Wind Beyond Shadows

Normale Version: Man begegnet sich immer zweimal… mindestens
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Crispin Cipriano

Man sollte meinen, dass zu fliegen für einen Engel so natürlich war wie das Laufen auf zwei Beinen oder das Atmen der Luft. Immerhin trugen sie zwei Flügel auf dem Rücken, um die Crispin diese Wesen mitunter doch sehr beneidete, wenn er den Drang verspürte, einfach raus und weg zu müssen. Auf die meisten Engel traf dies vermutlich auch zu, die sich elegant durch die Lüfte bewegten. Ganz anders lag die Sache bei seinem Freund. Einem gefallenen und ausgestoßenen Engel, der durch ihn einen Großteil seiner Kräfte eingebüßt hatte - unter anderem auch die Fähigkeit über längere Zeit und größere Strecken zu fliegen, geschweige denn womöglich noch jemanden zu tragen. Hätten seine Flügel, die Crispin nur zu gerne bewunderte und beinahe ehrfurchtsvoll und auch ein wenig schuldbewusst berührte, noch genügend Kraft, hätte August den Weg nach Vermillion, wo seine zweitägige Studienreise stattfand, wohl selbst fliegend bewältigt. Doch so hatte ihn Crispin vor rund drei Stunden zum Flughafen gebracht und an der Sicherheitskontrolle verabschiedet, die er selbst nicht durchqueren durfte.
Alleine der Gedanke, ihn auch nur für zwei Tage wegzulassen, während er hier zurückblieb, war ihm alles andere als leicht gefallen. Die Erinnerung an das letzte Mal, als er die Stadt verlassen hatte, um für Hope einen Dämon zu jagen, nur um Informationen von diesem zu bekommen, war noch allzu präsent in seinem Kopf, obwohl dies bereits über ein Jahr her war. Dass es sich dieses Mal um einen Ausflug der Uni handelte, um ein Instrumentenmuseum zu besuchen, war der einzige Grund, warum er nach einer kurzen Diskussion und einigem Gegrummel schlussendlich nichts weiter dagegen gesagt hatte. Tief in seinem Inneren wusste er, dass es August genauso schwer fiel, von ihm getrennt zu sein und wäre es möglich gewesen, hätte er sich einfach unter die anderen Studenten gemischt und wäre mitgeflogen, doch seine eigene Anwesenheit in der Schule machte ihnen dabei einen Strich durch die Rechnung.
Es war bereits ein Wunder, dass der Engel nichts dagegen gesagt hatte, dass er mehrere Stunden schwänzte, um ihn zum Flughafen zu begleiten, denn normal war sein Freund doch sehr darauf bedacht, dass er so wenig wie möglich fehlte. Im Umkehrschluss hatte er Crispin das Versprechen abgenommen, dass er brav in die Schule ging, während er weg war und es nicht ausnutzte - wusste er doch, wie schwer es ihm fiel, sich Autoritäten unterzuordnen und ihnen Respekt entgegenzubringen, den man sich seiner Meinung nach verdienen musste, anstatt ihn einfach hinterher geworfen zu bekommen.
Allerdings wusste er auch ganz genau, warum August nichts dagegen hatte, dass er am heutigen Tag vorübergehend der Schule fernblieb und der Grund dafür brachte Crispin für einen Moment zum Schmunzeln, während er auf seinem Platz saß, aus dem Fenster sah und insgeheim auf den Feierabend wartete, der nicht mehr weit entfernt lag. Der Engel hatte bei ihrem Flug nach Italien beinahe panische Angst in das Flugzeug zu steigen und nur die Tatsache, dass er dabei war und sie in der ersten Klasse flogen, was ihnen eine Schlafkabine einbrachte, in der er die meiste Zeit des Fluges an ihn gekuschelt verschlafen konnte, hatte dafür gesorgt, dass er den Rückweg nicht per Schiff oder gar einer riskanten Teleportation absolvieren wollte. Dieses Mal lag die Sache anders. Der Flug dauerte nur knapp über zwei Stunden, sodass es keine Zeit zum schlafen gab, aber doch genug, um in Panik zu verfallen und alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen - in negativer Hinsicht.
Es machte Crispin nichts aus, wenn sich August vor ihm blamierte, weil er gewisse Dinge nicht kannte und wusste oder fälschlicherweise aus dem Fernsehen lernte, denn immerhin konnte er bei ihm auch so sein, wie er wirklich war. Insgeheim fand er es sogar niedlich, wenn sein Freund mit etwas für die heutige Zeit völlig normalem konfrontiert war, womit er selbst aber nichts anzufangen wusste. Es gehörte einfach zu ihm. Dies vor anderen zu zeigen und somit zu wirken, als wohnte er hinterm Mond, war allerdings etwas, das er nicht wollte.
Alleine aus diesem Grund glitten seine Gedanken immer wieder zu August und der Frage, wie es ihm ging, während er nicht nur auf das Ende seines Schultages wartete, sondern auch auf die befreiende Nachricht des anderen, dass er gut angekommen war. Unruhig zog er die Unterlippe zwischen seine Zähne, kaute darauf herum und zog sein Handy aus seiner Hosentasche, um darauf zu schauen, obwohl ihm die Vibration schon lange mitgeteilt hätte, wenn er eine Benachrichtigung erhalten hätte. Dennoch wollte er sicher gehen, nichts verpasst zu haben und bevor er vor Ungeduld noch fast wahnsinnig wurde, erschien in dem Moment, in dem er den Bildschirm einschaltete, die erlösende Mitteilung.

[sms]Cris, lass mich bitte nie wieder alleine fliegen. Wenn ich überhaupt je wieder in so ein Ding steige. Ich glaube auf dem Rückweg würde ich sogar lieber laufen, wenn es nicht so weit wäre.[/sms]

Als Crispin den Inhalt der Nachricht las, schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen. August hatte zwar nicht gesagt, dass er wohlbehalten gelandet war und es ihm im großen und ganzen gut ging, doch dass er meckern konnte wie ein Rohrspatz, sagte alles. Andernfalls wäre die Nachricht seines Freundes ganz anders ausgefallen. Flink tippte er eine Antwort, in der Hoffnung, dass sein Lehrer dies nicht mitbekam und ihm in den letzten paar Minuten vor dem Feierabend noch Nachsitzen aufdrückte.

[sms]Ich hab dir gesagt, du kannst auch einfach krank machen und musst nicht fliegen, aber du wolltest nicht.  Tongue  Und denk dran: ohne Flugzeug kein Urlaub in Italien.[/sms]

Er wusste, dass er den Engel spätestens damit immer wieder dazu bekommen würde, in ein Flugzeug zu steigen, denn so groß seine Angst vor einem eventuellen Absturz auch war, die er ihm auch mit der Tatsache nicht nehmen konnte, dass zu fliegen die sicherste Art und Weise zu reisen war, machte die Erinnerung an die ungestörte Zeit in dem Ferienhaus in Livorno doch alles wieder wett.

Etwa eine Stunde später stand Crispin unweit eines Herrenausstatters, behielt den Eingang im Blick, um darauf zu warten, dass der Kunde, der derzeit im Geschäft war, wieder heraus kam und fragte sich, welcher Teufel ihn geritten hatte, überhaupt in Erwägung zu ziehen, dort hineinzugehen. Doch die Frage ließe sich ganz einfach beantworten, denn die Idee kam ihm spontan, als er beim Verlassen der Schule den schwarzen Wagen am Straßenrand sah, der dort täglich parkte, um einen der Schüler abzuholen. Daran angelehnt ein Mann im vermutlich maßgeschneiderten Anzug, der wie angegossen saß. Und auch wenn er sich schon aus Prinzip sträubte, solcher Kleidung auch nur zu nahe zu kommen, hatte sich die Idee in seinem Kopf festgesetzt und immer weiter Gestalt angenommen, doch einen zu kaufen und August damit zu überraschen, wenn er wieder zurück war.
"Warum auch ausgerechnet ein Anzug…", murmelte er und schob die Hände in seinen Hoodie, wo er sein Handy zu greifen bekam. Der kleine Gegenstand erinnerte ihn an den Tag, an dem ein solches Szenario Teil einer Wette zwischen dem Engel und ihm war. Nur mit jeder Menge Glück und minimalem Vorsprung hatte er diese für sich entschieden, was alleine schon  ein guter Grund war, um über seinen Schatten zu springen. Doch obwohl er das im Hinterkopf hatte und wusste, dass August zusätzlich schon ganz andere Sachen für ihn getan hatte, die ihm widerstrebten, haderte er mit sich und seinem Vorhaben.
Langsam lief er näher zum Eingang, wich dabei anderen Passanten aus und blieb unschlüssig nur ein paar Meter entfernt von der Tür stehen - insgeheim mit sich ringend, ob er das wirklich durchziehen sollte und konnte.
Anat,
die siegreiche Göttin,
die Frau, die sich wie eine Kriegerin verhält,
die einen Kilt wie Männer und eine Schärpe wie Frauen trägt.

Sie erscheint als wilde, wilde und wütende Kriegerin in einer Schlacht, die knietief im Blut watet, Köpfe abschlägt, Hände abschneidet, die Köpfe an ihren Oberkörper bindet und die Hände in ihrer Schärpe, die die alten Männer und Stadtbewohner mit ihren Pfeilen vertrieben, ihr Herz voller Freude.


Nachdem Baʿal von der Sonnengöttin Shapash über den möglichen Verrat Mots gewarnt wurde suchte er sich ein Ebenbild von sich, damit dieser an seiner Stelle von ihm getötet werden konnte. Um die Scharade zu vervollkommnen verspricht sie den Körper zu finden und zu begraben. Baʿal hingegen soll zu den beiden Bergen gehen, welche den Eingang zur Unterwelt markieren, diese beiseite schieben und sich in der Unterwelt vor der Rache Mots verstecken.
Während dessen hilft Shapash Baʿals Schwester Anat dabei, die angebliche Leiche ihres Bruders auf dem Berg Zephon zu begraben, und Anat schlachtet eine große Anzahl von Ochsen, Schafen, Ziegen und Eseln als Denkmal.
Anat verzweifelt jedoch in der Trauer um den Tod ihren Bruders und Geliebten und sucht in der Unterwelt nach seinem Schatten. Sie verlangt, dass Mot ihn ihr wieder herstellt. Dieser jedoch lässt sich von der Kämpferin nicht heraus fordern und so setzt Anat ihre Suche fort, bis sie schliesslich die Geduld verliert. Sie ergreift Mot und fordert ihn mit ihrem Schwert zu einem Kampf auf Leben und Tod heraus. Sie schüttelt ... verbrennt ... zerquetscht ihn, eh sie schlussendlich seine Überreste den Vögeln zuwirft.
Trunken über den Sieg des angeblichen Mörders ihres Bruders und im Geiste verwirrt von Trauer zog sie weiter durch die Lande. Immer auf der Suche nach ihrem Bruder, von dem sie in der Tiefe ihres Herzens wusste das er noch unter ihnen weilte. Das sie dabei eine breite Spur aus Blut hinter sich zog war ihr vollkommen egal. Nichts und niemand war gefeit vor ihrer Wut, so das schliesslich die Götter zusammen kamen um zu beraten was mit der Kriegergöttin passieren sollte.
Den Mut sie zu töten hatte keiner, so das beschlossen wurde sie zu einen langen Schlaf zu verdammen , welchen einzig und allein Baʿal selbst lösen könnte. Eilig wurden dutzende von Magier herbei gerufen. Den Wettstreit gewann schliesslich Kasis, welcher jedoch nicht gedachte den Willen der Götter ein zu halten. So lockten die Götter die Anath in eine Falle und versetzten sie in einen tiefen Schlaf. Beruhigt das nun endlich Frieden ins Land einkehren würde achteten sie nicht all zu genau auf Kasis welcher einen mächtigen Zauber um den Sarkophag in dem ihr Körper gebettet wurde wob. Statt jedoch wie verlangt das Blut Baʿals zu nehmen und den Zauber zu schliessen nutzte er sein eigenes Blut.
Die Sonnengöttin Shapash wurde jedoch misstrauisch als der Zauber viel zu lange dauerte und kehrte gerade im rechten Moment zurück als Kasir den Zauber wob, welcher dafür sorgte das die Öffnung des Sarkophags auf ewig an ihn und seine Blutlinie gebunden wurde. Ausser sich vor Zorn liess sie nichts weiter als ein Häufchen Asche von ihm zurück, nicht ahnend das viele Kilometer weit entfernt eine junge Sklavin einem Sohn das Leben schenkte, einem Sohn dessen Vater Kasir war. Unbehelligt, da sein Vater seine Magie versteckt hatte wuchs der Knabe auf und brachte neues Leben hervor. So zieht sich selbst weit nach seinem Tod Kasirs Blutlinie durch die Menschheit, noch immer versteckt vor allen bis der Eine geboren wurde, welcher das Werk seines Urahnen beenden konnte. Erst dann würde sich seine wahre Natur und auch seine Magie zeigen und entfalten.

Über die Jahrhunderte gerieten Shapash, Baʿal und auch die Kriegergöttin in Vergessenheit. Niemand sprach über sie, oder gar über ihr trauriges Schicksal, bis vor einigen Jahrzehnten Archäologen eine kleine Höhle fanden in der ein aussergewöhnlich reich verzierter Sarkophag versteckt lag. Doch egal was sie auch taten, egal welche Maschinen und Tricks sie auch anwendeten, nichts vermochte den Sarkophag öffnen. Hielt doch nach all den Jahrhunderten der Zauber noch immer stand.
So landete der Sarkophag nichtsahnend schliesslich in die Hände einer privaten Stiftung, welche verschiedene Ausstellungen für Museen organisierte. Jahr um Jahr umrundete Anath in tiefem Schlaf die Welt und wurde von tausenden von Menschen bestaunt. Theorien und Vermutungen was der Sarkophag enthielt gab es zuhauf und doch musste er erst in Phönix landen damit das Geheimnis endlich gelüftet werden konnte.
Lebte hier doch ein Junge. Vollkommen unscheinbar und eigentlich nicht der Rede wert.
War seine Mutter doch nichts weiter als eine Hure, welche nur all zu willig die Beine breit machte sofern der Preis stimmte. Auch der Vater war nicht viel besser und soff tagein tagaus. Der Junge hingegen gedieh trotz all der Katastrophen in seinem Leben, ohne zu wissen das seine Mutter zur Zeit seiner Zeugung so voll gedröhnt war, das sie nicht einmal sagen konnte wer nun wirklich sein Vater war. Aus Angst jedoch auf der Strasse zu landen, oder gar schlimmeres erdulden zu müssen schwieg sie und gebar ein Kuckuckskind, welches den Lauf der Geschichte verändern sollte. War der eigentliche Vater doch genauso ein Taugenichts wie der Kuckucksvater und doch verbarg sein Blut ein einzigartiges Geheimnis. War er doch der letzte noch lebende Nachkomme Kasirs und gab das Erbe der Zauberei nichts ahnend an seinen Sohn weiter eh er volltrunken vor ein Auto lief.
So kam es das der Junge unwissend seiner Herkunft und seines Erbes einen Schulausflug ins Museum machte in dem gerade Anath verweilte und weiter zu Spekulationen antrieb. Statt jedoch nur zu staunen oder gar zu rätseln zog ihn der Sarkophag wie magisch an und dank eines kleines Kratzers, welcher einige Tropfen Blut forderte brach er unwissend den Jahrhunderte alten Zauber und erweckte Anath neu. Noch immer trunken von Rachlust und auf der Suche nach ihrem geliebten Bruder Baʿal stürzte sie hinaus in die ihre fremde Welt. Statt jedoch vor Schrecken zu erstarren bewies sie erneut warum sie eine Kriegsgöttin war und hinterliess eine Schneise aus Mord und Blut hinter sich, während die Nephilim unterstützt von Magnus Bane versuchten heraus zu finden wer mordend durch die Gassen zog und wie sie dem Dämon habhaft werden konnten. Stunde um Stunde, Tag um Tag, Nacht um Nacht steckten sie ihre Köpfe zusammen um das Rätsel zu lösen. Erst als Magnus Nate kennen lernte erkannte er die Zusammenhänge und fand schliesslich mit Tessas Hilfe die Legenden der Kriegergöttin Anaths und ihres Bruders Baʿals.
Dennoch brauchte es weitere Tage bis schliesslich ein ausgeklügelter Zauber entwickelt wurde, welcher Anath wieder in den Frieden des Schlafes schicken und gleichzeitig die Welt von ihrer Wut befreien würde. Doch selbst die Kräfte unseres Magnus sind beschränkt, so das er sich zwei Gehilfen zur Seite bat. Chiaki, einen unendlich Fragen stellenden Hexenmeister, sowie Nate, welcher der letzte seiner Blutlinie war. Zusammen mit der Hilfe der Nephilim und deren Technik schafften sie es endlich Anath zu stellen und erneut gefangen zu nehmen. Das Blut der beiden jungen Hexenmeister besiegelte den neu gewobenen Zauber, so das Anath sich erst wieder erheben würde, wenn beide Blutlinien sie erneut erwecken würden und das Unheil erneut auf die Welt losgelassen wird. Doch um dem vor zu beugen wurde der Sarkophag vom Gefährten des Hexenmeisters in die tiefen Unweiten Perus gebracht, fernab jedweder Zivilisation und beschützt von der dort ansässigen Hexenmeistergilde tief verborgen in der Erde.


Drei Tage war es nun her das sein Schatz samt seiner wertvollen Fracht aufgebrochen war und auch wenn er wusste das Morgen endlich ein Ende der unfreiwilligen Trennung in Sicht kam, so fiel dem Hexenmeister doch die Decke auf dem Kopf. War es nach all den Wochen des Trubels und der Aufregung vollkommen ruhig. Selbst die Menschen hatten sich wieder beruhigt und der Serienmörder, welcher Angst und Verzweiflung über Phönix brachte geriet im Trubel des Alltags langsam aber sicher in Vergessenheit. Einzig und allein er und einige ausgewählte andere Personen wussten was mordend tatsächlich die Strassen unsicher gemacht hatte. Das sie nebenbei auch noch einen weiteren Hexenmeister gefunden hatte, welcher ein grosses Potential besass war wohl der einzige Lichtblick und hatte ein klein wenig Licht ins Dunkel gebracht.
Nichts destotrotz vermisste er seinen Schatz und war es leid sich den ganzen Tag im Haus zu verschanzen. So amüsant der Vorsitzende und auch LaDiva waren, seinen Schatz konnten sie definitiv nicht ersetzen. So rappelte er sich auf und machte einen Termin bei einem seiner Lieblingsschneider. Immerhin wollte er hübsch aussehen wenn sein Schatz wieder kam und auch wenn sein Kleiderschrank schon aus allen Nähten platzte, so musste doch dringend etwas Neues her um ihn zu überraschen.
So verbrachte er Stunde um Stunde mit dem Schneider, liess sich dutzende von Stoffen und Schnitten vorlegen, verwarf Ideen und entwarf gleich darauf wieder neue, bis der perfekte Anzug endlich an Form annahm. Somit könnte man den Tag wohl als produktiv bezeichnen und er verliess mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen den Laden, nur um im nächsten Moment gegen jemanden zu prallen, welchen er hier niemals vermutet hätte.
Erstaunt und auch ein klein wenig amüsiert hob er die Augenbraue, während sein Blick über Crispin glitt. "Hast du dich etwa verlaufen ?" fragte er amüsiert nach, denn wie schon damals bei ihrer Begegnung trug er mal wieder eine Scheusslichkeit von Hoodie und Hosen die auch schon längst ihre besten Zeiten hinter sich hatten, falls sie solche überhaupt jemals gehabt hatten. "Nichts destotrotz freut es mich dich wieder zu sehen" fügte er noch hinzu, als ihm ein schon gut bekannter eisiger Blick traf, welcher wohl so manch anderen in die Flucht gejagt hätte. Doch derlei kannte er schon, so das er sich einfach nichts draus machte und es geflissentlich ignorierte. "Was treibt dich hier in diese Ecke ?" harkte er daher neugierig nach, eh er von dannen ziehen konnte.



( , , zur Info Cool )

Crispin Cipriano

Mit der eher noch wenig ausgeprägten Präzision eines Kindes versenkte Crispin die Schneide der Schere in dem dunklen Stoff, der vor ihm lag. Allzu große Genauigkeit war in diesem Fall aber auch gar nicht gefragt, denn er hatte nicht vor, etwas aus dem Stoff herauszuschneiden und damit womöglich etwas zu basteln. Sein Vorhaben bezog sich einzig und allein darauf, den Fetzen mit Löchern zu versehen - ganz egal wie groß oder klein diese wurden. Am Ende hätte jedes einzelne denselben Effekt: dass er den Anzug, der extra maßgeschneidert wurde, damit er perfekt saß, nicht tragen musste.
"Pino?", kam es fragend aus Richtung seiner Zimmertür, die sich kurz darauf öffnete. Erschrocken, da er glaubte, erwischt zu werden, rutschte er mit der Schere ab und traf einen seiner Finger, der ungünstig auf dem Stoff lag und sogleich zu bluten begann.
"Autsch", kam es nur von ihm anstatt auf seinen Bruder zu reagieren, der den Raum inzwischen betreten hatte. Für einen kurzen Moment war es still, bis er das Geräusch von sich schnell nähernden Schritten auf dem Teppichboden hörte und kurz darauf zwei Hände nach seiner griffen, an der er sich verletzt hatte.
"Bist du verletzt?"
"Das geht schon, Cyr. Es ist nicht so schlimm."
Ein dennoch leicht besorgter Blick traf ihn, bevor Cyrian nickte und zu dem kaputten Stück Stoff sah.
"Was machst du denn eigentlich?", kam die Frage und bevor Crispin überhaupt antworten konnte, weiteten sich die Augen seines Bruders, als er scheinbar ganz von alleine erkannte, um was es sich handelte.
"Ist das dein neuer Anzug?"
"Ja, was sonst? Ich hab absolut keine Lust, den zu tragen und wenn er kaputt ist, geht das auch nicht", erwiderte er trotzig und steckte sich anschließend den Finger in den Mund, der durch die Wunde noch immer blutete.
"Mom und Dad wird das absolut nicht gefallen."


Und genau so war es auch, wie sich Crispin daran erinnerte, während er auf die Anzüge starrte, die schon im Schaufenster zu sehen waren. Dass es seinen Eltern nicht gefiel war dabei noch weit untertrieben. Die Predigt, die er sich anhören durfte, klang ihm lange Zeit in den Ohren nach und auch seine Strafe hatte sich gewaschen. Schlussendlich war er um einen Anzug für die Veranstaltung, auf der er das neue und zu diesem Zeitpunkt zerstörte Exemplar tragen sollte, nicht drum herum gekommen. Man hatte ihn einfach in einen der älteren gesteckt, aus denen er langsam herausgewachsen war, sodass er sich nicht nur verkleidet sondern komplett eingeengt fühlte. Ab diesem Zeitpunkt hasste er diese Art der Kleidung noch mehr als vorher und dass er im Grunde selbst daran Schuld war, spielte dabei auch absolut keine Rolle.
Doch obwohl er sich seit seinem Dasein als Dämon geschworen hatte, nie wieder einen Anzug zu tragen, stand er nun hier vor einem Herrenausstatter und haderte mit sich, ob er nicht doch über seinen Schatten springen sollte - für die Person, die er über alles liebte. Vermutlich war es absolut kindisch, dass er sich so querstellte. Schließlich handelte es sich nur um ein Kleidungsstück. Einen Anzug zu tragen, war kein Weltuntergang.
All das wusste Crispin und trotzdem drängte ihn alles in ihm dazu, wieder zu gehen und die Idee zu begraben. August wäre ihm sicher nicht böse, wenn er ihn niemals in einem solchen Aufzug sah. Zwar konnte der Engel seine Abneigung nicht nachvollziehen und war der festen Überzeugung, dass er fantastisch darin aussehen würde, doch er zwang ihn auch nicht dazu. Ganz anders als seine Eltern und genau darin lag seine Ablehnung begründet. Für ihn war ein Anzug einfach ein Mittel seiner Familie, um ihn so zu formen, wie sie ihn haben wollten - so absurd das für andere auch klang.
Aus diesem Grund wollte er auch gerade auf dem Absatz kehrt machen und wieder verschwinden, auch wenn die Idee hartnäckig in seinem Hinterkopf saß und sich gegen seinen Abgang sträubte. So weit, auch nur einen Schritt zu machen, kam er allerdings nicht, als plötzlich jemand in ihn hineinrannte. Überrumpelt stolperte er einen Schritt vorwärts.
"Pass doch gefälligst auf, wo du hinrennst!", knurrte er und wandte sich zu der Person, der er den ungewollten Zusammenstoß zu verdanken hatte. Erstaunt weiteten sich seine Augen, als er Magnus erblickte. Mit dem Hexenmeister hatte er hier absolut nicht gerechnet und es dauert einen Moment, bis er seine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle hatte, auch wenn es bereits zu spät war, seine Überraschung zu verstecken oder sie auch nur zu überspielen.
"Ist es etwa verboten, sich hier aufzuhalten?!"
Von Freude seinerseits, den anderen wiederzusehen, konnte absolut keine Rede sein, weshalb er darauf nur abfällig schnaubte. Weder hatte er mit ihm gerechnet, noch hätte er ihn überhaupt sehen wollen. Schon gar nicht an einem Ort wie diesem, denn die Geschäfte und Boutiquen in der Mall waren weit entfernt von seinem sonst vor allem bequemen Kleidungsstils, der einen starken Kontrast zu den ausgefallenen Klamotten seines Gegenübers darstellte. Die Frage, warum er hier war, war somit vorherzusehen, doch er hatte absolut nicht vor, Magnus den wahren Grund dafür zu nennen. Zwar hatte er ihn bereits einmal aufgesucht und ihn einen kleinen Blick hinter seine sonst abweisende Fassade werfen lassen, doch das änderte nichts daran, dass ihn der Glitzer-Hexenmeister sonst eher nervte.
"Ich wüsste nicht, was dich das angeht! Steck deine Nase am besten einfach in deinen eigenen Kram!", murrte Crispin und schob die Hände tiefer in die Bauchtasche seines Hoodies, darauf hoffend, dass Magnus nicht eins und eins zusammenzählte und von selbst darauf kam, dass er mit dem Gedanken spielte, in denselben Laden hineinzugehen, aus dem der andere gerade erst gekommen war.
Kleidung war schon immer eine Leidenschaft von ihm gewesen. Schon in jungen Jahren erkannte er das Kleider Leute machten und man damit die verschiedensten Effekte hervor rufen konnte.
Nutzte er sie Anfangs doch nur dafür um seine Herkunft zu verschleiern und sich trotz seiner jungen Jahre als Mann von Welt dar zu stellen um potentielle Kunden an zu locken und ihre Geldbörse zu erleichtern. Ein mehr als nur lukratives Geschäft, welches ihm immer mehr Geld einbrachte und ihn schnell in die höhere Gesellschaft aufstiegen liess. Ein Aufstieg der unzertrennlich mit seiner Kleidung verbunden war. Wurde Macht, Reichtum, ja gar Status und auch die Reinheit des Blutes über eben diese zum Ausdruck gebracht und auch wenn er heutzutage nicht selten belächelt wurde, so war er diesen Jahrhunderten doch nie vollkommen entwachsen, geschweige denn das er diesen entwachsen wollte.
Kam es doch geradezu einem Ritual gleich den Kleiderschrank jeden Morgen zu stöbern und bis aufs kleinste Detail alles aufeinander ab zu stimmen. Gab es doch nicht den kleinsten Manschettenknopf, keine Kette, kein Ring, ja nicht einmal eine scheinbar verirrte Strähne, welche nicht penibel in Szene gesetzt wurde um das spätere Gesamtbild zu vervollkommnen.
Als Verkleidung würde er all dies dennoch nicht bezeichnen, vielmehr als eine zur Schau getragene Rüstung, welche das oftmals doch sensible und hilfsbereite Herz des Hexenmeisters schützen sollte. Hatte er doch schnell fest gestellt das seine oftmals schrillen Outfits nicht nur für Blicke und Getuschel sorgten. Vielmehr sorgten sie dafür das oftmals nach einem kurzen ersten Blick kein weiterer mehr verschwendet wurde. Viel zu einfach war es doch Jemanden mit einem ersten Blick zu verurteilen und ihn in eine Schublade zu stecken, statt sich wirklich die Mühe zu machen hinter die Fassade zu schaffen und heraus zu finden was all dies zu bedeuten hatte. So lernte er vollkommen unerkannt innerhalb der Massen zu verschwinden, doch nicht als Schatten, sondern vielmehr als schriller Vogel, welcher immer im Mittelpunkt stand und sich scheinbar nie mehr Gedanken machte als um das nächste Fest oder den besten Champagner oder welche Haute Couture gerade am meisten in der presse zerrissen wurde.
So wurde die Kleidung zu einem Mittel, welches einem bestimmten Zweck herbei führte statt einfach nur eine sinnlose Anschaffung zu sein. Nun gut, Alec würde da wahrscheinlich mal wieder vehement widersprechen. Hatte er doch noch immer nicht vollkommen verstanden welche Macht ihm diese Inszenierungen verschaffte und auch wenn sie ihnen hier und dort immer wieder von Vorteil waren, so war es wohl immer noch ein Mysterium für ihn. War es doch mittlerweile nicht nur zu einem Ritual geworden, sondern vielmehr eine Selbstverständlichkeit auf die er nicht einmal am Wochenende verzichtete oder wenn sie privat unterwegs waren. So war es schon fast als Rarität zu bezeichnen wenn man ihn tatsächlich in einer Jogginghose antraf, oder schlimmer noch vollkommen ungeschminkt sein wahres Gesicht zur Show zu stellen.
So hegte und pflegte er seine Garderobe wie einen kostbaren Schatz, welche sie definitiv dar stellte, und konnte einfach nicht davon ab lassen immer wieder etwas neues zu kaufen, auch wenn die Schränke schon bald aus sämtlichen Nähten platzten. Das Beste war gerade gut genug und wenn man wirklich noch auf Qualität und kompetente Beratung Wert legte, so war das Haus Meiers schon seit Jahrzehnten DIE Adresse für maßgeschneiderte Anzüge, wie man sie sonst nirgendwo finden konnte. Das er nur selten hier her kam war verständlich. War der Betrieb doch schon seit Jahrzehnten in Familienhänden, so das er tunlichst darauf aufpassen musste sich nicht irgendwann selbst zu verraten indem er zu oft vorbei schaute und das schlimmstenfalls noch in jeder Generation. Doch seit seinem letzten Besuch war eine ganze Generation geboren und wieder verstorben und er freute sich auf den Luxus, welcher selbst heute noch immer beibehalten wurde und ihn nicht im mindestens mit der Wimper zucken liess bei den alles andere als kleinen Preisen. Qualität hatte nun einmal ihren Preis und diesen war er mehr als nur bereit zu zahlen.
Somit konnte man den Ausflug geradezu als gelungen bezeichnen. Schwelgte er doch noch immer leicht schmunzelnd in Gedanken der Vergangenheit hinterher, so das er gar nicht sah in wen er da hinein stolperte. Eigentlich lag ihm schon fast eine Entschuldigung auf der Zunge, bis ihm dämmerte warum ihm diese Stimme so bekannt vor kam. Kam das Geknurre doch von keinem anderen als Crispin, oder wie er ihn in seinen Gedanken gerne nannte vom kleinen Babystachelschwein. Wahrscheinlich der Letzte Mensch mit dem er hier gerechnet hatte und seinem mehr als nur erstauntem Blick nach zu urteilen ging es ihm wohl genauso. War seit ihrer letzten Begegnung, oder vielmehr seinem Überfall am Morgen einige Zeit ins Land gestrichen und auch wenn er hin und wieder kurz an ihn gedacht hatte, so hatte er doch vermutet gehabt das er die Stadt verlassen oder die Antwort auf seine Frage allein gefunden hatte.
„Überaus charmant und liebenswürdig wie eh und je“ zog er ihn amüsiert auf als er mal wieder seine Krallen ausfuhr und ihn weiter anfuhr. Scheinbar sollte es wohl abschrecken, doch da war er an den vollkommen Falschen geraten. War er selbst doch ein Meister darin andere Leute von sich fern zu halten und auch wenn sie auf vollkommen anderen Art und Weisen agierten, so waren sie sich auf den Punkt reduziert sehr viel ähnlicher als ihnen wohl beiden behagen würde. Zeit darüber nach zu denken nahm er sich jedoch nicht, sondern erfasste in Sekundenschnelle die Lage und zählte eins und eins zusammen. „Wenn du zu Meiers willst werde ich dich wohl enttäuschen müssen“ klärte er ihn vollkommen neutral auf, auch wenn er sich innerlich frohlockend die Hände rieb. „Sie sind schon seit Jahrzehnten die Adresse für maßgeschneiderte Anzüge und im Gegenzug zu all diesen modernen Läden die nur Müll verkaufen und einfach alles und jeden rein lassen nehmen sie nur Kunden mit Termin an.“ Klärte er ihn vollkommen ruhig auf, auch wenn er sich eine kurze Musterung nicht ganz verkneifen konnte. Natürlich fiel er mit einem komischen Schlabberpulli und schlimmer noch den löchrigen Hosen schnell durch die Zensur und den Look welchen Kunden hatten die normalerweise hier her kamen. „Da ich nicht davon ausgehe das du einen Termin hast, geschweige denn das du ihnen empfohlen worden bist hast du tatsächlich Glück“ setzte er fort und grinste plötzlich schelmisch „Ich war heute sehr viel schneller als erwartet und da ich die Familie schon seit Anfang an sponsere werden sie sicherlich nichts gegen einen weiteren Kunden haben, welcher von mir gebracht wurde“ tat er ihm seinen Gedanken kund und liess ihm nicht eine Sekunde Zeit zu reagieren, oder besser noch mal wieder herum zu giften. Stattdessen zog er die Tür einfach wieder auf und schob ihn in den kleinen Laden, welcher immer noch im 20.Jahrhundert stecken geblieben zu schien. Massenweise Kleiderstangen und zig Regale erwartete man hier vergeblich. Standen vielmehr hier und dort kleine Stühle samt Beistelltischlein herum und unterteilten zusammen mit verschiedenen Paravents den Raum ohne ihn unnütze voll zu stellen oder gar den Raum wie kleine Kaninchenkäfige wirken zu lassen.
„Pass auf das du dich nicht verplapperst“ raunte er ihm noch schnell zu, als auch schon eine der Mädchen die entdeckten. Kurz verdutzt drein schauend, da er doch so eben erst gegangen war eilten sie strahlend auf sie zu, seine neue Begleitung genau unter die Lupe nehmend.

"Mister Santiago, so schnell hätten wir sie nicht zurück erwartet. Haben sie etwas vergessen oder wünschen sie noch etwas ?" fragten sie neugierig und hilfsbereit nach, hin und her gerissen zwischen seiner Erscheinung und dem seines Begleiters. "Wie es der Zufall will habe ich eine Bekannten von mir getroffen und nachdem ich ihm schon so oft von ihnen vorgeschwärmt habe wollte er sie unbedingt auch kennen lernen und schauen ob sich nicht etwas für ihn finden lässt" beschwichtigte er sie und lächelte sie freundlich an, darauf hoffend das Crispin nicht gleich im hohen Bogen wieder hier heraus stolzierte, oder schlimmer noch einen Anfall bekam. Mit beidem musste er rechnen und doch hoffte er das die ruhige und nette Art der Bedienung half das er sich wenigstens nach aussen hin scheinbar entspannte und tatsächlich beraten liess. War er doch sicherlich nicht aus Langeweile hier her gelaufen.

Crispin Cipriano

Kleider machen Leute.
Oft hatte er sich genau diesen Satz in den Predigten seiner Eltern anhören dürfen - erst als Kind, wenn er den für ihn ausgesuchten und maßgeschneiderten Anzug beim nächsten Geschäftsessen oder der bevorstehenden Vernissage, die von den beiden gesponsert wurde, obwohl die Bilder und Skulpturen, die dort als Kunst präsentiert wurden, einfach grauenhaft waren, partout nicht tragen wollte oder später als Jugendlicher, wenn er bei einem wichtigen Anlass, zu dem sie eingeladen waren, doch einmal auftauchte und dabei äußerlich in seinen abgewetzten Jeans und den löchrigen oder viel zu weiten Pullis vollkommen aus dem Rahmen fiel. Immer und immer wieder hatten sie versucht, ihm klarzumachen, dass er sich mit dem, was er trug, anderen gegenüber selbst präsentierte. Vielmehr ging es ihnen aber wohl darum, welchen Eindruck die anderen Gäste von der gesamten Familie und vor allem von ihnen als Eltern hatten, wenn er aussah, als hätte er die Klamotten im Altkleidercontainer gefunden. Und genau das war einer der Gründe, warum es ihm vollkommen egal war, was sie zu ihm sagten und wie oft und wie sehr sie sich über seinen Kleidungsstil beschwerten.
Selbst wenn er die Anzüge nicht hassen würde, weil er sich darin verkleidet und unwohl fühlte, wenn er sie hätte akzeptieren können, wie es sein Bruder getan hatte, hätte er sie dennoch nicht getragen. Aus purem Trotz. In den Augen der meisten Personen mochte das absolut kindisch wirken, vor allem da er auch heute noch dieser Meinung war, doch warum sollte er sich den Regeln und der Etikette von Leuten unterwerfen, die wirklich nur aufs Äußere achteten und sich - auf seine Eltern bezogen - nicht einmal die Frage stellten, warum er all das tat? Warum er gegen ihre Vorschriften rebellierte, ihre Ansagen missachtete und schon aus Prinzip immer genau das machte, was man nicht von ihm wollte, dass er es tat?
Die wenigsten würden es verstehen, selbst dann, wenn er sich die Mühe machen würde, es ihnen zu erklären und auch wenn Magnus bereits mehr von seinem wahren Ich gesehen hatte, als die meisten anderen, glaubte er auch bei ihm nicht daran, dass er es verstehen würde. Dafür passte er viel zu sehr in die Gruppe von Leuten, die besonders viel Wert auf ihre öffentliche Wahrnehmung legten. Daran, dass man diesen Kleidungsstil auch als Schutz vor der Gesellschaft nutzen konnte, dachte er dabei nicht, denn besonders im Fall des Hexenmeisters empfand er es doch als sehr kontraproduktiv, wie ein Paradiesvogel in der Masse aufzufallen - so wie er es im gleichen Maße tat, nur eben in negativer Hinsicht. Zudem würde er diese Taktik persönlich auch nicht nutzen, denn wenn er dies täte, gäbe er seinen Eltern indirekt recht, wenn sie ihm sagten, dass Kleider Leute machten und einen Einfluss darauf hatten, wie andere einen wahrnahmen. Dass vor allem Letzteres der Wahrheit entsprach, erlebte er besonders damals immer wieder und es war auch nicht so, dass er es niemandem gönnte, recht zu haben, wenn dies der Fall war. Nur waren gerade seine Eltern die letzten, denen er dies zugestehen wollte, selbst wenn sie es nicht mitbekamen.
Die Tatsache, dass er sich am heutigen Tag entschied, doch einen Anzug zu tragen, stand seiner Meinung im Grunde vollkommen entgegen, doch was tat man nicht alles für die Person, die man liebte? Dass er dafür ausgerechnet ein Geschäft aufsuchte, in das auch seine Eltern gehen würden, wenn sie ihren Haus- und Hofschneider nicht hätten, dem sie seit jeher die Treue hielten, war bei seinem Vorhaben schon sehr viel weniger gut zu erklären, da er sonst keinen Wert darauf legte, dass seine Kleidung in den Augen anderer reine Luxusware wäre. Lediglich bei seinen Schuhen bevorzugte er eine ganz bestimmte Marke, die gegenüber dem, was andere in der Oberschicht trugen aber noch immer günstig waren. Doch wenn er sich schon in einen Anzug zwängte, um August damit zu überraschen, dann wollte er den größtmöglichen Komfort darin, den er haben konnte - egal wie schwierig das in seinem Fall auch wäre.
Schwierig war auch etwas anderes: Die Erklärung Magnus gegenüber, warum er hier war, ohne dabei zu offenbaren, dass er vorhatte, sich einen Anzug zu kaufen und dabei einen der teuersten Schneider der Stadt im Auge hatte, da er den, den seine Familie für gewöhnlich aufsuchte, dafür selbst nicht in Betracht ziehen konnte und das aus den unterschiedlichsten Gründen. Allerdings kam er auch gar nicht so weit, sich überhaupt etwas einfallen zu lassen, wie er seine Anwesenheit in der Mall begründen sollte, denn der Hexenmeister zeigte sich geschickt darin, die Situation zu erfassen und die richtigen Schlüsse zu ziehen.
"Ich weiß sehr wohl, was das für ein Laden ist. Dafür brauche ich dich nicht als Oberlehrer, der mir das genauestens unter die Nase reibt", knurrte er und verschwieg dabei, dass er zwar wusste, dass der Familienbetrieb exquisite Anzüge schneiderte, aber keine Ahnung davon hatte, dass sie nur Kunden bedienten, die auch einen Termin hatten. Nachdem er seinen Entschluss gefasst hatte, wollte er keine Zeit damit verschwenden, genauer darüber zu recherchieren, wie das Geschäft dies handhabte, um zu vermeiden, dass er es sich doch noch einmal anders überlegte. Genauer betrachtet, hätte es ihm aber wohl klar sein müssen, denn auch der Familienschneider nahm niemanden ohne Termin oder den nötigen langjährigen und guten Kontakt zum Inhaber dran.
Am Rande bemerkte er Magnus' Blick, der über ihn wanderte, an seinem Hoodie und seinen Jeans hängen blieb - beides Kleidungsstücke, die Kunden eines solchen Ladens für gewöhnlich nicht trugen. Der Blick alleine reichte aber schon aus, um ihm ein Grummeln zu entlocken.
"Nicht jeder ist in den Farb- und Glitzertopf gefallen wie du", knurrte er leise vor sich hin und überlegte bereits, wo er nun schnell genug an einen Anzug kam, ohne auf Ware von der Stange zurückgreifen zu müssen - ein Gedanke, der ihm für den Moment einen kalten Schauer über den Rücken jagte, weil er seiner sonstigen Haltung komplett widersprach.
So weit, sich einen Plan B zu überlegen, kam er aber nicht, als der Hexenmeister ihm bereits einen präsentierte. Verwirrt sah er ihn an, wollte schon protestieren, als ihm die Bedeutung der Worte bewusst wurde, dass er keine Hilfe brauchte und das auch alleine hinbekam, doch Magnus ließ ihm keine Chance dazu. Ohne rechtzeitig Abstand zwischen sie bringen zu können, wurde er einfach mit und in den Laden geschleift.
"Fass mich gefälligst nicht an, du Idiot!", knurrte er erneut, jedoch leiser, als noch kurz zuvor vor der Tür, gefolgt von einem abfälligen Schnauben, als er ihn darauf hinwies, sich nicht zu verplappern. Die Worte, die ihm bereits als Entgegnung auf der Zunge lagen, blieben auch da, anstatt ihren Weg nach draußen zu finden, als eine der Angestellten auf sie zu kam - offensichtlich verwirrt darüber, Magnus erneut zu sehen. Der Blick, mit dem sie ihn musterte, sprach ebenfalls Bände. Er kannte ihn gut genug und es gab auch keine Ausreden für den überraschten und leicht abschätzigen Ausdruck in den Augen, der deutlich machte, dass man mit jemandem wie ihm hier nicht gerechnet hatte und der ihm direkt das Gefühl vermittelte, dass er hier auch nicht erwünscht war.
"Wenn die auch nur ein falsches Wort sagt, bin ich wieder weg", murrte er leise auf italienisch, denn auch wenn er es hasste, dass ihm der Hexenmeister die Entscheidung, hier hineinzugehen, abgenommen hatte, so war ein kleiner Teil von ihm doch froh darüber, dass er nun hier war. Hätte er sich einen anderen Schneider suchen müssen, hätte er die ganze Sache vermutlich eher abgeblasen. Und auch wenn es ihn auf einer Seite davor graute, in einen Anzug zu schlüpfen, war der Blick, den er dadurch von August bei seiner Rückkehr geschenkt bekommen würde, all das wert. Zumindest einmal.
Nur aus diesem Grund und weil er sich die Reaktion seines Freundes bereits in seinem Kopf ausmalte, ließ er auch die Lüge des anderen, er hätte ihm schon so oft von dem Laden vorgeschwärmt, als wären sie Best Buddies, ohne ein Grummeln so stehen. Crispin schob dennoch die Hände in die Bauchtasche seines Hoodies, denn nur weil andere glaubten, dass diese Art der Kleidung besser auf dem Müll aufgehoben war als am Körper einer Person, konnte er dennoch zeigen, dass er sich darin wohlfühlte.
"Ich kann Ihre Preise übrigens bezahlen, falls Sie daran Zweifel haben sollten", ließ er sich dennoch nicht nehmen, zu sagen, denn er wusste, dass man genau das jemandem wie ihm in dieser Erscheinung nicht wirklich zutraute. Nur war das mal wieder einer der Punkte, in denen sich zeigte, wie oberflächlich andere eigentlich waren. Doch nur weil man mehr Geld besaß, als man im Grunde brauchte, hieß das nicht, dass man dieses ständig in völlig überteuerte Dinge investieren musste, nur um seinen Reichtum auch noch nach außen hin zu zeigen.
Es war einmal ein Kaiser, dem war es sehr wichtig immer hübsch und ordentlich auszusehen. Er wollte nur die schönsten Kleider besitzen und sich darin seinem Volk zeigen. Eines Tages jedoch kamen zwei Betrüger in die Stadt. Sie versprachen dem Kaiser ganz besondere Kleider. Menschen, die dumm oder nicht gut genug für ihr Amt waren, sollten diese Kleider nicht sehen können.
Der Kaiser glaubte den Betrügern und war begeistert von der Idee. Er gab ihnen viel Geld und sie begannen, die Kleider zu schneidern. Sie stellten zwei Webstühle auf und taten so, als ob sie arbeiten würden. In Wahrheit aber taten sie gar nichts.
Der Kaiser wollte die Wirkung der Kleider testen. Er schickte einen ehrlichen Minister zu den Betrügern. Die Betrüger erzählten dem Minister wie toll die Kleider schon seien. Sie zeigten in die Luft und erklärten die Muster auf dem Stoff. Der Minister konnte natürlich nichts sehen, denn die Betrüger hatten nichts genäht. Das behielt er aber für sich. Denn sonst wüssten ja alle, dass er dumm wäre. Der Minister lobte die Kleider der Betrüger und berichtete dem Kaiser von der tollen Arbeit.
Die Betrüger verlangten nimmer mehr Geld und steckten sich alles in die eigene Tasche. Genauso erging es auch allen anderen Männern, die der Kaiser zu den Betrügern schickte. Auch er selber konnte die Kleider nicht sehen, war aber zu stolz, um es zuzugeben.
So kam es, dass der Kaiser seine neuen Kleider bei einem großen Festumzug tragen wollte. Er legte all seine Kleider ab und ließ sich von den Betrügern in die neuen Kleider hinein helfen. Er drehte sich vor dem Spiegel und alle waren begeistert.
So trat der Kaiser schließlich vor sein Volk. Alle wussten davon, wie besonders die Kleider waren. Deswegen traute sich niemand, zu sagen, dass sie die Kleider nicht sehen konnten.
Nur ein kleines Mädchen rief auf einmal „Aber er hat ja nichts an!“ Und da fingen auf einmal alle an, sich zu wundern. Und bald stimmte das ganze Volk mit ein. Da ging auch dem Kaiser ein Licht auf und er erkannte, dass die Menschen Recht hatten. Trotzdem entschied er sich, den ganzen Festumzug lang durchzuhalten, auch ohne seine neuen Kleider!

Eine uralte Geschichte, welche Magnus selbst heute noch zum schmunzeln brachte. Zeigte sie doch deutlich, das die Masse oft nur das sah, was man ihnen preis gab. Gönnten sie ihrem Gegenüber doch oft nur einen Blick und massten sich dann an, sich ein Urteil über denjenigen bilden zu können. Liessen sie sich doch von Prunk und einem falschen Schein beruhigen, statt sich tatsächlich die Mühe zu machen hinter die Fassade zu schauen und das wirkliche "Ich" zu ergründen, welches hinter all dem Stoff und dem Glitzern der Edelsteine verborgen war. Ein Verhalten, welches er im Laufe der Jahrhunderte gut zu nutzen wusste und daraus geradezu eine Königsdisziplin erschuf. Anfang eher als Mittel zum Zweck, um reiche Kunden von seinem wahren Alter ab zu lenken und ihnen so das Geld aus ihren Beuteln zu locken. Später hingegen um sich selbst zu schützen und den eigentlich sensiblen Kern seines Selbst zu verstecken. So waren sich die beiden, so unterschiedlich sie auf den ersten Blick auch wirkten, sehr viel ähnlicher, als sie wohl zugeben würden. Der exzentrische und scheinbar selbstverliebte Hexenmeister und ihm gegenüber, den scheinbar heruntergekommenen Stadtschleicher, der sich um nichts und niemanden scherte. Nichts als pure Fassaden, um sich selbst zu schützen und der Punkt, welcher dafür sorgte, das er Cris wohl besser verstand, als dieser ahnte. Zudem ein Grund, warum er ihm erst gar nicht die Zeit liess, sich irgendwelche Ausreden parat zu legen. Würde er doch niemals freiwillig zugeben, das er mit Absicht hier war und noch sehr viel weniger, das er vielleicht ein klein wenig Hilfe brauchte. Immerhin standen sie hier nicht vor einem der zahlreichen Discounter, die einfach alles und jeden herein liessen. Vielmehr war es DIE Adresse, wenn man einen perfekten Anzug wollte, welcher aus bester Qualität bestand und tatsächlich so sass, wie er sollte.
Natürlich könnte man es als dreist und unfair bezeichnen, als er ihn einfach schnappte und in den Laden schob und doch zeigte seine Erfahrung das Crispin alles andere als einfach war und ab und an ein sanfter Schubs nicht schadet. Nun gut, sanft war der Schubs nicht, sondern vielmehr ein Schieben, da er ihn vollkommen überrumpelt hatte. Daher ignorierte er auch einfach seine bissigen Kommentare, waren diese doch fast noch harmlos und tief in seinem Inneren wusste er, das er es kaum so schrecklich meinte, wie die Worte klangen. "Du kannst herum zetern wie du willst" antwortete er amüsiert auf italienisch und funkelte ihn herausfordernd an "bestenfalls in italienisch weil im Gegensatz zu mir werden sie dich nicht verstehen" konterte er vollkommen ruhig und gelassen, dennoch vorsichtshalber den Fluchtweg ein wenig blockierend. Sah er doch wie ein in die Ecke gedrängtes Tier aus, welches jederzeit zur Attacke überging und dies wollte er den Angestellten nun wirklich nicht antun. Nicht weil er sie unheimlich liebte, oder sie ihnen am Herzen lagen, vielmehr wären sie einfach nur hilflose Bauern, welche in einem Schachzug ohne Gewissensbisse geopfert wurden und das hatten sie nun wirklich nicht verdient. Schliesslich war er derjenige, welcher ihn hier hinein geschoben hatte und somit sollte, falls es denn wirklich nötig war, seine Wut auch ihn treffen und nicht sie. "Sie sind wirklich gut, auch wenn ihre Moral wohl einiges zu wünschen übrig lässt" schob er noch hinterher, da ihm der fast schon abfällige Blick nicht entgangen war, mit welchem er gemustert wurde. Peinlich berührt bemerkte er, das er vor wenigen Blicken selbst solch einen Blick über ihn hatte streifen lassen. So viel also zur Moralpredigt, wo er sich eigentlich selbst an die Nase hätte fassen müssen. Eine Entschuldigung sparte er sich jedoch, da diese wohl kaum angenommen wurde und lenkte stattdessen den Blick der Verkäuferin auf sich, indem er einfach in ihre Blickrichtung ging und ihn so aus dem Kreuzfeuer nahm. "Wir suchen einen Anzug, welcher seine Vorzüge unterstreicht" wies er sie an und legte kurz seine Stirn in Falten. "Etwas, was ihn nicht vollkommen verändert, sondern vielleicht sogar den Rebellen ein wenig unterstreicht und zwischendrin auch einzeln bei weniger förmlichen Angelegenheiten zu einer Jeans kombiniert werden kann und somit eher als lässig durch geht." Wies er sie schliesslich an und hoffte das er so in etwa seine Idee getroffen hatte. Ging er doch nicht wirklich davon aus, das Cris ab nun ständig in einen Anzug herum laufen würde und doch empfand er es als Verschwendung, wenn er ihn nur einmal tragen und dieser danach im Schrank versauern würde. Erst jetzt drehte er sich wieder zu ihm herum und schenkte ihm ein kleines Lächeln. "Ich schätze mal, das ist in etwa das, was du dir gedacht hast" meinte er, wieder vollkommen flüssig ins italienisch wechselnd. "Und wenn du deine Wut auslassen willst, dann doch bitte an mich. Schliesslich hab ich dir einfach die Entscheidung abgenommen, ohne dich nach deinen Wünschen zu fragen" setzte er noch hinzu und hoffte das er den Versuch einer Entschuldigung annahm.

Crispin Cipriano

Crispin war niemand, der gerne um Hilfe fragte oder gar darum bat. Er versuchte lieber selbst Wege für die Hindernisse zu finden, die ihm das Leben nur allzu gerne vor die Füße legte, auch wenn er wusste, dass es dadurch schwieriger wurde und länger dauerte, bis eines aus dem Weg geräumt war. Hinterher geriet er allerdings auch nicht in die Verlegenheit, der anderen Person etwas schuldig zu sein oder sich bedanken zu müssen, was er auch bei Magnus nicht vorhatte zu tun, egal ob dieser es verlangte oder sich erhoffte.
Dabei war es nicht einmal so, dass er es generell ablehnte, wenn ihm jemand unter die Arme griff. Er wusste, dass es sich gut und richtig anfühlen konnte, wenn man bei Schwierigkeiten nicht alleine da stand und es jemanden gab, der sich in so mancher Situation um einen kümmerte. Früher hatte Cyrian diese Rolle bei ihm eingenommen. Sein großer Bruder war damals die einzige Person, bei der er lange Zeit nie Probleme damit hatte, Hilfe anzunehmen. Hilfe nach der er nicht einmal fragen musste, da Ihre Verbindung tief genug ging, dass der andere wusste, wann er sie brauchte. Damals hätte er niemals geglaubt, dass es irgendwann einmal anders sein würde. Alleine sich vorzustellen, das Miteinander mit dem anderen könnte sich verändern und sich sogar derart verschlechtern, dass sie kein normales Wort mehr wechseln konnten, war unmöglich und doch war es genauso gekommen.
Für kurze Zeit stand er somit wirklich vollkommen alleine da. Es gab niemanden, der für ihn da war, denn die Personen, mit denen er im Allgemeinen zu tun hatte, gehörten alle der Oberschicht an, die ihm zumeist schon vom ersten Moment an unsympathisch waren. Aus diesem Grund hatte er gelernt, seine Probleme selbst zu lösen, anstatt andere zu fragen, ob sie ihm helfen konnten. Erst als er August begegnete und merkte, dass dieser sich um ihn kümmerte - selbst wenn es anfangs nur deshalb war, weil es zu seinem Job gehörte - änderte sich seine Einstellung wieder. Der Teil von ihm, der sich immer nach ehrlicher Aufmerksamkeit und Fürsorge sehnte, fand beides in dem Engel und es fiel ihm weder schwer noch war es ihm unangenehm, den anderen um Hilfe zu bitten, wenn es wirklich nötig war, denn die Zeit, die sie bereits zusammen verbracht hatten, hatte gezeigt, dass sie gemeinsam alles schaffen konnten und ein Danke kam ihm bei seinem Freund ebenfalls weit leichter über die Lippen als bei jedem anderen.
Was die Suche nach einem passenden und auch optisch ansprechenden Anzug betraf, mit dem er seine bessere Hälfte überraschen wollte, musste er sich nun jedoch mehr oder weniger auf Leute verlassen, die er nicht kannte und denen er nur bedingt vertraute - oder besser gesagt - vertrauen musste - Magnus inbegriffen, den man höchstens als entfernten Bekannten bezeichnen konnte. Diesem wollte er auch schon klar machen, dass er sich bei ihm keinesfalls bedanken oder revanchieren würde, selbst wenn er ihn davor bewahrte, sich einen neuen Schneider suchen zu müssen und das nicht nur weil er ihn regelrecht mitgeschleift hatte. Bevor er jedoch dazu kam, auch nur den Mund zu öffnen, überrumpelte ihn der andere ein weiteres Mal, indem er ihm flüssig auf italienisch antwortete. Eine Tatsache, mit der er nicht gerechnet hatte, auch wenn er sich denken konnte, dass jemand wie Magnus vermutlich auf der Welt weit herumgekommen war - nicht zuletzt, weil das überdurchschnittlich lange Leben einen mehr oder weniger dazu zwang, in regelmäßigen Abständen, seinen Wohnort zu wechseln. Dennoch hatte er nicht erwartet, dass der Hexenmeister dieser Sprache mächtig war, da es unzählige auf der Welt gab.
Um sich seine Überraschung darüber nicht allzu sehr anmerken zu lassen, schnaubte er bei Magnus' Worten und der Tatsache, dass dieser sich ein Stück zur Tür bewegte, als wollte er verhindern, dass er einfach wieder verschwand.
"Ich lasse mir von dir sicher nicht vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe!", murrte er weiter auf italienisch, auch wenn er sich somit mehr oder weniger an diese Anweisung hielt. Allerdings wollte er sich trotz der Umstände, wie er in das Geschäft gekommen war und welche Gesellschaft er dabei hatte, nicht die Chance verbauen, hier das zu bekommen, wofür er gekommen war. "Das haben schon ganz andere versucht und sind dabei auf ganzer Linie gescheitert! Und glaub auch nicht, das du hinterher hierfür ein Danke zu hören bekommst. Darauf kannst du genauso lange warten!", fügte er noch hinzu, um dem anderen dies direkt klar zu machen.
Sein Vorhaben, hier einen Anzug zu kaufen, geriet jedoch recht schnell wieder ins Stocken, als er den Blick der Angestellten sah, den sie über ihn gleiten ließ. Man sollte meinen, dass er sich daran gewöhnt hatte und im Prinzip hatte er das auch. Im Grunde erwartete er schon nichts anderes mehr, doch nur weil er bereits wusste, wie man ihn wahrnahm, hieß es nicht, dass er tief in seinem Inneren nicht doch immer noch darauf hoffte, dass es einmal anders war und leicht verletzt war, wenn seine Hoffnung darauf wieder einmal mit nur einem einzigen Blick zunichte gemacht wurde. Crispin ballte die Hände in der Tasche seines Hoodies zu Fäusten und war schon drauf und dran, seinen Plan doch wieder über den Haufen zu werfen und zu verschwinden, als Magnus erneut das Wort an ihn richtete - wohl in der Hoffnung ihn damit ein wenig zu besänftigen.
"Ist ja nicht so, dass ich das nicht kenne", grummelte er und dachte daran, dass diese Oberflächlichkeit schon durch den Kundenstamm in diesen Laden getragen wurde und über kurz oder lang eben auch an den Angestellten haften blieb. Doch obwohl er dies wusste, hatte er alle Mühe, sich einen weiteren Kommentar zu verkneifen, nachdem er bereits klar gemacht hatte, dass er durchaus in der Lage war, zu bezahlen. Für die Angestellte reichte es jedoch, um ertappt zusammenzuzucken und sich anschließend Magnus' Erklärung anzuhören, weshalb sie da waren und wonach gesucht wurde. Crispin warf ihm dabei einen säuerlichen Blick zu. Nicht unbedingt weil die Beschreibung vollkommen daneben war, sondern eher, weil es so wirkte, als könnte er das nicht alleine in Worte fassen.
"Ich kann übrigens für mich selbst reden und brauche dafür niemanden, der das übernimmt!", grummelte er erneut so, dass es die Mitarbeiterin nicht verstand, die daraufhin irritiert in seine Richtung sah. In einer Stadt wie Phoenix musste man damit rechnen, auf Individuen zu treffen, die mehr als nur englisch beherrschten, aber seine Konstellation aus asiatischem Äußeren und fließendem italienisch war wohl selbst für Bewohner einer solchen Großstadt eher selten. Schnell fing sie sich jedoch wieder und lächelte erst ihn und dann Magnus an.
"Ich werde mal bei unseren Farbmustern schauen, ob ich etwas passendes finde. Bitte setzen Sie sich doch solange", gab sie von sich und deutete auf eine gemütliche Sitzecke, die von der Tür und dem Schaufenster aus nicht direkt einsehbar war, um den Kunden schon bei der Auswahl der Stoffe genug Privatssphäre zu bieten. "Möchten Sie vielleicht etwas Trinken?"
"Ich verzichte…", antwortete er schneller, als es Magnus hätte tun können und machte sich auf den Weg zu der kleinen Sitzecke, wo er es sich auf einem der bequem gepolsterten Stühle gemütlich machte. Crispin wusste, was es in solchen Geschäften zu trinken gab: Kaffee, Wasser, Tee und für die ganz verwöhnten Mitglieder der gut betuchten Gesellschaft auch gerne ein Glas Champagner. All das war nichts, was er nehmen würde, weshalb er das Angebot lieber ablehnte. Zudem wollte er hier nicht übernachten oder allzu viel Zeit verbringen.
Das Cris nicht gerade der Typ war, der gerne um Hilfe bot und oft ewig brauchte bis er mit der Sprache heraus rückte, war ihm nichts unbekanntes mehr. Hielt er es doch schon seit ihrer ersten Begegnung so und so wie er ihn einschätzte, würde sich das ganze so schnell auch nicht ändern. Dennoch konnte er ihn nicht einfach so stehen lassen, auch wenn es vielleicht auf den ersten Blick verführerisch war. Schliesslich war der Umgang mit ihm nicht wirklich leicht, von den ganzen Sticheleien mal ganz abgesehen. Nichts destotrotz wusste er wann Hilfe angebracht war und ob er nun wollte oder nicht, er würde ihm helfen. Daher schmunzelte er auch nur leicht als er fast wie auf Kommando anfing herum zu zetern und somit jedem Spatz gewaltig Konkurrenz machte.
"Na wie gut das ich absolut kein Dank erwarte, denn die Ewigkeit kann verdammt lang sein" konterte er daher auch nur vollkommen ruhig und schmunzelte weiterhin vor sich her. Hatte er damit nun wirklich nicht gerechnet, geschweige denn das er es erwarten würde. Sah er es doch eher als Hilfe zur Selbsthilfe an. Nun gut, vielleicht auch als Tribut an den guten Geschmack, auch wenn da wohl Hopfen und Malz verloren war. Dennoch war er insgeheim neugierig was ihn hier her getrieben hatte und auch wenn die Chance verschwindend gering war, das er aufgeklärt wurde, so wollte er sich diese Chance nun wirklich nicht entgehen lassen. War ein Anzug doch das krasse Gegenteil von dem was Cris sonst trug, so das es wohl einen gewaltigen Grund geben musste, das er sich dennoch hier her gewagt hatte. Was dieser war, nun da konnte er nur rätseln, da der kleine Grummeldämon nicht wirklich etwas von sich preis gab, geschweige denn freimütig mit ihm darüber reden würde.
"Nur weil man etwas gewohnt ist, bedeutet es nicht, das man nicht doch die Hoffnung hat, das es irgendwann anders kommt" blieb er vollkommen ruhig, als natürlich auch seine Entschuldigung in der Luft zerrissen wurde. Nicht das er das nicht schon voraus geahnt hätte, doch das war ihm gleich. War sein eigener Blick doch nicht sehr viel besser gewesen und das obwohl er diese Blicke selbst nur all zu genau kannte und all die Vorurteile, welche mit ihnen einher gingen hasste. Umso peinlicher war es ihm, das er sich selbst mit ihnen auf eine Stufe gestellt hatte und gleich handelte. Irgendwie kam er sich wie auf einem Pulverfass vor, welches jede Sekunde drohte zu explodieren. Nicht gerade angenehm und doch liess er sich davon nicht unterkriegen, geschweige denn das er den sprichwörtlichen Schwanz einzog und sich rettete. Immerhin hatte er ihn hier hinein geschleift und ob es ihm nun passte oder nicht, er würde nicht gehen, eh sie nicht das passende für ihn gefunden hatten, auch wenn dies vermutlich eine halbe Ewigkeit dauern würde. Dennoch würde er ihn nicht einfach hier stehen und sich selbst überlassen. Wer wusste schon was da am Ende bei heraus kam ? Rechnen tat er mit so ziemlich allem.
Ein Gedanke der nur all zu schnell revidiert wurde, da Cris nicht wirklich den Eindruck machte sich die nötige Zeit zu nehmen. Statt ihm jedoch vor zu predigen, das ein Anzug eine wohl überlegte Entscheidung sein sollte hielt er vorerst den Mund und setzte sich auf einen der Sessel, in der zugewiesenen Ecke. "Hast du denn eine Idee in welche Richtung du gehen möchtest ?" fragte er schliesslich trotzdem nach. Würde es die Dinge so doch um einiges erleichtern, wenn sie wenigstens eine grobe Richtung hätten in die es gehen sollte. "Oder gibt es einen besonderen Anlass für den du ihn brauchst?" schob er noch hinterher, sich wider rum verkneifend ihn auf zu klären wie wichtig selbst dies sein konnte, da sich je nach Ereignis und Tageszeit der Schnitt veränderte. Dinge von denen er wahrscheinlich keine all zu grosse Ahnung hatte und falls doch, so würde es ihn wahrscheinlich nicht all zu sehr interessieren. Kannte er ihn doch gut genug um zu wissen, das er sein eigenes Ding durch zog und sich nicht an irgendwelche Regeln oder Konventionen hielt. Nicht gerade praktisch bei ihrem Vorhaben und doch war er frohen Mutes, das sie schon das Richtige finden würden.

Crispin Cipriano

Auf etwas zu hoffen, hatte immer zwei Seiten - eine gute und eine schlechte. Kaum einer wusste das wohl besser als Crispin, dessen Leben von klein auf aus der Hoffnung bestand, seine Eltern würden ihn so akzeptieren, wie er war. Eine Hoffnung, die er insgeheim noch heute in sich trug. Es war einfach zu sagen, man solle die Hoffnung nicht verlieren, weil man nie wusste, ob es nicht doch noch eintrat. Aber war es wirklich richtig, immer an seinen Hoffnungen festzuhalten? Für manch einen mochte dies das Einzige sein, was sie jeden Tag aufstehen und weitermachen ließ, sie auf den Beinen hielt. Doch warum sollte man auf etwas hoffen, von dem man eventuell wusste, dass es niemals in Erfüllung ging? Machte einen das auf Dauer nicht kaputt? War es somit nicht klüger, sich mit der gegebenen Situation abzufinden, anstatt auszuharren und zu warten, dass der Wunsch auf Besserung eintrat? Jedoch war auch das einfach gesagt und schwierig umgesetzt. Crispin wusste auch das gut genug, denn ganz egal wie sehr er sich wünschte und darauf hoffte, seine Eltern mögen sich ändern, weniger egoistisch und oberflächlich sein und einsehen, was sie falsch gemacht hatten, wusste er doch auch, dass es wohl niemals so weit kommen würde.
Womöglich gingen seine Gedanken nun auch zu weit und dies war bei weitem nicht mit dem zu vergleichen, wie er auf andere wirkte und wie sie ihn sahen und doch hatte er das Gefühl, dass auch in diesem Punkt eigentlich alle Hoffnung vergebens war, solange er nicht ins Bild passte und sich auch in keinen Rahmen quetschen ließ, den andere gerne hätten, weil man sich so nicht mit den Ecken und Kanten von jemandem auseinandersetzen musste. Magnus Worte waren somit vielleicht nett gemeint und mochten den einen oder anderen aufmuntern, doch bei ihm trafen solche Weisheiten schon lange nicht mehr auf fruchtbaren Boden, um seine Stimmung ein wenig zu heben.
"Die Hoffnung darauf kann mich mal! Die meisten Leute werden sich ja doch nicht ändern und dabei ist es sogar egal, wie lange sie leben!", murrte er und warf dem Hexenmeister dabei einen Blick zu, der genau sagte, dass er dessen Musterung bemerkt und noch nicht vergessen hatte. Unter anderen Umständen hätte er sich über dieses Thema auch auf eine Diskussion mit ihm eingelassen, doch hier an diesem Ort, wo die Vorurteile in jeder Ecke hockten, konnte er darauf gut und gerne verzichten.
Zudem war er aus einem anderen Grund hier, als über etwas zu debattieren, was man sowieso nicht ändern konnte. Die Gesellschaft konnte noch so offen und tolerant sein, am Ende stempelte man jemanden dennoch auf den ersten Blick ab, wenn er anders als die breite Masse war. Der einzige Grund, warum er es sich auf dem Sessel bequem gemacht hatte, war ein Anzug, mit dem er August überraschen wollte. Schon alleine der Gedanke, dass er sich einen anfertigen lassen wollte, war für seine Verhältnisse skurril, doch für den Engel war er bereit, Dinge zu tun, von denen er nie geglaubt hätte, dass er sie je in die Tat umsetzen würde - sich in einen Anzug zu zwängen, stand dabei recht weit oben auf der Liste.
Aus dem Augenwinkel sah er, wie Magnus sich auf den Sessel neben ihm setzte, während sein eigener Blick auf der Angestellten lag, die - wie sie sagte - nach Stoffmustern schauen wollte, die sie ihm anschließend vorlegen würde. Er kannte die ganze Prozedur noch sehr gut, auch wenn es viele Jahre her war, dass ihn seine Eltern dazu gebracht hatten, ein solches Geschäft zu betreten. Später, als er sich weigerte, weiterhin Anzüge zu tragen und diese somit anpassen zu lassen, hatten sie einfach Cyrians Maße auch für ihn genommen. Ganz so als würde er seine Meinung plötzlich ändern, nur weil sie ständig mit einem neuen Stofffetzen ankamen, der schlussendlich im Schrank versauerte oder in der nächsten Kleidertonne landete. Gepasst hätten sie ihm ohnehin nicht, denn sein Bruder neigte immer dazu, schmächtig zu sein und magerte mit der Zeit noch mehr ab, was er erst merkte, als er dessen Körper übernahm. Darüber, dass sich ihre Eltern deswegen keine Sorgen machten, hatte er anfangs selbst keinen Gedanken verschwendet, doch inzwischen hatte diese Erkenntnis einen weiteren kleinen Teil seiner Hoffnung zerstört, sie würden sich irgendwann bessern.
Bevor es sein Unterbewusstsein schaffte, seinen Kopf mit weiteren Gedanken zu füttern, da dieser Ort einfach viel zu viele Erinnerungen weckte, zog Magnus seine Aufmerksamkeit zu sich. Crispin löste seinen Blick von der Schneiderin und heftete ihn stattdessen auf den Dunkelhaarigen neben ihm, der - ohne es wohl zu merken - für seinen Geschmack viel zu neugierig war.
"Für den Fall, dass du mir jetzt eine Predigt darüber halten willst, dass ein Anzug zum Anlass und bestenfalls auch noch zur Tageszeit passen muss, lass stecken! Solche Gespräche hab ich mir schon oft genug anhören müssen und mir persönlich ist das scheißegal!", konterte er schärfer, als es die Frage nötig machte, doch die Umgebung, das Verhalten der Mitarbeiter und die geweckten Erinnerungen zerrten an seinen Nerven, die alleine durch die Vorstellung, er würde tatsächlich freiwillig einen Anzug tragen, mehr als genug strapaziert waren. Womit er zum Grund für das ganze Theater und der zweiten Frage des anderen kam. "Und der Anlass kann dir ebenfalls vollkommen egal sein! Ich hab meine Gründe und damit basta."
Kaum hatte er den Satz beendet, war auch die Angestellte mit ihrer Suche fertig und gesellte sich wieder zu ihnen. Sie setzte sich ihnen gegenüber an den Tisch und breitete die gefundenen Stoffmuster vor ihnen darauf aus. Es waren neben dem klassischen schwarz unterschiedliche Farben dabei, darunter blau, rot, aber auch ein auffälliges pink und dunkler grauer Stoff mit einem auffälligen Schmetterlingsmuster. Besonders letzteres ließ ihn eher an die Hippie- und Flowerpowerzeit denken, als an etwas, dass seine Vorzüge unterstrich, den Rebellen zeigte oder gar lässig zu einer Jeans kombiniert werden konnte, auch wenn die Anhänger dieser Bewegung auf ihre Weise auch gegen etwas rebellierten. Nur war das für ihn absolut nichts und ließ ihn eher an Magnus' Stil denken, der ganz gerne in der breiten Masse durch seine Kleidung und sein allgemeines Äußeres auffiel.
"Das pink und das mit den Schmetterlingen können Sie direkt wieder dahin packen, wo Sie es hergenommen haben. Lieber lauf ich nackt herum als damit."
Was August bei seiner Rückkehr auch überraschen und absolut nicht stören würde…, murmelte seine innere Stimme leise und mit einem deutlichen Schmunzeln, was ihn dazu brachte, für einen Moment die Augen zu schließen, denn er wusste, dass sie recht hatte. Allerdings wollte er nicht, dass die Vorstellung davon allzu genau Gestalt in seinem Kopf annahm, denn das gehörte nun absolut nicht hierher.
"Oh, entschuldigen Sie bitte. Die sind wohl dazwischen gerutscht. Das war keine Absicht", versuchte sich die Mitarbeiterin zu erklären und zu entschuldigen, was ihn zum Glück genug ablenkte, um das aufsteigende Kopfkino zu verdrängen.
Hoffnung, egal wie oft sie sich auch nicht erfüllte, egal wie oft man bitter enttäuscht wurde, gehörte zur Essenz des Lebens mit dazu. Gerade in ihrem Fall, ob die Jahre nahtlos an einem vorbei zogen und man keine wirklichen Meilensteine hatte. Warum auch, wenn man unsterblich war ? Umso wichtiger, war die Hoffnung, selbst wenn es nur ein Funken war, das sie einen in der Realität hielt und dafür sorgte, das man nicht vollkommen vor sich dahin vegetierte. Hatte er derlei doch schon viel zu oft beobachtet. Überfiel jeden doch irgendwann, im Laufe der Jahrhunderte, die Melancholie, in der einem alles vollkommen sinnlos erschien und eins wie das andere vorkam. Einzig die Hoffnung konnte einen dann wieder aus dem Loch heraus holen und davon bewahren, das man von einem Einsiedler, zu einem komischen Kauz war, der einfach nirgendwo hinein passte. Nun gut, auf den ersten Blick würde man sie wohl beide genau in die Schublade stecken. Hatten sie beide doch weder die Lust, noch das Bedürfnis sich den gesellschaftlichen Normen und Erwartungen zu unterwerfen, auch wenn sie andere Ausdrucksformen dafür wählten. Während er fast schon absichtlich die Blicke und Kommentare provozierte, ja geradezu heraus forderte, hatte Cris genau die entgegen gesetzte Richtung eingeschlagen. Nichts desto trotz fielen sie beide aus dem Raster.
Daher liess er ihn auch ruhig herum zetern. Konnte er ihn doch sehr viel besser verstehen, als er es wohl ahnte. Immerhin war auch er einmal ein junger Rebell gewesen, der gegen alles und jeden rebelliert hatte. Doch ihm diesen Fakt nun auf zu weisen würde die Situation auch nicht verändern. War er doch so schon angespannt und nervös genug, da wollte er sicherlich keine Anekdoten von ihm hören, geschweige denn irgend eine Weisheit oder Predigt, die er wahrscheinlich in der ein oder anderen Form eh schonmal gehört hatte. Daher blieb er einfach ruhig und geduldig, eh er schliesslich das Wort wieder ergriff. "Natürlich kannst du den Anzug tragen wie und wann du willst. Wenn du jedoch eine bestimmte Richtung vorgeben würdest wären wir vielleicht sehr viel schneller wieder hier heraus " gab er zu bedenken und funkelte ihn fast schon amüsiert an. Konnte doch selbst ein blinder mit Krückstock sehen, das er sich überall hin wünschte, nur nicht in diesen Laden und das auch noch ausgerechnet mit ihm. Übel nahm er ihm dies nicht wirklich. Immerhin kannten sie sich kaum und dennoch wollte er ihm wenigstens ein paar Steine aus den Weg räumen, damit er zu seinem Ziel kam. War er doch nicht plötzlich heute morgen aufgewacht und hat sich nichts sehnlicher herbei gewünscht, als einen Anzug. Somit musste ein mehr als nur wichtiger Grund vorliegen, welcher ihn tatsächlich über seinen Schatten springen liess.
Eh er den Gedanken jedoch weiter vertiefen konnte, kam auch schon die Verkäuferin zurück. Während sie die Stoffproben ausbreitete, schossen seine Augenbrauen immer höher und höher, als er doch tatsächlich einen pinken Stoff entdeckte und als wäre dies nicht schon schlimm genug, auch noch einer mit Schmetterlingen. Mühsam hielt er ein Lachen zurück, nicht weil Cris darin lächerlich aussehen würde, absolut lächerlich, sondern vielmehr aus dem Grund, weil absolut jeder darin lächerlich aussehen würden und selbst er vor solch einer Auswahl Reissaus nehmen würde. Hatte er doch nichts gegen knallige Akzente, hier und dort geschickt eingesetzt, oder gar einem hübschen Brokatstoff, doch dies war eher der Beweis für eine mehr als nur üble Geschmacksverirrung. Immerhin waren sie einer Meinung und er lachte tatsächlich leise, als Cris ganz und gar kein Blatt vor den Mund nahm und die Stoffe abwies. Natürlich kam ein schräger Blick, doch er zuckte nur leicht mit den Schultern. "Tschuldige, aber der Stoff ist einfach nur absolut grausig, da will man sich gar keinen Anzug draus vorstellen" klärte er ihn ruhig auf und deutete auf zwei der etwas dunkleren Stoffe, welche vielleicht passen könnten. "Vielleicht wäre das etwas, klassisch im Material, aber dennoch sind die Farben gedeckt und fallen nicht wirklich auf, wenn man den richtigen Schnitt dazu nimmt." schlug er vor und schnappte sich zur Demonstration noch einen der üblichen Anzugstoffe, welche leicht schimmerten. "Zusammen mit einer Jeans und einem schlichten T-Shirt sollte es ganz gut wirken, ohne das es dich komplett verändert" fügte er abschliessend noch hinzu und ignorierte einfach das empörte nach Luft schnappen, als er doch tatsächlich vorschlug den Stoff mit Jeans und T-Shirt zu kombinieren. Immerhin musste es ihr ja nicht gefallen und solange sich Crispin halbwegs wohl fühlte, war das Ziel erreicht. "Oder hast du eher an eine etwas auffälligere Farbe gedacht, kombiniert mit einem schlichten Schnitt ?" harkte er nach, da er bestimmt nicht hier sass, nur um ein schweigendes Dekoobjekt zu spielen. Selbst Cris musste einsehen, das sie zu zweit wahrscheinlich sehr viel schneller fertig waren, als wenn er sich alleine durch jede Entscheidung quälen musste.
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