Julien Espello
10.01.2021, 12:31
"Hast du etwa vor, dir endlich einen anständigen Job zu suchen? Wobei, wenn ich mir deine Klamotten so ansehe, dann wohl eher nicht."
Julien blickte von dem Zettel in seinen Händen auf, den er gerade noch einmal studierte, um sicher zu gehen, dass er auch wirklich an der richtigen Adresse war. Das Gebäude, zu dem ihn diese geführt hatte, sah auf den ersten Blick nämlich alles andere als ein Hauptsitz für einen Edel-Escort Service aus, doch er wusste selbst nur zu gut, wie sehr der erste Eindruck doch täuschen konnte. Für den Moment konnte er sich jedoch keine weiteren Gedanken dazu machen, denn auch ohne die Person zu sehen, die ihn angesprochen hatte, erkannte er anhand der Stimme, dass es sich um seinen älteren Bruder Adrien handelte, den er schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte. Ein Umstand, den er nicht sonderlich bedauerte. Dennoch sah er zu ihm, während er den Zettel zurück in die Tasche seiner Lederjacke steckte, und musterte sein Gegenüber von oben bis unten, nur um anhand der Polizeiuniform festzustellen, dass dieser sich im Dienst befand. Lange würde er ihn also vermutlich nicht aufhalten, bevor er weiter seiner Arbeit nachgehen musste.
"Und hast du schon mal daran gedacht, dass ich auch einen wichtigen Teil dazu beitrage, dass das gesellschaftliche Leben funktioniert?"
Die Augen seines Bruders weiteten sich ungläubig, bevor er anfing zu lachen, womit Julien bereits gerechnet hatte, denn er wusste, was der andere davon hielt, dass er nicht nur in einem Bordell hauste, sondern dort auch seit geschlagenen sieben Jahren arbeitete - und fünf davon tatsächlich im horizontalen Gewerbe.
"Du meinst, weil du die Beine für irgendwelche alten Säcke breit machst, die sich dabei nicht nur vorstellen müssen, du wärst Angelina Jolie, weil du ihnen auch noch optisch vorgaukelst, du wärst es? Das nennst du einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Leben?"
Der Neid auf seine Fähigkeit, jede Person kopieren zu können, deren genetisches Material er mit seinem eigenen mischte, war deutlich aus seinen Worten herauszuhören - genauso wie die Ablehnung für seine Tätigkeit, der er nicht etwa nachging, weil er Spaß daran hatte, sich von den besagten alten Säcken, die faktisch den Großteil seiner Kunden ausmachten, begrapschen zu lassen. Adrien wusste, dass er auf diese Weise nach seiner - nein ihrer gemeinsamen - Schwester suchte, auch wenn der andere nicht wahrhaben wollte, dass diese noch immer lebte. Was er ihm im nächsten Moment auch wieder gekonnt unter die Nase rieb.
"Louna würde sich für dich schämen und sich im Grab herumdrehen, wenn sie wüsste, womit du dein Geld verdienst."
"Louna lebt!", fuhr er ihm ins Wort, bevor er noch mehr sagen konnte. "Und sie würde verstehen, dass ich es tue, um sie zu finden. Im Gegensatz zu dir und der Polizei habe ich sie wenigstens noch nicht aufgegeben. Ich spüre jeden Tag, was sie durchmacht, aber davon hast du keine Ahnung. Also wie wäre es, wenn du weiter deiner Arbeit nachgehst, damit du dir am Ende des Tages auf die Schulter klopfen kannst, was für ein guter Cop du doch bist, und mich im Gegenzug meine machen lässt?"
Wie aufs Stichwort stieg ein weiterer Polizist aus dem Fahrzeug, blieb jedoch neben der offenen Tür stehen und lehnte sich lediglich an die Karosserie.
"Komm schon, Ad, wir müssen weiter."
Adrien sah über die Schulter zu seinem Partner, nickte diesem kurz zu, bevor er sich noch einmal zu ihm wandte.
"Im Gegensatz zu dir weiß ich am Ende des Tages zumindest, was ich Gutes getan habe."
Mit diesen Worten wandte er sich ab, ehe Julien noch etwas darauf erwidern konnte. Sonderlich viel Wert legte er jedoch nicht darauf, weshalb er ihn einfach ziehen ließ. Eine weitere Bemerkung wäre die reinste Zeitverschwendung, denn er würde die Meinung seines Bruders bezüglich seines Jobs wohl niemals ändern können und er wollte es auch nicht. Obwohl dasselbe Blut in ihren Adern floss, waren sie sich noch nie besonders grün, was nicht zuletzt daran lag, dass es sich bei seinem Bruder trotz dessen, dass ihr Vater ein Gestaltwandler war, lediglich um einen Menschen handelte. Und das ohne, dass man wusste, woran dies lag.
Dass Julien indirekt wohl auch etwas Gutes tat und das eine oder andere Menschenleben rettete, indem er seinen Kunden ihre Personenwünsche - seien sie noch so abstrakt - erfüllte, wollte Adrien zudem ebenfalls nicht sehen. Seine Gedanken schweiften dabei für einen kurzen Augenblick zu einem ganz besonderen Mann, der regelmäßig zu ihm kam und wollte, dass er sich in ein junges Schulmädchen inklusive passender Uniform verwandelte. Wie er an die Haare kam, die er ihm mitbrachte, hinterfragte er nicht. Genauso wenig wie die Frage, was besagter Mann wohl tat, sollte er nun nicht mehr für ihn bereitstehen. Womöglich sollte er sich Sorgen um das Mädchen machen und sich fragen, ob es moralisch überhaupt richtig war, die pädophile Neigung seines Kunden auch noch zu unterstützen, doch er tat es nicht, denn schlussendlich war er nicht dafür da, um die Probleme anderer zu lösen. Er selbst hatte genug eigene.
Ob zumindest seine Suche nach seiner Zwillingsschwester durch seinen neuen Job langsam Fortschritte machen würde, war ebenfalls fraglich, doch um dies herauszufinden, musste er diesen erst einmal bekommen, weshalb er sich in Bewegung setzte und das unscheinbare Gebäude ansteuerte.
Im Inneren wirkte das Haus wie viele andere Anbieter einer Serviceleistung, was ihn erneut zweifeln ließ, ob er richtig war, auch wenn es ein wenig edler wirkte, als irgendein heruntergekommenes Dienstleistungsunternehmen. Suchend sah er sich um, in der Hoffnung das Büro von Mr. Smith zu finden, dem er als neuer Mitarbeiter vom Betreiber des Bordells empfohlen wurde. Wie viel Geld dabei in dessen Tasche floss, da ihm somit ein großer Anteil seines Umsatzes verloren ging, wusste er nicht und es interessierte ihn auch nicht weiter. Genauso wenig wie die Tatsache, ob es sich bei Smith wirklich um den richtigen Nachnamen handelte, oder ob dieser nur zur Tarnung existierte, weil es ihn wie Sand am Meer gab. Beides interessierte ihn nicht, während er die Schilder an den Türen weiter nach dem Namen absuchte, den er brauchte.
Julien blickte von dem Zettel in seinen Händen auf, den er gerade noch einmal studierte, um sicher zu gehen, dass er auch wirklich an der richtigen Adresse war. Das Gebäude, zu dem ihn diese geführt hatte, sah auf den ersten Blick nämlich alles andere als ein Hauptsitz für einen Edel-Escort Service aus, doch er wusste selbst nur zu gut, wie sehr der erste Eindruck doch täuschen konnte. Für den Moment konnte er sich jedoch keine weiteren Gedanken dazu machen, denn auch ohne die Person zu sehen, die ihn angesprochen hatte, erkannte er anhand der Stimme, dass es sich um seinen älteren Bruder Adrien handelte, den er schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte. Ein Umstand, den er nicht sonderlich bedauerte. Dennoch sah er zu ihm, während er den Zettel zurück in die Tasche seiner Lederjacke steckte, und musterte sein Gegenüber von oben bis unten, nur um anhand der Polizeiuniform festzustellen, dass dieser sich im Dienst befand. Lange würde er ihn also vermutlich nicht aufhalten, bevor er weiter seiner Arbeit nachgehen musste.
"Und hast du schon mal daran gedacht, dass ich auch einen wichtigen Teil dazu beitrage, dass das gesellschaftliche Leben funktioniert?"
Die Augen seines Bruders weiteten sich ungläubig, bevor er anfing zu lachen, womit Julien bereits gerechnet hatte, denn er wusste, was der andere davon hielt, dass er nicht nur in einem Bordell hauste, sondern dort auch seit geschlagenen sieben Jahren arbeitete - und fünf davon tatsächlich im horizontalen Gewerbe.
"Du meinst, weil du die Beine für irgendwelche alten Säcke breit machst, die sich dabei nicht nur vorstellen müssen, du wärst Angelina Jolie, weil du ihnen auch noch optisch vorgaukelst, du wärst es? Das nennst du einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Leben?"
Der Neid auf seine Fähigkeit, jede Person kopieren zu können, deren genetisches Material er mit seinem eigenen mischte, war deutlich aus seinen Worten herauszuhören - genauso wie die Ablehnung für seine Tätigkeit, der er nicht etwa nachging, weil er Spaß daran hatte, sich von den besagten alten Säcken, die faktisch den Großteil seiner Kunden ausmachten, begrapschen zu lassen. Adrien wusste, dass er auf diese Weise nach seiner - nein ihrer gemeinsamen - Schwester suchte, auch wenn der andere nicht wahrhaben wollte, dass diese noch immer lebte. Was er ihm im nächsten Moment auch wieder gekonnt unter die Nase rieb.
"Louna würde sich für dich schämen und sich im Grab herumdrehen, wenn sie wüsste, womit du dein Geld verdienst."
"Louna lebt!", fuhr er ihm ins Wort, bevor er noch mehr sagen konnte. "Und sie würde verstehen, dass ich es tue, um sie zu finden. Im Gegensatz zu dir und der Polizei habe ich sie wenigstens noch nicht aufgegeben. Ich spüre jeden Tag, was sie durchmacht, aber davon hast du keine Ahnung. Also wie wäre es, wenn du weiter deiner Arbeit nachgehst, damit du dir am Ende des Tages auf die Schulter klopfen kannst, was für ein guter Cop du doch bist, und mich im Gegenzug meine machen lässt?"
Wie aufs Stichwort stieg ein weiterer Polizist aus dem Fahrzeug, blieb jedoch neben der offenen Tür stehen und lehnte sich lediglich an die Karosserie.
"Komm schon, Ad, wir müssen weiter."
Adrien sah über die Schulter zu seinem Partner, nickte diesem kurz zu, bevor er sich noch einmal zu ihm wandte.
"Im Gegensatz zu dir weiß ich am Ende des Tages zumindest, was ich Gutes getan habe."
Mit diesen Worten wandte er sich ab, ehe Julien noch etwas darauf erwidern konnte. Sonderlich viel Wert legte er jedoch nicht darauf, weshalb er ihn einfach ziehen ließ. Eine weitere Bemerkung wäre die reinste Zeitverschwendung, denn er würde die Meinung seines Bruders bezüglich seines Jobs wohl niemals ändern können und er wollte es auch nicht. Obwohl dasselbe Blut in ihren Adern floss, waren sie sich noch nie besonders grün, was nicht zuletzt daran lag, dass es sich bei seinem Bruder trotz dessen, dass ihr Vater ein Gestaltwandler war, lediglich um einen Menschen handelte. Und das ohne, dass man wusste, woran dies lag.
Dass Julien indirekt wohl auch etwas Gutes tat und das eine oder andere Menschenleben rettete, indem er seinen Kunden ihre Personenwünsche - seien sie noch so abstrakt - erfüllte, wollte Adrien zudem ebenfalls nicht sehen. Seine Gedanken schweiften dabei für einen kurzen Augenblick zu einem ganz besonderen Mann, der regelmäßig zu ihm kam und wollte, dass er sich in ein junges Schulmädchen inklusive passender Uniform verwandelte. Wie er an die Haare kam, die er ihm mitbrachte, hinterfragte er nicht. Genauso wenig wie die Frage, was besagter Mann wohl tat, sollte er nun nicht mehr für ihn bereitstehen. Womöglich sollte er sich Sorgen um das Mädchen machen und sich fragen, ob es moralisch überhaupt richtig war, die pädophile Neigung seines Kunden auch noch zu unterstützen, doch er tat es nicht, denn schlussendlich war er nicht dafür da, um die Probleme anderer zu lösen. Er selbst hatte genug eigene.
Ob zumindest seine Suche nach seiner Zwillingsschwester durch seinen neuen Job langsam Fortschritte machen würde, war ebenfalls fraglich, doch um dies herauszufinden, musste er diesen erst einmal bekommen, weshalb er sich in Bewegung setzte und das unscheinbare Gebäude ansteuerte.
Im Inneren wirkte das Haus wie viele andere Anbieter einer Serviceleistung, was ihn erneut zweifeln ließ, ob er richtig war, auch wenn es ein wenig edler wirkte, als irgendein heruntergekommenes Dienstleistungsunternehmen. Suchend sah er sich um, in der Hoffnung das Büro von Mr. Smith zu finden, dem er als neuer Mitarbeiter vom Betreiber des Bordells empfohlen wurde. Wie viel Geld dabei in dessen Tasche floss, da ihm somit ein großer Anteil seines Umsatzes verloren ging, wusste er nicht und es interessierte ihn auch nicht weiter. Genauso wenig wie die Tatsache, ob es sich bei Smith wirklich um den richtigen Nachnamen handelte, oder ob dieser nur zur Tarnung existierte, weil es ihn wie Sand am Meer gab. Beides interessierte ihn nicht, während er die Schilder an den Türen weiter nach dem Namen absuchte, den er brauchte.