Wind Beyond Shadows

Normale Version: Song for a Fox
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Leise knackte der Schnee unter seinen Füßen, als er langsam den leeren Park durchschritt. Es war eisig kalt und ein feines Wolkengespinst hing ihm vor den Lippen. Unter normalen Umständen war das wirklich kein Wetter, bei dem man spazieren gehen sollte, doch Cyrian war anderer Meinung. Niemand war zu sehen, gleich in welche Richtung er schaute. Zwar behinderten dicke, schwere Flocken seine Sicht, doch der Teenager war sich sicher, das sich zu dieser Stunde niemand hier her verirrt hatte. Vielleicht lag es an der späten Stunde, vielleicht auch nur am Wetter, so oder so, er war nicht enttäuscht darüber, allein zu sein.
Raus, weg, möglichst weit, möglichst lang, war sein Gedanke gewesen, als er die Jacke geschnappt und Hals über Kopf das Haus verlassen hatte.
Und nun war er hier, umgeben vom Schnee, der ihm bald bis zu den Knien reichte, wenn es weiter so schneite. Doch der Gedanke, nach hause zu gehen, war ihm so zu wider, das er es nicht mal in Worte fassen konnte. Alles engte ihn ein, alles störte ihn. Hätte er auch nur 10 Minuten mehr dort verbracht, hätte er wohl das ein oder andere kaputt geschlagen, etwas, das er so nicht von sich kannte und für jeden anderen wohl vollkommen normal war.
Längst war die Wut verraucht und war der alles umfassenden Leere gewichen, die ihn nun ausfüllte, wie sie ihn hier umgab.
Den Kopf in den Nacken gelegt, spürte er die Flocken, wie sie sich auf seine Züge legten, schmolzen und sich in Wasser wandelten, um an seinen Wangen herabzulaufen. Eine Erholung war es bei weitem nicht, doch die Kälte auf seiner Haut schien immer mehr in sein Innerstes zu dringen, was ihn irgendwie beruhigte. Was wäre, wenn er sich nun unter einen Baum setzen und warten würde, bis die Nacht herein brach? Was wäre, wenn er dann zusah, wie nach und nach der Schnee zu Boden rieselte und er auf den Morgen warten würde? Wie lang würde es dauern, bis er erfror?
Der Gedanke schenkte ihm ein wenig Entspannung, bedeutete es doch, nicht zurück zu müssen. Zurück zu Cris, der mal wieder den Aufstand probte. In letzter zeit waren er und ihr Vater oft aneinander geraten, das selbst Cyr es nicht mehr schaffte, sich auf die Musik zu konzentrieren. Das wiederum provozierte Fehle, die ihre Mutter auf den Plan riefen. Eine nicht enden wollende Spirale, war es doch so wichtig, das er dieses Stück perfekt beherrschte, das genaue Quäntchen Gefühl hinein brachte, um den Wettbewerb zu gewinnen...
Inzwischen war er stehen geblieben, denn die Gefahr, mit in den Nacken gelegten Kopf gegen eine Baum zu laufen, war zu groß. Wie hätte er das erklären sollen?  Er schloss die Augen. Stille umgab ihn. Sie erstickte jedes Geräusch und er liebte es.
Cris, der kleine Wettergnom, so wild, so Freiheitsliebend, das er am liebsten jeden Moment was neues erleben wollte, doch man verbat ihm, nach draußen zu gehen. Es war an der Hand abzuzählen, das es ihm nicht gefiel, zu hause eingesperrt zu sein, sich um die Hausaufgaben kümmern zu müssen und doch war es genau das, was man von ihm verlangte. Und nun war er es, Cyr, der Stubenhocker, der hier im Park stand, obwohl er hätte üben müssen. Daran war nun nicht zu denken. Seine Hände waren vollkommen durchgefroren, ja ganz blass waren sie, fast schon bläulich, doch es kümmerte ihn nicht. Er stand einfach nur hier und ließ sich ein schneien. Längst waren seine Fußspuren ausgelöscht worden. Wenn er also hier stehen blieb...
Ein leises, sehr hohes Jaulen ließ ihn die Augen öffnen. Es war schwer, sich auf das Geräusch zu konzentrieren und noch schwerer, es auszumachen, doch für sein geschultes Gehör nicht unmöglich. Langsam setzte er sich in Bewegung und ging auf das Geräusch zu. Der Schnee fiel nun dichter, etwas, das er kaum erwartet hätte. Seine Sicht war getrübt und doch konnte er nach einigen schritten etwas rotes ausmachen...
Schrecken erfüllte ihn. Cyrian hatte eine vermutung, die ihn dazu brachte, seinen Schritt zu beschleunigen, etwas, das mehr als leichtsinnig war, wusste man doch nicht, was sich alles unter dem Schnee verbergen konnte. Doch spielte vernunft nun keine Rolle. Er stapfte vergessen durch den Schnee, bis er bei dem kleinen roten Knäuel angekommen war und es als das erkannte, was es war! Er ließ sich auf die Knie fallen, streckte die Hand danach aus und hielt inne.
Ein Fuchs.
„Was zum...“, begann er, schob den Gedanken jedoch zur Seite, nahm das Tier ungeachtet, das es ihn beißen, verletzen oder mit irgendwas anstecken konnte an sich und öffnete die Jacke. Das Tier war mehr Tot, als lebendig, wie es schien und doch schob er es an seinen Körper, hielt es mit der Rechte an Ort und Stelle, ehe er die Jacke wieder schloss und sich gehetzt umsah. Wo sollte er hin? Wo konnte er ihn wärmen? Sicherlich war er verletzt, halb verhungert oder sonst irgendwas, das er hier und jetzt nicht bestimmen konnte.
Er verließ den Park, lief in den Wald hinein, ohne zu wissen, wohin er wollte. Nach hause zu gehen, war keine Option. Wahrscheinlich würde sein Vater das Tier in die nächste Mülltonne werfen! Ohnehin wollte er grade nicht dahin zurück, denn das, was ihn dort erwartete, würde dem Tier nicht helfen. Ob er eine Höhle finden und ein Feuer machen konnte? Ersteres ja, zweiteres nein. Und doch lief er weiter, bis er an eine alte Kapelle kam.
Ohne weiter darüber nachzudenken, betrat er das verfallene Gebäude, suchte sich eine Windgeschützte Ecke, die trocken aussah und kniete sich auf den Boden. Ohne den Fuchs abzusetzen, der noch immer unter seiner Jacke verborgen war, klaubte er ein paar Zweige zusammen, die durch das Loch im Dach herein gefallen waren, schichtete sie in einem Loch im Boden zusammen und versuchte Feuer zu machen.
„Gleich hast du es warm...“, versprach er dem Tier leise, auch wenn er noch nicht wusste, wie er es anstellen sollte. Hier gab es weder Feuerzeug noch einen Anzünder.... Streichhölzer zu finden, schloss er von vorn herein aus, so suchte er nach einem Stück Eisen und einen Stein.
Sich so kniend, das der Fuchs nicht heraus purzelte, nahm er in die eine Hand das alte Messer, in die andere den Stein und versuchte, während er beides aneinander rieb, Feuer zu machen.

Julien Espello

"Jules, gut dass ich dich finde. Du musst hier so schnell wie möglich verschwinden."
Irritiert, weil Nisani so abgehetzt klang, löste Julien seinen Blick von den Sachen in seinem Spind und sah an der Tür vorbei zu der jungen Frau. Ihre roten Haare leuchteten im künstlichen Licht der kleinen Glühbirne, die den Mitarbeiterraum gerade hell genug erleuchtete, dass man alles sah. Der Stoff, der ihren Körper an den wichtigsten Stellen bedecken sollte, war kaum vorhanden und durchscheinend, was nicht nur üblich für sie sondern auch ihren Beruf war. Andere Teenager in seinem Alter könnten wohl kaum die Augen von ihr lösen, wenn sie so vor ihnen stand, doch für ihn war es bereits normal.
"Was ist denn los?"
"Die Bullen sind hier. Scheinbar machen sie momentan Razzien in verschiedenen Nachtclubs und Bordellen und deswegen musst du hier schleunigst weg."

Fuck. In diesem Fall musste sie ihm definitiv nicht zweimal sagen, dass er abhauen musste, denn normal war er viel zu jung für diesen Job, selbst wenn er nur an der Bar stand und Bedienung spielte. Flink schnappte er sich die Kette, die er keine Minute zuvor erst in seinem Spind abgelegt hatte, um sich ungestört umziehen zu können. Diese würde er mitsamt der kleinen schwarzen Phiole, die daran hing, nicht hier lassen, da er sich denken konnte, dass die Polizei mit Sicherheit auch die persönlichen Sachen der Mitarbeiter durchsuchte und er hatte keine Lust, seinen Kollegen später erklären zu müssen, warum sich Reste seines Blutes darin befanden. Dass es Menschen mit abgedrehten Hobbies und Vorlieben gab, war nichts Neues und gerade die Frauen in diesem Etablissements hatten es häufiger mit kuriosen Fetischen der Kunden zu tun, doch er war nicht bereit, dies zu erklären.
"Halt mir den Rücken frei. Ich verschwinde hinten raus."
Nisani nickte und verschwand wieder in den Hauptraum, wo er bereits leise Gespräche vernahm. Zeit, um sich damit zu beschäftigen oder gar zu lauschen, hatte er jedoch nicht. Sobald sie ihn hier fänden, würde es unangenehm für ihn werden. So schloss Julien die Tür seines Spinds und machte sich auf den Weg zum Hinterausgang.
Weit kam er dort allerdings nicht, bevor er beinahe jemandem in die Arme lief, mit dem er hier an diesem Ort, nicht mal in dieser Stadt und schon gar nicht in einer Polizeiuniform gerechnet hätte: Adrien, seinem großen Bruder. Julien stoppte seinen Lauf, ehe er in ihn hinein rannte und mit ihm zusammen stieß. Als er zum stehen kam, blieb er wie angewurzelt an Ort und Stelle, schaute seinen Gegenüber perplex und ungläubig an, der seinen Blick auf dieselbe Weise erwiderte. Nur mit dem Unterschied, dass der Ältere seine Stimme eher wiederfand als er.
"Julien? Was zur Hölle machst du hier?"
Der ungläubige, aber zugleich auch herablassende Unterton holten ihn aus seiner Starre.
"Ich wüsste nicht, was dich das angeht", war alles, was er von sich gab, bevor er wieder die Beine in die Hand nahm und sich aus dem Staub machte - einen verblüfften aber zugleich auch wild entschlossenen Adrien auf den Fersen…


Die Flucht vor der Polizei aber vor allem vor seinem Bruder verlief quer durch das Stadtviertel, in dem sich das Bordell befand, was er als seine Arbeitsstelle und zugleich auch sein Zuhause bezeichnete, da er im Dachgeschoss eines der Zimmer bewohnte. Wie er schlussendlich verletzt im völlig zugeschneiten Park landen konnte, wusste er nicht. Oder doch. Dieses wie konnte er durchaus erklären. Nur die Tatsache nicht, wie er im Körper eines Fuchses gelandet war, nachdem er sich verwandelte, um so besser in der Menge verschwinden zu können.
Julien bewegte seinen rechten Fuß, den er jetzt wohl eher als Pfote bezeichnen sollte doch als er versuchte, damit aufzustehen und zu laufen, jaulte er auf und knickte sofort wieder ein. Es war ungewohnt für ihn, sich auf vier Pfoten fortzubewegen, denn soweit er wusste, war seine Fähigkeit, sich wandeln zu können, anders als bei seinem Vater, nicht darauf ausgelegt, die Gestalt eines Tieres anzunehmen. Er kopierte Menschen, keine Tiere. Bis zum heutigen Tag hatte er nicht einmal gewusst, dass es prinzipiell möglich war, doch wenn er ehrlich zu sich war, musste er dies auch nicht noch einmal haben. Etwas fühlte sich falsch an, auch wenn er dieses Gefühl weder greifen noch erklären konnte.
Eine Windböe strich durch sein Fell und auch wenn dieses andere Füchse wohl wärmen und vor der Kälte schützen sollte, spürte er sie bis auf die Knochen und begann zu zittern. Durch seine Stürze in den Schnee war es nass und bot daher nicht mehr den nötigen Schutz, den er gebraucht hätte. Und dabei waren Kälte und das weiße nasse Zeug unter ihm absolut nicht seins. Er mochte es warm - was wohl seinem Erbe geschuldet war, denn Chamäleons bewohnten nun einmal warme Teile der Erde. Somit musste er hier weg. Weg von der Witterung. Er brauchte dringend eine trockene und warme Stelle, an der er sich Gedanken darüber machen konnte, wie er wieder zu seiner eigenen menschlichen Gestalt kam. Sich wie gewohnt zurückzuverwandeln, funktionierte nicht, was ein Grund dafür war, dass sich seine jetzige Situation alles andere als richtig anfühlte.
Und das alles nur wegen meinem Bruder…, dachte er sich und versuchte erneut, aufzustehen und auf die Pfoten zu kommen. Ein Unterfangen, das kaum in die Tat umgesetzt, bereits wieder scheiterte. Julien wollte das Jaulen unterdrücken, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, doch der Schmerz, der sich durch sein Bein zog, war einfach zu stark. Erneut hörte man den leisen qualvollen Ton, bevor er an Ort und Stelle zusammenbrach. Er wollte nicht aufgeben, denn das war nicht sein Ding, doch der ungewohnte Körper, die Verstauchung in seine Pfote, das nasse Fell und die Kälte um ihn herum, zerrten an seinen Kräften, sodass er kraftlos im Schnee liegen blieb.
Wie viel Zeit verging, wusste er nicht, da er bereits nach wenigen Augenblicken spürte, wie ihm das Bewusstsein schwand. Selbst zu zittern, war ihm kaum noch möglich - bis zu dem Moment, in dem er Schritte hörte. Seine Ohren zuckten, doch er war unfähig sich zu bewegen, um zu schauen, wer dort auf ihn zukam, geschweige denn um wegzulaufen. Aus diesem Grund ließ er es auch einfach geschehen, als er an einen Körper gepresst wurde.
Die Wärme, die von ihm ausging, war wohltuend, erreichte ihn aber nur oberflächlich. Dennoch drangen leise Laute aus seiner Kehle, mit denen er sowohl den Schmerz als auch die angenehme Wärme bekunden wollte. Dass es nicht schlau war, sich einfach wegtragen zu lassen, war ihm selbst in seinem betäubten Verstand, bewusst, doch was sollte er dagegen tun?
Nur wenige Minuten später bemerkte er, dass sie sich in einem Gebäude befanden, was ihn hoffen ließ, dass er bald wieder auftaute. Genau das versprach auch die Stimme mehr oder weniger, die auf ihn einredete, wie man es selbst bei Tieren nun einmal tat, obwohl man keine Antwort erwarten konnte. Um ihm jedoch trotzdem eine Rückmeldung zu geben, jaulte er noch einmal leise, schloss anschließend aber die Augen und genoss einfach die Wärme, die von seinem Retter ausging und langsam auch durch sein nasses Fell drang.
Wie oft das stumpfe Messer nun schon vergeblich über den Stein geglitten war, wusste er nicht.Immer wieder erklang das schabende Geräusch, doch es wollte kein Funken entstehen, der ihnen ein wenig Wärme schenken konnte. Nach weiteren hundert Malen, wäre er wohl genau so weit, wie jetzt. An sich kein Problem, doch sie hatten keine Zeit!
„Ich glaube, das wird nichts, Kleiner...“, murmelte er und spürte die leichte Feuchtigkeit, die ihm langsam das Shirt unter der Jacke durchweichte. Der Fuchs musste fürchterlich frieren... Ob ihm noch mehr zu schaffen machte, als Verletzung und Kälte, konnte er nicht sagen. Zumindest gegen Letzteres konnte er was machen. Cyr ließ Stein und Messer fallen, fasste sich unter die Jacke und schob das Shirt nach oben, um das Füchslein eine Schicht tiefer zu schieben. Haut traf auf feuchtes Fell und ließ ihn im ersten Moment frösteln und schaudern. Jede Pore an seinem Leib schien sich zusammen zu ziehen. Sie mussten weg hier. Wenn er so fror, wie musste es erst dem Tier gehen? Wie lang hatte er da schon im Schnee gelegen? Apathisch, wie er war, stand es nicht gut um ihn! Er brauchte Wärme und das so schnell es ging. Sich nun mit dem versuch auf zu halten, Feuer zu machen, könnte ihm das Leben kosten.
„Halte durch...“, murmelte er, flauschte kurz durch das Fell und wünschte sich einen Föhn, damit er ihn irgendwie trocken bekam, doch die Kapelle würde mir so etwas sicher nicht aufwarten, wenn es schon an den einfachsten Dingen mangelte, die es zum Überleben brauchte. Alles was hier zu finden war, konnte man als alten, zerbrochenen Schutt bezeichnen, allenfalls dafür gedacht, es auf den Müll zu werfen.
„Komm, ich nehm dich mit... nur beiß mich nicht...“, murmelte er, schob die Hand nochmals gegen den Strich durch das weiche, viel zu klamme Fell, ehe er auf stand. Seine Hände hielten die Beule unter seinem Shirt sicher fest. Alles hinter sich stehen und liegen lassend, lief er aus dem alte Gemäuer, durch das dichte Schneetreiben durch den Park. Erst jetzt fiel ihm auf, wie weit er sich vom Haus entfernt hatte, oder kam es ihm nur weiter vor? Sich wagen, stehen zu bleiben, um nach dem Tier zu sehen, tat er nicht, auch wenn der Weg beschwerlich war. Schwer stapften seine schritte durch die weiße Kälte, presste den Schnee zusammen, der mit einem Knacken protestierte, ein Geräusch, welches er sehr mochte, nun aber keine Sekunde darauf verschwendete, darauf zu lauschen.
Halte durch, halte durch, halte durch!, wiederholte er in einem ständig wiederkehrendem Mantra, als würde das Tier es hören und sich dadurch angespornt fühlen genau das zu tun, was Cyr erbat. Ihm war so warm vom Laufen, könnte er doch nur ein wenig davon abgeben! So leicht, wie in seiner Vorstellung war es sicherlich nicht, auch wenn das Tier sich nun direkt auf seiner haut befand.
Nach einer schieren Unendlichkeit durch den Schnee, kam das Haus in Sicht. Cyr stöhnte erleichtert auf, mobilisierte die letzten Kräfte und legte einen schritt zu. Nun bemerkte er erst einmal, wie schlecht seine Kondition war. Klavier zuspielen und geschickt mit den Fingern zu sein, war eben kein Leistungssport, auch wenn es für andere vielleicht so aussehen würde. Sportlichkeit war etwas, das er nicht mit sich in Verbindung bringen würde...
Förmlich stolperte er die Stufen nach oben, weil er schon dabei war, den Schlüssel zu suchen, der sich, wie immer in der rechten Jackentasche befand. Mit klammen kalten Fingern zog er ihn hervor und brauchte doch tatsächlich DREI Versuchte, um den Schlüsselbart ins Schloss zu rammen, ihn herum zu drehen und die Tür auf zu reißen.
Erdrückende Wärme flutete ihm entgegen, die nach der beißenden Kälte fast schon erstickend wirkte, wie er mit den ersten, keuchenden Luftzügen bemerkte. Ohne auf die alltäglichen Geräusche zu achten, streifte er sich die nassen Schuhe ab, warf die Tür ins Schloss und rannte nach oben. Sollten die Anwesenden ruhig denken, er war noch immer sauer. Ein Gedanke, der nur kurz in ihm aufflackerte, als er die Treppen mit steifen Gliedern nach oben in sein Zimmer rannte.
Hier angekommen, warf er auch hier die Tür ins schloss, verrammelte die Tür, eine vollkommen untypische Art von ihm, doch in dem Moment wohl das Beste, was er tun konnte. Nachdem dann auch die Jacke endlich abgestreift war, lief er zur Heizung, wo er sich auf die Fersen setzte und endlich versuchte, den keuchenden Atem wieder unter Kontrolle zu bringen. So dicht es ging setzte er sich an die Wärme quelle und hoffte, das er nicht zu spät gekommen war.
„Nun trockne....“, murmelte er leise, jedoch mit einem verzweifelten Unterton in der Stimme. „Werde warm... lass mich nicht zu spät gekommen sein...“ Noch immer mit schnell hebender Brust, war er versucht, das Shirt zu heben, doch das würde das kleine Luftpolster, welches sich unter dem Shirt vielleicht gebildet hatte, auflösen. So blieb es ihm nur, sich zur Heizung zu drehen, die Hände dagegen zu strecken und selbst wieder warm zu werden. Erst wenn er selbst warm war, könnte er dem Tierchen besser helfen. Das es eine enorme Portion Geduld erforderte, wäre so nicht weiter schlimm, davon hatte er sonst sehr viel, doch nun... Bei manchen Dingen war er so ungeduldig, wie ein Mensch nur sein konnte.

Einmal, als Cris Erkältet war, erging es ihm genau so. sie mussten sieben und fünf gewesen sein, als es begonnenen hatte. Cyr wollte mit Cris spielen, doch er durfte nicht zu ihm. „Er hat sich schlimm erkältet!“, hatte ihre Mutter gesagt und alles dafür getan, um sie von einander fern zu halten, damit Cyr sich nicht an streckte und die Musik nicht darunter litt. Dies ging soweit, das man Cris eingeschlossen hatte.
Wie viele Stunden er vor dem Zimmer ausgeharrt hatte, wusste er nicht mehr, doch irgendwann war er auf die Idee gekommen, ein Bechertelefon zu basteln, von dem er gehört hatte. Skeptisch darüber, das so was funktionieren sollte, verließ er seinen Posten und machte sich ans Werk.
„Hier... du musst den Becher ans Ohr halten!“, hatte er durch die Tür gerufen, nachdem er das Nötige unter den Türschlitz gestopft hatte.
Zunächst passierte nichts, doch dann straffte sich der Faden und Cyr nahm seinen Mut zusammen und rief: „Hallo! Hier ist John Jonah Jameson!“, stellte er sich als den Reporter des Marvel-Universums vor. „Ich habe die neusten Nachrichten über Spiderman!“ Und dann begann er, eine Geschichte über diesen zu erzählen, die Aufregender nicht hätte sein Können.

Damit hatte eine Tradition begonnen, über die er heute gerne noch nachdachte. Immer wenn Cris Krank war, angst hatte oder er einfach nur gelangweilt war, griff er zu dieser Rolle. In den Jahren hatte er sie für sich abgewandelt und auf seine eigene Art interpretiert. Er war ein Reporter, der Geschichten über sämtliche Superhelden erzählte und berichtete, als wäre er selbst dabei gewesen. Manchmal hatte er auch versucht, Bilder zu malen. Mit der zeit war er besser geworden und auch wenn es Cyr Spaß machte, war er weit davon entfernt, ein malerischer Künstler zu werden, er mochte Kalligrafie, die sich auch sehen lassen konnte, aber das zeichnen von Superhelden...
Immer wieder strich seine Hand durch das Fell, welches inzwischen von seiner Feuchtigkeit verloren hatte. Es war überraschend weich, wie er feststellte. Seine Fingerkuppen massierten leicht die Haut, welche unter dem roten Fell verborgen war. Es entspannte ihn. Bei seinem Tun bemerkte er erst einmal, wie groß das Tier eigentlich war...
„Noch ein bisschen...“, murmelte er. „Nur noch ein bisschen...“ Anschließend würde er das Tier erst mal freigeben.
Seine Finger wanderten über den Rücken und er war insoweit beruhigt, keine Knochen hervor stechen zu spüren, was den Gedanken zu ließ, das er nicht unterernährt war. Vorsichtig ging er zu Werke, ja regelrecht sanft, als die Finger tiefer wanderten. An der Rute angekommen, stellte er fest, das diese buschiger war, als … als vor einer halben Stunde? Wie lang saß er hier schon?
Verwundert hob er den Blick, sah sich in dem akkurat aufgeräumten Zimmer um, bis sein Blick zur Uhr glitt. Und wirklich. Eine halbe Stunde war vergangen. Dennoch erhob er sich nicht, sondern entspannte sich wieder und summte ihm eine Melodie vor.

Julien Espello

Immer und immer wieder hörte er das dumpfe Geräusch, bei dem er nicht genau sagen konnte, worum es sich dabei handelte. Julien erfasste nur, dass ein Gegenstand über den anderen schabte und dabei diesen Ton von sich gab. Erst die Stimme, die ihm sagte, dass dieses Tun wohl nichts wurde, zeigte ihm, dass der andere wohl auf diese Weise versuchte, Feuer zu machen, dass sie wärmen sollte. Die Kälte, die er zuvor außerhalb des Gebäudes gespürt hatte, drang jedoch schon jetzt weniger bis zu ihm durch, was dem anderen aber wohl trotzdem noch nicht genug war. Er spürte, wie dieser umständlich den Stoff, an den er bis eben gepresst war, nach oben zog und sofort flutete ihn eine angenehme Wärme, durch die ihn selbst sein nasses Fell nicht mehr allzu sehr störte.
An die warme Haut gekuschelt gab er einen wohligen Laut von sich und hielt die Augen geschlossen, um sich voll und ganz auf diese Empfindung konzentrieren zu können. Wie sehr er die Kälte verabscheute, konnte er gar nicht genau in Worte fassen. Schon gar nicht jetzt, wo er durch diese viel zu sehr geschwächt war und auch sein Verstand trotz des kleinen Wärmepolsters, das sich langsam zu bilden begann, weit davon entfernt war, normal zu arbeiten. Die Zeit in der Kälte und dem Schnee hatte ihm viel zu sehr zugesetzt. Aus diesem Grund nahm er auch nur noch am Rande wahr, wie der junge Mann noch einmal etwas sagte, das ihn wohl in jeder anderen Situation zum Grinsen gebracht hätte. Ihn zu beißen, lag ihm auch in seiner jetzigen Gestalt tatsächlich fern, auch wenn er natürlich davon ausging, einfach nur einen geschwächten Fuchs gefunden zu haben.
Doch trotz seines Zustands und seines durch die angenehme Wärme immer mehr schwindenden Bewusstseins, gab es einen Aspekt, der ihn doch faszinierte: der leichte Akzent in der Stimme des anderen. Den meisten wäre es wohl gar nicht aufgefallen. Für sie klang er sicher wie ein normaler Amerikaner, der eine gute Erziehung genossen hatte, doch ihm fielen die kleinen Unterschiede auf, auch wenn er sie nicht benennen konnte. Zeit, um sie zu analysieren und darauf zu kommen, um was es sich dabei handelte, hatte er allerdings auch nicht, denn mit jeder Sekunde, die verstrich, nagte die Nässe seines Fells mehr an seinen Kräften, gegen die auch die Körpertemperatur des anderen nicht viel tun konnte, bis er vollständig das Bewusstsein verlor.

Wie viel Zeit vergangen war, als Julien seine Augen wieder öffnete, konnte er nicht sagen. Was ihm aber sofort auffiel, war die Temperatur um ihn herum verbunden mit der Tatsache, dass sich sein Fell schon sehr viel trockener anfühlte, als in dem Moment, in dem er eingeschlafen war. Allgemein fühlte er sich um einiges besser, was er nur dem Mann zu verdanken hatte, der ihn gerettet hatte. Wo dieser ihn genau hingebracht hatte, wusste er nicht, doch im Augenblick war ihm dies auch egal. Er war ihm dankbar, dass er sich seiner angenommen hatte, denn er wusste nicht, was aus ihm geworden wäre, hätte er noch länger im Schnee gelegen. Einen normalen Fuchs störte dies womöglich weniger, da er ein dichtes Winterfell besaß, doch ob dies bei ihm überhaupt der Fall war, konnte er nicht sagen. Aufgrund der Tatsache, dass der andere ihn mit Sicherheit vor einer Unterkühlung, wenn nicht gar dem erfrieren gerettet hatte, wollte er ihm einfach vertrauen. Dass ihm im Moment kaum etwas anderes übrig blieb, da trotz der Wärme seine Hinterpfote noch immer verletzt war, ignorierte er dabei.
Helfen taten ihm dabei auch die Finger, die durch sein Fell strichen und ihn davon und von dem leichten Schmerz ablenkten. Nie hätte er gedacht, dass es sich gut anfühlen könnte, von jemandem gestreichelt zu werden, auch wenn es in diesem Fall wohl auch ein klein wenig seiner Gestalt geschuldet war. Dennoch genoss er es. Julien bewegte sich dabei auch keinen Millimeter und zuckte mit keinem Muskel, da er befürchtete, der andere könnte mit seinem Tun aufhören, denn auch wenn er nicht erklären konnte, warum, wollte er, dass er weiter machte. Um ihm dies zu zeigen, ließ er zumindest einen leisen Ton von sich hören, der genau das signalisieren sollte.
Noch ein bisschen… Nur noch ein bisschen…
Nun schon viel klarer und deutlicher drang die Stimme an seine Ohren und auch sein Verstand konnte die Bedeutung viel schneller verarbeiten. Wenn es nach ihm ginge, könnten sie wohl noch ewig hier hocken. Dass er noch immer nicht wusste, warum er sich im Körper eines Fuchses befand und warum er sich nicht einfach zurückverwandeln konnte, wie es sonst der Fall war, war dabei auch vollkommen vergessen, auch wenn es sich noch immer ungewohnt und falsch für ihn anfühlte. Die Finger in seinem Fell ließen jedoch keine Möglichkeit zu, darüber nachzudenken - schon gar nicht, als er spürte, wie sie den Druck erhöhten, als wollte er ihn abtasten, und dabei Stück für Stück über seinen Körper bis hin zu seiner Rute wanderten. Je näher sie dorthin kamen, umso intimer fühlte es sich für ihn an, was ihm eine Gänsehaut bescherte und ihn dazu brachte, sich nun doch zu bewegen. Julien schmiegte sich noch näher an ihn, auch wenn dies kaum möglich war, sich dadurch wieder bewusst werdend, dass sie keine Stoffschicht mehr trennte und auch sein Fell nur wenig Schutz vor der intensiven Berührung bot. Trotzdem hörte er erst eine kurze Zeit später wieder damit auf, als ihm bewusst wurde, dass es sich zumindest für den jungen Mann aber doch komisch anfühlen musste.
Um sich nicht weiter zu bewegen, konzentrierte er sich stattdessen auf seine anderen Sinne: seine Nase und seine Ohren. Der Geruch, der von ihm ausging, war süßlich und ganz anders, als man es sich bei einem Jungen oder Mann vorstellte, die in der Regel herber rochen. Julien konnte jedoch nicht behaupten, dass es ihn deswegen nicht minder faszinierte, genau wie die Tatsache mit den leichten Akzenten, die er nun - wo er wacher und weniger erschöpft war - deutlicher heraushörte und zumindest das italienisch identifizieren konnte. Statt allerdings weiter mit ihm zu reden und sich damit vermutlich im Grunde vor allem selbst zu beruhigen, da er sicher davon ausging, einen richtigen Fuchs unter den Sachen zu haben, der somit nicht verstand, was er sagte, begann er leise eine Melodie zu summen. Ihr in Ruhe lauschend, schloss er wieder die Augen und entspannte sich dabei. Zumindest auch außen hin, denn an einem Punkt der Tonfolge tauchte das Bild seiner Schwester vor seinen Augen auf, wodurch er bemerkte, dass ihm die Melodie bekannt vorkam.
Ein leises Wimmern drang aus seiner Kehle, das er nicht verhindern konnte, denn zusammen mit der Melodie gelangte auch der Schmerz über ihr Verschwinden wieder in sein Inneres. Julien erinnerte sich gut daran, wie sie abends im Bett lag und dieses Lied hörte, um einzuschlafen. Es beruhigte sie, ganz besonders wenn in der Schule mal wieder jemand über sie herzog, weil sie aufgrund ihres schwachen Immunsystems so oft fehlte, und er nicht schnell genug bei ihr war, um dies zu unterbinden.
Dass der andere ausgerechnet dieses Lied summte, war mit Sicherheit nur ein Zufall. Ein Zufall, der jedoch zutiefst schmerzte und ihn dazu brachte, sich unter dem Stoff mehr zusammenzukauern.
Cyr hatte die Stirn an das kühle Glas der Fensterscheibe gelegt, sah nach draußen und summte die Melodie, die er als Kind von seinem Großvater gelernt hatte. Er verband nichts bestimmtes mit ihr, nur mehr einen bittersüßen Schmerz, der ihn an längst vergangene Tage erinnerte. Verschwommene Bilder, die nichts greifbares mit sich brachten. Wenn er genauer darüber nachdachte, oder weiter summte, waren da noch Gerüche nach einer feuchten wiese oder nasser Erde... Irgendwas gab es noch, doch es war zu flüchtig, um danach zu greifen oder es gar festhalten zu können, obwohl er es so gern würde. Er vermisste die Zeit oder viel mehr das, was er mit der Melodie verband.
Manchmal, wenn er allein war, spielte er sie auf dem Klavier. Oft kam es nicht vor, da er sie für sich haben wollte, abseits von den Ohren anderer, denn irgendwie konnte er es nicht ertragen, würde irgendwer ihn danach fragen. Was sollte er schon sagen? Wahrscheinlich wäre es zu absurd zu sagen, es erinnerte ihn an seinen Großvater. Selbst vor seinem kleinen Bruder war es ihm peinlich, obwohl es wohl eher derjenige wäre, mit dem er darüber sprechen konnte.
„... manchmal ist es schon seltsam, das man sich eher an ein Gefühl erinnert, als an feste, klare Bilder.“, murmelte er, weiter durch das weiche Fell kraulend, welches sich inzwischen viel weicher und trockener anfühlte, als vor einer halben Stunde. Die Heizung, die sich unter dem Fensterbrett befand, auf dem er saß, trug wohl dazu bei, sie beide zu wärmen. Beim Kraulen bemerkte er das leichte Beben, welches durch den kleinen Körper lief. Ob sein streichen zu fest war? Seine Berührungen wurden leichter, gingen in ein leichtes durchkämmen des Fells über.
„Wenn ich an die Melodie denke, dann hab ich den Geruch von feuchter Erde in der Nase, nach Wasser von einem nahegelegenem See und doch erinnert es an meinen Opa. Das ist seltsam, weil alles irgendwie zusammen gehört... als würde er in feuchtem Gras liegen und warten.“ Leicht schüttelte er den Kopf, da sich eine solche Szenerie nie abgespielt hatte. „Angeblich soll man sich eher durch Gerüche an was erinnern...“, warf er in den Raum, sich nicht schlüssig darüber seiend, was er damit sagen wollte. Nur gut, das ihn keiner hörte. Eben wegen solcher aussagen konnte er Cris so was nicht erzählen! Dieser würde lachen und ihn befremdlich ansehen, dessen war er sich sicher.
„Cris, mein Bruder würde sich totlachen, wenn er meine Gedanken hören würde... er beschwert sich immer, da ich ihm nie was sage aber... wen wundert es? Bei solchen Sachen... Dabei ist es doch so leicht. Musik und Bilder miteinander verbinden... Man hört etwas und hat gleich die passenden Bilder im Kopf... ganze Geschichten, Eindrücke... aber ich glaube so was würde er nicht verstehen. Er versteht oft nicht, was ich meine oder sagen will, obwohl die Worte ganz klar sind...“ Cyr verstummte, sah den treibenden Schneeflocken zu, die die Welt unter sich begruben und mit einer weißen Schicht bedeckten, einer Decke gleich, um das, was sich darunter verbarg, zu schützen.
„Manchmal denke ich, das uns Welten trennen. Dann aber gibt’s Tage, da müssen wir uns nur ansehen und der eine weiß, was der andere denkt....“ Es war so widersprüchlich und doch in Harmonie. Woran lag es? Wie konnte man es ändern? „Er ist das komplette Gegenteil von mir... aufbrausend, wild, direkt... redet oft, ohne zu denken... Wie soll er mich da verstehen?“ Leise schnaubte er, blies unbeabsichtigt seinen Atem gegen das kalte Glas und sah, wie es beschlug. Eigentlich könnte er nun etwas auf die beschlagene Stelle malen, doch dann würde er die Hand vom Füchschen nehmen müssen, nichts, was ihm gefallen würde. Lieber schloss er die Augen und ließ den Moment auf sich wirken. Frieden bereitete sich in ihm aus. Es war warm. Es war angenehm und wenn er dem Füchslein nicht die Wärme stehlen würde, hätte er nun das Gesicht in dem weichen Fell vergraben...
Aber da fiel ihm etwas ein. „Ich sollte dir was zum futtern besorgen und nach deiner Pfote sehen...“, überlegte er laut und verlagerte das Gewicht, schaute, wie er das Tierchen sicher genug transportieren konnte, ohne die wertvolle warme Luft entweichen zu lassen. Ein Band, welches sich im Saum befand, gab es nicht. Er würde das Tier also festhalten müssen.
„Hm, dann halt dich mal fest, das du mir nicht in die Hose rutscht...“, murmelte er, schob die linke Hand unter den Fuchs, hielt ihn an Ort und Stelle, als er aus dem Zimmer schlüpfte. Kurz auf dem Gang innehaltend, lauschte er auf verräterische Geräusche. Das seine Eltern inzwischen au0er Haus waren, wusste er, doch Cris musste hier noch irgendwo herum geistern. Wenn er brav war, machte er die Schulaufgaben, wahrscheinlicher war aber, das er sich mit irgendwas anderem beschäftigte... Cyr war es gleich, so lang er ihn nicht erwischte. „Kein verräterisches Geräusch....“, murmelte er, während er auf leisen Sohlen die Treppe herunter stieg und anschließend Richtung Küche aufbrach. Zu seinem Glück fand er diese leer vor, das er zielgenau den Kühlschrank ansteuern konnte. Wenn er sich nicht irrte, musste noch was vom braten übrig sein, den es heute Mittag gegeben hatte. Inn ständig hoffend, öffnete er die Tür und war froh, zu finden, was er hatte haben wollen.
Mehrere dicke Scheiben Fleisch lagen auf dem Teller, den er einfach an sich nahm. Nun zwei Scheiben seiner Beute auf einen kleineren Teller zu legen, war möglich, jedoch unsinnig da er nicht wusste, wie hungrig sein Gast war. Sinnvoller war es, gleich alles mitzunehmen und zu sehen, was er wollte. Mit der Rechten den Teller haltend, mit der Linken seinen Gast, ging es, die wertvolle Fracht balancierend, wieder nach oben, wobei er bei jeder Ecke stehen blieb und mit hämmerndem Herzschlag lauschte und spähte. Erst, wenn die Luft rein war, schlich er weiter. Er kam sich vor, wie ein Dieb auf der Flucht, was ja irgendwie hinkam. Ob sich Cris immer so fühlte, wenn er sich aus dem Haus stahl? Das schlechte Gewissen nagte an seinen Nerven und es wurde nicht besser, als die Tür zu seinem Zimmer ins schloss fiel, auch wenn sich nun Erleichterung in ihm breit machte und er glaubte, in dem Moment fliegen zu können. Beschwingt, war wohl das passende Wort. Über sich selbst den Kopf schüttelnd, ging es wieder zum Fensterbrett über der Heizung. Er hatte weder einen Staatsschatz gestohlen, noch einen Mord begangen und dennoch... Cyr konnte sich nicht erinnern, je mal was 'gestohlen' zu haben und sei es nur etwas aus dem Kühlschrank, was übrig geblieben war.
„Es tut mir ja leid aber...“ Cyr drückte sich an die Heizung, setzte den Fuchs auf eine weiche Decke, die er bereit gelegt und auf die er gesessen hatte, und welche die Kälte der Scheibe ein wenig abhielt. Langsam richtete er sich auf, lupfte den Hoodie, den er trug und schaute sich das Tierchen nun endlich genauer an, wobei ihm die Pfote auffiel. Ein leichtes, dennoch trauriges Lächeln umspielte seine Lippen. Was alles hätte passieren können, wollte er sich gar nicht ausmalen... damit sich kein Gedanke, entsprungen aus seinen Befürchtungen festsetzen konnte, überschlug er die nächsten Schritte.
Den Teller vor dem Kleinen abstellend, strich er ihm über das Köpfchen. Ja, er hatte ein schlechtes Gewissen, ihn der Wärme zu berauben, aber er brauchte Wasser und um die Pfote musste er sich auch kümmern, so verschwand er schnell im angrenzenden Badezimmer, wo er das Nötige besorgte.
Es dauerte nicht lang, da stand eine Schale mit Wasser vor dem Tierchen und Cyr hatte sich vor dem Fuchs auf die Knie sinken lassen, um mit ihm auf gleicher Höhe zu sein.
„Lass mich mal sehen...“, murmelte er, nahm die Pfote vorsichtig zwischen die Fingerspitzen und tastete nach möglichen Verletzungen. Ahnung hatte er nicht viel, doch nahm er geschickt Unebenheiten wahr, die nicht ganz ins Gesamtgefüge passen wollten. Vorsichtig verband er die Pfote, wobei er es nicht lassen konnte, den Daumen über die Unterseite des Füßchen wandern zu lassen, welches von den feinen Härchen unbedeckt war. Es war weich... fühlte sich ein wenig wie Gummi an und doch wesentlich angenehmer... Es faszinierte ihn, sodass er noch zwei, drei mal sanft drüber strich, ehe er verlegen von ihm abließ, ja, sich sogar leicht räusperte.
„Nun iss ein bisschen, dann kannst du wieder ins Warme!“, versprach er und setzte sich auf den Boden und ob die Hand. Da er noch nicht gezwickt worden war, legte er die Hand vorsichtig auf das Fell und nahm das sanfte Kraulen wieder auf. Nun fühlte er sich wirklich besser an, ohne, das er es auf eventuelle Einbildung schieben konnte! Seinem Gefühl folgend, schob er die Hand höher und kraulte sanft den Nacken des Tieres.

Julien Espello

"Schau dir das an, Jules."
Der Angesprochene blickte zu seiner kleinen Schwester, die mit beiden Händen an der Autoscheibe klebte und sich die Nase daran platt drückte, während ihr Blick auf der Landschaft außerhalb des Wagens lag. Julien musste nicht fragen, was sie meinte, musste nicht einmal hinschauen, denn er wusste ganz genau, wovon sie so fasziniert war. Kleine weiße Flocken fielen endlos vom Himmel, suchten sich einen Weg auf die Erde und bedeckten alles mit einer hellen und reinen Schicht, in der sich das Licht brach und sie zum glitzern brachte. Genau dies war auch der Grund, warum ihre Mom an diesem Morgen den Vorschlag machte, zu dem See zu fahren, der an ihrer Heimatstadt grenzte, und dort einen kleinen Spaziergang zu machen. Sie wusste ganz genau, dass sowohl ihr Mann als auch ihre Kinder - zumindest was Louna und ihn betraf - der Kälte nicht viel abgewinnen konnten. Sie alle mochten es lieber warm, was an dem Teil ihrer DNA lag, der es ihnen ermöglichte, sich zu verwandeln. Bastien war allerdings kein Mann, der seiner Frau einen solchen Wunsch ausschlug, und Louna liebte trotz ihrer Abneigung diese weiße Pracht, die für sie wie Puderzucker aussah. Wenn es möglich wäre, dass es auch im Sommer bei warmen Temperaturen schneite, wäre dies die perfekte Mischung für sie, doch sie war schon mit vier Jahren klug genug, um zu wissen, dass dies nicht ging und nahm es seitdem als notwendiges Übel an, dass es kalt sein musste, wenn sie Schnee haben wollte.
Julien mochte beides nicht. Weder den Schnee noch die Kälte, die mit diesem verbunden war. Da Louna sich jedoch darüber jedes Jahr aufs Neue freute und auch beim Frühstück begeistert auf die Idee des Ausflugs reagiert hatte, blieb ihm nichts anderes übrig als mitzufahren, denn er hatte sich geschworen, sie nicht aus den Augen zu lassen, wenn es ihm möglich war. Zudem war das Strahlen in ihrem Gesicht, als sie zu ihm sah, um zu schauen, ob sie seine Aufmerksamkeit hatte, Ausgleich genug für ihn, um kalte Hände und Füße in Kauf zu nehmen.
"Sieht es nicht wunderschön aus, großer Bruder?", fragte sie ihn, doch er kam nicht dazu, ihr eine Antwort darauf zu geben, denn ihre Mom drehte sich vom Beifahrersitz zu ihnen. Ein Lächeln lag auf ihren Lippen, als Michelle sie beide anblickte.
"Wenn wir Glück haben, sehen wir vielleicht sogar einen Fuchs."
Dieser Satz reichte aus, um Louna noch mehr zum Strahlen zu bringen, denn auch wenn er nicht wusste warum, liebte sie diese Tiere.
"Oh ja, ich will unbedingt einen sehen. Und wenn ich groß bin, möchte ich einen als Haustier haben."
Lounas Augen funkelten und Julien wusste, dass sie dies in die Tat umsetzen würde, denn wenn sie sich einmal etwas in den Kopf setzte, war es schwer bis unmöglich sie davon wieder abzubringen - wobei er sich dabei selbst nicht von ihr unterschied, denn er war in dem Punkt genauso.

Wenn Louna hier wäre und mich so sehen könnte
, ging es ihm durch den Kopf und ein erneutes Zittern lief über seinen für ihn ungewohnten Körper. Sie wäre ganz aus dem Häuschen und würde ihn wohl so lange knuddeln und tatsächlich wie einen Fuchs behandeln, wie er in dieser Gestalt wäre. Genau wie der junge Mann unter dessen Kleidung er steckte, um ihn aufzuwärmen. Die leise Melodie, die er summte und die ihn unweigerlich an Louna denken ließ, fand langsam ihr Ende, während das Streicheln in seinem Fell weiterging. Die Erinnerungen an damals und die Gedanken an seine Schwester waren jedoch zu präsent, um es mehr als nur am Rande mitzubekommen.
Auch die Worte, mit denen der andere die eingetretene Stille wieder durchbrach und mit denen er die leise gesummte Melodie ersetzte, schafften es nicht, ihn vollkommen wieder in die Gegenwart zurückzuholen. Zu tief saß der Schmerz über das Verschwinden seiner Schwester in ihm und bislang hatte er sich selten gestattet, sich dem einfach einmal hinzugeben. Viel zu sehr war er damit beschäftigt, sie zu suchen. Einen Weg zu finden, durch den er sie aufspüren könnte, und diesem nachzugehen, immer in der Hoffnung, sie jederzeit wieder vor sich stehen zu haben und in die Arme schließen zu können. Sein Herz sehnte sich danach und der große Bruder in ihm wollte einfach sicher gehen, dass es ihr gut ging. Er hatte geschworen, für sie da zu sein, ihr nicht von der Seite zu weichen und sie zu beschützen und mit jedem Tag, an dem er dies nicht tun konnte und sein Versprechen damit brach, zerbrach etwas in ihm.
Andere würden dies vermutlich nicht verstehen. Sie kannten diese tiefe Verbindung zwischen Zwillingen nicht, die auch mit nichts zu vergleichen war. Wobei das Gesagte des jungen Mannes, der ihn noch immer wärmte, etwas in ihm zum klingen brachte. Es sprach ihn an und weckte das Gefühl in ihm, dass dieser vielleicht doch ein wenig nachvollziehen konnte, wie man sich als großer Bruder fühlte, der auf kleine Geschwister aufpassen wollte. Leicht hob er den Kopf und in diesem Moment wünschte er sich, der Stoff des Pullis würde ihm nicht den Blick auf das Gesicht des anderen versperren, denn er hatte das Bedürfnis seine Mimik zu beobachten, während er über seinen Bruder sprach. Bei den Worten musste er an seinen eigenen Bruder denken, der ihn ebenfalls so oft nicht verstanden hatte. Obwohl dasselbe Blut in ihren Adern floss, waren sie doch von Grund auf verschieden - das begann bei der Fähigkeit sich zu verwandeln, die Adrien versperrt blieb und endete bei der Einstellung, was Lounas Verschwinden betraf, denn im Gegensatz zu ihm hatte dieser ihre kleine Schwester schon lange aufgegeben.
Die Beziehung zwischen seinem Retter und dessen Bruder schien auf den ersten Blick dagegen sehr viel harmonischer zu sein und dennoch schlich sich das Gefühl in sein Inneres, dass es da etwas gab, wovon er nicht gesprochen hatte, weshalb er gerne seine Reaktionen gesehen hätte. Vielleicht bildete er sich dies jedoch auch nur ein, da seine Bindung zu Adrien eher brüchig und für ihn im Grunde auch nicht von großem Belang war.
Während sich die Frage in seinem Kopf breit machte, wie es überhaupt so kommen konnte, dass sie sich nie richtig verstanden hatten, obwohl sie gemeinsam aufwuchsen, hörte er, wie sich der andere selbst aus seinen Gedanken holte und das Thema in eine essentiell andere Richtung lenkte: Essen und seine Pfote. Die Schmerzen in Letzterem hatte er kaum noch wahrgenommen, da er von dem jungen Mann zu fasziniert war und immer wieder Dinge entdeckte, die seinen Kopf beschäftigten, sodass seine Aufmerksamkeit komplett darauf gerichtet war. Mit der Erwähnung seiner Verletzung trat diese jedoch wieder stärker hervor und auch sein Bauch begann zu grummeln, als er etwas vom Essen hörte. Die Frage war nur: was würde er ihm vorsetzen? Bilder von rohem Fleisch zeigten sich vor seinem inneren Auge und ihm hob sich alleine bei dem Gedanken der Magen, weshalb er zumindest für diesen Punkt froh war, als der andere erneut seine Aufmerksamkeit forderte, indem er mit ihm zusammen aufstand. Er machte keine Anstalten, ihn aus dem Pulli herauszuholen und in dem Zimmer, in dem sie sich befanden, warten zu lassen, sondern setzte sich mit ihm zusammen in Bewegung. Julien hatte den Verdacht, dass er ihn tatsächlich mit in die Küche oder Vorratskammer nehmen würde, was nicht nur im ersten Moment leichtsinnig sondern auch im zweiten vollkommen fatal klang. Es war eine Sache, dass er mit ihm jemanden getroffen hatte, der tierlieb genug war, einfach einen verletzten Fuchs mitzunehmen und sich um ihn zu kümmern. Allerdings waren bei weitem nicht alle so und die Gefahr, dass er entdeckt wurde, war hoch.
Aus diesem Grund, versuchte er sich zu befreien, stoppte aber in seinen Bemühungen, als er die Tür hörte und kurz darauf gesagt bekam, er solle keinen verräterischen Laut von sich geben. Genau das hatte er nun auch gar nicht mehr vor. Stattdessen spitzte er die Ohren, nutzte seine in dieser Gestalt verbesserten Sinne und lauschte auf jedes Geräusch, das er hörte. Das Knarren einer der Treppenstufen ließ ihn zusammenzucken, doch er hielt sich zurück, auch nur einen Ton von sich zu geben. Selbst seinen Atem hielt er so flach, wie er nur konnte, und versuchte keinen Muskel zu bewegen. Gleichzeitig drängte alles in ihm, sich aus dieser Situation zu befreien - verletzte Pfote und eventuelle Mitbewohner hin oder her. Bisher hatte es ihn nicht gestört, dem anderen die Kontrolle zu überlassen, denn er war zu geschwächt, um etwas anderes zu tun, doch in diesem Moment, hatte er das Bedürfnis, wieder selbst Herr der Lage sein zu wollen.
Genau das ging allerdings nicht und so hielt er sich zurück. Leicht biss er sich auf die Zunge und schmeckte sogleich Blut, da es durch sein verändertes Gebiss alles andere als eine gute Idee war, sich auf diese Weise dazu zu zwingen, sich zusammenzureißen. Dennoch schaffte er es auch trotz des zusätzlichen Schmerzes, ruhig zu bleiben, bis er merkte, dass sich der andere wieder auf den Rückweg machte. Ihm selbst schien dieser Ausflug alles andere als geheuer zu sein, denn Julien spürte, wie das Herz des Mannes gegen seine Seite schlug. Die Atmung war hingegen genauso flach wie seine eigene und er war froh, als sie offensichtlich endlich wieder in dem Zimmer von zuvor waren. Erleichtert atmete er durch und tat dies noch einmal als er unter dem Pulli hervor geholt und auf das Fensterbrett gesetzt wurde. Eine weiche Decke lag unter seinen Pfoten, die sich angenehm anfühlte. Den Schmerz der Verletzung konnte sie jedoch nicht dämpfen, weshalb er leise winselte, als er genau diese zu sehr belastete. Sofort entlastete er sie, damit sie weniger schmerzte. Anschließend nutzte er endlich die Chance, die sich ihm bot, um seinem Retter einmal ins Gesicht zu sehen - und dabei vollkommen überrascht zu werden.
Julien wusste nicht genau, was er denken sollte, als er ihn betrachtete. Die Überraschung war keineswegs negativ, doch durch den italienischen Akzent, den er leicht herausgehört hatte, hatte er nicht damit gerechnet, einem Asiaten gegenüber zu sitzen. Verwirrt und fragend legte er den Kopf schief, während er mit dieser neuen Information darüber nachdachte, welchen Akzent er noch gehört haben könnte. Doch auch nach mehreren Momenten kam er nicht darauf und der Geruch des Bratens - der zu seiner weiteren Erleichterung nicht roh war - ließ seinen Magen erneut knurren. Daher wandte er sich ab und schleckte sich über die Schnauze. Wie ein Tier zu essen, war für ihn etwas völlig neues und ungewohntes, doch sein Hunger war zu groß, um davor zurückzuschrecken, sodass er ohne zu zögern herzhaft in den Braten biss.
Währenddessen hörte er, wie der andere, dessen Namen er nur zu gerne wüsste, verschwand, nur um kurz danach mit Verbandszeug und einer Schüssel mit Wasser zurückzukommen. Ein wenig skeptisch, da er keine Ahnung hatte, ob der andere wusste, was er da tat, beobachtete er ihn, auch wenn das Essen noch immer lockte. Julien wusste, dass seine Pfote behandelt und verbunden werden musste. Ob sie gebrochen oder nur verstaucht war, konnte er nicht sagen, doch als sie zwischen den Fingern des jungen Mannes lag, zuckte er zusammen und jaulte unterdrückt. Er wollte sie zurückziehen, spürte dann aber wie er vorsichtiger vorging, und es sogar beinahe kitzelte, als er über die Unterseite strich. Zum Glück war er auch als Mensch nicht so empfindlich unter den Füßen, sodass es auch jetzt erträglich war und er ihn gewähren ließ.
Zudem hatte er so die Chance, ihn weiter zu beobachten und die Worte erneut auf sich wirken zu lassen, die er ihm über seinen Großvater und seinem Bruder erzählt hatte. Hatte er sich diese negative Schwingung wirklich nur eingebildet oder war sie wirklich da? Dunkle Schatten lagen zumindest unter seinen Augen, die darauf schließen ließen, dass er kaum Schlaf bekam. Zudem wirkte er auf den ersten Blick zu hager für einen Mann seines Alters - auch wenn er aus Erfahrung sagen konnte, dass besonders Asiaten in diesem Punkt äußerst schwer einzuschätzen waren. Dennoch wirkte das Gesamtpaket so, als wäre etwas nicht in Ordnung, auch wenn er nicht sagen konnte, was es war, denn das Zimmer, welches er als eigene vier Wände des anderen vermutete, wirkte absolut in Ordnung.
Cyr lehnte sich gegen eine Truhe in seinem Rücken. Gefertigt von seinem Opa, als er ein Kind gewesen war, hatte er bei jeden Umzug darauf bestanden, sie mitaufzunehmen, obwohl seine Mutter sie gern mal als 'hässliches Ding' bezeichnete. Fasziniert hatte er damals zu gesehen, wie er immer wieder an dem unvorstellbaren Unikat gearbeitet hatte. Feine Linien zeichneten eine Szene aus dem Wald, siegelten Harmonie und Eintracht wieder, die ihres Gleichen suchte. Sie war ein Stück Kindheit, die ebenso wichtig war, wie all die Geschichten, die er gehört hatte und ja, er hatte sich auch gern mal darin versteckt, wenn ihm alles zu viel war. Manchmal mit Cris, manchmal allein.
Inzwischen passte niemand mehr von ihnen hinein, doch das war nicht das einzige, was sich verändert hatte. Während er das Füchschen beobachtete, wie es die Schnute immer wieder im Fleisch versenkte, wanderten seine Gedanken zu Cris, der hier irgendwo im Haus wuselte oder aber wieder unterwegs war. So genau wusste er es nicht. Die Zeiten, in denen sie sich alles offenbart hatten, waren ebenso vorbei, wie die warmen Sommertage, in denen er den Geschichten seines Opas hatte lauschen können. Genau genommen kannte er Cris kaum noch, wusste nicht, was ihn bewegte, was er dachte, was ihn antrieb. Dinge, die eigentlich selbstverständlich sein sollten.
„Es ist erstaunlich, das man Tür an Tür leben kann und sich doch so wenig sieht, als würden unzählige Meilen dazwischen liegen.“, seufzte er leise. „ich glaub ich hab meinen Bruder ganze 4 Tage nicht mehr gesehen...“, überlegte er. „Ich beneide ihn so sehr... er ist ständig unterwegs, macht was er will, schaut nicht zurück... und ich stehe mir immer selbst im Weg...“ Er presste die Lippen aufeinander und konnte nicht glauben, das er das eben laut ausgesprochen, das ihm das, was er sooft dachte, tatsächlich über die Lippen gekommen war.
Panik griff nach ihm, doch die Tatsache, das er allein war – sah man von seiner tierischen Gesellschaft ab – beruhigte ihn langsam wieder. „Ich hätte das nicht sagen sollen...“, meinte er leise und setzte sein gewohntes Lächeln auf, welches zeigte, das alles in Ordnung war. Kraft dazu hatte er schon lang nicht mehr, doch wie leicht war es doch, Dinge zu verstecken von denjenigen, die nicht sehen wollten. Cyr schloss die Augen, atmete einige Male durch und neigte den Kopf, wandte den Blick ab und sah zum Fenster hinüber, an dessen Kante sich eine kleine Schneewehe gebildet hatte und sich mit jeder Minute, die verstrich, weiter auftürmte. Irgendwer wollte dafür sorgen, das sie einschneiten. Keine all zu schlechte Idee, wie er fand.
„Eigentlich ist es erschreckend, wie leicht man Sache vor denjenigen verstecken kann, die einen besser kennen sollten, als irgendwer sonst. Man sagt, es ist nichts, man behält die kleinen Katastrophen, die man durchsteht, einfach für sich und sie glauben es... Cris hingehen schaut selten nach links oder rechts... Wo er langgeht, bleibt fast nichts aufeinander stehen... aber irgendwie macht ihn das auch niedlich... ich kümmer mich gern um das Chaos, das er zurück lässt... ob er es sieht, weiß ich nicht.“ Manchmal war es Cyr egal, erwartete er dafür doch keinen Dank, doch es gab Tage, an denen er sich fragte, ob Cris es mit Absicht machte. Sich in Schwierigkeiten zu bringen, war seine Art, so wie es Cyrs war, ihn wieder raus zu ziehen. Ob es ihm gefiel oder nicht, er konnte seinen kleinen Bruder nicht einfach zurück lassen.
„Wir sind komplett verschieden, doch irgendwie gleich, doch es interessiert niemand.“, stellte er nüchtern fest. „Unseren Eltern ist es wichtig, wie wir nach außen wirken... Cris rebelliert natürlich dagegen, will seine Freiheit und nimmt sie sich auch, wenn er meint, das es richtig ist... und ich glätte die Wogen... Ein Muster, was sich über die Jahre eingespielt hat... Und doch sind wir Welten voneinander entfernt... egal, was ich für ich tue... manchmal glaube ich, er hat all das satt und will einfach ausbrechen...“ Erneut verstummte er, wandte sich z seinem Gast, um zu sehen, in wie weit der Teller geleert war. Hetzen wollte er ihn nicht, daher ließ er ihm auch die Zeit. Das Fell war so verlockend weich... und doch behielt er die Finger bei sich, nicht das er sich noch verschluckte.
„Ich erzähle dir hier so viel... aber irgendwie...“ Seine Schultern hoben sich ein Stückchen, um dann wieder herab zu fallen. Es tat gut, mal auszusprechen, was ihm so im Kopf herum geisterte, was wohl dem Umstand zu danken war, das er sich nicht vorkam, als würde er sich für etwas rechtfertigen. Oder als würde man ihn in die Ecke drängen, geschweige denn, das aus seinen Worten eine Konsequenz erfolgte, mit der er nicht umgehen, oder die er nicht absehen konnte. Was konnte ein Fuchs schon tun?
„Ich beneide ihn, weil er all das tun kann, wovor ich mörderische Angst habe.“ Einfache Worte, die alles auf den Punkt brachten, was ihn aufwühlte. Eine Handvoll Worte, die er gegenüber seiner Familie nie aussprechen konnte. „Stattdessen verstecke ich mich... Mich, meine Gedanken, meine Ansichten... ich bin irgendwie nicht …. da, wohingegen er so präsent ist... Ich weiß er versteht mich ebenso wenig, wie ich ihn verstehe... obwohl ich immer versuche, für ihn da zu sein... das zu sein, was untere Eltern nie waren, ihm das zu geben, was sie ihm verweigern und dennoch wird die Kluft zwischen und größer und größer.... Ich weiß, das er darauf wartet, das ich mir ihm rede... das ich alles erkläre, aber das kann ich nicht...“, murmelte er immer leiser werden und bemerkte erst, als sich die eigenen, kurzen, sehr gepflegten Nägel in die Handfläche bohrten, wie sehr er die Fäuste ballte. Seine Knöchel waren unlängst weiß geworden und doch konnte er sich nicht entspannen. Tat er Cris nicht unrecht? „Ich gebe ihm keine schuld.“ Ein kleiner Hauch nur, in dem er die Worte hervor brachte, denn wie sollte er die Schuld bei jemand suchen, dem er sich nicht offenbarte und der demnach nicht wusste, was los war? Das es seinem jüngeren Bruder zu schaffen machte, wusste er und doch ging es nicht. Es ging einfach nicht. Schließlich wollte er ihn schützen, nicht belastend. Doch abgesehen davon, könnte er die Enttäuschung nicht ertragen, die ihn vielleicht erwarten würde. Oder die Abscheu. Den Unglauben. Oder den Umstand, das man ihn nicht ernst nahm, meinte, er solle sich nicht so anstellen.

Julien Espello

Mit einem erleichterten Seufzen verließ er die Bar und blieb kurz vor der Tür stehen. Er atmete die frische Nachtluft tief in seine Lungen, um den Gestank nach Alkohol und Zigarren von dort zu vertreiben, der auf der anderen Seite der Tür allgegenwärtig war. Er setzte sich auf den Haaren und den Klamotten ab, legte sich auf die Haut und kroch in die Nase, ohne dass man etwas dagegen tun oder ihn auch nur ausblenden konnte. Selbst hier draußen verfolgte ihn der Geruch noch immer und er nahm sich fest vor, unter die Dusche zu springen, sobald er wieder zu Hause war. Bevor er dies allerdings umsetzen konnte, tat er etwas anderes, um sich etwas wohler in seiner Haut zu fühlen, indem er in eben diese wieder hinein schlüpfte. Er konzentrierte sich auf sich und seinen Körper, schloss die Augen, um seine Umgebung dafür auszublenden und spürte kurz darauf, wie die Wandlung begann. Nur kurze Zeit später war Julien wieder er selbst. Die Kleidung, die er trug war ihm prompt drei Nummern zu groß, sodass sie wie ein Sack an ihm hing und er riskierte, seine Hose zu verlieren, die er mit einer Hand festhielt.
Angst, dass ihn jemand dabei beobachtete, wie er sich wandelte, hatte er keine. Nicht mitten in der Nacht in einer Stadt wie Houghton, in der die Bordsteine bereits am frühen Abend hochgeklappt wurden und sich Fuchs und Hase gute Nacht sagten. Die einzigen, die um diese Uhrzeit noch unterwegs waren, waren alte frustrierte Männer, die sich in der Bar hinter ihm das Leben etwas schöner tranken. Unter anderem auch jene Männer, auf die er es abgesehen hatte und wegen denen er dieses Schmierentheater überhaupt aufgeführt hatte. Die beiden gehörten nicht zum üblichen Klientel des Etablissements, in dem sie saßen. Sie mochten sich schlichtere Kleidung übergestreift haben, doch an ihrem Gebaren sah man sehr leicht, dass sie besseres gewöhnt waren. Zudem hatte Julien sie schon einmal gesehen, wie sie aus einem der wenigen Geschäfte kamen, in denen die normal verdienende Bevölkerung aufgrund der Preise nicht einkaufen gehen würde. Dabei hatte er ein Gespräch zwischen ihnen und einem dritten Mann belauscht, was ihn stutzig machte und seine Neugier weckte, denn er war sich beinahe sicher, dass sie sich über seine Schwester unterhalten hatten. Also war er ihnen gefolgt, hatte die Passanten, die an ihnen vorbei kamen, genutzt, um sich mit ihrer Hilfe zu verstecken, indem er sich in sie verwandelte. Ein riskantes Unterfangen, sollte sein Bauchgefühl stimmen und sie es bemerken, denn anders als die Polizei, die dachte, Louna wäre einfach abgehauen oder bereits tot, war er sich sicher, dass sie unvorsichtig war und einmal während einer Wandlung beobachtet wurde, was ihr zum Verhängnis wurde, weil es Menschen auf den Plan rief, die diese Fähigkeit interessant fanden.
Den dritten Mann außer Gefecht zu setzen, um in seine Rolle schlüpfen zu können, war allerdings nicht minder riskant, doch für seine zweite Hälfte würde Julien wohl alles tun. Jeden Tag ohne sie, spürte er, dass ein Teil von ihm fehlte, und er hatte das Gefühl, dass es mit der Zeit immer schlimmer wurde. Bis er sie fand und wieder in seine Arme schließen konnte…
"Julien?! Was zur Hölle machst du hier?"
Der Angesprochene wurde aus seinen Gedanken gerissen und zuckte leicht zusammen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ihn jemand erwischen würde, der ihn kannte. Wobei das unter den übernatürlichen Bewohnern der Stadt nicht sehr schwer war. Immerhin war ihre Familie unter ihnen bekannt, wie eine Zirkusattraktion, die für Besucher besonders spektakuläre Showelemente zu bieten hatte. Einen Chamäloen Gestaltwandler, dessen Kinder wie wandelnde Spiegel waren, sah man immerhin nicht alle Tage… Die Person zu der Stimme, die ihn erkannt und angesprochen hatte, kam allerdings aus seiner eigenen Familie und Julien verfluchte sich dafür, dass er ausgerechnet von Adrien erwischt wurde. Sein Blick wanderte zur Seite, wo sein großer Bruder nur wenige Meter von ihm entfernt stand und näher zu ihm kam, als er sich ihm zuwandte. Dessen Augen wanderten über ihn und mit jeder Sekunde, die verstrich, vertieften sich die Falten auf seiner Stirn.
"Jetzt sag mir nicht, du hast dich gewandelt und warst in diesem heruntergekommenen Schuppen?"
Sich herauszureden, war absolute Zeitverschwendung. Alleine die viel zu große Kleidung an seinem Körper sprach bereits Bände, sodass Julien ihn lediglich herablassend ansah und schnaubte.
"Ich glaube nicht, dass dich das was angeht. Kümmere dich um deinen eigenen Kram."
Sein Tonfall war scharf. Er hatte keine Lust, sich von seinem Gegenüber eine Predigt anzuhören - angehender Polizist und die Tatsache, dass er minderjährig war hin oder her. Schließlich war er nicht hierher gekommen, um sich wie andere Exemplare im Inneren der Spelunke voll laufen zu lassen.
"Unsere Eltern geht es aber schon was an. Was hast du da drin gesucht?"
Adrien kam noch ein Stück näher und sog die Luft tief in seine Lunge. Auch wenn er nicht in der Lage war, sich zu wandeln, waren seine Sinne doch ein wenig besser ausgeprägt als die eines normalen Menschen.
"Du riechst nicht, als hättest du was getrunken. Also was wolltest du da drin?"
"Ich sagte dir bereits, dass dich das nichts angeht. Du hast sie wie alle anderen sowieso schon lange aufgegeben…"
Der letzte Satz kam Julien nur leise über die Lippen, denn es schmerzte, ihn auszusprechen. Es war eine Sache, wenn die Polizei die Suche nach Louna einstellte, weil sie in der Sache mit ihren Mitteln nicht weiter kamen, aber es war eine ganz andere, wenn Teile der Familie sie genauso abhakten und als unlösbaren Fall in irgendeine Schublade steckten. Beides tat weh, doch das Adrien ihre Schwester aufgegeben hatte, vergrößerte die Kluft, die bereits seit ihrer Kindheit zwischen ihnen klaffte, noch um ein Vielfaches. Aus diesem Grund wandte er sich von ihm ab, denn sie hatten sich nichts weiter zu sagen. Seine freie Hand fuhr dabei in die Tasche seiner viel zu großen Hose, wo seine Finger das Papier der kleinen Visitenkarte streifte, die er einem der Männer in der Bar abgenommen hatte. Er war sich sicher, dass sie ein Hinweis auf Lounas Verschwinden war. Ein erster Anhaltspunkt, dem er nachgehen wollte. Wenn die Polizei nichts mehr tat, um Louna zu finden, musste er das eben auf eigene Faust tun…


Auch heute noch war sich Julien in diesem Punkt sicher, dass ihn seine Intuition nicht trog - vor allem da er einen der damaligen Männer bereits in dem Bordell, in dem er als Barkeeper arbeitete, als Kunden gesehen und bedient hatte. Er wusste nicht, ob er selbst etwas mit dem Verschwinden von Louna zu tun hatte oder einfach nur jemand war, der mehr wusste, als ihm am Ende womöglich gut tat, doch so oder so blieb seine Hoffnung bestehen, dass er an seinem Arbeitsplatz - so ungewöhnlich er für einen Minderjährigen auch war - Informationen über den Aufenthaltsort seiner Schwester bekam. Auch wenn er sonst eher ein Kopfmensch war, konnte er sich in vielen Fällen doch auch auf sein Bauchgefühl verlassen.
So wie auch in seiner jetzigen Situation. Er wurde das Gefühl nicht los, dass es in diesem Haus nicht so harmonisch und glücklich ablief, wie es auf den ersten Blick den Anschein machte. Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete Julien, wie sich sein Retter an eine Holztruhe lehnte, die nicht zum Rest der Einrichtung passen wollte. Sie schien handgemacht, die eingravierten Bilder waren filigran, als hätte jemand sehr viel Zeit und Herzblut in die Arbeit gelegt. Von wem sie stammte, konnte er nicht ausmachen, doch in einer Ecke erkannte er etwas, das aussah, als hätte jemand auch einen Text ins Holz graviert. Er hob seinen Kopf, um einen genaueren Blick darauf zu werfen und erkannte dabei die Worte "für Pulcino", die den italienischen Akzent in der Stimme des anderen für ihn ein wenig erklärte. Weitere Gedanken, von wem sie sein könnte, konnte er sich allerdings nicht machen, da der junge Mann, dessen Namen er noch immer nicht kannte, die Stille durchbrach und dabei genau das offenbarte, was ihn an dem Bild, was sich ihm hier bot, störte und seine Intuition wieder einmal bestätigte. Aufmerksam hörte er ihm zu, während er Stück für Stück sein Gefühl bestätigte, das er bereits hatte, als der andere das erste Mal von seinem Bruder sprach. Zu diesem Zeitpunkt hatte er es noch auf seine eigenen Erfahrungen geschoben, die er mit Adrien gesammelt hatte und die ihm zeigten, dass Blut nicht immer dicker war als Wasser. Sein großer Bruder und er waren dafür ein sehr gutes Beispiel.
Hier lag die Sache allerdings ganz anders. So schmerzhaft die Worte für den anderen wohl auch sein mussten, spürte Julien auch die Liebe, die er für seinen kleinen Bruder empfand. Etwas, dass er besser nachvollziehen konnte, als alles andere, denn die Bindung zu seiner Schwester war unerschütterlich. Er wollte sich nicht einmal ausmalen, wie es wäre, wenn er sie wiederfand und ein genauso großer Graben zwischen ihr und ihm bestehen würde, wie zwischen den beiden Brüdern. Es würde ihm das Herz zerreißen. Gleichzeitig würde es aber nichts an seiner Liebe für sie und an der Tatsache ändern, dass er immer für sie da war, wenn sie ihn brauchte. Dass dies in so einem Fall nicht ganz einfach wäre, zeigten ihm jedoch die Worte des anderen. Dieser liebte seinen Bruder - das war mehr als offensichtlich. Doch sobald sich der andere gegen alles wehrte, was man für ihn tun wollte, war jeder Ansatz mit jeder Menge Kraft verbunden. Julien merkte ihm an, wie es ihn auszehrte, was auch erklärte, warum er viel zu schmächtig und ausgelaugt wirkte. Und so wie es aussah, trugen die Eltern der beiden einen erheblichen Teil dazu bei.
Ohne darüber nachzudenken, ob es eine gute Idee war und ob es dem Verhalten eines echten Fuchses auch nur ansatzweise nahe kam, ließ Julien sein Essen links liegen und sprang vom Fensterbrett - was im Nachhinein betrachtet alles andere als eine gute Idee war. Er jaulte leise auf, als er auf der verletzten Pfote aufkam und knickte in dem Bein ein. Dennoch rappelte er sich mühsam wieder auf und humpelte mehr schlecht als recht zu dem anderen hinüber, der aus dem Fenster schaute. Vorsichtig setzte er sich neben ihn und stupst ihn mit dem Kopf an, bevor er ihm eine Pfote ans Bein legte. Am liebsten hätte er ihm gesagt, dass es in Ordnung war, darüber zu reden und er sich keineswegs dafür schämen musste. Allerdings war das in seinem derzeitigen Zustand unmöglich und zudem war er sich nicht sicher, ob sich der andere überhaupt dazu überwinden könnte, mit jemandem darüber zu reden. Auf ihn wirkte er wie derjenige, der dafür sorgte, dass das Bild, das seine Eltern haben wollten, weiterhin aufrechterhalten blieb. Allen Konsequenzen für sich selbst zum Trotz.
Familien waren in vielen Fällen eine komplizierte Angelegenheit und nicht immer nur mit positiven Gefühlen verbunden. Immerhin hockten über viele Jahre hinweg Personen mit den unterschiedlichsten Charakteren und Ansichten unter einem Dach. Wer das dauerhaft harmonisch unter einen Hut bekam, hatte seiner Meinung nach einen Orden verdient, auch wenn er zugeben musste, dass der Zustand dieser Familie alles andere als gut klang. In seinen Ohren klang es eher wie reines Gift, das offensichtlich die anfänglich gute Beziehung der Brüder ebenfalls zerstört hatte...