Wind Beyond Shadows

Normale Version: a different kind of dessert
Du siehst gerade eine vereinfachte Darstellung unserer Inhalte. Normale Ansicht mit richtiger Formatierung.
Während Musik seines Heimatlandes aus den Lautsprechen der Boxen dröhnte und die Nachbarn wahrscheinlich inzwischen so richtig zu nerven begann, hing Valentin auf dem Sofa und starrte kopfüber auf den Kücheneingang. Ihm war langweilig. Unglaublich langweilig. Und getrunken hatte er auch - natürlich hatte er das. Hätte jeder nach dem Tag. Wie vom Unglück verfolgt war es gelaufen und nun wollte er einfach nur noch abschalten, aber da oben im Oberstübchen hampelte irgendein Gedanke herum wie ein aufgedrehter Spinner und wollte unbedingt, dass der Russe irgendetwas mit seinem Abend anstellte. Zu faul für irgendwelche Tätigkeiten und doch zu gelangweilt um nur zu faulenzen, solche Phasen hasste er am meisten, da er nie wusste, was er dann noch mit sich anfangen sollte.

Seufzend rollte er vom Sofa und landete auf dem flauschigen Teppich davor, gerade so den Kaffeetisch verfehlt, bevor er sich aufraffte und unschlüssig die Küche betrachtete. Es war gerade viertel vor acht Uhr abends und dieser unruhige Gedanke in ihm, diese rastlose Idee wollte unbedingt, dass jetzt gebacken wurde. Genervt von sich selbst griff er im Vorbeigehen sein Laptop vom Kaffeetisch und betrat die in seinen Augen viel zu kleine Küche, die er gedanklich schon seufzen hörte. Sie wusste was jetzt passieren würde. Das gleiche wie immer. Erst wurde ein Glas Vodka geext - er spielte gar nicht erst mit Shotgläsern, da passte sowieso nichts rein - und danach die Liste mit Rezepten geöffnet, die er gefunden und als interessant erachtet hatte.

Milchtee-Kuchen klang irgendwie verlockend und so wurden die Vorbereitungen getroffen, bevor es an die Herstellung ging die, wie immer, von noch viel mehr lauter Musik und Alkohol begleitet wurde. Das Chaos nahm seinen Lauf und die Küche sah in kürzester Zeit aus wie ein prachtvolles Schlachtfeld, ehe der Kuchen den Ofen von innen betrachten durfte und Valentin sich eine komplette halbe Stunde wieder langweilen musste. Die ersten 5 Minuten verbrachte er mit einer Zigarette am Wohnzimmerfenster, aus dem er in die kühle Abendluft starrte, bevor die angebrochene Flasche Vodka ihr jehes Ende fand und Valentin auf dem Sofa platz nahm, dem Timer beim Herabticken zusah und sich fragte, was er da eigentlich gerade machte. Donnerstag abends betrunken backen ... jup, klang logisch. Er nickte seinen Gedanken zu und öffnete auf dem Handy die Kontaktliste, scrollte ein wenig hin und her und überlegte, wonach ihm war. Die Liste war lang, viele der One-Night-Stands hatten ihren Weg hineingefunden, die meisten wurden nie wieder kontaktiert, die wenigsten Namen sagten ihm was. Doch einer stach hervor. Der Name klang noch ein wenig vertrauter als die anderen. Konnte also noch nicht so lang hergewesen sein. Oder hatte einen bleibenden Eindruck hinterlassen, an der er sich einfach nur nicht erinnerte, weil sein Unterbewusstsein keine Lust hatte, die Erinnerungen auszuspucken.
Kurzerhand war auch schon das Eingabefenster für eine Nachricht geöffnet und die Textmarke blinkte zwischen Existenz und Unsichtbarkeit hin und her, während sein Blick auf sie fixiert war. Was wollte er noch gleich?

Ach ja! Aufgesprungen spazierte er in die Küche und machte ein fragwürdiges Bild vom Ofen und dessen mysteriösen Inhalt in der Kuchenform, der vor sich hingarte.
"Bock auf Abendessen? Hauptgang ist im Ofen, Nachspeise wartet im Bett", tippte er mit soviel Konzentration, wie er aufbringen konnte, um die für ihn manchmal noch immer befremdlichen Symbole sinnvoll aneinanderzureihen. Der Inhalt der Nachricht war nicht wirklich poetisch oder geschmackvoll, aber so war Valentin nicht. Er brachte auf den Punkt was er wollte, wenn er es umschrieb, endete es letztendlich trotzdem anzüglich. Das Foto angehängt, schickte er die Nachricht an das arme Versuchskaninchen für seine neuste Kreation und setzte sich in Bewegung, um alles für die Milchtee-Creme vorzubereiten und den Ofen zum Abkühlen endlich dem Ofen zu entreißen.
Tais Kopf lag auf dem Tisch, auf seine Schriften. Er hatte die letzten Stunden damit verbracht, für sein Studium zu lernen. Heute war endlich nach langer Zeit ein freier Tag, wo er nicht in die Uni und auch nicht arbeiten musste, also wollte er das ausnutzen, um soviel zu lernen wie möglich. Wobei er zwischendurch geschwankt hat, nicht doch herauszugehen. Aber er schaffte es, sich zu zügeln. Er war zu ehrgeizig und sein Studium war ihm zu wichtig, als dass er es schleifen lassen konnte. Seine Eltern finanzierten es immerhin. Was für ein Bild von Sohn würde er machen, wenn er durchfallen würde. Sie wären so enttäuscht. Da Kenji verschwunden war, war er nun der einzige Sohn des Hauses Ootsuka und sein Vater wollte unbedingt, dass er später einen guten Abschluss hatte. Daher raffte er sich auf und strich seine Haare, die sich selbstständig gemacht hatten, aus seinem Gesicht und versuchte die Konzentration erneut aufzubringen sich seinen Unterlagen zu widmen. Doch dazu sollte es nicht kommen, sein Handy fing an zu klingeln und beäugte erst misstrauisch, wer es um die Zeit noch sein könnte. Er griff nach dem Telefon und sah schon auf dem Sperrbildschirm diesen seltsamen Namen. Valentin. Ein Bild tauchte vor seinem Gesicht auf, der westliche Typ, den er vor kurzen in diesem Club getroffen hatte. Taigan war heute noch über sich verwirrt, dass er sich wirklich auf diesen Ausländer eingelassen hatte. Aber es war unkompliziert gewesen und für Taigan endlich der erste Schritt gewesen, mit seiner Homosexualität leben zu können, wo er jahrelang Probleme damit gehabt hatte. Er überlegte, eigentlich hatte er nicht damit gerechnet, noch einmal in irgendeiner Form Kontakt mit dieser Person haben zu können. Er nahm zwar die Nummer an, die von diesem Valentin angeboten wurde. Aber er hatte schon abgeschlossen damit, als sich ihre Wege getrennt hatten. Daher war die Nachricht für den Japaner überraschend, aber keineswegs störend. Taiga atmete kurz ein und wieder aus und verfasste kurz und bündig die Antwort: 'Bin auf dem Weg'. Er gestand sich ehrlich ein, dass er heute wirklich keine Konzentration mehr fürs Lernen aufbringen konnte. Also konnte er sich auch etwas Spaß gönnen.

Seine Wohnungstür fiel kurz darauf klackend zu und verriegelte. Er hatte das Glück gehabt eins dieser Apartments zu ergattern, wo man keine Schlüssel zum Aufschließen brauchte, sondern man mit einem Pin in die eigenen vier Wände kam. Normalerweise waren solche Wohnungen extrem teuer, aber er hatte es damals relativ günstig getroffen, als er einen Makler aufgesucht hatte. Das Apartment war gerade frei geworden in einem super guten Zustand und preislich angemessen, dass er nur einen Nebenjob brauchte und keine Fünf um die Miete zu bezahlen.
Nachdem seine Wohnungstür geschlossen war, machte er sich auf in den Bezirk, wo Valentin wohnte. Das war ein gutes Stück weg, aber mit der Bahn gut zu erreichen, dass er daher nicht so lange brauchte, um bald vor seiner Tür zu stehen. Er klopfte an dieser und wartete dann gespannt ab, ob man ihm öffnen würde. Ihm war es lieber, dass er zu dem Russen ging, als wenn Taiga ihn in sein Reich lassen müsste. Ausländer waren so verdammt offen, obwohl sie so fremd miteinander sind, hat er ihn letztens auch einfach in seine Wohnung mitgenommen.
Etwas, was Taigan niemals so einfach machen würde, egal wie viele Male sie miteinander schon geschlafen hätten. Aber andere Länder, andere Sitten, vielleicht war es dort so einfach, wie Valentin für ihn herüberkam. Als ihm aufgemacht wurde, setzte Taigan ein freundliches Lächeln auf und begrüßte seinem Gegenüber erstmal höflich. Eins war ihm in dieser strengen Erziehung seiner Eltern sicherlich hängen geblieben, und zwar: Niemals die Höflichkeit vergessen!
Der junge Mann schien ein Händchen für Timing zu haben. Die letzten beginnend grobmotorischen Handgriffe am Kuchen waren getätigt und der Russe betrachtete fast schon stolz sein Werk, als das Klopfen ertönte und ihn aus dem Augenblick riss. Gut gelaunt tanzte Valentin zum Handy um die Musik, die aus Boxen dröhnte, etwas leiser zu machen. Mit dem Streichmesser noch in der Hand, mit dem er gerade die Milchtee-Creme auf dem Kuchen verteilt hatte, öffnete er die Tür und betrachtete das Individuum, das er gerade eingeladen hatte. Für einige Augenblicke rannten die kleinen Männchen in seinem Schädel panisch durch die Gegend und rupften Schubladen aus Aktenschränken um das Gesicht einzuordnen, doch zur Abwechslung konnten sie sogar Erinnerungen herauskramen, die den Russen augenblicklich grinsen ließen. »Hi«, kam es sehr kontrastreich von ihm, während Taigan sich noch die Mühe gemacht hatte, höflich und respektvoll zu sein. Valentin konnte damit einfach nicht viel anfangen, es war so befremdlich für ihn nach all den Jahren in Russland. Sich am Türrahmen abgestützt bedeutete er dem Blonden mit dem Streichmesser, einzutreten, bevor er hinter jenem die Tür schwungvoll zufallen ließ und dann mit seinen lockeren 0,2 Promille an jenem vorbeisteuerte, um das Messer abzulegen - doch nicht, ohne vorher mit der Zunge noch eine ganze Menge von der gelungenen Creme abzulecken.

Da man ihn nicht als schlechten Gastgeber bezeichnen sollte, fingerte er ein zweites Glas aus einem der Hängeschränke und kippte vielleicht ein bisschen viel Vodka hinein, bevor er mit jenem und seinem eigenen Glas zu Taigan zurückkehrte, ihm das neue Glas in die Hand drückte und mit seinem eigenen direkt anstieß. Ganz so, als wolle er dem Kerlchen gar keine Chance lassen, den Drink abzulehnen. Sein Blick glitt über seinen Gegenüber, während die Erinnerungen an die Nacht, die sie zusammen verbracht hatten, langsam wacher wurden. Immerhin sorgten sie dafür, dass er seine Wahl nicht bereute. Den meisten, mit denen er seinen Spaß hatte, wurde nicht die Ehre einer zweiten Einladung zuteil, die meisten waren einfach zu nervig gewesen. Zu aufdringlich, zu neugierig oder wie im Falle der Dame vor zwei Nächten - zu laut.
»Hätte nicht gedacht, dass du kommst, du wirktest so vernünftig«, begann er mit einem Lächeln auf den Lippen. Das Kompliment konnte man zweideutig auffassen, das wusste er. Vielleicht lächelte er ja deswegen ein wenig stolz, weil er jemand Vernünftiges zu sich in die Wohnung gelockt hatte. Noch dazu mit so einer anzüglichen Einladung. War nun nur noch die Frage ob sein unglaublicher Charme der Grund dafür war, seine Technik oder einfach nur die Aussicht auf einen fast mitternächtlichen Kuchen. Dem musste er auf den Grund gehen! »War der Kuchen so verlockend?«, fragte Valentin also lachend. »Oder ich?« Smooth. Aber was erwartete man von ihm, der Russe hielt nichts davon, drumrum zu reden.
Taiga hatte keine Erwartungen, als er darauf wartete, dass man ihm die Tür öffnete. Und tatsächlich verzog der Japaner nicht die Miene, als der Russe mit einem riesigen Streichmesser seine Tür aufmachte. Unwahrscheinlich, dass er ihn damit nun erstechen wollte, denn die Beweise, dass an dem Messer noch so etwas wie Creme zu hängen schien, zerstörte das Bild vollkommen, dass er vielleicht ermordet werden könnte. Nahm man dafür nicht saubere und besser geeignete Messer als sowas wie Valentin in seinen Händen hielt.
Die einfache Begrüßung des Ausländers war etwas befremdlich, doch auch schon bei ihrer letzten Begegnung hatte gemerkt, dass der Herr auf die Gepflogenheiten dieses Landes irgendwie nur bedingt Acht gab. Es konnte Taiga im Grunde einfach nur egal sein. Er nahm die Geste mit dem elegant gehaltenen Messer an und betrat leichtfüßig die Wohnung des Russen. Wahrscheinlich wäre jeden anderem in dieser Situation ein Unbehagen aufgekommen und hätte sich umentschieden, aber irgendwie machte es nichts aus, dass gerade die Tür hinter ihm schwungvoll zugeknallt wurde und Valentin an diesem Messer herum leckte, ehe dieser in einem Schritt an ihm vorbeiging, um das Küchenutensil loszuwerden. Der Japaner ging weiter in Richtung des Wohnraumes und konnte nur mit einem leichten Seitenblick das Chaos der Küche erahnen.
"Schon. Aber es hat etwas an sich, nicht immer vernünftig zu sein", beantwortete er und seine Kehle gewöhnte sich langsam an das Brennen.
Valentin war schnell wieder zurückgekehrt und dem Blondhaarigen wurde ein Glas zwischen seinen Fingern gedrückt, wo der Geruch schon alleine verriet, was sich darin befinden könnte. Valentin machte ihm auch gleich mit einer Geste - dass er sein Glas gegen seines stieß - klar, dass der Junge trinken sollte. Taiga kam den nach und nahm ein Schluck. Es brannte leicht in seiner Kehle und machte ihn bewusst, dass der Alkohol, den er normalerweise zu sich nahm, nichts im Vergleich zu sowas war. Anscheinend interessierte es den Ausländer sehr, wieso der Japaner seiner Nachricht gefolgt war. "Du hast mich erwischt. Ich kann Süßigkeiten schlecht widerstehen und die Aussicht auf einen Kuchen hat mich fast hergezogen", es war seltsam, mit ihm so locker zu reden, aber Valentin hatte ihn letztens schon verdeutlicht, dass er es nicht mag, wie die Japaner untereinander redeten. Und irgendwie fiel es Taigan leicht bei ihm nicht die gewohnten Suffixe anzuwenden, bei einem anderen würde er sich das nicht wagen. Aber er schob es darauf, dass dieser kein Japaner war und es ihn wahrscheinlich nur verwirren würde, wenn er in den verschiedensten Höflichkeitsformen mit ihm anfing zu sprechen, dass er sich daher auf eine einfache Konversation einließ.
"Vielleicht kannst du mich ja von überzeugen, dass sich der Weg nicht nur wegen des Kuchens sich gelohnt hat", fügte er noch hinzu und nahm noch einen Schluck aus dem Glas. Sie hatten zumindest beide dieselben Absichten, daher machte es das relativ einfach. Er brauchte sich so kein Kopf machen, was die normale Moral und Norm war. Sobald er diese Wohnung wieder verließ, kehrte er zu seinen alten Standardwerten zurück, als wäre das niemals passiert. Aber zwischenzeitlich gönnte er sich eine Abwechslung, zu dem, was jahrelang ihn quälte. Taigan gestand sich ein, dass er mit diesem sich selbst geschlossenen Arrangement gut leben konnte.
Der Russe konnte sich das Schmunzeln nicht verkneifen, als er die Worte des jungen Mannes hörte. »Ich hoffe, ich enttäusch dich nicht, war der erste Versuch. Ich weiß nicht mal genau warum ... aber irgendwie empfand es mein Hirn als nur allzu logisch, dass acht Uhr abends die beste Zeit für einen Kuchen sei.« War schon überraschend genug, dass er nicht mal hinterfragte, warum jemand wie Valentin Kuchen backte - geschweige denn es um diese Uhrzeit tat. Vom Pegel wusste Taigan ja noch gar nichts, aber das würde ihm sicher noch früh genug auffallen, immerhin hatte der Ältere einen guten Vorsprung erarbeitet, der seine Stimmung hob und ihm gleichzeitig die Einschätzung von Entfernungen erschwerte.
»Setz dich, fühl dich wie zuhause, ich hol Teller ... brauchen wir Teller?« Sein Blick wanderte kurz an Taigan herab, bevor er den Blick zur Küche wendete und den Kuchen anstarrte. »Eh!« Ein Laut, der nicht allzu einfach zu deuten war, in diesem Falle aber definitiv 'Unentschlossen' bedeuten sollte.
Er ließ den Blondschopf erstmal im Wohnzimmer stehen und zog ab in die küche, während er im Gehen den Kopf in den Nacken legte und sein Glas in einem ziemlich routinierten Zug leerte.

Im Schlepptau hatte er schließlich eine einzelne Gabel, die neu angebrochen Flasche Vodka und den gesamten Kuchen auf einem Teller, als er das beengende Chaos, das sich seine Küche schimpfte, wieder verließ. Die Flasche wurde auf dem Wohnzimmertisch vor dem Sofa abgestellt, bevor er sich seinem beinahe ebenso lecker aussehenden Gast widmete.
Den Kuchenteller getragen wie ein Kellner, hob er die andere Hand, in der sich die Gabel befand, jedoch in keinster Weise eine Bedrohnung darstellen würde, und streckte den Zeigefinger aus, drückte jenen gegen Taigans Oberkörper und dirigierte jenen rückwärts zur Couch und drückte ihn sanft in die Polster, bevor er sich über ihn beuge, ein Knie auf dem Sofapolster abgelegt. Valentins Blick lag auf dem jungen Mann, der vor ihm saß, bevor ein kleines, freches Lächeln seine Lippen überspielte. Nicht unbedingt die Position, in der er sich oft sah, doch in diesem Augenblick war ihm danach, also kniete er sich über Taigan, sodass er fast auf dessen Schoß saß, der Kuchen zwischen ihnen, bevor der Russe die Gabel in den frisch gebackenen, noch warmen Teig drückte und ein Stück von jenem abtrennte.
»Dann wollen wir doch mal sehen, ob ich das schaffe«, raunte er und hielt die Gabel dem Gast hin, damit jener als erstes von dem Kuchen probieren konnte.
"Für Süßigkeiten ist es nie zu spät. Das ist schon fast ein Lebensmotto von mir. Von daher hätte ich es nicht einmal seltsam gefunden, wenn du diesen 3 Uhr Nachts gebacken hättest"; antwortete Taigan auf Valentins Worte, der anscheinend sich wundert, warum er um die Zeit einen Kuchen gebacken hatte. Ein Schmunzeln lag auf den Lippen des Japaners. Dieser Typ sah nicht einmal aus, als könnte er Wasser zum Kochen bringen. Vielleicht steckte in dem Ausländer mehr als es den Anschein hatte. Gaijin, bisher hatte Taiga das Wort vermieden. Aber es war nun mal die Tatsache, dass er einer war und es war nicht im negativen Sinne, wenn er so dachte. Aber er hatte diesen Gaijin vom ersten Blick eingeschätzt, dass er ein Lebemann sein musste, der gerne trank und Spaß hatte mit anderen.Und seine leichte Alkoholfahne roch man auch, wenn man nur ansatzweise in seiner Nähe war, was seine Gedanken ja teilweise bestätigte. Wie viel er allerdings schon in sich hinein geschüttet hatte, dass konnte Taigan noch nicht so abschätzen. Dem Blonden wurde gesagt, dass er sich setzen könnte und sich wie Zuhause fühlen. Etwas, was er nicht in Betracht zog, wenn es auch nett gemeint war von ihm. Dies war einfach nur ein Ort, an dem er vorübergehend ist und wo er sich dementsprechend auch zu benehmen hatte, bis er wieder ging "Weiß nicht, magst du genügend Abwasch?", rief er ihm noch lächelnd nach. Dann stellte der Blonde, dass ihm kürzlich gereichte Glas auf dem Tisch vor der Couch ab und sah sich für einen Moment in dem Raum um, während Valentin wieder in die Küche verschwand.
Die Wohnung sagte jetzt nicht viel aus und Taigan war auch jetzt nicht dran interessiert, dass er irgendwas erfahren musste oder wollte. Aber es war deutlich anders, als wenn er einen Kommilitonen besuchen würde. Dort bekam man immer irgendwas Vertrautes, was du überall vor Augen bekommst zu sehen und hier wirkte alles fremd wie Valentin selbst. Das hatte durchaus seinen Reiz.

Der Russe trudelte bald wieder im Wohnzimmer ein, mit Kuchen, Gabel und der Wodkaflasche, die sich bald neben seinem Glas auf dem Tisch wiederfand. Valentins nächster Schritt war für Taigan etwas ungewöhnlich, doch der Japaner hielt sich zurück ihn abzuhalten, als er merkte, dass jener ihn versuchte auf die Couch zu bugsieren. In einem Land, wo Leute sich nicht wirklich oft anfassten - zumindest jene, die sich nicht sehr vertraut waren wie langjährige Freunde oder Familie - war schon eine Berührung mit einem Zeigefinger etwas, was überraschen konnte. Man wollte nicht wissen, wie Japaner sich kompliziert taten, wenn es nur ums Händeschütteln ging. Sie reichten im Normalfall nur ungern die Hand. Aber in der Welt der Idole sah es wieder anders aus. Dort wurde sowas oft und gerne angeboten und natürlich war das für die Fans etwas ganz Besonderes, dass man die Hand seines Idols für wenige Minuten halten konnten. Widersprüchlich, aber dennoch normal hier. Er sah Valentin in die Augen und Taigan konnte nicht anders als zu grinsen.
"Nun machst du mich wirklich neugierig", er nahm die Geste an, indem er die Gabel nahm und von dem Kuchen probierte, der ihm angeboten wurde.
Taiga hatte sich nicht vorgestellt, dass dieser Kerl wirklich backen könnte, aber ... er war positiv überrascht. Man sollte dann wohl doch nicht nach äußeren Eindrücken gehen. "Und der ist wirklich dein erster Versuch? Der ist echt gut", äußerte der Blonde.
"Okay, definitiv der Kuchen.Der Weg hat sich einzig für den gelohnt", grinste er den Russen frech an.
Das war doch mal eine Ansage. »Den nächsten dann um 3 uhr Nachts, nur für dich«, lachte er leicht, bevor er sich der nächsten wichtigen Frage widmete, aber schnell entschied, dass für ihre Zwecke kein weiteres Geschirr gebraucht werden würde. »Ich glaub, das ist ein gutes Argument gegen Teller.« Leider war gerade kein Cho in der Nähe, der sein Geschirr abwaschen konnte und Valentin selbst hatte bereits genug Chaos angerichtet, dass er morgen während eines leichten Katers - vielleicht auch eines mittelschweren, je nachdem wie der Abend weiterhin verlaufen würde - noch irgendwie beseitigen müsste. Da war jeder Teller und jede Gabel weniger ein Geschenk Gottes!

Mit den zwei essenziellen Elementen in der Hand - Vodka und Kuchen - hatte er bald wieder zu Taigan aufgeschlossen und sich dazu entschieden, dass es eine gute Idee sei, es sich auf dem jungen Mann bequem zu machen. Natürlich nicht mit seinem ganzen Körpergewicht, der Blondschopf - wie alle Japaner - wirkte in seinen Augen leicht zerbrechlich. Das meiste Gewicht lag auf den Knien, die zu beiden Seiten des jungen Mannes in das Sofa gepresst waren, ein wenig Gewicht auf den Schienbeinen und der Rest auf Taigan, dem die erste Gabel voll Kuchen hingehalten wurde, während Valentin ihn neugierig betrachtete.
Dass man ihm die Gabel aus der Hand nahm, hatte er zwar nicht erwartet, wollte er Taigan mit der Geste doch eher füttern, aber er nahm es ohne Murren hin und senkte die Hand, während er abwartend der Verkostung zusah.

Zwar wusste er, dass die Milchtee-Creme ganz gut schmeckte durch eigenes Probieren noch während des Backens, doch hatte Taigan ihm einiges Voraus in Sachen Gesamtpaket. Dass es ihm zu schmecken schien, ließ sich seiner Aussage entnehmen. »Bei diesem war's definitiv das Erstlingswerk«, antwortete er und als die weiteren Worte aus dem Mund des Jüngeren purzelten, verdüsterte sich sein Blick ein wenig. Natürlich nur spielerisch beleidigt. »Wie gern würde ich dir dafür den Kuchen direkt ins Gesicht drücken, aber irgendwie erscheint mir, dass es bessere Nutzung für ihn gibt. Und mir fallen sicherlich noch andere Wege ein, dich für deine freche Zunge gebührend zu bestrafen.« Fühlte er sich in seinem Ego verletzt? ... vielleicht ein klein wenig. Aber nur ein winziges Bisschen, immerhin wusste er, dass es als Scherz gemeint war. Und dennoch hatte Taigan etwas an sich, das in dem Russen den Wunsch weckte, ihn von sich zu überzeugen. Vielleicht war es die vernünftige Art, die dem Kerl auf die Stirn geschrieben stand. Vielleicht aber hatte Cho recht gehabt und Valentin war doch wie die anderen alten Säcke - einfach nur verzweifelt auf der Suche nach Anerkennung durch einen jüngeren, attraktiven Mann?
Er musste sich ein plötzliches Prusten verkneifen, als ihm die Worte des MMA Kämpfers wieder ins Gedächtnis kamen. Also wenn es schon so weit war, dann war wirklich alles verloren.
Er hielt dem Japaner den Kuchen noch ein wenig näher und grinste. »Iss dich satt. So kann ich sichergehen, dass du nachher nicht einfach flüchtest, wenn du vorher ins Essenkoma fällst.«