Wind Beyond Shadows

Normale Version: You're the memory I can't erase
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Arviu

Es war schwer, das richtige Maß zu finden, das ein Miteinander erleichterte. Einerseits war sie eine Gefangene, andererseits gewährte er ihr so viel Freiraum, wie es nur ging. Man könnte es auch als gezwungenes Zusammenleben bezeichnen, welches zwar nicht auf vertrauen beruhte, aber auf eine gewisse Art Schutz. Sie war ein Drache und er ein Albae, beides Überlebende ihres Volkes, das als ausgestorben galt.
Anfangs war sie wirklich eine Gefangene gewesen, doch je älter sie wurde und er wusste, das ihr Verständnis zu den Dingen wuchs, zog er sie soweit ins Vertrauen, das er sie über ihr miteinander aufklärte. Experimenten erbrachten kaum noch neue Ergebnisse, sodass er sich mehr davon versprach, sie ins Bild zu setzen. Insgeheim hoffte er auf ihre Mitarbeit, doch verließ er sich nicht darauf. Selbst wusste er von sich, das seine Rebellion – wäre er in ihrer Lage – nie enden würde. Im Gegenteil, er würde jede Gelegenheit nutzen, um sich zu wandeln, um dann seinen Peiniger zu verbrennen oder schlicht zu fressen. Gedanken konnte er nicht lesen, daher war er stets auf der Hut, ungeachtete, das sie ein kleines Mädchen war und er sie um einiges überragte.
Mit dem Kaffee in der Hand stand er in der Küche und wartete auf ein Lebenszeichen von ihr. Kochen lag nicht bei seinem Fähigkeiten, dafür aber, Dinge zu Kaufen. So auch heute. In all den Jahren wusste er, worüber sie sich freute. Nicht viel, was er tun konnte.
Vor einiger zeit hatte er ihr ein Buch gegeben. Keine unterhaltsame Belletristik. Es waren eigene Aufzeichnungen darüber gewesen, was er mit ihr in ihren Anfangsjahren angestellt hatte. Seine Absichten, seine Ziele. Darunter ihre Geschichte, wie er sie zwischen Menschen gefunden und sie entführt hatte, mit der Absicht, sie an seine Vena-Katze zu verfüttern. Diese haben die Statur eines Luchses, sind jedoch deutlich größer, kräftiger, angriffslustiger und schlauer. Ihr Fell ist bräunlich-grün gemustert. Stea mochte rohes Fleisch am liebsten, wenn es noch blutete... doch als er sah, welches Mal sein Fundstück trug, verwarf er sein vorhaben.
Er nahm das Mädchen mit sich, entnahm ihr Blut, gab ihr verschiedene Essenzen und Mixturen zu trinken, und hielt sie in einem großen Glaskasten im Keller. Wie ein Biotop war dieser aufgebaut, selbst einen kleinen Bach gab es dort, um frisches Wasser zu gewährleisten, doch inzwischen hatte sie ein großes eigenes Reich unter dem Dach und konnte sich im Haus frei bewegen. Arviu gab ihr sogar so viel Privatsphäre, das er zuvor klopfte, ehe er in den Raum stürmte.
Freunde würden sie nie werden, aber sie konnten sich arrangieren....
Stea strich um seine Beine und riss ihn aus seinen Überlegungen. Sie ließ ihn leicht schmunzeln.

Arwyn

Schon lange schien die Sonne durch das Fenster auf ihr Gesicht. Mit geschlossenen Augen genoss sie dies jeden Tag, wenn die Sonne mal heraus kam. So lange hatte sie ohne Sonne leben müssen, in einem Glasgefägnis im Keller. Ständig seinen Experimenten ausgesetzt und gezwungen ständig komische Sachen zu trinken.
Doch je älter sie wurde und irgendwann begriff, das er irgendetwas damit bewirken zu wollen schien, wurde der Albae im Verhalten anders. Er sprach mehr mit ihr, doch noch konnte sie es nicht im ganzen verstehen. Als Arviu im Haus ihr dann eines Tages die Türen öffnete, blieb sie dennoch einige Tage länger im Keller. Sie konnte am Anfang damit nicht umgehen und war dem gegenüber sehr misstrauisch. Vermutete hinter jeder Ecke eine Falle. Nur zögerlich begann sie das Haus zu erkunden und versuchte auch immer dabei seiner Raubkatze Stea aus dem Weg zu gehen.
Doch nicht genug mit den Veränderungen, gab er ihr vor einiger Zeit ein Buch zu lesen. Was darin geschrieben stand, machte sie im ersten Moment sprachlos. Egal wie oft sie gefragt hatte, wo sie herkam, hatte er nie eine Antwort gegeben und plötzlich hatte sie diese. Und sie erfuhr so zum ersten mal, dass sie kein Mensch war. Doch für die junge Frau waren es nur neue Fragen. Sie konnte es auch nicht wirklich glauben, dass sie ein Drache sein solle, da sie doch wie immer Aussah. Um vielleicht doch mehr zu erfahren, begann sie das ganze Buch zu lesen. Sogar die Seiten, in denen es um seine Experimente und die Mixturen ging. In dieser Zeit fing sie auch an darüber nachzudenken, was ihr immer wieder kehrender Traum, den sie seit vielen Jahren hatte, bedeutete. Bevor sie überhaupt wusste, dass sie anders war, half ihr der Traum durch ihre Gefangenschaft. Sie konnte sich all ihre Sorgen und Ängste von der Seele reden oder auch ihre Schmerzen für einen Moment vergessen. Nie hatte sie darüber nachgedacht, dass ihr Gesprächspartner ein Drache war. Nun kam Arwyn oft der Gedanke, dass es sogar ihr inneres Wesen sein könnte. Das Viu mit all dem was er sagte vielleicht recht hatte. Sie konnte ja nicht ahnen, dass sie eine Verbindung zu einem anderen Drachen hatte. Doch obwohl immer mehr in ihr Bewusstsein vordrang, spürte sie nicht eine Veränderung in sich. Nicht mal, wenn sie zornig und wütend auf Viu war, wegen all seiner Experimente und ihrer Narben auf dem Körper.
Langsam erhob sie sich vom Bett und betrachtete ihr Dachzimmer. Es gab viele Pflanzen und nicht eine Gardine, die das Licht aus dem Zimmer hielt. Da sie es liebte zu lesen, war es nicht verwunderlich, dass sie sich eine Leseecke eingerichtet hatte. Ihr Regal zog sich vom Boden bis zur Decke und über eine ganze Wand hinweg. Der Rest des Raumes glich eher einer kleinen Lichtung im Wald und ein Tischbrunnen brachte das Wasser in den Raum. Mit leisen Schritten ging sie die Treppe hinunter und betrat die Küche. Doch sobald sie sah, das auch Stea in der Küche war, blieb die junge Frau wie angewurzelt stehen und starte die Raubkatze an. Sie hasste es, wie diese sie manchmal anschaute und auch die Vorstellung, dass Arwyn als Futter für das Tier herhalten sollte. "Guten Morgen." sagte sie leise zu Viu und ging in einem großen Bogen um die beiden herum zum Kühlschrank. Schon nach kurzer Zeit ihrer neuen Freiheit, hatte sie das Kochen übernommen. Am Anfang hatte sie das Essen oft anbrennen lassen, da sie nur durch Bücher lernen konnte. Doch mittlerweile war sie schon geschickter darin. Nachdem sie alle Zutaten zusammen hatte, machte sie sich daran Speck und Rühreier zu braten. In einer zweiten Pfanne briet sie eine kleine Portion Pancakes an. "Möchtest du heute lieber Rührei und Speck oder die Panecakes essen? Und je nachdem was du wählst das Rührei noch mit Zwiebeln oder zu den Pancakes noch einen Obstsalat?" fragte die junge Frau den Albae. Dabei vermied sie es, wie schon seit frühester Kindheit, Viu anzusehen.

Arviu

Unter ihrem ehemaligen Gefängnis, gab es noch einen Rum, erfüllt mit Büchern, die nichts für ihre Augen waren. Wenn sie um den kleinen Schatz wüsste, hätte sie wohl den Versuch unternommen, diesen zu erkunden. Nur war es nicht leicht, den Raum zu erreichen. Es brauchte einen Handabdruck des Alben, um die Schlosslose Tür zu öffnen. Geheimnisse waren noch das Geringste, was es dort zu entdecken gab. In all der Zeit, die er nun schon auf der Suche nach anderen seines Volkes war, hatte sich einiges angesammelt. Bücher, Schätze, Dinge seiner Kultur, sowie Artefakte aus der ihren. Irgendwann, wenn die Zeit reif war, würde er sie vielleicht einweihen.
Er bemerkte ihre Bewegungen, gab der Raubkatze ein Zeichen, das sie sich zurück zog und das Drachenmädchen sich freier bewegen konnte. Das Tier würde ihr nichts tun, so lang sie keine, der locker gesetzten Grenzen überschritt, oder auf die absurde Idee kam, ihn anzugreifen, aber wie so oft war die Angst sicher größer, als das Vertrauen auf Ungewissheit.
„Guten morgen. Hast du gut geschlafen?“, fragte er mit Interesse, obwohl er sie nicht all zu sehr behelligen wollte. Sie sollte sich entspannen, heimisch fühlen, denn verdacht, das die Wandlung mit einem gewissen Alter einherging, verfestigte sich.
Das sie wie von selbstverständlich das Kochen übernahm, erfreute ihn einerseits, andererseits erfüllte es ihn mit Missmut. Nun rächte sich sein Verhalten all die Jahre ihr gegenüber. „Mach, worauf du Lust hast.“, lächelte er schmal, jedoch nicht unfreundlich. „Ich will mich nicht festlegen.“, fügte er hinzu. Es war gut zu sehen, das sie eine Beschäftigung, ein Hobby gefunden hatte, jedoch gefiel es ihm weniger, das sie meinte, ihn bedienen zu müssen, auch wenn es sich gewissermaßen anbot. Dennoch war sie kein Dienstmädchen. Wie sollte man etwas austreiben, was sich über die Jahre hinweg eingebürgert hatte?
„Du musst das nicht tun, aber ich weiß, das es dir Spaß macht....“, äußerte er, was eher wie eine Überlegung klang, denn eine Aufforderung, es sein zu lassen. Da er aber ahnte, das es sich nicht austreiben ließ, eben weil es ihr Spaß zu bereiten schien, fand er, das er sie belohnen könnte... Zu wissen, das sie gern las, würde die Überlegung vereinfachen.
„Was hältst du davon wenn ich dir ein Buch besorge... Du entscheidest über das Thema beziehungsweise den Inhalt? Wünsch dir, was du willst.“, bot er an, ohne einen Hintergedanken, außer, ihr eine kleine Freude zu machen. Beklagen konnte er sich über das zusammenleben nicht, denn sie kümmerte sich ohne Aufforderung hervorragend um das Haus. Vielleicht war es an der zeit, das vertrauen ein wenig auszubauen?

Arwyn

Die Blondine ahnte nichts von dem Raum unter dem Keller und doch hatte sie sich immer wieder gefragt, wo er war, wenn sie ihn plötzlich nicht mehr hörte. Durch die Jahre hatte sie gelernt jeden noch so feinen unterschied der einzelnen Türen heraus zu hören. Doch nie hatte sie die Haustür oder eine andere gehört und als sie nachschauen ging wo er sein könnte, war er nie zu finden. Genauso schnell wie er verschwand, war er auch immer wieder da und sie hatte sich oft erschrocken des wegen. Arwyn hatte dann irgendwann den Verdacht, dass er noch andere Geheimnisse hatte. Nicht nur das eine ihrer Herkunft oder ihres Wesens. Mit nur einem Buch, hatte der Albe ihre Welt auf den Kopf gestellt und nur das wenige wissen in dem Buch hatte sie zur Verfügung. Doch Arwyn würde ihn auch nie Fragen. Seit sie ihr Gefängnis verlassen konnte, verhielt sie sich ruhig und versuchte immer kaum seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, ihm nie einen Grund geben sie wieder einzusperren. Genauso wenig würde sie so schnell alles vergessen. Sie hatte bemerkt, dass er freundlicher war und ihr vieles zusprach. Und doch blieb dieser eine reine Instinkt ihm nicht zu vertrauen.
Aus den Augenwinkeln bemerkte die junge Frau, dass Viu die Katze wegschickte und etwas Spannung löste sich aus ihren Schultern. Auch dieser Katze ging sie so gut es ging aus dem Weg und wenn sie ihr begegnete, dann machte sie einen großen Bogen. Erst verspätet antwortete sie auf seine Frage. "Ja ich habe gut geschlafen. Danke. Ich hoffe du auch." während sie sprach, schnitt sie weiter die Zwiebeln und das Obst. Sie nahm seine Antwort als nicken zur Kenntnis und kochte weiter. Als hätte sie schon immer gekocht briet sie in der einen Pfanne die Rühreier und gleichzeitig in der anderen die Pancakes. Als alles fertig war holte sie vier Teller raus und begann für jeden sowohl Eier als auch Pancakes zum Frühstück aufzutun. Immer wenn sie kochte, konnte sie ihre Gedanken abschalten und ihren Kopf anders benutzen. Es gab ihr eine schmerzfreie Aufgabe in einem Leben, dass von Schmerz gezeichnet war.
Sie nahm die Teller, stellte sie auf den Tisch und als sie sich gerade setzen wollte, hörte sie die Worte. Augenblicklich versteifte sie sich und erstarrte. Im ersten Moment nahm sie diese Botschaft als Aufforderung war und pure Angst floss durch ihren Körper. Warum tat er ihr das an und nahm ihr diese Aufgabe? War sie nicht gut genug in dieser wie auch in der alten Aufgabe? War es ein Anzeichen, dass er seine Ungeduld verlor, weil immer noch nicht die gewünschten Ergebnisse kommen? All dies waren ihre ersten Gedanken, doch dann kam auch der Klang seiner Aussage bei ihr an. Als er es gesagt hatte, klang er nicht erzürnt oder enttäuscht. "Ja das macht es und ich tue es gerne. Aber ich lerne noch und sollte es mal nicht so gelingen dann verzeih es mir bitte." sagte sie leise und setzte sich dann hin. Ohne darauf zu achten, ob auch er kam und sich setzte, begann sie mit dem Essen. Sie entschied sich dafür die Eier und den Speck zuerst zu essen. Doch nicht lange und sie verschluckte sich leicht, als sie seine Worte hörte. Ohne daran zu denken, dass sie ihn eigentlich nie ansah, schaute sie erstaunt nach oben. Ihre Augen wahren geweitet und etwas Unglaube funkelte in ihnen. "Ich....darf mir ein Buch wünschen? einfach so?" Was bezweckte er damit nur? 18 Jahre hatte er nur an ihr experimentiert, sie gefangen gehalten wie ein Tier, sie durch die Hölle geschickt und dann kommt er mit sowas um die Ecke. Während dieser Gedanken veränderte sich auch ihr Ausdruck in den Augen und die Vorsicht kehrte in diese wieder zurück. Sie wollte so gerne ein Buch haben, aber zu viele Jahre wurden ihre Instinkte geprägt ihm nicht zu trauen und sie lernte niemals zu vergessen. Schnell senkte sie den Blick auf ihren Teller. "Ich habe noch Bücher in meinem Zimmer. Die reichen erstmal:" sagte die blonde Frau leise. Obwohl außenstehende denken würde, dass sie entspannt aussah, war sie es nicht. Nur das nervöse spielen ihrer Finger mit dem zweiten Teller, war ein Indiz darauf, dass sie nervös war.

Arviu

Viu hatte die Fähigkeit mit den Schatten zu verschmelzen, das wussten eigentlich nur jene, die seinem Volk angehörten. Er war ein Schattenwesen, durch und durch, welches dazu da war, um mit diesen zu verschmelzen, um Tod und Verderben über seine Feinde zu bringen. Sei es mit den Klingen oder schlichtweg mit Angst. Jemandem Angst zu machen, hatte für ihn eine gänzlich andere Bedeutung, als für andere. Er konnte Furcht produzieren und einen Herzstillstand verursachen. Feiner dunkler Nebel, welcher in die Körper seiner Opfer dringt, der alle Körperfunktionen lähmt, bis sie schließlich versagen.
„Es gab einiges zu erledigen.“, antwortete er ihr ruhig. Ebenso, wie es einiges zu bedenken gab, aber das behielt er vorerst für sich. Selten gab er seine Pläne preis, wenn sie noch nicht vollendet waren, es sei denn, es gab jemanden außer ihm, der beteiligt war. Dem war aber nicht so. Mittlerweile weihte er sie ein, wenn er eine neue Idee hatte, was ihr Wesen anging, da er nun mal auf ihre Mitarbeit angewiesen war. Es gab nicht viel, was sie verband, dafür war es umso wichtiger, das sie wenigstens in der Sache zusammenarbeiteten, so schwer es sich auch gestaltete.
„Das sollte ein Lob sein.“, gab er ehrlich zu. Gut, so was verteilte er nicht im überaß. „Du kannst es weiter tun, du sollst es nur nicht als.... zwang ansehen oder tun, weil du glaubst, ich erwarte es.“, präzisierte er seine Worte, war ihm ihre Reaktion doch nicht entgangen. Wenn es ihr Spaß machte, umso besser, da sie eine Aufgabe für sich gefunden hatte, die ihr gefiel, auch wenn sie wohl bei weitem nicht reichte, um sie auszufüllen.
Mit einem Nicken bedankte er sich für das Essen, nahm das Besteck in die Hand und zerteilte das Rührei in passend große Stücke, das er es nur noch verspeisen brauchte. Er piekte es auf, führte es zu den Lippen und aß es langsam. Es war wirklich gut, das musste er ihr lassen. Ihr daher das Kochen zu nehmen, wäre dumm.
„Ja, das kannst du... wenn dir jetzt nichts einfällt... das Angebt steht.“, sagte er ruhig und bemerkte das nervöse spielen am Tellerrand. Er konnte ihr Verhalten nachvollziehen, verstand, warum sie auf der Hut war, nur änderte es nichts, schon gar nicht, wenn er ihre Vorliebe ausnutzte, um ihr ein Geschenk zu machen. Ein Geschenk machte die Jahre nicht wett, aber das sollte es auch nicht. Die Jahre und die Experimente warne nicht aus Willkür geschehen...

Arwyn

Was auch immer er erledigen musste, hatte zum Glück nichts mit ihr zu tun, zumindest dachte sie so. Immerhin hatte er sie die letzten Tage nicht angesprochen was dies anging. Sie war froh über diese Tage der Auszeit. Immer wenn er Dinge mit ihr zusammen besprechen wollte oder ihre Mitarbeit wollte, hatte sie Angst. Angst vor seinen Reaktionen, wenn nicht das passierte, was er erhoffte. Wenn kein Zeichen kam, dass der Drache in ihr erwacht. Bevor ihre Gedanken sich vertiefen konnten, sprach er wieder und sie konzentrierte sich auf ihn.
Wieder solche Worte, die sie verwirrten und sie misstrauischer machten. Sie nickte auf seine Worte hin nur stumm und aß schweigend auf. Mit flinken Händen räumte sie ihr Geschirr ab und in die Spülmaschine, ehe sie sich wieder zu ihm umdrehte. "Ich gehe jetzt in den Garten." sagte sie leise und floh regelrecht. Sie konnte einfach noch nicht länger als nötig in einem Raum sein. Und im Garten war sie wenigstens etwas frei. Sobald sie den Rasen unter ihren Füßen spürte, atmete sie tief durch. Dann beginnt sie den Rasensprenger anzumachen und die Blumen zu gießen. Seit er sie aus dem Keller gelassen hatte, ist Arwyn fast nur draußen und kümmerte sich um den Garten. Unter ihrer Pflege ist dieser schon nach einer Woche erblüht. Auch für die Vögel hatte sie eigene Futterhäuser gebaut und überall im Garten verteilt, aber so, dass Vius Haustierchen nicht herankam. Heute wollte sie auf ihrer Liste einen nächsten Punkt abstreichen und begann mehrere Sträuße Blumen zu pflügen. Mit diesen betrat sie dann wieder das Haus und verteilte diese im Haus. Einen Strauß Tulpen stellte sie in die Küche, einen Strauß Rosen stellte sie ins Wohnzimmer und einen gemischten Strauß stellte sie in den Flur. Sofort wurden die Räume von den Düften leicht erfüllt. Sie hatte genau die Menge an Blumen in Vasen gestellte, dass es nicht zu aufdringlich duftete. Danach verschwand sie kurz in ihrem Zimmer, um wieder mit zwei Büchern herunter zu kommen und in den Garten zu gehen. Die Blondine ging zu dem großen Baum im Garten, setzte sich auf den Boden und lehnte sich gegen den Stamm. Das erste Buch, welches sie wieder zur Hand nahm, war das seiner Aufzeichnungen. Wie seit Wochen schon, las sie immer wieder die selben Seiten. Innerlich hoffte sie, dass so ihr Drache heraus kam, wenn sie immer wieder vor Augen hatte, was er getan hatte. Doch wie die anderen Male davor, passierte nichts. Frustriert legte sie es weg, zog ihre Beine an und legte ihre Stirn auf die Knie. Er wollte immer, dass sie mitarbeitete, doch noch immer verstand sie ihn nicht. Was war so besonders an ihr? Vielleicht konnte sie es einfach nicht wie andere. Vielleicht war sie nicht das, was er unbedingt haben wollte.
Da erweckte ein Geräusch ihre Aufmerksamkeit und sie stand auf. Mit langsamen Schritten ging sie auf den Zaun zu und drückte ihr Ohr an diesen. Wieder konnte sie Stimmen hören, die an dem Zaun vorbei gingen, doch Arwyn wusste mittlerweile, dass man sie nie hörte. Warum das wusste sie nicht. Wenn sie immer am Zaun lauschte, dann schloss sie die Augen und stellte sich immer vor, welche Gestallt die Stimmen und Geräusche hatten.
Als sie hörte, dass zwei Stimmen direkt vor ihr waren, konnte sie nicht anders und klopfte gegen den Zaun. Auch sagte sie immer wieder Hallo in der Hoffnung, dass man sie doch hörte. Das man sie hörte und hier heraus holte.

Arviu

Über die Phase der Bestrafung waren sie hinaus, denn auch wenn es sie betraft, konnte sie wohl nichts dafür, das sie sich nicht wandelte. Andernfalls hätte sie es wohl längst getan. Allein um hier heraus zu kommen, wäre es besser für sie. Was wäre, sollte sie es wirklich schaffen, konnte er nicht sagen, denn absurderweise, gingen seine Planungen soweit nicht. Viu hatte sich schon mit der derzeitigen Situation abgefunden, auch wenn er wusste, das es irgendwann soweit sein sollte. Abgefunden in dem Sinne, das er bezüglich der Situation abgestumpft war. Längst hatte er die anfängliche Begeisterung des Anfangs verloren, die Hoffnung ein Teil seiner Welt gefunden zu haben, die ihm ein halbwegs normales Leben ermöglichten. Selbst den Frust hatte er abgelegt, den ärger, alles Dinge, die sie zwar erlebt, aber wohl kaum bewusst gespeichert hatte, denn sie war im Gegensatz zu ihm so jung...
Sei Verhalten war also nurmehr neutral. Strafen hatte sie also keine mehr zu erwarten. Nur die zeit konnte zeigen, was noch kommen sollte. Eben jene zeit konnte Jahre, Jahrhunderte umfassen, ohne das es sie kümmern musste.
Sie flüchtete dann schon regelrecht vor ihm. Nicht zu verdenken nach all den Jahren, doch er ließ sie, kommentierte es nicht weiter, sondern aß in Ruhe fertig und stellte das Geschirr weg, als sie auch schon wieder herein kam. Verwunderlich, verbrachte sie doch gern stunden im Garten. Ein Zauber verhinderte, das man auf die Geräusche innerhalb des Geländes auf sie aufmerksam wurde, daher ließ er sie gewähren. Nun aber schaute er die Blumen an, die sie verteilte.
„Was finden Frauen an dieser Vergänglichkeit?“, fragte er leise, als sie an ihm vorbei huschte. Er sprach eher mit sich selbst, als mit ihr, da es ihm wahrlich ein rätsel war. Warum empfand man Freude, wenn man Dingen bei Sterben zusah? Der Gedanke ließ ihn schmunzeln. Er sollte die Vorliebe verstehen, nur glaubte er nicht, das Arwyn sich dessen bewusst war, er hingegen schon. Er sah gern zu, wenn andere ausbluteten, starben... außer Blumen... Aber er ließ sie und begab sich in den Keller, in die Etage, die noch unter ihre ehemaligen Gefängnis lag und zu der nur er zutritt hatte.

Arwyn

Lange Zeit stand sie an dem Zaun und drückte ihr Ohr an den Zaun und hatte ihre Augen geschlossen. Auch wenn sie wusste, dass sie niemand hören würde, rief sie eine lange Zeit hallo. Doch nun begnügte sie sich mit den fremden Geräuschen und stellte sich vor, wie die Verursacher dieser aussehen würden. Manche waren angenehm und andere taten in ihren Ohren weh. Nachdem sie genug davon hatte diese Geräusche zu hören, ging sie wieder zurück in das Haus. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass es schon Nachmittags war und sie machte sich ein Sandwich. Erst als sie sich hinsetzte fiel ihr auf, dass Viu wieder mal verschwunden war und es sehr still im Haus war. Augenblicklich entspannte sie sich etwas mehr und hing ihren Gedanken, mit einem Blick aus dem Fenster, nach. Noch immer war es seltsam für Arwyn zu wissen, dass sie kein Mensch war. Doch gleichzeitig was es noch befremdlicher zu wissen, dass sie eigentlich ein Drache war. Dabei kamen ihr auch wieder die Worte ihres Drachen in den Sinn, dass sie sich nicht wandelte, da der Drache fühlte, dass es nicht sicher war. Und in dem Punkt konnte sie es verstehen.
Nachdem sie mit dem Essen fertig war, ging sie nach oben in ihr Zimmer. Sie kümmerte sich um die Pflanzen und zog das Buch von Viu aus dem Schrank. Wie jeden Tag las sie wieder darin von Anfang an. Immer davon getrieben, zu ergründen, warum er ihr all das Leid angetan hatte. Vielleicht auch in der Hoffnung, einen Hinweis zu bekommen, woher sie kommt und wer ihre Eltern waren. Doch das würde nie passieren. Denn nicht mal Viu schien dies zu wissen. Denn alles, was in diesem Buch stand, basierte nur auf seinen Experimenten oder Vermutungen.
Irgendwann war sie über dem Buch eingeschlafen und erst als es Abends war, erwachte die junge Frau wieder. Nur langsam kam sie aus dem Bett, da alle Glieder schmerzten von der unbequemen Position, in der sie eingeschlafen war. Um diese noch mehr zu lockern beschloss sie in den Garten zu gehen. Sie liebte den Himmel bei Nacht, da er ihr die Sterne zeigte. Sie stellte sich oft vor, dass ihr schwarzer Drache dort oben fliegen würde auf der Suche nach ihr. Dass er nicht nur eine Phantasie von ihr war, um alles besser zu ertragen. Noch immer ging in ihrem Kopf das Gespräch mit diesem. Und auch das Gefühl, der Hoffnungslosigkeit wurde in der Realität stärker. Wie lange würde Viu sie noch am Leben lassen, einen Grund haben sie nicht zu töten? Sie setzte sich auf. Hatte ihr Drache recht mit der Vermutung ihrer Abstammung? War dies der Grund warum sie noch lebte? Dann blitzte ein Gedanke auf. Hatte sie vielleicht einen Weg gefunden sich Freiheiten zu besorgen? Wie von der Tarantel gestochen sprang sie auf und rannte ins Haus und in die Küche. Ohne zu zögern griff sie sich ein Messer und rannte wieder hinaus. Draußen würde er sie als letztes suchen und sie konnte ihn als erstes sehen. Halb im Schatten verborgen wartete sie dann auf ihn. Irgendwann sah sie das Licht im Flur angehen und ihn als Schemen im Haus herum gehen. Und dann kam er nach draußen. Sie wartete bis er sie entdeckte und das Messer in ihrer Hand im Licht der Gartenlampen funkelten. Dann setzte sie das Messer an ihr Handgelenk. Sie wusste er konnte nicht sehen wie sie es über dieses zog und er musste annehmen, dass sie sich umbringen wollte. Doch sobald er bei ihr war, würde er sehen, dass sie sich so geschnitten hatte, wie er es hin und wieder getan hatte. Nämlich quer und nicht längs. Mit dem Wissen schaute sie dann wieder in seine Augen und zog das Messer durch ihr Fleisch.

Arviu

Viu war, als sie eingeschlafen war, unterwegs gewesen, um das eine oder andere zu besorgen, als er dann heim kam, verwunderte es ihn also nicht, das das Haus im Dunklen lag. Er schaltete das Licht ein, stellte die Tasche ab und löste die kleinen Hilfsmittel, mit denen er die spitzen seiner Ohren verbarg. Dabei verfluchte er die Menschen, wegen denen er solche Maskeraden aufführen musste. Sie waren in so vielem belangen lästig, nicht nur, das er solche Spielchen aufführen musste, nein, sie mussten alles fotografieren und kommentieren, was außerhalb der Norm entsprach.
Als er den Blick hob, traf dieser auf den Spiegel, wo er Arwyn sehen konnte, die in einer seltsamen Haltung kauerte. Sein dunkler Blick legte sich auf sie, musterte sie kurz, ehe er sich zu ihr wandte und langsam zu ihr ging. „Was tust du da?“, fragte er seltsam gelassen, ehe er sein Blick auf ihren Arm fiel. Seine Brauen zogen sich zusammen, nicht wütend, eher verwundert, konnte er sich doch keinen Reim auf ihr Verhalten machen. Wenn sie sich töten wollte, warum hier? Warum so? Es gab unzählige andere Wege.
Wollte sie ihn provozieren? Was wollte sie bezwecken?
Mitleid? Sorge? Aggressionen?
Statt kopflos auf sie zu zustürmen, oder das Haus nach Hilfsmitteln abzusuchen, ruhte sein Blick auf der kleinen, zierlichen Person, als könnte er so ihre Beweggründe erkunden.
„Ich habe dir ein Buch mitgebracht.“, sagte er, obwohl dies nichts zu ihrer Situation oder ihrem handeln betrug. „Aber bevor du es liest, würde ich vorschlagen, das du das Messer zur Seite legst.“ Der Gedanke, das sie ihn damit angreifen könnte, war lächerlich. Selbst ohne Waffe kannte er unzählige Möglichkeiten, um sie zu töten, daher ließ er sie vorerst gewähren, noch immer unschlüssig, was er davon halten sollte.
Aber dann kam ihm eine Idee. Er ging schnellen Schritts in die Küche, wo er eine durchsichtige Flüssigkeit in ein Glas träufelte, mit dem er zu ihr kam. Er stellte es unter die wunde. Hier ließ ihn nicht der Wille an Experimenten handeln, viel mehr der Wille, das Blut aufzufangen um ein Kunstwerk daraus zu erschaffen. Menschliches Drachenblut war eine Rarität, sie sollte nicht so verschwenderisch damit umgehen. Drachenblut an sich war schon selten, aber eines, das menschliche Komponenten aufwies, noch seltener, für jene, die es zu schätzen wussten.

Arwyn

Arwyn spürte den Schmerz des Schnittes nur am Rande und konnte so ohne Ablenkung Viu beobachten. Sie hörte seine Frage, doch lies sich mit der Antwort zeit und als er das Buch erwähnte, konnte sie nicht anders und schüttelte den Kopf. Wie er es gesagt hatte, lies sie das Messer auf den Boden fallen und erhob ihre Stimme. "Wirklich jetzt? In dieser Situation sagst du, dass du ein Buch gekauft hast? Und warum ich dies hier tat? Nun ich wollte etwas ausprobieren, etwas versuchen heraus zu finden." Würde er sich so verhalten wie sie dachte und damit ihre Bestätigung? Nicht eine Sekunde lies sie ihn aus den Augen und als er in die Küche ging und mit einem Glas wieder kam mit etwas drinnen, blitzte in ihren Augen ein Hauch Erkenntnis auf. Argwöhnisch beobachtete sie den Alben, als er das Glas unter ihren Arm hielt und das Blut in dieses tropfte. Ihr Drache hatte wohl wirklich recht, dass Viu sie nie sterben lassen würde. Sie zog ihren Arm zurück und drückte ihre Hand auf die Wunde. "Ich will deine Bücher nicht mehr." flüsterte die junge Frau leise. "Immer bringst du mir Bücher und doch erfüllst du nie meinen sehnlichsten Wunsch. Du magst mir vielleicht nichts mehr antun und doch bin ich immer noch dein Experiment." Während sie sprach, hatte sie den Kopf gesenkt gehabt. Nun hob sie den Blick und schaute ihm genau in die Augen. "Ich möchte die Welt sehen, die du mir verwehrst. Ich will frei sein. Lass mich gehen oder du wirst nie wieder deine Forschungen an mir betreiben können. Denn ich glaube dir nicht, dass du dies aufgegeben hast. Und ich hatte wohl recht." sagte die Blondine mit etwas kräftigerer Stimme und deutete auf sein Glas. Arwyn wusste, dass sie hoch pokerte und auch, dass er wahrscheinlich zu verhindern wusste, dass sie sich selbst nichts antun konnte. Aber es konnte nicht schlimmer werden, als all die Jahre zuvor. Dann senkte sie ihren Blick zum Glas und beobachtete, was dort passierte.
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