Wind Beyond Shadows

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Die Nacht war mal wieder recht kurz gewesen. Irgendwas hatte ihn gestört, ohne, das er benennen konnte, was es war. Hier war er sicher, hier war er allein und doch... kam er sich beobachtet vor. Unruhe erfasste ihn, was den Gedanken, jeden Raum nach Leere zu kontrollieren, sich aufdrängen ließ.
Ein grollen bildete sich in der Kehle, als er sich in Bewegung setzte. Nicht, um dem Drang nach zu kommen, sondern um nach unten zu gehen, sich in Alltagssachen zu ersticken und abzulenken. Zuerst führte ihn sein Weg in die kleine Küchenzeile, die zum Laden gehörte, um einen starken Kaffee aufzusetzen. Den brauchte er definitiv, wenn er noch etwas zu Stande bringen wollte und während dieser durchlief, ging er zu der hölzernen Kiste mit dem schwarzen Speer. Noch gut konnte er sich an den Blonden erinnern, der diesen haben wollte, doch Zakar hatte sich geweigert ihm diesen zu verkaufen. Sich davon zu trennen war unvorstellbar, was vielleicht auch an den Runen liegen mochte, die er zunächst entziffern wollte.
Ein schwarzer Speer, mit Unterarm langer Klinge am einen Ende und Runen, die in das unbekannte Metall geritzt waren. Sie schimmerten in einem Rot, das dem vom Blut recht nahe kam. Tests haben ergeben, das sie wirklich mit Blut gezogen worden waren, aber es ließ sich nichts abwaschen. Als hätte es sich in das Metall gefressen.
So ganz war er dem Rätsel noch nicht auf die Spur gekommen aber vielleicht könnte er jemanden fragen, der so etwas vielleicht schon mal gesehen hatte. Aber ob dieser heute rein schneien würde, war fraglich. Zar legte den Speer, nachdem er ihn einmal um die Hand hatte kreisen lassen, zurück.
„Ich komm dir noch auf die Spur.“, murmelte er, verschloss die Kiste wieder und holte sich den Kaffee, der inzwischen fertig war. Mit der großen Tasse bewaffnet, ging er zu seinem großen, mächtigen Tisch und setzte sich.
Papierkram schob er gern vor sich her, insbesondere, wenn Zahlen drauf standen. Die Buchhaltung war nicht eben das, womit er sich gern befasste, was aber erledigt werden musste. Doch bevor er begann, sah er zur Tür hinüber und dachte noch mal darüber nach, was er im Traum gesehen hatte.
Schwarzer Nebel, der wahllos umher wabberte, eine Ebene überzog, die kein Ende zu haben schien. In wessen Traum war er da geraten? Diesen zu erkennen, war keine Kunst, doch dieses mal... irgendwas war anders gewesen und er konnte nicht sagen, was es war. Das wurmte ihn. Kam daher das Gefühl, beobachtet zu werden? Hatte er etwas auf sich aufmerksam gemacht?
Ohne es zu bemerken, tippte er mit dem Bleistift auf die Linien, während er seinen Gedanken nachhing und er nach einer Antwort suchte.
Routine war etwas, das Mael in seinem Leben nur in gewisser Weise zuließ. Zumeist nur im regulären Leben, vernab der Jagd und der Kämpfe, in denen Routine und Automatismen sehr schnell in ein frühes Grab führen konnten. Am beliebtesten war seine Morgenroutine.
Da er meist nicht allzu viel - oder gut - schlief, war er bereits seit geraumer Zeit wach und nach einer ausgiebigen Dusche und einem Blick in den Terminkalender hatte er sich für eine, in den Augen mancher übertriebene, Jogging-Runde fertiggemacht. Thermo-Kleidung gegen die kalten Temperaturen des Februars, zusammengebundene Haare, auch wenn Mael sie offen bevorzugte, eine kleine Tasche um die Brust und eine Windjacke darüber.
Im Gepäck hatte er etwas ganz Besonderes, für einen Bekannten, den er besuchen wollte. Zakar, der arme Kerl, der hin und wieder von ihm heimgesucht wurde mit den bizarrsten Gegenständen oder Bitten.

Die Strecke war zwar eine ordentliche, doch nichts, was er nicht in stetigem Tempo in gut anderthalb oder zwei Stunden schaffen würde. Natürlich spielten noch andere Faktoren mit hinein, doch sollte es ihm doch zu nervig werden, gab es ja immernoch die öffentlichen Verkehrsmittel, in die er sich quetschen konnte, auch wenn Mael das liebend gern vermeiden wollte.
Das Wetter war nicht unbedingt das schönste, doch die frische Luft tat gut und die Bewegung half ihm, seine Gedanken etwas zu sortieren und den Traum zu verarbeiten, den er gehabt hatte. Nichts allzu schlimmes aber doch hatte es seinen Schlaf unruhig werden lassen, sodass er durch das kleinste Geräusch wachgeworden war.

Sich hier und da ein wenig Zeit gelassen war er schließlich doch angekommen, wo er hinwollte. Eine Juice-Bar! Und mit einem Smoothie mit Drachenfrucht und anderen faszinierenden Dingen bewaffnet kam er schließlich am Ziel an. Dem in seinen Augen irgendwie etwas düsteren Antiquitätengeschäft.
Ein wenig verschwitzt, mit geröteten Wangen und einem fröhlichen Lächeln betrat er den Laden schließlich und machte ein paar zaghafte Schritte in das Reich des brummigen Kerls, der hier sicherlich irgendwo versteckt herumsaß.
Aus seinen Gedanken gerissen blickte er auf, als die Türglocke ging. Auf Kundschaft war er weder vorbereitet, noch konnte er einen Nerv für neugierige Kundschaft erübrigen, die ein einzigartiges Geschenk für irgendeine feier finden wollten. Eben jene Kunden waren die schlimmsten. Vollkommen unentschlossen, oft missbilligend, da viele Dinge in seinem Laden aus second oder fourth hand kamen und entsprechend abgenutzt aussahen. Vieller Euphorie, um dann doch nach Stunden seiner zeit, enttäuscht wieder von dannen zu ziehen. Nur, weil er unsterblich war, wollte er seine zeit nicht damit verschwenden, Kunden zufrieden zu stellen, die sich unbewusst schon entschieden haben. Hier fand man nun mal keine Neuware!
Ein shcluck Kaffee würde einen Mord verhindern, sagte er sich, nippte an dem kalten kaffee, den er am liebsten wieder ausgespuckt hätte. Wann war er kalt geworden? Er hatte ihn dch grade erst.... Gut, vor 1,5 Stunden gebrüht.
Er legte den Finger an die tasse, erwähnte diesen wieder und nahm sie dann gänzlich in die Hand, erhob sich und sah nach dem unruhestifter, darauf gefasst, wieder Predigten zu halten.
Der Kunde überraschte ihn. Nach dem letzten besuch hatte er so shcnell ncht mit ihm gerechnet, klang es doch eher danach, das dessen Wege ihn vorerst in andere Richtungen führen würden, als zu ihm.
“Suchst du mal wieder nach Großmuttersgeschirr?”, neckte er ihn auf seine eigentümliche Weise, lehnte sich an seinen Tisch, von dem aus er einen guten Blick durch den Laden hatte, wenn er es wollte. Manchmal konnte er sich hier auch gut verstecken und beobachten, je nach dem, wer ihn beehrte.
“Die Tassen mit dem Goldrand und Blümchen sind dort, wo du sie hast stehen lassen.” Ein achtloses Nicken in eine unbestimmte Richtung erfolgte, wo sich garantiert keine Tassen mit dem beschriebenen Muster befanden.
Sein Blick wanderte unterdessen zu der Holzkiste, über die er noch immer brütete. Hatte der kerl gerochen, das Zar ihn deswegen befragen wollte? Oder hatte Mael selbst etwas, das er ihm zeigen wollte? Zar musterte den Kunden oder vielleicht auch den Gast, vielleicht auch bekannten, je nach dem, was er sein wollte. Die treffen hier waren mal selten, mal oft, je nach dem, wie es sich ergab. Doch wie oft sie sich auch sahen, es sprang meistens etwas für sie beide heraus.
Eben noch nach dem Inhaber des Ladens gesucht hatte Mael nun stattdessen begonnen den Blick über all die Auslage schweifen zu lassen. Immerhin kam häufiger mal was Neues dazu und es faszinierte ihn immer wieder, was er alles anbot. Und erst die Geschichten dahinter, die man oft nur erahnen konnte, wenn nicht gerade Angehörige ein altes Besitzstück vorbeibrachten und darüber Geschichten erzählen konnten ... und die wenigsten setzten sich erstmal zum Kaffeeplausch hin um dem Käufer von der Geschichte des Gegenstandes zu erzählen. Schade eigentlich, doch irgendwie auch verständlich. Nicht jeder war so investiert in die Vergangenheit, vor allem nicht in die von Fremden oder unbelebten Objekten.
Vielleicht war er es einfach nur gewohnt in den Geschichten der Ahnen herumzustochern weil er es gelernt hatte. Etwas, das in sowohl seiner als auch den nächsten Generationen immer mehr abhandenkam.

Maels Züge lichteten sich, als er eine ihm bekannte Stimme vernahm, und ein breites Lächeln schlich sich auf sein Gesicht als er die Worte hörte. Den Blick von den Waren gehoben und der Richtung der Stimme zugewandt konnte er Zakar ausmachen, der mit einem Becher Kaffee in der Hand dastand und ihn beobachtete.
»Bin zu Fuß da, Geschirr transportiert sich schlecht, aber ich könnt über eine schöne alte Schirmlampe mit Fransen nachdenken, die kann man sich wenigstens über die Schulter schwingen«, antwortete er auf die frechen Worte des Mannes mit ähnlichem Schalk in der Stimme. »Vielleicht hast du ja was schönes in geraffter Seide auf Lager.« Langsam schritt er durch den Laden, darauf achtend, nirgends hängenzubleiben - immerhin war vieles hier wirklich viel wert. Vor dem Tisch blieb er schließlich stehen, an dem Zakar ebenso lehnte, und nahm einen Schluck von dem Smoothie durch den breiten Strohhalm. Für einen Augenblick nahm der fruchtig süße und gleichzeitig etwas saure Geschmack all seine Sinne in Anspruch, während er versuchte zu entscheiden, ob es ihm gefiel oder nicht. Noch dazu war es verdammt kalt und sein Körper durch das Jogging noch sehr aufgeheizt.

»Eigentlich wollte ich nur joggen gehen, aber dann dachte ich, verbinde ich das Nützliche mit dem Angenehmen und hab dir was mitgebracht«, begann er dann aber mit etwas neutralerer Miene und betrachtete kurz den Tisch um einen Fleck zu finden, an dem keine Papiere lagen um seinen Smoothiebecher kurz abzustellen, damit er mit beiden Händen seine leicht raschelnde Windjacke öffnen konnte. Darunter trug er nur einen engen, dünnen Thermo-Pullover und darüber eine Lauftasche mit einer Schlaufe über der Schulter und einer zweiten um den Oberkörper. Aus dieser holte er mit vorsichtigen Handgriffen einen in Stoffe eingewickelten Dolch, dessen Klinge in seiner Dolchscheide verborgen war.
Die Stoffe ausgeklappt aber noch immer als Polster genutzt legte er die Waffe auf dem Tisch ab. Der Griff bestand aus geschliffenen Knochen, doch konnte er nicht sagen von welchem Lebewesen er herrührte. Seine Farbe war ein helles Elfenbein. In ihn eingelassen waren rot-orange winzige Steine, die er zuerst für Rubine gehalten hatte. Ein Fehler, der verständlich war, denn wenn man wusste was es wirklich war, gehörte man zu einer absoluten Minderheit. »Die Steine sind kein Rubin, soviel kann ich sagen, doch was es ist, ist mir noch unbekannt«, erklärte er dazu, bevor er den Dolch vorsichtig aus der Scheide löste und das fast schwarze Stahl, das von hellen, wellenförmigen Mustern durchzogen war, entblößte. »Damaszener Stahl, sieht wie neu aus, aber scheint wirklich alt zu sein, muss gut gepflegt worden sein. Was denkst du?«, fragte er schließlich und hob den Blick von der Waffe um dem des Ladeninhabers zu begegnen.
Zar bot eigentlich ausschließlich Dinge an, welche eine eigene Geschichte, ja eine Seele hatten. Nicht, um eine nette Anekdote erzählen zu können, damit er den Preis ungeniert nach oben trieb, sondern weil solche Dinge es verdient hatten, weiter erhalten zu bleiben. Schund konnte man an jeder Ecke finden, doch wer brauchte schon Sammeltassen, von denen es jedes Jahr eine neue Edition gab? So was suchte an hier vergebens. Um hier ausgestellt zu werden, musste etwas Besonderes daran haften. Zudem trieb ihn der Wissensdurst an, mehr erfahren zu wollen.
„Du hast zwei Hände zum halten.“, hielt er dagegen, sich sicher seiend, das er mit jeder eine Tasse nehmen und halten könnte, auch wenn der Anblick eher seltsam anmuten könnte. „Eine Stirnlampe mit Fransen... das könnte schwierig werden.“ Selbst wenn er wollte, so was kam ihm wirklich nicht unter, nicht einmal dann, wenn er danach suchen würde. Ebenso mit der Seide... zum Verpacken hätte er sicher welche da, aber diese entsprach wohl nicht der Vorstellung, die Mael an den Tag legte. Statt also darauf einzugehen, lag sein Blick auf ihm, wie er seine Obstbrühe trank. Die Menschen und ihr Gesundheitswahn...
„Mir was mitgebracht?“, fragte er ein wenig verwundert und hoffte inständig, das er jetzt nicht so ein Zeug trinken musste, weil man es ihm mitgebracht hatte. Er konnte sich wirklich was besseres vorstellen. Allein die kleinen schwarzen Punkte, die ihn an Ameisen erinnerten, sahen wie alles aus, nur nicht appetitlich. Abwartend blickte er ihn an, was er nun aus der Tasche zaubern würde.
Dem Entkleiden nach, war es kein Becher mit Obstbrühe, sondern etwas handfesteres. Interesse blitzte in seinen Augen auf, als er sah, um was es sich handelte. Für Waffen war er immer zu haben. Was er in seinem ganzen Leben schon gesehen hatte, war erstaunlich und doch gab es immer mal wieder Stücke, die sein Interesse weckten. Seien es Komponenten aus anderen Nationen, untergegangen reichen oder aus anderen Universen... die Menschen schien unerschöpflich zu sein. Wenn er bedachte, da viele der Sachen in Menschenhand waren, könnte er wahrlich heulen, denn dieses Volk wusste nichts bis gar nichts darüber und behandelten es entsprechend. Im Keller, welcher unter dem Laden zu finden war, stapelten sich unbezahlbare Stücke. Vielleicht nahm er seinen gegenüber mal mit dorthin.
Das Stück, welches er präsentierte, erweckte seine Neugier, das er sich sogar vom Tisch löste und eine Lampe anknipste, die den Umkreis, in dem sie standen, in ein Licht tauchten, wogegen jede OP-Einrichtung ab stinken würde. Er nahm ihn zwischen die Finger und untersuchte ihn.
„Du hast recht, mit dem Stahl. Er sieht neu aus, weil es am Stahl liegt... es ist nicht der reine Stahl, da ist eine minimale Legierung drin, der die Abnutzung verhindert inklusive ein wenig Magie.“, meinte er leise und drehte ihn zwischen den Fingern.
„Die Steine... es könnten Diamanten sein, in denen Blut eingeschlossen ist.“, sinnierte er, hielt den Dolch mehr ins Licht. Da er aber nicht sehen konnte, was er entdecken wollte, nahm er eine Lupe an sich, klemmte sie sich ans Auge und schaute genauer hin. Trotz der Hilfe sah er nicht, was er sehen wollte, was die Neugier nur noch mehr anstachelte. Er ließ das Vergrößerungsmonokel in die Hand fallen ließ, um ihm beides zu überreichen. „Schau.“
»Na wenn, dann solls aber auch ein ganzes Teeservice sein, zwei Tassen bringen mir recht wenig«, entgegnete er fast schmollend über das Fake-Angebot. »Schade, schade, die Lampe hätte sich gut auf meinem Nachttisch gemacht, vielleicht noch mit Blumenstickereien. Muss ich mich wohl woanders umsehen ...« Doch damit reichte es an Scherzen, es lockerte die Stimmung zwischen ihnen und er war schon froh, dass Zakar ihm gegenüber inzwischen auch den Mund aufbekam. Zu Beginn waren es eher wortkage Treffen gewesen, aber vielleicht hatte er sich erst an den gebürtigen Franzosen gewöhnen müssen, bevor er aus seiner Schale kam. Zumindest ein kleines Bisschen. Und wenn er ehrlich war, so genoß er die Besuche hier manchmal mehr als es üblich war. So sehr wie er auf Achse war, immer beschäftigt, immer in Bewegung ... in Gegenwart des ruhigen Mannes gewann auch er hin und wieder mal ein paar Augenblicke , in denen er sich nicht so gehetzt fühlte. Dazu das Ambiente des Ladens selbst ... es lud zum Sinnieren und Abschalten ein, auch wenn Mael sich das nur in Maßen erlaubte.
Und nach den fast 2 Stunden morgentlichen Joggings erlaubte er es sich durchaus, einmal etwas durchzuatmen und abzuschalten.

Den Dolch präsentiert konnte er Zakar direkt ansehen, dass sein Interesse geweckt schien. Während jener die Waffe an sich nahm um sie zu untersuchen, stützte sich Mael ein wenig am Rand des Tisches ab während er sich vorbeugte und bei der Inaugenscheinnahme genau zusah. Ihn interessierte es, wie man in solchem Detail durch einfaches Hinschauen Informationen über das Material fand. Und, dass es damaszener Stahl war, wusste er auch nur weil er selbst ein paar Messer mit jenem Material besaß. Die Feinheiten dessen hingegen waren im nicht geläufig genug, weswegen er um jedes weitere Detail dankbar war, das Zakar ihm liefern konnte.
Seine Augen verfolgten die routiniert wirkenden Bewegungen mit denen der Dolch gedreht und gewendet wurde, bevor man ihn im Licht betrachtete und versuchte dem Geheimnis der rötlichen Steine auf die Schliche zu kommen. Im Licht wirkten sie wirklich ein wenig, als wäre in ihnen etwas Rotes eingeschlossen, als würden sie von innen glühen. Sie waren wirklich schön anzusehen. Doch anscheinend nicht das, was der Antiquitätenhändler vermutet hatte.
Mael blinzelte kurz, bevor er sich vom Tisch abstieß und vorsichtig entgegennahm was man ihm hinhielt. Es ihm nachgeahmt klemmte er sich die kleine Monokel-Lupe vor das Auge um mit ihr die Steine in dem Licht, das vermutlich ebenso Löcher in die Ozonschicht brennen könnte, zu betrachten. Die Steine waren solide, so viel konnte er sagen, kein Einschluss von Flüssigkeiten - seinem ungeschulten Auge nach. »Ich habe sie mit allen roten Steinen, die mir in den Sinn kamen, abgeglichen. Bei einigen bin ich mir nicht sicher, dazu reicht mein geologisches Wissen nicht, aber sie wirken irgendwie ... anders. Ich kann es nicht genau benennen.« Er nahm das Monokel ab und reichte es Zakar. »Die Farbe, die Art und Weise wie sie im Licht fast zu glühen scheinen habe ich vorher noch nie gesehen. Irgendwie ... gefährlich und schön zugleich. Ich würde gern herausfinden was es ist. Ebenso der Knochengriff ... aber ob man das einfach so herausfindet? Oder meinst du, es bedürfte Laboranalysen dafür?« Was wohl vermutlich bedauerlicherweise heißen würde, dass man von dem Material etwas abkratzen oder abschneiden müsste. Vielleicht. So sehr sich Mael auch für alte Gegenstände interessierte, die Wege der Analysen und Untersuchungen waren ihm nicht bekannt genug um da Genaueres anzustellen als bloße Vermutungen.
„Einen Grund, wieder her zu kommen, muss ich dir doch bieten.“, murmelte er, denn wenn er bei einem Besuch nur zwei Tassen bekam, musste er mehrmals wieder kommen, um sich den Rest zu besorgen. Aber damit war sein Kontingent an Smaltalk wirklich aufgebraucht. Was das anging, war er wirklich eine Niete, auch wenn er den Hintergrund verstand und wohl dazu diente, um einen Gesprächseinstieg zu finden. Menschliche Dinge, bei denen er selten ein Händchen hatte und ihm oft die Geduld fehlte, waren es doch nichtssagende Worte, die einem im Grunde doch nichts brachten. Umso zugänglicher wurde er, als ihm der Dolch präsentiert wurde, der ein wirklich interessantes Stück war.
Dieses rote Mineral... er hatte es schon mal gesehen, konnte sich aber keinen Reim darauf machen oder daran erinnern, wo und wann er es schon mal gesehen hatte. Lang musste es her sein. Das es selten war, lag auf der Hand, sonst würde er sich erinnern.
„Sie sind gut verarbeitet worden...“, sagte er langsam, während er die Steine untersuchte. „Aber ja, Rubine sind es nicht, deren Struktur ist anders.“ Um zu verdeutlichen, was er meinte, brauchte es weitere, um einiges aufwändigere Untersuchungen, die er so auf die schnelle nicht machen konnte. So was erledigte man nicht in 5 Minuten, um dann einen Schatz zu präsentieren. Aber das wusste auch der andere. Dafür musste er in seine Werkstatt im Keller. Wie es schien, würde Mael diesen schneller sehen, als vielleicht beabsichtigt aber eins nach dem anderen.
Während die Steine nun vom Besitzer untersucht wurden, wobei Zakar ungeniert zusah, durchforstete er seine Erinnerungen, um eine Antwort auf die ungestellte Frage, deren Antwort sie beide wissen wollten, zu finden.
„Irgendwo habe ich so etwas schon einmal gesehen, vielleicht auch in der Hand gehalten, aber ich bekomme keine Verbindung.“, gab er zu, nahm sich aber vor, dem auf den Grund zu gehen. Selbst wurmte es ihn, keine Antwort parat zu haben. Leicht runzelte er die Stirn, selbst wenn er die Gedanken in die Richtung der Farbe zu schicken, stieß er auf nichts, was sich verwenden lassen könnte. Nur, weil der Dolch hier war, bedeutete es ja nicht, das es dieses Mineral nur auf der Erde gab, aber das konnte er noch nicht offenbaren. Mael würde ihm kein Wort glauben. Ehe er diesen schritt ging, würde er zunächst unzählige Tests durchführen.
„Ich kann hier einiges testen.“, offenbarte er, „Aber die Steine...“ Er fragte sich, ob sie Magie speichern konnten. Als Gefäß konnte vieles Dienen. Er nahm den Dolch erneut in die Hände und schließlich in die Linke, um die rechte mit minimalem Abstand drüber wandern zu lassen. „Ein wenig Magie ist in ihnen.“ Wahrscheinlich löste dies den leichten Schimmer aus.
Sein Blick hob sich. „Hast du noch was zu erledigen? Es ist noch zu früh, aber ich kann den Laden eher schließen, dann können wir den Dolch näher untersuchen.“ gern hätte er es allein getan, aber da Mael den Dolch zu ihm gebracht hatte, wäre es nur recht, wenn er dabei sein konnte.
Mael hob den Blick von dem fremdartigen Dolch, als Zakar erwähnte, die Steine schon mal gesehen zu haben - zumindest eine Vermutung seinerseits. Er wusste natürlich nicht, mit wem er es zu tun hatte, doch allein zu wissen, dass jener Wissen zu magischen Gegenstände besaß, sagte für ihn, dass vor ihm jemand stehen könnte der kein Mensch war, wenn auch kein Dämon, so viel konnte er dann doch mit Sicherheit sagen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er etwas überaus Seltenes bereits einmal gesehen haben könnte, war nicht auszuschließen, weder als potenziell magisches oder übernatürliches Wesen noch als Antiquar, der mit seltenen und wertvollen Gegenständen sein täglich Brot verdiente und sich sicherlich auch intensiv mit der drumherum befindlichen Materie befasste.
»Vielleicht findet man an der Universität jemanden in der Abteilung für Geologie, der die Steine identifizieren könnte ... oder ein Abstecher in die Bibliothek?«, schlug er als mögliche Lösungsansätze vor, sich nicht bewusst, dass Zakar andere Pläne zu haben schien.

»Ach?«, fragte er überrascht und seine Augenbrauen hoben sich neugierig, als er davon hörte, dass sie nicht einmal fremde Labore behelligen müssten, Zakar hatte anscheinend Mittel und Wege. Und noch ein Stück höher gingen die Augenbrauen, als die Rede von Magie war. »Nicht auszuschließen, wenn man bedenkt wo der Dolch herkommt. Meine Familie sammelte zu einigen Errungenschaften auch Details, wie sie an jene gekommen waren. Ich habe die Informationen zu diesem Dolch zwar nur überflogen, da die Handschrift katastrophal war, aber wird viele Orte gesehen haben, einige, die meinereins wahrscheinlich niemals zu Gesicht bekommen könnte«, vermutete er und gab damit wohl mehr preis, als er vorgehabt hatte. Doch wenn Zakar in Sachen Magie bewandert war, so sicherlich auch mit der Möglichkeit anderer unglaublicher Dinge. Dass jener die gleichen Zweifel ihm gegenüber hegte, ahnte Mael nicht - immerhin kam es bisher nie zu einer wirklich privaten Aussprache, viel übereinander wussten sie nicht, vor allem in der Hinsicht.
»Ich? Nicht viel, Frühstück vielleicht ... irgendwann. Wenn ich dich bei der Untersuchung nicht störe, würde ich natürlich gern dabei sein, es ist sicherlich sehr interessant dir dabei zuzusehen. Aber die Entscheidung überlasse ich dir.« Mael konnte sich gut vorstellen, dass für solche Art von Untersuchung Ruhe gefordert war und während er sicherlich auch den Mund halten konnte ... dauerte all das zu lang, neigte er zu Rastlosigkeit, die sich manchmal in nervigen kleinen Gewohnheiten zeigte und er wollte den Ladeninhaber weder erzürnen noch irgendwie stören.
„Bibliothek...“ er ließ das Wort über seine Zunge rollen und entschied sich schon im gleichen Moment dagegen. In verstaubten Räumen nach geologischen Funden zu suchen, war nicht seine Art, wenn er es vermeiden konnte. Ihm fiel eher ein anderer Ansatz ein, dem er nachkommen konnte, doch dafür... Der Gedanke gefiel ihm ebenso wenig, wie am Tisch zu sitzen und Seiten durch zu sehen, die nur trockenes Wissen wiedergaben. Und das im Zeitalter des Internets.
„Vielleicht gibt es jemandem, bevor wir einen Geologen aufsuchen müssen.“, sprach er seine Gedanken aus, wenn auch nicht im Wörtlichen Sinn. Noch immer behagte ihn der Gedanke seinen Bruder zu Rate zu ziehen nicht, aber Menschen waren so... raffgierig. Selbst Informationen verkauften sie, als würde es um ihr Leben gehen. Selbst tat er zwar auch nichts ohne Gegenleistung, doch Geld spielte selten eine Rolle. Den Gedanken abschüttelnd, fokussierte er sich wieder auf den blonden Besucher, der immer mal wieder herein schneite und inzwischen ein wenig gern gesehen war.
„Bring das nächste mal die Informationen mit, vielleicht lässt sich dadurch die Gegend einschränken, aus dem die Steine stammen könnten.“, überlegte er, was aber ebenso falsch sein könnte, wie jede andere Spur. Er kannte Schmieden, die unter Wasser lagen, fernab von jedem menschlichen Auge, die heißer waren, als man sich vorstellen konnte. Es gab so viele Dinge auf dieser und anderer Welten, verborgen vom menschlichen Auge, das kein normaler Geist alles erfassen oder gar glauben konnte. Vielleicht konnte er den Aufzeichnungen etwas entnehmen, was ihn an etwas erinnerte oder ihm bewusst machte, wo er die gesuchte Information entnehmen konnte. Es gefiel ihm. Ein kleines, abenteuerlustiges Funkeln trat in seinen Blick. Die Sache würde ihn vom langweiligen Alltag abbringen, nach dem er sich Jahrhunderte lang gesehnt hatte, dennoch blieb er vorsichtig. Dem Drang widerstehend sich die Handgelenke zu reiben, wo ihn einst Fesseln gehalten hatten, die niemand zu durchdringen mochte, hob er den Blick.
„Du kannst gern dabei sein, nur muss es leider warten,, bis ich den Laden schließen kann, um die entsprechende Ruhe zu schaffen.“ Das ging nicht, während der laden offen war und jeder zeit jemand herein traben konnte. Daher musste die zeit überbrückt werden. Wenn er eher schloss, war es halb so wild, aber komplett zu schließen, konnte er nicht machen. Auf einnahmen war er nicht angewiesen, sonst hätte er sich einen anderen Beruf gesucht, um die lange weile zu vertreiben, dennoch, die Möglichkeit Besonderheiten zu bekommen, wollte er nicht verstreichen lassen.
„Setz dich, ich hol Kaffee.“ Wenn nichts wichtiges anstand, konnte er auch bleiben und warten, bis die Stunden verstrichen waren. Er ging in die Küche, setzte neuen Kaffee auf und nahm eine saubere Tasse, eine große, mit Goldrand und Blumenmuster. Sie fiel ihm zufällig in die Hand. Ganz zufällig.
Zakar schien icht allzu begeistert von den Ansätzen, die der Franzose lieferte. Nicht nur erkannte man es daran, wie zögerlich er das Wort Bibliothekar aussprach, auch, dass er einen Gegenvorschlag brachte ... es klang in Maels Ohren alles wie eine Abwehrhaltung. Er konnte erahnen, dass es vermutlich die etwas unsoziale Ader des Kerls sein mochte, doch hätte er auch nichts dagegen gehabt, allein zu gehen um an die Informationen zu kommen und sie im Anschluss zu teilen. Für ihn waren solche Dinge kein Problem, er war geschickt im Umgang mit Leuten, in sozialen Gefilden.

Doch er ließ Zakar seine kleinen Macken und da sie das kleine Abenteuer nun gemeinsam begonnen hatten, um die Geheimnisse des Dolches und seiner Edelsteine zu lösen, war es nur fair, wenn er auch die Vorschläge von Zakar anhörte und sie gemeinsam entschieden. Und sein Vorschlag war wohl ein eigenes Labor, in dem sie tätig werden könnten. Schon etwas einladend, immerhin musste er so nicht wieder raus, so verschwitzt und unansehnlich wie er in seiner Sportbekleidung war. An der Uni hätte er so vielleicht noch auchkreuzen können, doch überall sonst hätte Mael sicher merkwürdige Blicke auf sich gezogen.
Zakar hatte wohl recht, er hätte die Aufzeichnungen mitbringen sollen, doch war das platztechnisch ein wenig schwierig geworden. Er wollte die alten Blätter nicht knicken oder falten, also passten sie nicht mit in die kleine Tasche, die er um die Brust trug. Aber glücklicherweise gab es ja Handys. »Hast ja recht. Aber das kann ich wiedergutmachen«, antwortete er mit einem versöhnlichen Lächeln und zog sein Handy direkt aus der Hosentasche, um einhändig eine knappe Nachricht an seinen jüngeren Bruder zu schicken - in der Hoffnung, jener sei zuhause und nicht zu faul, ein paar Fotos von dem Schreiben zu machen und ihm zuzuschicken.

Da sie ja nun genug Zeit zum Überbrücken hatten, bis der Laden schließen konnte, war es ja nicht schlimm, wenn es etwas dauerte, bis die Bilder kamen. Solang sie eben kamen.
Langsam ließ er sich auf einem Stuhl nieder, als Zakar es vorschlug und sah dem Großgewachsenen kurz nach, während jener sich irgendwohin verdrückte um Kaffee zu machen. Zwar hatte er seinen Smoothie, aber zu Kaffee konnte er schlecht nein sagen, am wenigsten wenn sich Zakar schon die Mühe machte, welchen aufzubrühen. Also schlüfte er den Saft weg, bevor der Herr des Ladens wiederkam ... mit einer atemberaubend peinlichen Tasse, die in Maels Gesicht ein breites Grinsen erzeugte. »Die passt zu meinen Augen, wie herzallerliebst«, scherzte er gespielt euphorisch.
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