Wind Beyond Shadows

Normale Version: far away from all life
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Nebliger Dunst lag über den dunklen Steinen, bedeckte sie mit einem feuchten Film, der einem zum Verhängnis werden konnte, wenn man den Fuß nicht mit bedacht aufsetzte. Woher er kam, war nicht auszumachen, denn weit und breit gab es keine Quelle, aus der die flüchtige Nässe stammen könnte. Der nächste Fluss lag einige Kilometer weit entfernt.
Stille, die sich selbst zu verschlucken drohte, gaukelte den Mangel allen Lebens vor. Es machte ihn misstrauisch. Zwar war es keine warme Feuchtigkeit, die Mücken und anderen Insekten als Lebensraum dienen würde, dennoch musste es hier irgendwas geben. Irgendwas. Doch da war nichts. Die Stille war so dicht, dass man sie hätte greifen können.
Ein weiterer Schritt, der ihn ein Stückchen nach oben brachte, doch alles, was er in seiner unmittelbaren Umgebung sehen konnte, waren Ruinen. Verbackene Steine, deren Konturen und das, was sie einmal waren, nur noch erahnen konnte. Sein Herz füllte sich mit Schwere, wenn er daran dachte, was hier einstmals gestanden hatte, was sich hier einst befunden hatte. Nichts gab es mehr. Nichts
All die Jahrhunderte hatte er es vermieden, hier herzukommen. Er, der fernab sämtlicher Emotionen lebte, spürte Dinge in sich aufsteigen, die ihn zu überwältigen drohten. Davon konnte und durfte er sich jetzt nicht beeinflussen lassen. Später hätte er Zeit, um sie zu analysieren, doch nicht jetzt, wo all seine Aufmerksamkeit abverlangt wurde.
Er setzte seinen Weg fort, erklomm den Berg aus einem Gestein, den es nur hier zu finden schien. Drachenfeuer hatte die Eigenschaft, ihn zum Leuchten zu bringen, wenn man ihn entsprechend bearbeitete. Ein weiteres Geheimnis seiner Welt, welches, wie all die anderen, wohl in Vergessenheit geraten würde, wenn er nichts dagegen unternahm...
Nodon legte die Hand auf einen Gesteinsbrocken und glaubte die noch immer darin eingefangene Wärme zu spüren, was vollkommen unmöglich war. Selbst dieses sonderliche Gemisch an Mineralien konnte keine Wunder vollbringen.
Einmal mehr fragte er sich, was er hätte tun können, um das damalige Geschehen zu verhindern. Warum hatte er es nicht kommen sehen? Nicht Selbstvorwürfe ließen ihn diese Fragen stellen, sondern die objektive Sichtweise, was er hätte tun können.
Wie viel Zeit vergangen war, seit er seinen Aufstieg begonnen hatte, wusste er nicht, doch nun hatte er die Spitze erreicht und konnte den Blick in alle Himmelsrichtungen schweifen lassen. Der Dunst lag nun unter ihm, bedeckte alles andere, wie eine samtene Decke, von der man aus seinem Blickwinkel glauben könnte, sie zu berühren.
Schwarzer Stein, so weit das Auge reichte, bedeckt von weichen Schwaden, die dahin streiften. Seit Jahrhunderten. Trostlosigkeit.
Hier hatte sich einst die Feste befunden, in der er und die Drachen lebten.
Im Osten, dort, wo die Sonne als Erstes ihre Strahlen aussandte, hatte sich ein kleiner Urwald ausgebildet, deren Blätter eine leicht absonderliche Form aufwiesen. Leicht konnte man annehmen, dass ein denkendes Wesen dahinter steckte, doch das war Unsinn hier gab es nicht mehr viel, was lebte. Vereinzelte Elben und Albenvölker, natürlich, aber nicht... hier. Nicht an diesem Ort. Dies wagte niemand.
Noden beobachtete den Wald einige Zeitlang. Minuten wurden zu Stunden. Stunden vergingen, bis die Abenddämmerung sich über den Wald herabsenkte. Selbst als sich die ersten Sterne zeigten, rührte er sich nicht und verharrte. Erst, als die ersten Sonnenstrahlen begannen, über den Wald zu kriechen und sich Blüten zeigten, die er seit so unendlich langer Zeit nicht mehr gesehen hatte, setzte er sich in Bewegung.
Schwarze Flügel ausbreitend, stieg er in die Luft, überbrückte die Distanz in sehr kurzer Zeit und landete knapp vor dem Wald. Die Grenze schien mit Absicht gezogen worden zu sein. Kein natürlich gewachsenes Biotop verhielt sich so.
Einem Impuls folgend, betrat er die andere Welt, in der weder Dunst herrschte, noch ein Laut zu hören war. Noch immer nicht.
Lautlos folgte er den purpurfarbenen Blüten, die ihm den Weg zu weisen schienen. Windungen, kleine Absätze, dass man glauben könnte, eine Treppe hinabzusteigen, wenn die Stufen nicht so weit auseinander liegen würden. Der Weg ging nach unten. Hier musste sich die Halle der Alben befunden haben. Hier wurden sie einst zu Drachenalben ausgebildet. Ein Gefühl, mehr nicht und doch wusste er, dass es stimmte.
Die Blühten nahmen an Anzahl zu und bildeten irr witzigerweise ein Obwohl, welches Zeitgleich der Eingang einer Höhle war...
Lautlose Schritte führten in die Dunkelheit hinab, von der er glaubte, dass sie vor unzähligen Jahren verschüttet worden war. Der Zauber, welcher eins die Halle verborgen hatte, war noch immer in der Luft zu spüren, jedoch nur für jene, die wussten, wonach sie suchen mussten. Elben hätten den Eingang nie gefunden, so wenig wie die Alben die Halle der Elben gefunden hätten. Jeder hütete eifersüchtig seine Geheimnisse.
Nicht einmal hier klangen seine Schritte wieder, obwohl unebene Steinwände seinen Weg zierten. Würde er die Hände ausstrecken, könnte er sie berühren.
Er hielt inne. Ein Tröpfeln! Leise, unregelmäßig. Ihm wurden die Knie ein wenig weich, als Erinnerungen ihn zu überfluten drohten. Eine Halle, so riesig, dass ein Volk darin Platz gehabt hätte, gefüllt mit knietiefem Wasser. Eine Insel inmitten des schwarzen, undurchdringlichen Wassers und darauf...
Nodon zwang sich zur Ruhe. Bilder wurden vehement verdrängt. Emotionen, die hier nichts zu suchen hatten.
Er ging weiter. Die Kühle nahm zu und auch das Tröpfeln war nun ein wenig lauter zu hören. Dem Geräusch folgend, fand er den Weg durch das Labyrinth, in dem sich jeder verlaufen würde. Magie verschluckte den richtigen Weg. Sie gaukelte Gänge vor, wo keine waren und führten unweigerlich zum Eingang zurück, um das Innere zu schützen und zu verbergen.
Er legte eine Hand an den Stein, ohne einer Absicht zu folgen. Den Stein fühlen, sich zu erden und im Gleichgewicht bleiben.
Kaltes Wasser umspülte seine Stiefel. Schmerz regte sich in seiner Brust, als erneute, längst vergangene Bilder in ihm aufstiegen. Noch konnte er ihn beherrschen. Er ging weiter, spürte, wie das Wasser bis zu seinen Knien anstieg. Der Gang, welchem er folgte, verbreiterte sich und fühle schließlich nach unzähligen Schritten in die weite Halle, die sich in all den Jahrhunderten, Jahrtausenden nicht verändert hatte...
Dort war die Insel, die dafür geschafft war, was auf ihr ruhte... der lag...
Ihm stockte der Atem. Er starrte ihn an, unfähig, sich aus der Starre zu lösen und ganz damit beschäftigt, Emotionen, die aus ihn heraus zu platzen drohten, in Schach zu halten. Zeit hatte hier keine Bedeutung mehr. Nichts schien von Bedeutung zu sein.
Die Zeit stand still. Wäre nun der fallende Tropfen in der Luft verharrt, Nodon hätte es nicht verwundert.
Sanfte Wellen vor sich herschiebend, schritt er auf das Trugbild, welches er zu sehen glaubte, zu. Nur eine unglückliche Felsformation, sagte er sich.
Seine Züge waren erstarrt, wie der Stein, welcher über sie thronte. Tonnen über Tonnen von Stein.
Es konnte nicht sein. All die Jahrhunderte... Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, blieb er vor der kleinen Insel stehen, nach dem er all die schritte hinter sich gelassen hatte und hob die Hand. Sie verharrte. Ihm brach das Herz.
Seine senkte sich. Senkte sich auf den erwarten Stein und traf auf... Schuppen. Schuppen, die sich so perfekt der um herrschenden Dunkelheit anglichen, wie es nur die Nacht konnte. Es konnte nicht sein.
Sie traf auf Schuppen... So kalt. So warm. So lebendig. Sein Herzschlag setzte aus.
Waren es Jahrzehnte oder Jahrhunderte?
Er erinnerte sich nicht mehr, erschienen ihm doch Jahrzehnte wie Sekunden, Jahrhunderte wie Minuten. Schier endlos zog die Zeit an ihm vorbei, ohne dass er sich am Leben beteiligte oder gar Freude empfand. Fast erschien es ihm, als hörte, er noch immer den Klang, der entstand, wenn Stahl auf Stahl traf, welches nur vom Geschrei der Flüchtenden und Verwundeten übertönt wurde. Noch immer wehte ihm der Geruch von Blut und Feuer in die Nüstern, obwohl all dies schon viele, viele Jahrhunderte her war und die Natur die Wunden der Welt geheilt hatte. Nur wer wusste, wo er suchen musste, fand die Überreste der einst mächtigen Stadt, die heute ein stetiges Mahnmal der Vergangenheit war. Nur die Alten erinnerten sich noch an die Geschichten ihrer Väter und Vorväter, als mächtige Drachen durch die Lüfte schwebten und die Welt regierten. Kaum je einer hatte jemals selbst einen gesehen, geschweige denn dass sie wussten, dass eines jener sagenumwobenen Wesen noch unter ihnen weilte. Nur hin und wieder verirrten sich ein paar übermütige Jugendliche hier her, doch niemand wagte sich tief hinab in das Labyrinth, welches einst die mächtigen Drachen und ihre Reiter beherbergte und aus denen die Geschicke der Welt gelenkt wurden.
Tief in der Dunkelheit, verborgen vor allen Augen und jedweder Anklage hatte der Dunkle in den einstigen Hallen der Albae seinen Unterschlupf errichtet. Trostlos lagen die Trümmer umher, während das Wasser leise von den Wänden tröpfelte. Nichts zeugte mehr von dem einstigen Glanz, der einzigen Pracht und dessen Bewohner, da die Natur sich Stück für Stück zurückholte, was ihr gehörte. Teils selbstständig, teils durch die Magie des Drachens unterstützt. Sollte doch wenigstens die Welt wieder heilen, wenn er schon seine Kinder nicht vor dem Tod hatte bewahren können. Einst erschaffen, um die Leere in seinem Herzen zu lindern, hatten sie das Paradies, welches er für sich und sie gefunden hatte, ins Chaos und Verderben gestürzt.
Wie viele Leben ihre Arroganz und Rachsucht gefordert hatte, wusste er nicht. Verliess er doch nur äusserst selten seinen Unterschlupf, der mehr einem Gefängnis, als einer Heimstatt nahekam. Nur wenn der Herr der Welt, Nodon, sie verliess, dann getraute sich das riesige Wesen aus seinem Versteck. Immer, wenn er seine Augen schloss, tauchte jenes schmale Gesicht vor ihm auf. Von Schmerz und Ungläubigkeit überzogen, sodass es ihm schier das Herz brach. Und doch konnte er ihm all das Leid nicht ersparen. Waren es doch seine Kinder, welche für all die Toten, für all das Leid verantwortlich waren.
Wie also konnte er ihm jemals wieder ins Gesicht blicken?
Wie konnte er sich für jenes unverzeihliche Verhalten entschuldigen?
Wie konnte er erwarten, dass ihm verziehen wurde nach alldem, was passiert war?
Wie konnte er ungeschehen machen, was schon längst geschehen war?
Er wusste es nicht. So entschloss er für sich, sich von allem zurückzuziehen, um kein ständiges Mahnmal zu sein und damit die Überlebenden sich von der Tragödie erholen konnten. Natürlich hätte er sich eine andere Dimension suchen können, erneut neu anfangen können. Doch viel zu sehr lag ihm jene Welt am Herzen, als dass er sie so einfach hätte hinter sich lassen können. Viel zu sehr lagen ihm selbst jetzt noch seine Kinder am Herzen, als das er ihre Gräber der Vergessenheit überantworten konnte.
So suchte er Schutz und Unterschlupf in den Ruinen, welche ihm Tagein, tagaus ein ständiges Mahnmal waren, damit er niemals vergass, was passiert war. Einzig die Pflanzen leisten ihm Gesellschaft und schufen im Laufe der Jahrhunderte einen üppigen Wald, der ihm Schutz bot und ihn vor aller Augen verbarg.
„Tropf … Tropf … Tropf“ Einer Melodie gleich suchte sich das Wasser seinen Weg und verwandelte die einst riesige Höhle in ein kleines Meer, in dessen Mitte sich eine kleine Insel erhob. Nur früh am Morgen, kurz nachdem die Sonne aufgegangen war, verirren sich einzelne Sonnenstrahlen durch einen Riss in der Decke und leuchten auf den scheinbar riesigen schwarzen Steinhaufen in der Mitte der Halle. Nur wer ruhig verharrte und genau hinsah entdeckte, dass dort kein Geröllhaufen lag. Näherte man sich ihm, so erkannte man einen leichten, bläulichen Schimmer, welcher sich über Hunderte von Schuppen zog, welche den Körper des riesigen Drachens bedeckten.
Stunde um Stunde, Tag um Tag, Woche um Woche, Jahr um Jahr, Jahrzehnt um Jahrzehnt, Jahrhundert um Jahrhundert vergingen, während täglich das gleiche Schauspiel zu sehen war, ohne dass ihn jemand bemerkte oder gar ahnte, dass er noch lebte.
„Tropf … Tropf … Tropf“ Erklang die Melodie des Wassers, wie jeden Tag zuvor auch schon und doch mischten sich ihr heute andere Töne bei. Leise vibrierten die Steine, hin und wieder erklang ein leises Gepolter, wenn einer der zahlreichen losen Steine ins Rollen geriet. Missmutig erhob der Drache langsam seinen Kopf ein wenig, um genauer zu lauschen.
Wer wagte es ihn in seiner Einsamkeit zu stören?
Wer wagte es die heiligen Ruinen zu betreten?
Vollkommen ruhig verhielt sich der Riese, während die Geräusche immer näherzukommen schien. Kaum sichtbar blähten sich seine Nüstern, als ihm ein Geruch entgegenwehte, der ihn erstarren liess. Erkannte er diesen Geruch doch sofort und musste nicht lange überlegen, um sich sicher zu sein, wer seine Ruhe störte. Kurz kam ihm der Gedanke der Flucht, doch in sein Gefängnis führte nur ein Weg hinein. Niemals könnte er sich unbewusst an ihm vorbeischleichen, vorbei an dem verurteilenden Blick, vorbei an jenem Blick voller Schmerz, dass eins sein Herz wie wild umher hatte hüpfen lassen. Ohne den geringsten Laut zu hinterlassen, rollte sich der schwarze Riese wieder zusammen. Beständig darauf hoffend, dass er einen anderen Weg einschlug. Hoffend, dass er den Weg in die Halle längst vergessen hatte. Doch das leise Rascheln seiner Robe, das Plätschern von Wasser, sobald er einen Schritt voran wagte, zerstörten die Hoffnungen des Dunklen. Zeugten sie doch davon, dass Nodon immer näher kam, statt dass er sich von ihm entfernte. Leise hörte er das Schnaufen des Herren jener Welt, als er sich seinen Weg durch das Geröll suchte, bis es abrupt stoppte. Regungslos verharrte der Drache, erlaubte sich nicht einmal das Atmen, um sich nicht doch noch in letzter Sekunde selbst zu verraten. „Lass ihn vorbeiziehen.“ wiederholte er gedanklich immer und immer wieder. „Lass ihn vorbeiziehen.“
Doch wie so oft hatte er die Neugierde Nodons unterschätzt, denn statt weiterzuziehen trat er tatsächlich in das eiskalte Wasser und näherte sich ihm weiter. Näher und näher kam er, fast konnte er schon dessen Wärme spüren und doch wagte er sich nicht auch nur den geringsten Muskel zu rühren. Darauf hoffend, dass das Schicksal ihn vor jener Begegnung rettete, vor der er sich am meisten fürchtete. Kaum hörbar schnappte er nach Luft, als sich die warme, viel zu vertraute, Hand über seine eiskalten Schuppen schon und doch widerstand er dem Drang ihn anzusehen. Viel zu sehr fürchtete er sich vor dem, was er in dessen Augen sehen würde.
Jahrhunderte könnten niemals gutmachen, was er ihm und seiner Welt angetan hatte.
Verharrend stand er da, die Hand auf die schuppen gelegt die so kühl waren und doch von Leben zeugten. Den Fehler zu glauben, das kein Leben in diesem übermächtigen Wesen steckte, beging er nicht, denn er spürte es. Spürte das Leben pulsieren, wenn auch nur in weiter Ferne. Hatte er sich so weit in sich zurück gezogen, das er nichts mehr um sich herum wahrnahm? Wollte er nichts mehr wahrnehmen? Ließ ihn Trauer so handeln oder die Reue?
Viel war passiert damals, das niemand mehr genau sagen konnte, wo es seinen Ursprung genommen hatte. Dazu kamen so viele Faktoren, noch mehr Unbekannte und natürlich die Ungewissheit. Er war nicht hier, um Rache zu üben, viel zu ergreifend war dieser Moment.
All die Jahre hatte er geglaubt er wäre gegangen. Wäre vergangen. Doch wäre ein so mächtiges Licht verloschen wäre es nicht unbemerkt geblieben, dessen war er sich sicher. All die Möglichkeiten, wo er seine Welt hatte verlassen müssen hätten gereicht, irgendetwas zu tun, zu gehen, zu sterben... Doch er lag hier, als hätte er sich in all den Jahrhunderten keinen Millimeter bewegt. Wenn er nur gewusst... nur geahnt hätte, wo er sich verkroch... All die Zeit, auch wenn sie keine essenzielle Rolle spielte. All die Zeit...
blasse Finger ruhten auf der schwarzen, bläulich schimmernden Schuppenhaut, spürten das Leben, sei es auch nur so flüchtig. Er wollte es greifen, es festhalten. Hier an diesem Ort. In dieser Welt. Hatte er das recht dazu?
„Du lebst.“, stellte er sehr leise fest,ungläubig, noch immer. „Nach all der Zeit.“ Seine Stimme war leise, sehr leise, ein flüstern nur. Selbst die Wassertropfen schafften es, ihn zu übertönen und doch war er sich sicher, das der Dunkle ihn vernommen hatte. Nicht nur seine Berührung, auch seine Worte. Trotz allem hatte dieser sich noch keinen Millimeter bewegt oder kenntlich gemacht, das er ihn oder seine Hand bemerkte, die ohne Druck auf ihm lag.
Bilder blitzen in ihm auf. Schmerzliche Erinnerungen an die Bilder, die er einst sehen musste. Er war der Tod, ja, aber das er mal in seiner eigenen Welt eine solch reiche ernte einfahren musste, hätte er nie angenommen. Wie viele damals ihr leben hatten lassen müssen, konnte er nicht in Worte fassen. Einige waren entkommen, hatten vielleicht ein neues Leben begonnen, hoffend den Schrecken hinter sich zu lassen. Doch auch Drachen? Nodon hatte nie wieder einen erblicken können, gleich, wohin er ging. Anfangs hatte er noch gesucht und Ausschau gehalten, doch je mehr zeit verstrich... schließlich hatte er es aufgegeben. Irgendwo tief in sich hoffte er, das der ein oder andere sich hatte retten können und sich verborgen hielt, wartend, vergessend und doch lebend.
Sein Herzschlag hatte sich inzwischen beruhigt, doch die Anspannung blieb. Sollte er gehen und ihn seinem Schicksal überlassen, wissend, das er die nächsten Jahrtausende hier verbringen würde? Konnte ein Drache an gebrochenem herzen sterben? Wäre es möglich, wäre es sicher schon passiert, es sei denn irgendwas hielt ihn noch in dieser Welt...
Kälte kroch in seine Knochen doch er konnte es ignorieren. Betrachtete man die Höhle genauer, sah man, das es der perfekte Ort für einen Winterschlaf wäre. Dabei hatte der Dunkle damals so gern in der Sonne gelegen, wenn er nicht grade vor sich her brütete... Nun verkroch er sich hier. Nodon schmerze das Herz. Es zog sich zusammen, ballte sich einer Faust ähnlich zusammen... der Anblick machte es nicht besser.
Jahrhunderte waren vergangen, seitdem sie sich das letzte Mal gesehen hatten und doch war ihm die Berührung so vertraut, als hätten sie sich erst gestern gesehen. Oft hatten sie schweigend nebeneinander gehockt und das wilden Treiben der Elben und Albae beobachtet. Teils schmunzelnd, teils nachdenklich und doch innerlich ruhig, da sie sich aufeinander verlassen konnten. Eine tiefe Verbundenheit, wie er es sonst zu keinem anderen Wesen gespürt hatte.
So nah waren sie einander gewesen und doch klaffte zwischen ihnen nun eine unüberwindbare Kluft, denn so wenig wie er vergessen hatte, vergessen konnte, so wenig nahm er an, dass Nodon dies getan hatte. Dafür waren sie viel zu sehr Teil der zerstörten Welt gewesen, hatten viel zu viel investiert, als dass sie das Geschehene einfach hätten hinter sich lassen können.
So war es wohl kaum verwunderlich, dass er irgendwann die Ruinen betrat.
Hoffnung und Angst hatten einander die Hand gegeben und je mehr Zeit verstrich, umso mehr obsiegte die Angst. Klar hätte auch er sich blicken lassen können, doch viel zu sehr war er in seinen Schuldgefühlen gefangen, als dass er diesen Schritt gewagt hätte. Schliesslich waren seine Kinder der Auslöser für all das Leid gewesen. Wie konnte er da annehmen, dass sie einfach dort weitermachen konnten, wo sie einst gewesen waren.
Zweifel, Vorwürfe und Angst hatten den Riesen gelähmt und in ein unsichtbares Gefängnis gesperrt, welches noch düsterer war, als die Ruine, in der er lebte, sofern man es denn Leben nennen konnte.
Leicht schlug sein Herz schneller, als er all die Emotionen, die Trauer in der Stimme des anderen hörte. Statt jedoch zu antworten, verharrte er. Machte sich auf die Vorwürfe und Wut gefasst, welche nach dem Erstaunen folgen würden … doch nichts derlei passierte.
Langsam, unendlich langsam erhob er seinen Kopf, fast als würde alle Last der Welt auf ihm lasten, bis er ihm in die Augen blicken konnte. "Du hättest nicht herkommen sollen", rügte er ihn mit kaum hörbarer Stimme, in der sich ein Hauch von Emotionen nicht ganz verbergen liess. Hatte es Nodon doch schon immer geschafft ihn durcheinander zu bringen und selbst nach all dieser Zeit reichte schon ein Blick von ihm aus, dass sein Herz erneut anfing herumzuhüpfen. „Du wirst dich noch erkälten“ rügte er ihn weiter und schlang seinen Schwanz so, dass Nodon ein wenig vor der Kälte und Zugluft hier unten geschützt wurde. Dennoch sollte er nicht allzu lange hier bleiben. Temperaturen wie diese waren nicht für ihn gemacht, da er keine Schuppen hatte, welche ihn schützen konnten. „Was willst du hier unten?“ forderte er zu wissen. Hatte doch schon ewig niemand mehr diese Ruinen betreten. Was also suchte er hier?
Nodon konnte nicht sagen, was geschehen wäre, wäre das riesige Wesen, welches man leicht mit einem Berg hätte verwechseln können, bei ihm aufgetaucht wäre. Ob er mit einem Angriff gerechnet hätte, wäre nicht ganz unwahrscheinlich, denn nach all der Zeit, die Vergangen war, konnte er nicht sagen, wie sie zueinander standen. Hass. Reue. Schuld. Sühne. Verlust. Einsamkeit. Sorge. Alles wäre möglich gewesen. Eins hatte es keine Worte zwischen ihnen gebraucht, um zu wissen, wie es in dem anderen aussah, doch je mehr Jahrhunderte verstrichen, desto brüchiger wurde das Band, von dem man nicht mehr sagen konnte, ob es überhaupt noch vorhanden war. Das Band, nach dem ihre Kinder stets gestrebt hatten, waren sie nie eingegangen, daher war die Ungewissheit, ob der andere noch lebte, unbeschreiblich gewesen.
Sein Blick suchte die Konturen ab, versuchte heraus zu finden, wo das Ende, wo der Anfang des Ungetüms war, bis er in die Richtung blickte, in der er den Kopf vermutete. Der Mangel an Bewegung machte es nicht leicht...
Wie leicht es doch wäre den derzeitigen Körper Nodons zu vernichten, in dem er ihn fraß oder einfach verbrannte. Innerlich machte er sich schon darauf gefasst, als die Rüge kam. Er war in dessen reich angedrungen. Die Gründe spielten dabei keine Rolle. Er war an einen Ort eingedrungen, an den nichts Lebendes, außer dem Drachen, geduldet wurde. Der Mangel an Fischen sagte ihm dies ebenso deutlich, wie am Fehlen der Insekten, die es hier sonst immer wieder gab.
Doch der Tod blieb nach der Rüge aus. Er sah zum mächtigen Schädel empor, begegnete dem Blick des anderen, dessen Körper schwer gegen die Dunkelheit ausmachen war. Was er spürte, konnte er nicht sagen. Erschrecken darüber, ihn noch lebend vor zu finden, gepaart mit Freude wegen der gleichen Erkenntnis. Ein Hauch von Angst, nicht davor, das er einen Fehler begangen haben könnte, viel mehr vor der Reaktion. Ein Tanz auf hauchdünnem Eis, wo jeder schritt der letzte sein konnte. Für immer. Emotionen, die um die Oberhand rangen, so deutlich vordergründig, das er die Anzeichen seines Körpers kaum bemerkte.
„Ich kann mich nicht erkälten.“, sagte er dennoch leise, die Stirn runzelnd, da er keine Antwort, die eigentlich absehbar gewesen war, hatte.
Sein Blick folgte den Linien seines Schädels, den Stacheln, wie den Schuppen, die leicht schimmerten, wenn ein Lichtstrahl auf sie traf.
„Ich weiß es nicht.“, antwortete er ehrlich. „Der Intuition bin ich gefolgt, dem Weg, den purpurnen Blüten, ohne bewusst zu handeln.“ Nun selbst über das eigene, unüberlegte Handeln nachsinnend, war er erstaunt, das er sich dazu hatte hinreißen lassen. Es war nicht seine Art. Und doch hatte er nicht die Absicht, wieder zu gehen nun da er ihn gefunden hatte.
Er schloss die Augen, ruhte in sich selbst, zwang sich zum Gleichgewicht, wobei er darüber erstaunt war, keinen hauch der Emotionen des Drache zu spüren. Nicht so reißend intensiv, als wären sie verbunden, aber irgendwas schwang immer mit. So viele Erinnerungen..., benannte er seine Emotionen, die, kaum das er sie bezwungen hatte, wieder aufstiegen und ihn mitreißen wollten.
Noch immer lag seine Hand an den schuppen, spürte die Wärme, die er auf den schuppen verursachte, als würde die eigene Wärme in den Drachen fließen.
Fressen oder töten würde er ihn niemals, warum auch? Bestand doch absolut kein Grund dafür und im Gegensatz zu seinen Kindern schätzte er jedes Leben und achtete es hoch, insbesondere das Nodons. Schliesslich waren sie wie Brüder gewesen, hatten Gedanken geteilt und so manche Schlacht siegreich Seite an Seite gekämpft. Der Krieg und auch all die darauf folgenden Jahrhunderte hatten nichts an seinem Respekt und ja, auch ein gewisses Mass an Vertrauen nicht trüben können. Dennoch war er vorsichtig. Viel zu viel Zeit war vergangen und wer wusste schon, ob er heute noch die gleiche Person war, welcher er damals gewesen war.
Dennoch konnte er sich eine Rüge nicht vollkommen verkneifen, hatte er doch verbotenes Gebiet betreten. Einstmals durften die Reiter nur auf direkten Befehl jene tief gelegenen Hallen betreten, da sie der Herrschaftsbereich der Drachen gewesen war. Nun, nach allem, was geschehen war, war dies nun wohl vollkommen hinfällig und doch war es leicht befremdlich, dass er ohne Befehl hier war. Mehr als rügen konnte er ihn jedoch nicht, war das, was einst gewesen war, doch nur noch eine Legende, eine Geschichte und sämtliche Regeln vollkommen irrelevant.
„Den Blüten konntest du schon damals nie widerstehen“. Stellte er leicht amüsiert fest, denn schon damals war er ihnen immer gefolgt und hatte ihn überall gefunden, egal wie sehr er sich auch versteckt hatte. Insgeheim rügte er sich selbst, denn auch wenn es Ewigkeiten gedauert hatte, so hatte ihn seine Liebe zu den einzigartigen Blüten wieder einmal verraten und preisgegeben, was eigentlich hätte verborgen bleiben sollen. Ob dies gut oder schlecht war, das würde sich wohl erst noch zeigen. Nachdenklich musterte er seinen einstigen Freund, der scheinbar genauso aus dem Gleichgewicht war, wie er selbst.
Wie nur sollte es weiter gehen?
Leicht schlang er seinen Schwanz noch enger um die scheinbar zerbrechliche Person, die so viel stärker war, als man auf den ersten Blick annehmen würde. Dennoch hütete er sich, sich noch mehr zu bewegen. Teils weil er ein überaus kostbares Gut unter sich barg, teils dem Umstand geschuldet, dass er verletzt war. Wie lange dies her war, wusste er schon gar nicht mehr. Wagte sich doch ein Eindringling in jene Welt, als Nodon mal wieder unterwegs gewesen war. Normalerweise kein Problem, war er doch ein geschickter Kämpfer und doch hatten all die Jahrhunderte ihn träge und unvorsichtig werden lassen, sodass er eine heftige Risswunde entlang seines rechten Schulterblattes einstecken musste, eh er den Eindringling endlich zur Strecke gebracht hatte. Nur dank der Dunkelheit hier unten und dem Umstand geschuldet, dass Nodon auf der linken Seite stand, konnte er jene Wunde geschickt verbergen, welche schon auf den ersten Blick erkennen liess, dass der Drache momentan nicht imstande war zu fliegen. So war es nicht weiter verwunderlich, dass er nur noch äusserst selten die Höhle verliess, insbesondere da Nodon in letzter Zeit fast nie die Welt verliess.
„Erinnerungen findest du in jedem Winkel dieser Ruine … in jedem Gang, in jeder Halle“, murmelte er leise, ohne den Blick von ihm zu wenden. Sah er in dessen Gesicht den gleichen Schmerz, die gleiche Ungläubigkeit, die auch ihn jeden Tag verfolgte und nie zur Ruhe kommen liess. Nur wenige, sehr wenige hatten überlebt. Was aus den anderen geworden war, wusste er nicht, vermutete er doch, dass sie bei der Schlacht zutage gekommen waren, genauso wie seine Kinder. „Dennoch werden sich noch immer Geschichten erzählt über die einstige Pracht, doch hierher wagt sich sonst niemand“ setzte er noch hinzu, eh er wieder schwieg. Wahrscheinlich wusste Nodon dies selbst und er wollte nicht noch weiter in den Wunden herumstochern.
Hier war ein Ort, den er immer respektiert hatte. Nicht gemieden, auch war es kein Gebiet, welches eine bestimmte Zone beschrieb. Nodon hatte ihm die Höhle überlassen und würde es auch weiterhin tun, ohne eigenmächtig einzudringen, vom heutigen Besuch abgesehen. Jeder brauchte einen Rückzugsort, so sollte auch der Drache diesen weiterhin haben, gleich ob er der Herr dieser Welt war. Damals hatte er ihn diesen Ort zugestanden und so würde es auch bleiben. So nahm er die Rüge auch hin, ohne ihn zu konfrontieren oder zurecht zu weisen. Eine Information, nichts weiter. Vom recht, ihn zu vertreiben, würde er kein Gebrauch machen, weder jetzt, noch künftig.
„Sie blühen nur in deiner Gegenwart. Sie sind nur dort, wo auch du bist.“, stellte er ruhig fest. Er kannte seine Welt, kannte jeden Meter, aber die Blüten gab es nur hier, nirgends sonst. Ob nun das intuitive Wissen um des Drachens ihn her geführt hatte, oder die einzige Faszination, die noch immer anhielt, konnte er nicht sagen. Vielleicht hatte ihn auch der Wunsch nach Vertrautheit hier her gebracht. Ebenso wahrscheinlich war der Verlust, welcher sich mit Hoffnung mischte, das er sich irrte... zu viele Möglichkeiten, was jedoch zählte war, das er hier war.
Schmerz regte sich in seiner Brust, ließ seinen Hals kurz eng werden. All die Jahrhunderte.
Er hielt inne, als der andere sich bewegte, nahm die Berührung war, die Schuppen, welche sich um seine Haut wanden. Angst verspürte er keine, was wohl dem tiefem Vertrauen, welches er dem Drachen entgegen brachte, zu verdanken war. Hätte dieser die Absicht gehabt, ihn zu töten, wäre es längst passiert. Schneller, als es sein Schwanz hätte tun können. Warum schlangen gleich erwürgen, wenn ein Biss, eine Feuerstoß reichte?
Er lehnte sich minimal dagegen, verbarg es aber darin, in dem er nur das eigene Gewicht verlagerte. Das Wasser hatte sich längst beruhigt. Wie ein glatter spiegel lag es da.
„Viele habe ich in meine Höhle gebracht, andere habe ich nicht angerührt. Wieder andere...“, er stockte, suchte nach passenden Worten, um das zu beschreiben, was er sah, was er meinte. „Manche lassen sich nicht bewegen.“ Seine Stirn runzelte sich leicht. Es mangelte ihm nicht an Kraft, denn durch Magie ließ sich fast alles bewerkstelligen und scheinbar war es gleichzeitig genau das, was ihn hinderte. „Es gibt Stücke, die mit Magie von Alben und Elben gleichzeitig umwoben worden war.“ Den Grund des Zaubers hatte er noch nicht entschlüsseln können, da ihm die Zeit dazu fehlte, wobei er vermutete, das es auch Dinge gab, die mit Drachen-, Elben-, und Albenmagie gewirkt worden waren. Leicht schüttelte er den Kopf, spielte es doch keine Rolle. Nicht in diesem Moment.
„Du solltest nicht hier unten sein. Nicht in dieser Umgebung.“ Räumlich gesehen war die Höhle noch immer das Gleiche, wie damals, aber die Atosphäre, die hier herrschte, hatte sich grundlegend geändert. Weder gab es Glühwürmchen, noch war es angenehm warm hier... auch die dünnen magischen Wasserfälle gab es nicht mehr, die je nach Laune des Drachen anschwollen oder tröpfelten. Wasser, die diese Fälle mit sich führten, bildeten einen magischen Kreislauf, der dafür sorgte, das dass kniehohe Wasser der Höhle nie anstieg. Nodon schloss die schwarzen, Pupillenlosen Augen,
seine Finger bewegten sich, erhöhten leicht den druck auf den Schuppen. Wahrscheinlich spürte es der Drache nicht einmal, aber darauf verlassen wollte er sich nicht. Was war mit ihm passiert? Wie hatte er die verlorene Zeit verbracht?
Seine Haut kribbelte, als er ein wenig Magie wirkte. Die Anwesenheit des Drachen oder viel mehr dessen Magie, war dies wohl zu verdanken. Kleine Lichtpunkte schimmerten unter der Wasseroberfläche, vergrößerten sich und wurden zu kleinen Fischen. Eben diese wuchsen an, wurden größer, bis manche fast einen Meter maßen. Ein wenig Leben in der sonst so trostlosen Höhle.
Leicht brummte er, als ihm wieder einfiel, dass die Blumen tatsächlich nur in seiner Nähe wuchsen, ohne dass jemand wusste, warum. Gleichzeitig fragte er sich aber auch, warum er dann so lange gebraucht hatte, ihn zu finden. Vollkommen unfair und doch kam der Gedanke schneller, als dass er ihn beiseiteschieben konnte. "Ab und zu werden sie eingesammelt", murmelte leise und hätte geschmunzelt, wenn er es in seiner derzeitigen Gestalt denn könnte. Galten die Blüten doch als Glücksbringer, insbesondere wenn man sie seiner Angebeteten schenkte. Ob dies stimmte, wusste er nicht, doch früher hatte er oftmals amüsiert die jungen Elben und Albae beobachtet, wie sie sie pflückten. 
Leicht entspannte er sich, als das Wasser sich wieder beruhigte und er ausser der Stimme des Gottes nur noch seinen Herzschlag und das gewohnte Tröpfeln des Wassers wahrnahm.
„Alles hat seinen festen Platz und wehrt sich, falls es an einen falschen Ort platziert werden soll“ , brummte er, ohne eine wirkliche Antwort zu geben. Nicht weil es sie nicht gab, sondern eher dem Umstand geschuldet, dass er kein Drachenreiter war. Selbst nach all den Jahrhunderten summten die Gänge noch von der Magie, welche einst so unendlich floss und auch jetzt hörte man noch das leise Summen, sofern man wusste, wonach man lauschen sollte. Die Magie hier war uralt und zeitlos und würde wohl noch lange nach ihnen weiter existieren, falls sie einmal nicht mehr sein würden. Nur wer um die Geheimnisse wusste, würde sie entschlüsseln können, alle anderen würden erbarmungslos scheitern.
„Warum sollte ich nicht hier sein?“ forderte er zu wissen und drehte sich minimal so, dass er ihn besser anblicken konnte. Waren die Höhlen doch schon immer die Heimat der Drachen gewesen, seitdem er sie erschaffen hatte. 
Warum also sollte er nicht hier sein? Wurde er nicht mehr geduldet? War er nur gekommen, um ihn von hier zu vertreiben?
Fragen über Fragen stürmten auf ihn ein und doch lenkte ihn der leichte Druck auf seine Schuppen ab und holten ihn wieder ins hier und jetzt. Wortlos liess er ihn seine Magie wirken und schmunzelte innerlich, als er die Fische entdeckte, die das einstige tote Wasser mit Leben füllten.  "Du und deine Vorliebe für Fische" zog er ihn auf und kaschierte seine Belustigung erst gar nicht. Was er an den Tieren fand, wusste er noch heute nicht und doch war es beruhigend, dass sich im Laufe der Zeit nicht alles verändert hatte.
Neben der Abwesenheit der Blumen, war es auch die Abwesenheit der leuchtenden Pilze, die sonst an so vielen Stellen der Insel zu finden waren. Dies ließ sich aber auf den Mangel an Magie zurück führen, der hier herrschte. Ob der Drache sie in sich saugte, um irgendwas zu kompensieren oder er sich einfach weigerte, sie um sich zu dulden, in dem er keine Zauber wirkte, konnte Nodon nicht sagen. Viele Dinge, die so offensichtlich waren, fielen ihm erst jetzt auf. Ob nun die eigene Trauer, der Schmerz zu seiner Blindheit geführt hatten? Nicht ohne Grund vermied er es zu schlafen...
„Eingesammelt?“, fragte er, nicht, weil er das Wort nicht verstand, viel mehr war es der Umstand, sich sich jemand so nah an die Höhle heran traute. Dazu kam, das es jemanden gab, der diese alte Tradition auferstehen ließ. Leicht runzelte er die Stirn, doch ging es in der herrschenden Dunkelheit unter, worum er nicht traurig war.
Den Blick habend sah er in die Dunkelheit hinein, ohne wirklich etwas zu sehen, viel mehr war es die Wahrnehmung, die er auf eine Art schweifen ließ, das um ihn herum liegende Umfeld wahr zu nehmen. Als der Gott nichts weiter finden konnte und auch die Entspannung des Drachen spürte, entspannte auch er sich. All die Jahre...
„Und doch scheint sie in dieser Höhle zu fehlen...“, sagte er leise, sicher seiend, das seine Worte vernommen werden würden. „Hier wachsen keine Pilze, die sich aus ihr nähren. Entweder sagst du sie auf oder verhinderst deren Fluss...“, murmelte er, nicht bereit, dieses Rätsel zu ergründen. Nicht jetzt... Es gab so viel mehr. Er lebte, was konnte da wichtiger sein?
Nodon ließ die Hand sinken, doch statt sich abzuwenden, drehte er sich mit dem Rücken zu ihm, setzte sich auf einen kleinen, trockenen Absatz und lehnte sich mit dem Rücken gegen die schuppige Haut. Er könnte das Wasser wärmen, aber das würde an der Magie rühren, dessen teilweise Abwesenheit er noch nichts ergründen wollte.
Er schloss die Augen, lauschte, glaubte, das Gewicht des Steins zu spüren, welcher sich über ihnen auftürmte. Ihn über kam eine angenehme ruhe. Eine Ruhe die nur wenige Momente dauerte, spürte er doch die Emotionen, die hinter seinen Worte klangen, die mitschwangen, doch rührte er sich nicht.
„Du hättest gehen können und doch bist du hier...“, aber das meinte er nicht, dennoch sagte er es. „Ich dachte du wärst gegangen...“ Nicht in eine andere Welt, eine andere Dimension, sondern an einen Ort, den selbst er nicht erreichen konnte. „Dieser Ort ist noch der gleiche und doch vollkommen anders. Trostlos. Passend und unpassend.“ Worte konnten so kompliziert sein, so sandte er einen Teil der Emotionen, die er übermitteln wollte. Trauer, Verlust, und das die Umgebung genau das widerspiegelte und so passend, wie dies war, war es dennoch nicht das richtige.
Ob der Drache für dieses Erscheinungsbild sorgte oder die Umgebung sich dessen Stimmung angepasst hatte...?
„Auch du musst was fressen...“, antwortete er nüchtern. Wenn der Drache glaubte, Nodon sorgte nur für eine ansehnliche Abwechslung, musste er ihn enttäuschen, dafür musste er schon aus der Höhle... Aber soweit war er noch nicht, dass spürte er, ohne danach forschen zu müssen.