aber mehr als freche Bemerkung zu verstehen war. Janet… Sie konnte diese Dame nicht wirklich leiden, was kein Wunder war, nach der gestrigen Auseinandersetzung. Mit einer zügigen Bewegung lag sie auf ihm und setzte sich bewusst neckisch auf seine Hüfte. “Keine Ahnung. Vielleicht betitel ich irgendwas als leuchtenden Müll oder schalte mein Handy wieder ein?” warf die Wölfin grinsend ein und beugte sich nun vor, stützte sich mit ihren Händen neben seinem Kopf ab und küsste ihn zärtlich, nachdem er seine Finger in der Haut an ihrem Po drückte und seine Hüfte bewegte. “Weißt du…” begann sie und küsste seine Nasenspitze. “Bevor wir da weiter machen, bräuchte ich wohl was zu essen. Könnten wir vorher irgendwie was frühstücken?” fragte sie ihn und fast, als hätte sie es heraufbeschwören, war sogar ein leichtes Knurren von ihrem Magen zu hören. “Hörst du, ich verhungre hier gleich.” meinte sie lachend und richtete sich wieder ganz auf und rieb sich demonstrativ den Bauch. “Wir finden danach sicherlich noch etwas Zeit für andere Dinge.” versprach sie ihm.
Unter einem tiefen Atemzug zog er seine Fingerkuppe von dem narbigen Silber an seiner Kehle fort unter der man, trotz aller Widersprüche, seinen Puls doch deutlich pochen sah. Einschneidend hatte man nicht nur die Haut damit durchtrennt, sondern auch jegliche Erinnerungen, die er damals in sich trug. Eine andauernde Qual, die ihm bewusst war. Diese stetigen Fragmente in seinen Träumen waren grausam. Beleuchteten sie doch die Dunkelheit, die sich über seinen Geist gelegt hatte, wie ein kurzes, knappes Feuerwerk in der Nacht. Ein Funke am Himmel, einem kurzen Aufleuchten gleich, dass das Tuch des Vergessens nur knapp lüftete. Lang genug um zu erahnen, dass dort schmerzlich mehr darunter ruhte und zu kurz um zu erfassen was letztlich darunter lag.

Ein quälender, langer Prozess, den die Ärzte mit dem schwerwiegenden Trauma erklärten, dass er erlitten hatte. Geduld, dass war es , was sie von ihm forderten. Eine Beherrschung, die der junge Japaner sonst mühelos an den Tag legte und doch schien er zu spüren, dass das was sich unter diesem Tuch verbarg, wesentlich wichtiger war, dass Geduld eben der falsche Ratgeber in diesem Fall war. Etwas drängte ihn mehr zu erfahren. Eine schmerzliche Unruhe, hervorgerufen aus dem wenigen, was er bisher aus den wenigen Fetzen erfahren hatte.

Eine Unruhe, die er sich nun nicht hingeben wollte, den sanften Geruch nach dem Grün des Waldes in der Nase, der ihm einen Frieden versprach, den er seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr verspürt hatte. Würzig und frisch zu gleich, erdig und sanft. Ihr Geruch, von dem er wusste, dass er diesen nun ebenfalls an sich trug, so wie sie den seinigen.

Ihren Geruch tief in sich aufnehmen, während er ihre Süße erneut mit seiner Zunge kostete, schmunzelte er zufrieden. Sanft rang er mit ihr, gab sich dieser Wärme und der Weichheit ihres Körpers erneut hin, den er nun direkt an sich spürte. Ein Morgen der so sanft schien, wie das Licht das durch das mit einer Gardine verhangene Fenster hereindrang. Noch in der Nacht hatte er vergessen die Vorhänge zuzuziehen. Blinzelnd löste er sich von ihr, betrachtete ihre Züge in diesem weichen, warmen Licht der aufgehenden Sonne, während er behutsam eine rotbraune Haarsträhne hinter ihr Ohr strich.

„Du willst ihr Hallo sagen?“, schien er sich offenkundig verhört zu haben und doch verriet sein verhaltenes Grinsen, dass er sehr wohl die Diabolik hinter ihren Worten verstand. „Das willst du? Traust du dich das?“, forderte er sie weiter neckend heraus. Ihm war bewusst, dass diese zwei Frauen unterschiedlicher nicht sein konnten. Kühl, arrogant, vorlaut und direkt, so war Janet, während Lotta loyal, warmherzig, liebevoll und…knapp zögerte er und sein Grinsen wurde breiter. Vielleicht täuschte er sich, aber in diesem Moment stellte er die Vermutung auf, dass sich womöglich die Frauen doch ähnlicher waren, als sie selbst es zugeben würden. Vielleicht war das auch der Grund, für diese heftige Diskussion des gestrigen Abends. „Ich glaube, dass wäre keine gute Idee. Oder?“, versuchte er zu beschwichtigen. „Es ist eine einfache Besprechung über die Zahlen von gestern. Sicherlich wird auch die Vase ein Thema sein. Doch das, überlass ruhig mir.“, bat er sie freundlich.

Eine leises Grollen liess seinen Brustkorb nun vibrieren, als sie sich neckisch auf seine Hüfte setzte, seine Provokation umkehrte, dass er es nun war der um Beherrschung rang. Scharf sog er die Luft ein, als er sein Becken anhob und seine erneut anschwellende Erregung ihr feuchtes Fleisch berührte. Ein gefährliches Spiel, was sie hier trieben. Fingerkuppen gruben sich in die Haut ihres Pos. „Leuchtender Müll? Du findest keinen schöneren Titel.“, knurrte er leise, doch mit einem wölfischen Grinsen auf den Lippen, dass von einem Kuss von ihr eingefangen wurde. Ihr Haar umhüllte sie dabei wie ein rotbrauner Vorhang, beinahe, als gäbe es nur sie zwei in dieser Welt. „Tu was du nicht lassen kannst.“, kam es verschmitzt von ihm, ahnte er doch, dass sie das Handy so schnell nicht wieder einschalten würde.

Ein Kuss drückte sich auf seine Nasenspitze und mit einem gespielten Seufzen sank sein Kopf zurück in das Kissen. „Du kannst jetzt ans Essen denken?“ Eine rhetorische Frage, natürlich war ihm bewusst, dass sie genau dies tat . „Wer sagt, dass ich dich einfach so gehen lasse. “Das Knurren ihres Magens war kaum zu überhören, dass ihn nun leise ergebend lachen liess. Seine Hände lösten sich von ihrem Po und legten sich unter seinen eigenen Kopf. „Verhungern? Nein, das wollen wir natürlich nicht.“, spielte er entsetzt und nickte in Richtung der kleinen Küche und schnaufte bei ihrem sanften Versprechen. „Vielleicht.“, funkelten seine Augen wissend.

Mit einem Mal packte er sie erneut, fuhren seine Finger in ihr Haar und umspannten ihren Hinterkopf. Deutlich spürte er dort eine kleine Wulst an ihrem Schädel. Eine Narbe, die inzwischen von ihrem Haar verdeckt wurde. Mit einem eleganten, kräftigen Ruck, drehte er sich erneut wieder mit ihr und kam auf ihr rittlings sitzend zu erliegen. „Verhungern tu ich auch.“, brummte er dunkel und schnappte nach ihrem Kinn und ihrer unteren Lippe. Sanft sog er an ihr, ehe er ihr einen gierigen, hungrigen Kuss schenkte. Verfluchte Wölfin.

Plötzlich war er fort, so schnell, wie er überraschend sich mit ihr gedreht hatte, hatte sich von ihrem Körper hinuntergeschoben und sich von dem Bett weggedrückt. Nackt ging er hinüber zu der kleinen Küche und wusch sich die Hände, ehe er den Reiskocher befüllte und anwarf. „Tee?“, fragte er sie schmunzelnd über die Schulter, und füllte bereits den kleinen, metallischen Teekessel mit Wasser und stellte ihn auf den Herd.

Charlotta Fraser

Ihr Grinsen wurde bei seinen Worten breiter und sie zog die linke Augenbraue in die Höhe, als er wissen wollte ob sie sich das wirklich trauen würde. “Natürlich doch, wir haben uns gestern sicherlich nur auf dem falschen Fuß erwischt.” erwiderte die Wölfin mit einem unterdrückten Lachen. “Ich habe kein Problem mit ihr, solange wie sie nicht ausfallend wird und mich in Ruhe lässt.” ergänzte sie. Lotta konnte durchaus ruhig und sachlich in Gesprächen sein. Das war kein Problem, sofern man ihr nicht blöd kam. Durchaus war Lotta vorlaut, ließ sich vor allem respektloses Verhalten nicht gefallen und für Menschen war ihre raue Art oftmals zu… provokant. Yuls nächste Worte ließen sie nicken während sie kurz die Schultern hoch zog und diese wieder sinken ließ. “Keine Sorge, ich mach dir schon keinen Ärger.” meinte sie und lächelte sanft. “Besprechungen über Zahlen hört sich ohnehin nach etwas an, wo ich nicht mitkommen würde. Zahlen sind komplizierter als Buchstaben.” kam es ihr leise über die Lippen. Niemand brauchte unnötig Stress und diese Besprechung war etwas, wovon sie eh keine Peilung hatte.

Seine Reaktion auf ihren Körper war ihr sehr wohl bewusst und sie genoss es, zu merken, wie sehr er sie wollte. Es beruhte auf Gegenseitigkeit. Mit einem wissenden frechen Grinsen musterte sie ihn und biss sich kurz auf die Unterlippe, die sich durchaus leicht geschwollen anfühlte nach der letzten Nacht. “Hätte ich es als “Leuchtendes Manifest einer zerbrochenen Seele” genannt, hättest du dann gewusst, worüber wir reden?” neckte sie ihn mit ihrer Gegenfrage. Das sie tun sollte, was sie nicht lassen konnte, war kein Problem. Tat sie auch. Nur, dass ihr Handy dabei keine Priorität besaß. Sanft strichen ihre Lippen über seine und ihr Brustkorb hob und senkte sich, während ihr Herz beflügelt in ihrer Brust schlug.

Unschuldig warf sie ihm einen zuckersüßen Blick zu. “Ich kann nichts dafür, beschwere dich bei meinem Magen.” warf sie schmunzelnd ein. Vermutlich hätte Yul sie auch nicht so einfach gehen lassen, wenn ihr Magen nicht demonstrativ geknurrt hätte und damit klar zeigte, dass er doch tatsächlich hungrig war. “Siehst du, er hat gesprochen. Außerdem… Wir haben letzte Nacht so einiges an Energie verbrannt, das muss aufgefüllt werden.” meinte Lotta frech. Hunger musste gestillt werden, sonst würde ihr Bauch in einer Tour ein Knurrkonzert vor lauter Verzweiflung von sich geben, bis er endlich was bekam. Außerdem macht Hunger einen reizbar und das musste auch nicht unnötig strapaziert werden.

Mit einem Mal fuhren seine Finger durch ihr Haar und kamen an ihrer Narbe hängen, die von dem langem Haar bedeckt war. Mit einem kräftigen Ruck drehten sie sich erneut und nun kam er rittlings sitzend auf ihr zum erliegen. Gerne hätte sie den Kuss noch weiter ausgekostet, doch Yul entschwand und verließ das Bett. Einen Moment lang musterte sie ihn, betrachtete seinen Körper und konnte nicht anders als sanft zu grinsen, während ihr Herz schneller schlug in ihrer Brust. Sie könnte ihn stsundenlang betrachten ohne das es langweilig wurde. Er sah gut aus, besaß kräftige Arme und umwerfende Muskeln. Wobei vor allem seine Augen das waren, was sie liebte. Diese wunderschönen Augen, die ihr eine tiefe Ruhe vermittelten, wenn sie diese brauchte oder voller Feuer brannten.

Lotta strich ihre Haare nach hinten, so das diese über ihren Rücken fielen und setzte sich an die Bettkante in den Schneidersitz. Das sie selbst noch nackt war, störte nicht. Wen sollte es auch stören? Sie waren hier unter sich. “Tee hört sich gut an.” sagte sie und neigte den Kopf zur Seite, während sie ihren Blick etwas durch den Raum schweifen ließ, der alles besaß was man eben so brauchte. “Niemand aus meiner Familie hat ganz verstanden, warum es unbedingt Japan sein musste.” begann sie und ein schmunzeln legte sich auf ihre Lippen, als sie ihren Blick nun auf Yul heftete. “Aber ich liebe es hier. Das war schon beim ersten Urlaub so. Damals hab ich kaum ein Wort verstanden aber die Sprache klang… schön und sanft.” begann sie zu erzählen und sie verkniff sich ein Lachen. “Ich hab mich damals in einen Sprachkurs eingeschrieben und war maßlos überfordert. Mitunter lag es daran, weil ich ohnehin erst etwa ab 1985 schreiben und lesen gelernt habe und dann, knapp 20 Jahre später, unbedingt japanisch lernen wollte. Ich saß Zuhause und habe das Alphabet vor mich hin gesungen, weil es nicht anders in meinen Kopf rein wollte. Vor mir lagen die Buchstaben in Kanji, darunter geschrieben dann alles Wichtige in der Schrift, die man so aus dem englischen kennt. Ich komme gerade nicht auf die Bezeichnung… Lateinisch? Lateinische Buchstaben?” erzählte sie weiter und ginste.

“Am schlimmsten waren aber die japanischen Bezeichnungen. Ich habe die japanischen Begriffe, für Hallo und ähnliches ins englische übersetzt und vom englischen dann noch ins gälische. So konnte ich sie mir besser einprägen. Ich habe sogar gälische Songs ins japanische übersetzt und japanische Lieder ins gälische. Verrückt, wenn ich so darüber nachdenke. Da soll mal jemand sagen, dass man, wenn man über 400 Jahre alt ist, nichts mehr dazu lernen kann.” kam es ihr über die Lippen. “Darf ich dir ein wenig beim Frühstück machen helfen?” ein hilfsbereites Angebot ihrerseits. Zum einen war sie es nicht gewohnt, herum zu sitzen und zum anderen, war es für sie völlig neu, das jemand ihretwegen in der Küche stand um was zu machen. Sie war es genau anders herum gewohnt und liebte es, wenn sie ein wenig zur Hand gehen konnte.
Mit humorvoller Kritik betrachtete er sie nun und strich sanft den rotbraunen Vorhang aus Haar ein wenig zur Seite und ein Stück hinter ihr Ohr. „Sicherlich.“, zuckten leicht seine Mundwinkel, als er ihr dies ruhig und doch mit einem gewissen Ton an Ironie bestätigte.

„Ich glaube auch nicht, dass du es bist, der mir Ärger machen wird.“, äußerte er seine Bedenken zu einem möglichen Zusammentreffen der Blondine und der Rotbraunen. Immerhin hatte er Janet über die letzten Monate kennenlernen dürfen. Er wusste, dass die aufmüpfige Amerikanerin eine Meisterin darin war einem in den Verhandlungen die Worte in dem Mund herumzudrehen. Schneller hatte man mehr Kunst gekauft, als man überhaupt mochte. In dem Sinne war sie schlimmer wie die beste IKEA Filiale. Man ging in die Verhandlungen mit der Bitte um eine Kleinigkeit und kam mit einem riesigen Gesamtpacket, dass man ursprünglich gar nicht gewollt hatte, heraus. Doch so gut sie in ihren Verhandlungsgeschick war, so vorlaut und schroff konnte die Texanerin auch sein, wenn es denn sein musste. Oft schlug sie über die Strenge und wenn es nur der gute Ton war, konnte man noch froh sein. Die wahre Janet, da war er sich sicher, hatte noch niemand hinter dem mit Schminke zugekleisterten Gesicht erblickt.

Grinsend sah sie auf ihn herab und er sog die Luft scharf ein, als er diesen Biss auf ihre geschwollene Unterlippe bemerkte. Dieser Anblick raubte ihm beinahe noch den letzten Verstand. Dies, zusammen mit der Wärme ihres Körpers, der auf seine Anregungen durchaus reagierte. „Vielleicht. Ein guter Vorschlag, den ich mir merken sollte.“, verzogen sich seine Lippen zu einem wissenden Lächeln, ehe dieses seine Vollendung in einem sanften Kuss fand, als sie mit ihren nun über seine strich.

„Also doch wieder bei dir?“, stellte er gespielt beleidigt fest, trotz des süßen Blickes, und lachte leise. Nein. Ohne dieses lautet und vehemente Knurren hätte er sie vermutlich nicht aus seinen Armen entlassen. Wozu auch? War ihre Nähe und ihr Geruch doch wie eine Droge. Er konnte sich ihr nicht entziehen und sein Wolf lechzte nach mehr. „Ach…so nennt man das?“, erkundigte er sich, sie mit einem Blick eines strengen Hochschullehrers betrachtend. „Das müssen Sie näher ausführen, Miss Fraser.“, piesackte er sie ein wenig.

Sanft berührten seine Fingerkuppen die Narbe an ihrem Hinterkopf. Woher diese rühren würde, dass würde er sicherlich zu einem anderen Zeitpunkt mal erfragen. Einem anderen, wo er nicht seine Lippen auf ihre presste, um ihr einen gierigen, hungrigen Kuss zu schenken, der in einem sanften Grollen überging. Sein Wolf war hungrig, doch auf etwas gänzlich anderes.

Zu deutlich spürte er ihre Blicke auf seinen Körper, als er nun zu der kleinen Küchenzeile hinüberging. Schnell war der Reiskocher angestellt. Leise klackte der Gasherd, als er ihn bediente, um den kleinen Teekessel aufzustellen. In seliger Ruhe blickte er dabei schmunzelnd zu ihr hinüber und sein Herz tat einen Sprung vor Freude. Sie war gewitzt, intelligent und voller Lebensfreude. Es war die Art, wie sie nun da sass, ihn betrachtete. Diese Augen, die ihm soviel mehr versprachen und die etwas in ihn berührten, dass er schon lange für tot geglaubt hatte.

Leise begann das Wasser zu brodeln. Zwei Teebeutel mit grünen Tee landeten in einer gläsernen Teekanne die er nun mit dem heißen Wasser zur Hälfte aufgoss. „Kalt oder heiss.“, wollte er wie beiläufig wissen. Die Handgriffe waren geübt, regelrecht einstudiert. Jeden Morgen goss er sich Tee statt Kaffee auf. Ein kleines Ritual, dass er sich angewöhnt hatte. „Und? Warum musste es Japan sein?“, fragte er ruhig und doch getragen von einem sanften Lächeln, während er aus dem Tiefkühlfach Eiswürfel fischte und diese bereits in seine Tasse tat. Offensichtlich mochte er seinen Tee kalt.

Sein sanfter Blick glitt knapp zu ihr. „Da wusstest du noch nicht, wie schwierig es ist, oder?“, konnte er sich gut vorstellen, dass allein der Beginn des Erlernens dieser Sprache eine Hürde darstellte. Immerhin musste sie sich ein vollkommen neue Schriftkultur aneignen, die zudem noch äußerst komplex war. „Du hast es gesungen?“, schien er nun doch verwundert und schmunzelte. „Mit Youtube?“, konnte er es sich gut vorstellen und entnahm die Beutel aus dem Tee. Ihr Grinsen, ihre Begeisterung war ansteckend und so schmunzelte auch er, als er nun ihr den Tee eingoss. Eine Berichtigung würde er sich nun nicht erlauben. Wie sollte er auch, hatte er doch selbst einige Hürden überwunden die englische Sprache zu lernen. „Das ist beachtlich.“, war er sichtlich beeindruckt. Für diesen Zeitraum sprach sie es sehr gut. „Gerade wenn du erst in den 80igern Lesen und Schreiben gelernt hast.“

„Du hast was?“, schien er sich zunächst verhört zu haben und schüttelte dann doch knapp den Kopf. „Aber…war das nicht zu kompliziert?“, hinterfragte er ruhig. Als sie ihr Alter erwähnte, ruckte sein Blick erneut zu ihr. Beinahe wirkte er, als wenn er schmunzelte und es versuchte sich zu verkneifen. „Selbst mit 400 kann man noch etwas lernen. Erst recht dann.“, schien er ihr wohl dieses Alter nicht gegeben zu haben. Erneut zuckten seine Augenbrauen. Sie hatte sich das alles tatsächlich über Kinderlieder angeeignet? Er war beeindruckt.

Gerade wusch er sich erneut die Hände. „Gern. Ich bin leider kein guter Koch. Eigentlich bin ich ganz froh, wenn ich den Reiskocher bedienen kann.“, schmunzelte er.

Charlotta Fraser

Janet und sie würden vermutlich nie eine entspannte und ruhige Konstellation sein. Dafür waren sie beide viel zu impulsiv. Sie beide waren durchaus vorlaut. Der Untershied lag vor allem darin, dass Janet eine aufgetakelte Furie war, die sicherlich gut darin war, ihre hässliche Persönlichkeit hinter einer Menge Kleister zu verbergen. Ein hübsches Gesicht ist noch längst kein hübscher Charakter. Ganz einfach. Von außen ein perfektes Gesicht nur um zu verbergen, wie widerlich man doch sein konnte. Ein Grund, warum Lotta nicht so viel von Schminke hielt. Je mehr man trug, desto mehr verlor man den Bezug zu sich selbst.

Janet verschwand schnell wieder gedanklich in den Hintergrund. Schließlich war es Lotta, die mit Yul das Bett teilte und gerade nackt auf ihm saß. Sie war hier und genoss den Anblick, der sich ihr bot. Sein Tattoo und seine Narbe, alles Dinge die sie letzte Nacht nur bedingt mitbekommen hat. Die sie nur bedingt gesehen hat. Hier jedoch war es anders. Sie konnte diese mustern, sie bei Tageslicht betrachten, welches sich immer mehr im Zimmer ausbreitete. “Was genau muss ich näher ausführen? Ich habe aktuell Konzentrationsschwierigkeiten.” gab Lotta ehrlich zu und ihr Grinsen wurde breiter, während sie leicht ihre Position veränderte um ihn doch noch etwas mehr zu reizen. Wäre sie nicht hungrig, wäre ihr auch nicht mal im Traum eingefallen, sich von ihm zu entfernen.

Das Yul jetzt gerade keinen Gedanken ans Frühstück verschenken wollte, konnte Lotta nachvollziehen. Wäre sie nicht wirklich hungrig, hätte sie davon auch nichts erwähnt. Aber er verstand es und gab Lotta damit die Möglichkeit, wieder eine neue Erfahrung zu sammeln. Ein entspanntes äußern dessen, das man gerade diese schöne körperliche Interaktion etwas nach hinten schieben musste. Es lief ihnen nicht weg und sie würden dafür schon noch Zeit finden, um sich wieder ganz und gar dem anderen hinzugeben und diese unbeschreibliche Nähe zu genießen. Denn noch würde Lotta nicht gehen. Solange, wie sie die Zeit miteinander hatten, würden sie diese auch nutzen können.

Wobei es ihr natürlich auch gefiel, wenn sie ihn ungeniert weiter mustern konnte. Alles an ihm strahlte eine angenehme Ruhe aus, etwas worin man sich verlieren konnte, weil es einen erdete und dafür sorgte, dass Lotta sich ausgeglichen fühlte. “Gerne heiß.” erwiderte die junge Wölfin und beobachtete jeden Handgriff von ihm, fing alles neugierig ein. Bei der Nachfrage zuckte sie mit den Schultern und veränderte minimal ihre Position. “Weil es Japan ist.” begann sie und lächelte sanft als sie wieder das Wort ergriff. “Es hat sich einfach so angefühlt, als müsste ich hier her. Es ist schwer zu beschreiben… Bereits nach dem ersten Urlaub war es so, dass Japan mir nicht mehr aus dem Kopf ging und das, obwohl ich im Urlaub kaum was von Japan sehen konnte. Es gab vor allem ein Gefühl von Sicherheit, als wir her gekommen sind. Hier wusste niemand, wer wir sind, wo wir her kommen oder wie wir heißen. Es hat geholfen wieder richtig zu atmen, nach dem ich entkommen bin. All diese Angst, er würde mich finden und das beenden, was er angefangen hat, gab es hier nicht.” kam es ihr nun leiser über die Lippen und sie atmete tief durch.

“Mir war klar, dass es anstrengend werden würde eine andere Sprache zu lernen aber das es so schwierig ist? Ich dachte mir, das wird schon irgendwie werden. Gälisch und Englisch habe ich ja auch gelernt und das ohne Probleme. Aber japanisch war noch mal eine ganz andere Stufe.” gab sie grinsend zu und nickte bei seiner Frage. “YouTube war damals noch nicht so aktuell. Ich konnte mir CDs ausleihen, auf denen Kinderlieder drauf waren, die man im Kindergarten laufen lässt. Ich saß dann also Zuhause, mit meinen Übungsblättern und habe die Wochentage oder das Alphabet gesungen, bis ich nicht mal mehr die Aufzeichnungen brauchte und alles auch ohne Probleme aufschreiben konnte.” erzählte Lotta mit einem stolzen Lächeln auf den Lippen. “Vor 1980 hab ich lesen und schreiben auch nicht gebraucht. Im Frauenhaus hieß es, dass ich diese Maßnahme machen muss, damit ich Chancen auf ein Beruf und ein selbstbestimmtes Leben bekomme. Das erste Mal den eigenen Namen schreiben zu können, war schon echt toll. Es war dennoch leichter als japanisch zu lernen. Die Buchstaben im japanischen fühlen sich immer so an, als würde man sie malen.” antwortete sie ihm. Sie war stolz auf ihre Leistung, darauf das sie innerhalb dieser Zeit dazu gelernt hat und mittlerweile fließend japanisch sprach. Natürlich, es war nicht perfekt und sie machte hier und da noch Fehler, versprach sich oder schrieb was falsch, dennoch verstand sie die Sprache und konnte sie sprechen, sie konnte sich austauschen und das war das Wichtigste überhaupt.

Bei Yuls nächsten Fragen musste sie doch leise Lachen und zuckte unschlüssig mit den Schultern. “Es ist mega kompliziert, wenn man so darüber nachdenkt. Meistens übersetzt man ja die Fremdsprache in die Muttersprache. Meine Muttersprache ist jedoch gälisch, damit bin ich aufgewachsen und Englisch kam im Laufe des Lebens dazu. Beim Sprachkurs gab es jedoch nur die englische Übersetzung als Ausgangssprache. Ich konnte damit nicht so viel anfangen. Es hat mehr Sinn ergeben, das gälische mit einzubauen.” erklärte die Wölfin und entdeckte in seinem Gesicht, wie er sich das Schmunzeln zu verkneifen versuchte, als sie ihm ihr Alter anvertraute. “Überrascht, das ich schon so alt bin?” fragte sie ihn neckisch. “Bist du älter oder jünger als ich?” interessiert musterte sie ihn. Bei Wölfen war das Alter nur eine Zahl. Jeder, der Mitte 20 aussah, konnte im Herzen schon mehrere Jahrhunderte alt sein. Das sah man ihnen nicht an. Lotta war 1610 geboren, hatte schon viel von der Welt gesehen und dennoch faszinierten sie viele Dinge immer noch sehr und sie brauchte Zeit um neue Dinge zu verstehen.

Mit einem Schmunzeln auf den Lippen stand sie auf. “Na dann lass das kochen mal meine Sorge sein.” meinte sie und schnappte sich ohne groß darüber nachzudenken, ein Shirt von ihm, welches ihr bis über den Po reichte. Sie wusch sich die Hände und tauschte mit Yul den Platz bei der Küchenzeile. “Dann lass mich mal schauen, was du hier so hast. Mir fällt da sicher was ein.” versprach sie grinsend. Sie musterte einmal alles, was er so Zuhause hatte und ging in Gedanken Gerichte durch, die typisch japanisch waren. Letztlich entschied sie sich für das gängigste, was ihr so bekannt war. So würde sie eine Miso-Suppe und Omuraisu machen. Ebenso rührte sie auch den Teig für Pancakes an. “Ich habe damals lange gebraucht um den Reiskocher richtig zu bedienen. In Europa bereitet man den Reis in einem Topf zu. Meistens ist der in diesen kleinen Plastikbeuteln drin. Keine Ahnung warum das praktischer sein soll als loser Reis. Wirklich kochen hab ich erst im Laufe der Ausbildung zur Hauswirtschafterin gelernt. Davor war es eher so, dass wir meist was schnelles gemacht haben, damit alle Mäuler satt wurden. Meist war es einfach nur Gemüse, Fleisch und Brühe oder Sandwiches mit Erdnussbutter und Marmelade. Das Zeug klebt zwar enorm am Gaumen, macht aber satt.” plauderte sie ein wenig und sah nur kurz über ihre Schulter zu ihm, während sie mit geübten Handgriffen die einzelnen Lebensmittel fürs Frühstück raus holte und gegebenenfalls klein schnitt.

Jeder Handgriff saß und ein Rezept brauchte sie nicht. Sie hatte im Laufe der Arbeit in Japan vieles aufgeschnappt und gerade was so die gängigsten Gerichte anging, war sie doch schon sehr gut darin und hatte sich das abgespeichert im Kopf. Ein wenig suchen in der Küchenzeile, wo was stand, musste sie zwar schon, doch der Rest lief geübt ab. Sie schnitt die einzelnen Zutaten klein und summte leise vor sich hin. Kochen war schon immer schön gewesen. Es war schön, etwas zu machen, was nicht nur satt machte sondern auch schmeckte. Kochen war eine Leidenschaft geworden im Laufe der Zeit. Sie brachte alles, was sie wusste, den Kindern ihrer Geschwistern bei, gab ihnen Tipps und Tricks mit an die Hand, schrieb für sie Rezepte auf, damit sie es mal leichter hatten, wenn sie soweit waren eine Familie zu gründen.
Unbewusst sog er die Luft tief in seine Lungen und hielt den Atem in den immer mehr brennenden Flügeln dieses Organs. Es waren ihre Blicke, die nun über seine Brust glitten, über den gestochenen Albtraum, der ihn Nacht für Nacht einzuholen drohte, bis er schweißgebadet stets erwachte. Stets blieben nur wenige Fetzen hängen. Mal war es ein Geruch, mal eine Berührung, als würden ihn die Geister der Vergangenheit rufen, regelrecht nach ihm schreien. Obwohl er kaum mehr etwas von ihnen wusste.

Das nun ihre Blicke diese Linien und Windungen streifte, wie auch das Silber an seinem Bauch und Hals, war, als wenn sie die Kühle dieser Geister der Vergangenheit heraufbeschwören würde. Ein Schauer, der sich eisig über seinen Körper legte und dem er sich am liebsten entziehen wollte. Unangenehm und bitter unerträglich, dass er nun schwer die brennenden Flügel entleerte und die Luft ausstieß.

Dennoch wollte sein Wolf, dass sie ihn betrachtete. Sie, die Wölfin die ihn beansprucht hatte und dessen Stolz darüber ein loderndes Feuer in seiner Brust entzündete. Dieser Körper, dieser Wolf, gehörte ihr, wenn sie es denn wollte. Ein Umstand, den seinen Verstand verzweifeln liess. Der immer und immer wieder diese Möglichkeit hinterfragte. Und dennoch schien sein inneres Biest sich sicher zu sein, folgte seinem Instinkt, den der Mann selbst zuvor in Ketten gelegt hatte. Ketten die ihm halfen in der Welt der Menschen zu bestehen. Eiserne Stränge, die ihm geholfen hatte das Leid zu ertragen was ihn drohte in den Wahnsinn zu führen, dass er nicht erfassen und doch spüren konnte. Und doch…wie konnte es falsch sein, was er spürte? Eben in diesem Moment, wenn diese junge Wölfin mit ihren Blicken über all dies glitt? So waren diese Blicke beides zugleich, eine stumme Folter, die er über sich ergehen liess, während seine Augen sich an ihre Züge heftete, um darin ihre Emotionen zu lesen, wie auch eine hitzige, süße Qual, die erneut Funken von der immer noch glimmenden Glut der Nacht aufwirbeln liess. Wann hatte er verlernt seinem Instinkt zu vertrauen? Er wusste es nicht mehr.

Er wartete auf Mitgefühl in ihrem Blick, auf Trauer oder eine Art des Bedauerns. Doch nichts dergleichen fand er in ihren Augen. Nichts außer das sie es offenbar genoss zu sehen, was er ihr bot. Etwas, was noch mehr diese brennende Hitze in ihm schürte. „Gefällt dir, was du siehst?“, konnte er sich nicht verkneifen, als er leise weiter ihre Züge beobachtete. Eine direkte und doch sehr ruhige Frage, die er ihr nun stellte.

„Die Sache mit Zahlen und Buchstaben?“, neigten sich leicht die Lider über seine Augen und ein Schmunzeln vertrieb den strengen Hochschullehrer- Blick. „Oh…“, kam es mitfühlend von ihm, gepaart mit einem durchtriebenen Lächeln. „Konzentrationsschwierigkeiten? Das sollten sie untersuchen lassen, Miss Fraser. Woher diese wohl rühren.“, verkniff er sich ein leises Lachen, während sich seine Augenbrauen dabei streng zusammenzogen. Das Lachen verging auf seinen Lippen, endete in einem unterdrückten, kehligen Stöhnen, als sie ihn mit einem Mal mehr reizte und seine Härte auf ihr feuchtes Fleisch traf. Ein tiefes Grollen liess erneut seinen Brustkorb vibrieren. Ein Hunger gänzlich anderer Art. „Es ist gefährlich was du da tust.“, rollte es knurrend über seine zu einem durchtriebenen Grinsen verzogenen Lächeln. „So wirst du heute den ganzen Tag nichts zu Essen bekommen.“ Eine nicht ganz abwegige Drohung, die er nun amüsiert aussprach.

Eine Drohung, die er aufgrund ihres knurrenden Magens dann doch nicht aufrecht erhalten konnte. Waren ihre Argumente in der darauffolgenden Verhandlung, doch einfach die schlagkräftigeren und vor allen Dingen, die lautesten gewesen.

Leise klirrte das Eis in dem gläsernen Becher, knackte protestierend, als er dieses nun mit dem dampfenden Tee übergoss, ehe er auch den zweiten Becher füllte. Mit wenigen Handgriffen löste er einen Riegel an der Wand und klappte einen kleinen Holztisch hinunter, auf den er nun beides abstellte. Die Becher, wie auch die Kanne. Hölzerne Klappstühle vervollständigten das Ensemble, ehe er sich erneut der Küchenzeile wieder zuwandte. Deutlich spürte er selbst dabei ihre Blicke auf sich, wie sie ihn musterte, als würde sie jede Bewegung von ihm in sich aufnehmen wollen.

Bei ihrem ersten Argument schoben sich die Augenbrauen überrascht hinauf. „Du warst vorher schon einmal hier?“, fing er ihr Lächeln auf, dass seine Augen strahlen liess. Jedoch neigte er ein wenig verwundert nun seinen Kopf ein wenig zur Seite. „Wo warst du gewesen, dass du kaum etwas von Japan gesehen hast?“, erkundigte er sich schlicht nach dem Ort, ohne zu ahnen, dass womöglich da mehr hinter ihren Worten lag. Verständig nickte er. „Japan gab dir deine Freiheit zurück.“, vermochte er zwischen den Zeilen zu lesen. „Hier warst du eine Unbekannte und weit weg von deinem Zuhause.“ Kam es leiser und einfühlsamer von ihm, als er die Puzzlestücke ein wenig zusammenlegte und sich denken konnte, dass dies mit ihrem Exfreund zusammenhing. „War das auch der Grund wieder hierher zurückzukehren? Die Ruhe und die Abgeschiedenheit?“, hinterfragte er in vollkommener Ruhe.

„Das glaube ich dir.“, liess er sie in Ruhe aussprechen, als sie nun ein wenig erzählte, wie sie letztlich zu dem Erlernen seiner Sprache gekommen war. Immer wieder streifte sie sein Blick. Ob sie bemerkte, dass er sie bewunderte dabei, als sie stolz erzählt, wie sie diese Hürde genommen hatte, an der doch Viele scheiterten. Das stolze Lächeln trug sie zurecht in seinen Augen, auch wenn er wegen der Kinderlieder schmunzeln musste. Sie besaß einen starken Willen, mit dem sie, auch auf ungewöhnliche Wege, zu ihrem Ziel fand. Stolz ruhten nun seine Augen ebenfalls auf ihr, auf diesem Lächeln, auf ihren strahlenden Augen, als sie davon erzählte. Seine starke, kleine Wölfin.

Das Bild, wie sie so da sass und ihm all dies erzählte, brannte sich in sein Gedächtnis ein, wie auch das Gefühl, mit dem er dies begleitete. Sie war einfach wundervoll. Lebensfroh, voller Spontanität und Neugierde. Etwas, was sie unaufhaltsam zu machen schien und etwas, das er bereits verloren geglaubt hatte.

„Ein wenig.“, zog er erheitert ein wenig die Nase kraus, als sie ihn auf ihr Alter ansprach. „Ich habe es also mit einer reifen Frau zu tun?“, kam es galant und doch neckend von ihm und seine Augen trafen schmunzelnd auf sie. „Jünger.“, gestand er gegenüber ihr ein und neigte beobachtend seinen Kopf ein wenig zur Seite. „Über 100 Jahre jünger.“, schien er sich darüber zu amüsieren, ehe er sich ihr endgültig zuwandte. „Ich bin in der Tenmei Ära geboren. 1786.“, kam es leise von ihm. War dies doch eine Zeit voller Umbrüche gewesen, getrieben durch die damalige Hungersnot. Etwas, was nun nicht hierher gehörte und er deswegen nicht erwähnte. Das Lächeln auf seinen Lippen blieb und wurde liebevoller, als er nun zur Seite ging, damit sie an die kleine Küchenzeile herankommen konnte.

„Da bin ich mir sicher.“, stimmt er ihr mit einem leichten Nicken zu und würde sie auch tun lassen. Innerlich rechnete er bereits mit dem Schlimmsten und dennoch würde er schweigen. Es war ihr eine Freude dies zu übernehmen und er war glücklich sie dabei zu beobachten, wie sie nun die Küche inspizierte, um danach zur Tat zu schreiten. Tatsächlich rechnete er nicht damit, dass sie auch nur irgendein japanisches Gericht vorbringen würde. Doch egal was es wäre. Sie hatte es mit Mühe für sie beide zubereitet und er würde nichts daran kritisieren. Wohl schmunzelte er, als sie eingestand, dass sie damals noch nicht einmal einen Reiskocher bedienen konnte. Dabei war dies so leicht, wie eine Kaffeemaschine zu bedienen. „Aber jetzt kannst du es?“, neckte er sie dann doch, als er hinüberging zu dem Bett, um sich ebenfalls Shorts und ein T-Shirt überzuziehen, dass er nun aus einer Kommode griff. Immerhin hatte sie seines stibitzt.

Leicht verzog er unter ihren Erklärungen ein wenig das Gesicht und lächelte erneut. „Das kann man essen?“, hinterfragte er dann doch freundlich und schob seinen Kopf gerade durch den Ausschnitt. Doch immer ruhten seine Augen auf ihr, wie sie nun die Zutaten zusammensammelte und begann diese entsprechend kleinzuschneiden. Es wirkte zumindest als habe sie einen Plan. Ruhig schob er den Stoff nun über seinen Körper und hielt dann doch mitten in der Bewegung inne.

Diese Melodie? Sie war ihm so bekannt, wie es ein Wiegenlied nur sein konnte, dass es eben war. Ein Lied, dass man seinen Kindern vorsummte. Zarte Töne, die eine Geschichte formten und das Kleine langsam in den Schlaf wogen. Ein Lied, das Wehmut in ihm auslöste und er erkannte doch nicht warum.

Wieder war es nun eine Hand, die sich vom Rücken her, über ihre Taille schob. Ein Arm, der sie behutsam umarmte, während sie arbeitete und ein Körper, der ihre Nähe suchte. Yul, der lautlos an sie herangetreten war und nun zögerlich an ihr Roch und dabei selig seine Augen knapp schloss, als er seinen Kopf leicht zu ihr senkte. Leise summte er dieses Lied mit, dass so viel in ihm berührte, dass es ihn beinahe zu Tränen rührte und doch schaffte er es nicht, diesen Gedanken zu greifen. Ruhig atmete er beruhigend ihren Geruch ein, der sich deutlich mit seinem nun mischte und lehnte seine Wange an die Seite ihres Kopfes. Wunderschön.

„Was ist das nur?“, flüsterte er beinahe, als befürchtete er würde dies alles zerplatzen wie eine Seifenblase. Behutsam, glitten seine Lippen an ihrer Schläfe vorbei. „Was ist das zwischen uns?“, sprach er seinen Gedanken aus. „Was?“, schien er tatsächlich dich alles nicht zu verstehen. „Es ist wunderschön.“, ein Ausdruck von tiefen Glück und gleichzeitig von Schmerz lag auf seinen Zügen, ehe er schwieg und sie einfach nur so hielt. „Ich kenne dich.“, flüsterte er sehr leise.
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