Wind Beyond Shadows

Normale Version: A strange nurse in a pink dress
Du siehst gerade eine vereinfachte Darstellung unserer Inhalte. Normale Ansicht mit richtiger Formatierung.
Das verletzte Paar krachte mit einer Wucht auf den Boden im OP-Saal, des New Yorker Krankenhauses und riss dabei sämtliche Utensilien vom OP-Tisch, die klirrend zu Boden fielen. Stöhnend richtete sich der Engel auf, den Dämon immer noch im Arm haltend, und blinzelte einige Male, denn sein Umfeld nahm er nur verschwommen wahr. Das grelle Licht, dass von der Decke auf sie hinunterschien, gemischt mit dem Geruch nach Desinfektionsmittel, ließ bereits darauf hindeuten, dass sie sich in einer medizinischen Einrichtung befanden und tatsächlich: nachdem die Konturen um ihn langsam scharf wurden und er langsam seinen Kopf zu drehen begann, konnte er mit Sicherheit sagen, dass sie sich in einem Krankenhaus befanden. Erleichtert atmete er aus und sah dann zu seinem Freund hinunter, dessen Augen geschlossen waren. Er atmete noch, es lag also sicher an der Erschöpfung und an den Schmerzen und auch wenn sie jetzt möglicherweise in Sicherheit waren, musste August noch dafür sorgen, dass die Wunden seines Freundes verarztet wurden. Man könnte meinen, dass sich das Krankenhaus dafür perfekt eignete und im Falle eines verletzten Menschen wäre es das auch gewesen, aber mit menschlichen Mitteln, konnte ihm nicht geholfen werden. Was Cris brauchte, war Ambrosia oder einen Heiler und Zeit um sich regenerieren zu können. Und in diesem Zustand, blutverschmiert und mit zerfetzten Klamotten, konnte er unmöglich hier bleiben, also versuchte August sein bestes, um gemeinsam mit ihm aufzustehen und ihn zu stützen, damit sie zur Tür gehen konnten. Draußen war es still, jedoch nur für einen Moment. “Gene, sieh bitte nach. Ich bin mir sicher, dass das Geräusch aus dem OP Saal kommt. Vielleicht ist Mr. Moore dort eingebrochen. Sein Alzheimer lässt ihn oft vergessen, in welche Räume er gehen darf.” Danach folgten hastige Schritte, die geradewegs auf sie zusteuerten und August, der sich schnell entscheiden musste, was er machte, humpelte einfach die andere Richtung, so zügig es eben ging und bog ab, in eine schmalen Gang, wo sich die Zimmer der Patienten der Intensivstation befanden. Ohne weitere Überlegung öffnete er eine der Türen und schob sich gemeinsam mit seinem Freund in den Raum.
Außer ihnen befand sich nur ein älterer Herr auf einem der Betten und schlief anscheinend, da er nicht einmal mit der Wimper zuckte, als sie eintraten. “Komm, wir setzen dich erst einmal ab und dann sehe ich zu, dass wir hier so schnell wie möglich verschwinden.”, murmelte er an das Ohr des Dämons, dem er behutsam über den Kopf strich, als er ihn auf das Bett legte. Hoffentlich erhörte Hope seine Gebete und tauchte bald auf, denn er brauchte dringend etwas von der Heilsalbe, um die Wunden seines Freundes zu verpflegen. Seinen Rücken musste er ebenfalls behandeln, er spürte die Spuren des Feuers nach wie vor, aber es war kein Vergleich zu dem, was sein Freund durchmachen musste und nur das zählte im Moment: Sein Wohlergehen. “Ich bin gleich wieder bei dir, ich muss Hope kontaktieren.”, sagte er leise und drückte ein letztes Mal die Hand seines Freundes, bevor er erneut auf den Gang trat und nach dem Ausgang suchte, damit er zumindest vor dem Krankenhaus nach einer Telefonzelle oder ähnlichem suchen konnte. In seinen dunklen, zerrissenen Klamotten hastete er durch die Gänge und lief am Ende zwei Schwestern in die Arme, die sofort zu schreien begannen: “Das ist er! Hier ist er! Doktor Keeley, wir haben ihn gefunden!! Den Mann der im OP-Saal war!” Besagter Doktor kam sofort aus einem der Zimmer zu ihnen angerannt schüttelte mit ernstem Blick den Kopf: “Sir, ich muss Sie bitten sofort mit uns mitzukommen!”
Oh nein, nein, nein… “W-was? Ich kann ni-”
“Sir, keine Widerrede, Sie sind verletzt und zudem unbefugt in einen der OP-Säle eingebrochen, wir können Sie nicht einfach gehen lassen!”
“Ich möchte keinen Ärger bereiten, ich will einfach nur kurz hinaus und-”
“Wenn Sie sich wehren, müssen wir die Polizei rufen!”
“Ist das ein Messer in ihrem Stiefel?!”
Oh Gott, nein, das geriet hier gerade äußerst aus den Fugen. Cris brauchte Hilfe und August musste so schnell wie möglich hinaus, um seinen besten Freund zu kontaktieren. Für so einen Mist hatte er gerade wirklich keine Zeit. “Hören Sie zu, ich gehe freiwillig, kein Grund die Polizei zu rufen.”
“Sir, sie tragen eine Waffe bei sich und auf ihren Händen ist Blut. Wir haben keine andere Wahl-”
Ein lauter Schrei von einer Krankenschwester, die unsanft beiseite geschubst wurde, und der Engel rannte den Gang entlang bis er beim Eingangsbereich ankam und stürmte dort hinaus auf den Parkplatz. Er rannte, sodass er schnell außer Reichweite kam und sah sich bereits nach einer Telefonzelle um. Cris befand sich alleine in dem Zimmer und konnte jederzeit entdeckt werden, jedoch nahm man da eventuell an, dass er ein frisch eingelieferter Patient war. August mit seinen dunklen Klamotten, der Kappe und dem Dolch, der aus seinem Stiefel hervorblitzte wirkte dann doch eher wie jemand, der Schaden anrichtete und deswegen konnte er es irgendwo nachvollziehen, dass sie damit drohten die Polizei zu rufen.
Eine lockere Stimme ertönte neben ihm und als der Engel sich umdrehte, stand sein bester Freund vor ihm, sein obligatorischer Grinser auf den Lippen. “Na? Alles schief gegangen?”
August hätte ihn am liebsten ins Gesicht geschlagen und ihn gleichzeitig umarmt, entschloss sich allerdings für letzteres, da er dringend die Hilfe seines Bruders brauchte. “Cris, er liegt drinnen und ist schwer verletzt, seine Wunden heilen nicht so schnell und-”
“Ich weiß, ich weiß. Hier ist das Ambrosia. Du weißt wie du es zu dosieren hast, nicht wahr?”
Der Kleinere nickte heftig und nahm den blau schimmernden Tiegel an sich, bereit wieder zurück zu gehen, bis ihm einfiel, dass er nicht erneut hineinspazieren konnte, als sei nichts gewesen. “Hope, ich- … du musst mir noch einen Gefallen tun. Ich kann da nicht hinein, nicht so wie ich jetzt aussehe. Kannst du mir eine Uniform besorgen? Etwas, damit ich nicht auffalle? Die wollten vorhin schon die Cops rufen, aber ich muss Cris da raus holen, bevor die ihn verarzten und merken, dass er von selbst heilt.”
Hopes Stärke lag unter anderem darin sämtliche Engel in die verschiedensten Gebäude einzuschleusen und es war nicht das erste Mal, dass August sich inkognito bewegte. Sein Bruder nickte nur, mit einem selbstverständlichem Lächeln und er hielt die Hand vor sich, aus der sich aus weißem Rauch eine kleine Tüte materialisierte. Das Grinsen des Rothaarigen wurde breiter und er deutete auf das Gebüsch neben ihnen. “Eine besonders exquisite Verkleidung. Ein gewisser Herr Moore erwartet nämlich Besuch. Drinnen solltest du sofort erkannt werden und zu ihm geführt werden. Danach musst du selbst zusehen wie du zu Cris kommst.”, erklärte der Heiler und reichte August die Tüte, dessen Inhalt im dunklen nicht identifiziert werden konnte. “Geh schon, zieh dich schnell um. Ich muss los, aber ich werde dich kontaktieren, sobald ich die da oben besänftigt habe. Sie sind momentan nicht gut auf dich anzusprechen, wegen dem Auftrag… Aber das wird schon. Also dann, bis später.” Und schon war er verschwunden, hatte sich im nichts aufgelöst und August stand alleine da, mit der Tüte zum Glück - wenn man es so nennen konnte. Hinter dem Gebüsch, streifte er sich seine Jacke ab und zog das Kleidungsstück, das nicht wie erwartet aus zwei Teilen - einem Shirt und einer Hose - bestand, sondern aus einem Einteiler. Vielleicht war es auch einfach nur ein Kittel, aber als er es ganz aus der Tüte zog und auch noch die pinke Farbe sah, konnte er gerade so den geschockten Laut unterdrücken, der ihm entweichen wollte. Das Stück Stoff in seiner Hand war weder ein Kittel, noch eine Hose oder ein Shirt...sondern ein Kleid. Pink und mit Rüschen am Ende. Ein weiterer Blick in die Tasche reichte, um das Kostüm, um das es sich offensichtlich handelte, zu vervollständigen. Drinnen lagen nämlich die passenden Strapsen, Schuhe und Strümpfe, inklusive Krankenschwesternhütchen. “Dieser beschissene….”, murmelte er zu sich selbst und verfluchte seinen Bruder dafür, dass er ihn so demütigen wollte. Wenn es hier nicht um Cris gehen würde, gäbe es gar keine Diskussion und die Tüte wäre sofort im Müll gelandet. Aber es war die einzige Möglichkeit wieder das Krankenhaus zu betreten und Cris da raus zu holen, der wahrscheinlich schon entdeckt wurde, wenn er sich nicht beeilte. “Warte nur, wenn wir uns wiedersehen. Dir drehe ich den verdammten Hals um.”, murmelte er zu sich selbst, während er seine Jeans in die Tüte stopfte und sich die Strümpfe anzog. Danach folgte das Kleid, dass ihn nahezu erschaudern ließ, denn es endete nur kurz über dem Hintern und hatte auch noch Schlitze an der Seite. “Jede Minute, die ich in diesem Ding verbringe, wirst du teuer bezahlen Hope, hörst du? Ich weiß genau, dass du mich beobachtest.”
Wahrscheinlich lachte er sich irgendwo kaputt, als August auf den pinken Lederschuhen mit kleinem Absatz Richtung Eingang klackerte und sich dabei mit beiden Händen am Saum das Kleid hinunterzog, weil er das Gefühl hatte, dass der pinke Stoff hinaufrutschte. Das Loch über der Brust machte das ganze nicht besser und noch nie hatte er sich so geschämt. Er konnte beim Empfang nicht einmal den Kopf heben, aber Hope bewahrte Recht mit seiner Aussage, dass er empfangen werden würde. “Ah, Miss! Sie sind endlich hier. Sie wollen zu Mister Moore, richtig?”
Unfähig auch nur einen Laut von sich zu geben, nickte er einfach und ließ den Kopf gesenkt. Die Röte in seinem Gesicht reichte von einem Ohr zum anderen und sein unzufriedenes Schmollen war es, was Herr Moore, den er kurz darauf am Gang in seinem Rollstuhl traf und mit ihm alleine gelassen wurde, besonders gefiel. Dieser grinste ihn selig an und verpasste ihm einen Klaps auf den Hintern und August riss erschrocken die Augen auf, bevor er die Augenbrauen zusammenzog und sich hinter den Mann stellte, um ihn den Gang entlang zu schieben. “Wir gehen jetzt erst mal in Ihr Zimmer.” Mit diesen Worten schob er den Mann in besagtes Patientenzimmer und schloss die Tür, ohne selbst hineinzugehen. “So ein Spinner!”, zischte er und ging Richtung Intensivstation, wo er Cris zurückgelassen hatte. Dabei achtete er penibelst darauf, dass er niemanden über den Weg lief, was schwerer war als gedacht, denn immer wieder kamen Patienten oder Ärzte und er versteckte sich entweder hinter Automaten oder betrat verbotene Räume, bis er endlich bei seinem Ziel ankam.
Im Zimmer war es still, bis auf das Piepen, dass von den Maschinen kam, an denen der alte Mann gebunden war. August trat leise ein und steuerte erst das Badezimmer an, um Verbände und die Ambrosiapaste anzumischen. Dass währenddessen schon jemand hier drinnen gewesen war und es Cris schon viel besser als vorhin ging, merkte er nicht. Er war zu sehr damit beschäftigt an dem Kleid zu zupfen, sich über die allgemeine Situation zu ärgern und die Verbände vorzubereiten. Als er zurück zu seinem Freund ging, sah er, dass dieser bereits wach war und hielt sich sofort den Zeigefinger an den Mund, als Zeichen, dass er leise sein sollte. “Kein Wort zu dem Aufzug!”, zischte er leise und stellte sich neben seinen Freund, während er das verbandszeug auf dem Nachtkästchen daneben abstellte. “Kannst du dich aufsetzen? Ich muss dich verbinden, damit wir hier verschwinden können.”, flüsterte er leise und zog dem Dämon das Shirt aus. Entweder war es das Licht hier im Raum oder er hatte es anders in Erinnerung, aber Cris sah viel gesünder aus als vorhin. Vorsichtig strich er über den Oberkörper und musterte ihn, ehe er zum Gesicht des anderen strich und sich nach vorne zu ihm beugte, um ihn flüchtig zu küssen. “Ich lasse dich nie wieder alleine, hörst du? Egal was auch kommen mag, ich bin immer für dich da und werde dich beschützen.” Danach lächelte er sanft, küsste ihn noch einmal und begann die in verdünntem Ambrosia getränkten Verbände um ihn zu wickeln. Im Nacken fiel ihm eine seltsame Wunde aus, die wie ein Mal aussah. “Hope wird sich darum kümmern. Damit es weggeht.”, versicherte er ihm, auch wenn er nicht wusste, ob es überhaupt möglich war ein Mal wie dieses zu entfernen. Sie mussten es versuchen. Aber jetzt zählte vorerst nur, dass er seinen Freund verarztete, so wie früher, ...mit ein paar Unterschieden.

Crispin Cipriano

Den Hinweisen, dass er sich gut festhalten und die Augen schließen sollte, konnte er gerade so nachkommen, bevor ihn auch schon ein seltsames Gefühl erfasste, welches allerdings schon nach wenigen Augenblicken wieder vorbei war. Die Nachwirkungen - Übelkeit, Schwindel, Orientierungslosigkeit - waren aber dennoch zu spüren und er konnte kaum beschreiben, wie es sich angefühlt hatte, sich plötzlich in Luft aufzulösen und im nächsten Moment irgendwo anders wieder aufzutauchen. Dass die Landung äußerst unsanft ausfiel, sodass er vor Schmerz aufstöhnte, da er auf irgendetwas gefallen war, war mit Sicherheit nicht so geplant und Crispin merkte, wie ihm diese Tatsache gemeinsam mit der, dass er während des Kampfes mit Seimei einiges abbekommen hatte, langsam aber sicher nicht nur die letzten Kräfte, um sich zu bewegen, sondern auch um bei Bewusstsein zu bleiben, raubte. Daher bekam er nur am Rande mit, wie August mit ihm aufstand und irgendwohin lief. Eine große Hilfe war er ihm beim Laufen nicht, da er kaum in der Lage war, seine Beine anständig zu benutzen, weshalb ihn der andere wohl mehr trug und hinter sich herschleifte, als ihn bloß beim Gehen zu stützen. Kurz darauf spürte er etwas weiches unter sich und äußerst bereitwillig legte er sich darauf. Crispin war es egal, was es war, und ihm war gerade auch egal, wo genau sie sich befanden, denn immer mehr machte sich in ihm der Wunsch breit, sich einfach nur auszuruhen und zu schlafen. Dabei war es auch egal, dass ein anderer Teil von ihm genau das gerade nicht wollte, da sie nun scheinbar endlich in Sicherheit waren und die Chance bestand, August zu fragen, wie es ihm ging. Der Geruch der verbrannten Federn lag ihm immer noch wie ein schwaches Echo in der Nase, und ob ihn etwas von den weißen Flammen nicht doch erwischt hatte, wusste er ebenfalls nicht. Allerdings überzeugte der müde Teil von ihm den anderen, dass dies alles auch noch Zeit bis später hatte und es dem Engel zumindest gut genug zu gehen schien, um ihn irgendwohin zu bringen.
Nur leise drangen Augusts Worte an seine Ohren und er nickte schwach, nachdem er deren Bedeutung begriffen hatte. Gerne hätte er etwas dazu gesagt, vor allem als es darum ging, dass er ihn - wenn auch nur für kurze Zeit - alleine lassen wollte, doch dazu kam er nicht mehr, da sich die Ohnmacht immer mehr in ihm bemerkbar machte. Sie kratzte an seinem Bewusstsein und lockte ihn mit dem Versprechen, dass er die Schmerzen, die sich durch die unzähligen Verletzungen durch seinen Körper zogen, einige Zeit los sein würde. Doch selbst wenn er gewollt hätte, hätte er sich nicht dagegen wehren können und so wurde er bewusstlos, noch bevor er hörte, dass August ging.

“Oh mein Gott, das sieht ja schlimm aus-”
Die Worte drangen nur leise und schwer verständlich in sein Ohr und in sein Bewusstsein. Dennoch reichte es aus, dass er langsam die Augen öffnete, auch wenn er sie nicht sonderlich weit aufbekam. Schemenhaft nahm er neben sich eine Person war. Ein junges weibliches Gesicht, umrahmt von braunen Locken, so weit er das erkennen konnte. Ihr Blick traf seinen, erschrocken und besorgt, bevor er ihre Stimme erneut hörte.
“Keine Sorge, gleich geht es Ihnen etwas besser.”
Was sie damit meinte, verstand Crispin nicht. Der weiße Kittel, den sie trug, und der Geruch nach Desinfektionsmittel verrieten ihm allerdings nun auch endlich, wo er sich befand. Nie im Leben hätte er gedacht, dass er noch einmal ein Krankenhaus von innen sehen würde. Schon gar nicht als Patient. Und wo zum Teufel war August eigentlich? Nur schwach erinnerte er sich daran, dass er ihn von dem Kampf mithilfe einer Teleportation weggeschafft hatte, doch wo er nun war, hatte er keine Ahnung. Weiter darüber nachdenken, konnte er allerdings auch nicht, denn ein angenehmes Gefühl machte sich in ihm breit. Es erinnerte ihn an das leichte Kribbeln, das einsetzte, wenn seine Wunden heilten. Ein Gefühl, das während des Kampfes weitestgehend ausblieb, nun aber viel stärker spürbar war. Gerne hätte er sie gefragt, was sie da tat, doch dafür fehlte ihm noch immer die Kraft, auch wenn er sich mit jedem Augenblick ein bisschen besser fühlte.
Nach wenigen Momenten war es auch schon wieder vorbei und das Kribbeln ließ nach, bis es gänzlich verschwand. Komplett geheilt war er nicht, aber seine Verletzungen schienen auch nicht mehr ganz so schlimm zu sein, wie noch zuvor. An der Mattheit und Müdigkeit, die ihn noch immer daran hinderte, sich großartig zu bewegen, änderte dies allerdings nichts und er spürte bereits, wie ihm die Augen langsam wieder zufielen.
“Mehr kann ich leider nicht tun…”, sagte sie leise. Ganz so, als würde sie es mehr zu sich selbst sagen, als zu ihm. Vielleicht kam es ihm aber auch nur so vor, da ihm ein weiteres Mal das Bewusstsein schwand und er wegdämmerte.

Das nächste, das er mitbekam, waren neben dem ständigen Piepen, das er im Ohr hatte, leises Geklapper und ein Geruch, der ihm sehr vertraut vorkam. Das letzte Mal, dass er diesen in der Nase hatte, war schon eine Weile her, aber er wusste dennoch sofort worum es sich dabei handelte. Der angenehme Duft des Ambrosia konnte zudem nur eins bedeuten: August war da. Langsam schlug er die Augen auf, wobei er sofort merkte, dass es dieses Mal weit besser funktionierte als zuvor. Oder hatte er das vielleicht nur geträumt? Bevor er sich allerdings darüber im Klaren werden konnte, ob der Besuch der jungen Frau echt oder Einbildung war, wurde seine Aufmerksamkeit in eine Ecke des Raums gezogen, als er dort eine Gestalt sah. Sein Blick ging in die Richtung und als er den Engel sah, stockte ihm der Atem. Selbst die Geste, mit der ihm gesagt wurde, dass er leise sein sollte, hätte es nicht gebraucht, damit er das war, denn er wusste ohnehin nicht, was er dazu sagen sollte. Langsam glitt er mit den Augen über ihn und konnte doch nicht glauben, dass das der Realität entsprechen sollte. Das konnte nur ein Traum sein. Anders konnte er es sich nicht erklären, dass der andere in einem pinken Fummel steckte, der so knapp ausfiel, dass er nicht mehr viel Raum für die eigene Fantasie ließ. Doch so surreal ihm das Ganze auch vorkam, konnte er seine Augen doch nicht von ihm lassen. Es war wie bei einem Unfall, bei dem man wusste, dass einem der Anblick nicht gefallen würde, wo man aber dennoch hinsehen musste, weil man neugierig war, gemischt mit einem ganz anderen Gefühl. Crispin konnte nicht behaupten, dass er auf Rollenspiele stand oder einen Fetisch in dieser Richtung besaß. Im Grunde fand er dieses pinke Teil, in dem sein Freund steckte, alles andere als anziehend und doch ließ ihn der Anblick absolut nicht kalt. Was allerdings weniger an dem knappen Kleidchen im speziellen sondern viel mehr an der Tatsache lag, dass der andere für gewöhnlich nicht einmal ansatzweise so viel Haut zeigte und sich eher unter langen Sache versteckte.
Aus diesem Grund konnte er auch nicht glauben, dass das kein Traum sein sollte, bis August ihm leise zu verstehen gab, dass er nichts sagen sollte. Er schüttelte kurz den Kopf, aber er um sich wieder zu fangen, als um ihm zu zeigen, dass er der Aufforderung nachkommen würde. Stattdessen legte sich ein Grinsen auf seine Lippen und er ließ seinen Blick noch einmal über ihn streifen.
“Ich wusste gar nicht, dass du auf sowas stehst. So entdeckt man doch immer wieder was Neues”, gab er ihm frech, aber genauso leise zurück. Anschließend setzte er sich auf, wobei ihm auffiel, dass er schon wieder weit mehr Energie hatte, als zu dem Moment, als sie hier gelandet waren. Hinzu kam, dass auch die Schmerzen leicht nachgelassen hatten, auch wenn sie noch immer deutlich spürbar waren, als er sich bewegte. Dennoch nutzte er die Chance, dass er nun saß, um sich endlich einmal umzusehen. Tatsächlich befand er sich in einem Krankenhaus und der Mann, der in dem Bett neben ihm lag, zeigte ihm auch, warum August so darauf bedacht war, leise zu sein. Wenn er aufwachte und sie entdeckte, wäre dies sicher alles andere als gut. Schließlich konnte man nie sagen, wie Personen reagierten. Und außerdem sträubte sich auch alles in ihm bei dem Gedanken, der Typ könnte August in dem viel zu knappen Kleid sehen. Dieser zog nun auch wieder seine Aufmerksamkeit auf sich, als er ihm erst aus den Sachen half und anschließend seine Verletzungen begutachtete. Damit er besser an alles heran kam, schwang Crispin die Beine aus dem Bett, in dem er gelegen hatte, während er die sanften Berührungen genoss, die er genauso wie den Engel in den letzten Tagen so unendlich vermisst hatte. Kaum zu glauben, dass es nur vier waren, da es ihm im Moment doch so viel länger vorkam. Daher gab er sich den - wenn auch nur flüchtigen - Küssen auch gerne hin und war zumindest ein wenig enttäuscht, als sich August darum kümmern wollte, ihn zu verbinden. Er wusste, dass dies wichtig war, damit sie hier so schnell wie möglich verschwinden konnten, aber die Zeit, die sie getrennt waren, in Verbindung mit dem, was kurz zuvor passiert war und den Worten des anderen, ließ ihn sich doch nach ein wenig Zuneigung sehnen - so kindisch das vielleicht auch klang. Hin und hergerissen, was er tun sollte, ob er vernünftig sein sollte oder doch seinem Egoismus nachgeben, schwieg er, während sich sein Freund daran machte, ihm die Verbände anzulegen, die angenehm nach Wacholder und Menthol rochen. Doch wie so oft und vor allem wenn es um den Engel ging, gewann doch das Herz über den Kopf. Aus diesem Grund legte er auch seine Hände auf Augusts Hüfte und zog ihn wieder näher zu sich, bis er zwischen seinen Beinen stand.
“Der Auftrag war nun einmal nötig und ich hoffe nur, er hat was gebracht”, murmelte er leise. Die letzten Tage hatte er sich immer wieder versucht, sich das einzureden, um besser mit der Situation klarzukommen. Aber im Moment war nicht der richtige Augenblick, um darüber zu reden, auch wenn er unbedingt noch etwas loswerden musste.
“Ich hatte dort in der Gasse wirklich Angst, dass das schief geht und ich dich wieder verliere… Diesmal endgültig...”
Crispin brach ab, presste erst die Lippen aufeinander und erhöhte den Druck seiner Finger, die noch immer an Ort und Stelle lagen, bevor er sich ein Stück streckte und August seinerseits sanft und mit einer Spur der Verzweiflung küsste, die alleine bei dem Gedanken daran in ihm saß. Bereits nach einem kurzen Augenblick löste er sich wieder von ihm, blieb aber dennoch nah bei ihm.
“Ich liebe dich… Mehr als ich das je für möglich gehalten hätte…”, flüsterte er leise und legte seine Lippen ein weiteres Mal auf die des anderen.
Eigentlich hatte er sich für diese drei Worte einen anderen Moment gewünscht. Einen, in dem sie nicht im Krankenhaus saßen, aus dem sie so schnell wie möglich verschwinden sollten, bevor sie jemand entdeckte. Ein Moment, in dem sie alleine waren und das Ganze mehr genießen konnten. Doch er konnte es auch einfach nicht mehr für sich behalten. So lange trug er den Wunsch schon in sich, es auszusprechen. Selbst zu der Zeit, als alles so aussah, dass es niemals soweit kommen würde und er sich zu seinem eigenen Schutz zurückhalten musste. Auch vor vier Tagen wollte er es ihm sagen, hatte aber beschlossen, es zu verschieben und so langsam war er dieses Warten auf den richtigen Moment einfach leid. Vor allem da ihm die Situation mit Seimei deutlich vor Augen geführt hatte, wie schnell einem die Chance dazu entgleiten könnte.
Und obwohl er im Grunde wusste, dass es dem Engel genauso ging, löste er sich mit einem mulmigen Gefühl von ihm, ausgelöst von den leisen Zweifeln, die auch vor ein paar Tagen noch in ihm saßen, und blickte ihm in die Augen. Eigentlich sollte er keine Zweifel mehr haben, denn der andere hatte gerade sein Leben riskiert, um ihn zu retten und steckte nun in einem Fummel, der völlig gegen seine Natur ging und bei dem er sich fragte, warum er diesen eigentlich trug. Sein Puls raste und aufgrund der unterschiedlich Gefühle in ihm, biss er sich auf die Unterlippe, während er auf eine Erwiderung wartete.
Dass der Anblick dem Dämon die Sprache verschlug und dass er vielleicht auch dachte, dass das alles ein Traum war, konnte er ihm nicht übel nehmen, denn auch für ihn selbst war diese Situation absolut surreal. Er, in einem Kleid. Pink mit Rüschen, Strapsen und Strümpfen. August hasste es zu viel Haut zu zeigen, aus den unterschiedlichsten Gründen, die nicht einmal er selbst zu verstehen mochte, aber seine Abneigung ließ ihn selbst im Sommer nur mit langen Klamotten aus dem Haus gehen. Ein knappes Kleid wie dieses, dass also irgendwo kurz nach dem Hintern endete und gerade so seine Shorts, die sich darunter befanden, verdeckte und auch das seidige Pink entlang seiner Beine, ließ ihn sich nackter fühlen als er eigentlich war und Crispins Blick machte es keinen deut besser, als dessen Blick über seinen Körper schweifte. Zum Glück hielt er sich daran und sagte kein Wort, während August sich ihm näherte und ihn begutachtete. Seltsam, dass er jetzt schon viel besser aussah als vorhin. Natürlich spielte die dämonische Regeneration eine große Rolle, aber sein Freund steckte quasi noch in den Kinderschuhen - verglichen zu anderen seiner Art - und es dauerte bestimmt noch einige Jahre, vielleicht auch Jahrzehnte, bis er sich so schnell heilen konnte, dass tiefreichende Wunden, wie die von einem hochrangigen Dämon, nach kürzester Zeit verschwanden. Alles in allem also höchst seltsam, aber es kam ihnen nur gelegen, wenn sie alsbald aus dem Krankenhaus verschwinden wollten, ohne dass eine weitere Person von ihnen Wind bekam - vor allem von der Krankenschwester im pinken Outfit.
Oh, Hope, ich hoffe du kannst mich hören, du Drecksack., fluchte er in seinen Gedanken seinen Bruder, der ihn erst überhaupt in diese Lage gebracht hatte. Bestimmt kam da wieder eine Ausrede, von wegen, dass es keine andere Möglichkeit gab, dass die Kittel in seiner Größe aus waren oder sonstiger Bullshit, den der Schwarzhaarige mit keinem Wort glauben konnte. Sich in ein aufreizendes Kostüm zu zwängen und sich den Angestellten und auch noch Cris so zu zeigen, das war einfach zu viel. Noch dazu kam das bereits Unheil ankündigende Grinsen des Dämons und am liebsten hätte er ihn auf den Hinterkopf geschlagen, für das freche Kommentar, aber er liebte ihn viel zu sehr und verletzt war er auch noch und sowieso hatten sie gerade einen der schlimmsten Tage hinter sich, hatten sie sich doch beinahe verloren. “Dir muss es ja prächtig gehen, wenn du sowas von dir gibst.”, zischte er leise, jedoch ohne gehässig zu wirken - eher um dem anderen die Stirn zu bieten, denn nur weil er gerade ein Kleidchen trug, hieß das nicht, dass er nicht die Hosen anhatte! Oder so! Ach, was wusste er schon von Hosen anhaben, jetzt war es ihm sowas von egal, denn sie hatten es irgendwie geschafft sicher von Seimei wegzukommen und Cris konnte wieder lächeln und eigentlich zählte doch nur das. Deswegen schlich sich ein Schmunzeln auf die Lippen des Engels, was seine Aussage von vorhin noch mehr besänftigte und zeigte, dass er es nicht so meinte. “Denk nicht, dass das zur Gewohnheit wird. Anders konnte ich hier nicht wieder hinein. Die wollte bei unserer Ankunft schon die Cops verständigen, weil ich blutverschmiert und mit einem Dolch in meinen Stiefeln aufgekreuzt bin. Noch dazu dunkel angezogen und mit einem Mundschutz? Die dachten ich wäre ein Killer.”, erklärte er dem anderen in aller Ruhe, während er die Verbände vor der Brust des anderen in der Luft drehte, um den passenden Winkel herauszufinden, wie er am besten anfing, auch wenn er wahrscheinlich den ganzen Oberkörper und auch stellenweise die Beine verbinden musste. Da der andere allerdings sowieso Löcher in seinen Jeans hatte, konnte er die Wunden dort einschmieren. Richtig versorgen würde er ihn erst wenn sie Zuhause waren - da half ein wundervolles Ambrosia-Bad, mit der passenden Dosierung des Heilmittels, damit es dem Dämon auch nicht schadete. Aber das hatte der Engel mittlerweile, nachdem er ihn schon so oft verpflegen musste, besser drauf als alles andere. “Keine Sorge, ich werde Hope eigenhändig den Hals umdrehen, für diese Idee. Er hat mir den Aufzug besorgt und war sofort weg, als ich mich umziehen musste.”, grummelte er, sichtlich wütend und beugte sich zu dem Nachtkästchen, um den nächsten Verband zu nehmen. Dabei achtete er besonders darauf, dass er sich nicht zu weit nach vorne beugte, damit das Kleid nicht noch weiter hinaufrutschte, das durch die Schlitze vorne viel zu viel Haut zeigte und ihm eine Gänsehaut bereitete. Diese Demut! Ein Glück, war der andere Mann im Zimmer nicht wach - natürlich wünschte er diesem nichts Schlechtes und die Umstände, wer kannte diese schon, unter denen er nicht bei Bewusstsein war, mochten auch bestimmt nicht die besten sein, aber gerade jetzt war es gut, dass er nicht mitbekam, was sich in dem Zimmer abspielte. Zwei Fremde, einer davon verletzt und nicht einmal offiziell im Krankenhaus stationiert und der andere in einem Kleid, wie man es wohl nur in irgendwelchen Schmuddelmagazinen sah. Und Mister Moore? Der konnte sich jetzt alleine in seinem dunklen Zimmer vergnügen! Unmöglich diese alten Männer!
“Vorsicht.”, kommentierte er das Aufsetzen des anderen, der dann seine Füße auf dem Linoleumboden platzierte, als er sich anders hinsetzten wollte. Nicht, dass ihm noch schwindelig wurde. Wie sehr ihm die Teleportation zugesessen hatte, wusste der Engel auch nicht, aber er konnte sich gut vorstellen, dass ihm etwas schlecht war. Das passierte den meisten, wenn sie das erste mal dabei waren. Manche mussten sich auch übergeben, aber zum Glück war es hier nicht der Fall. Dass es so reibungslos funktioniert hatte und dass sie sogar in ganzen Stücken an einem halbwegs praktischen Ort gelangt waren, konnte man nur als Wunder bezeichnen. Aber das Risiko wollte er kein zweites Mal eingehen, war er doch lange nicht mehr so geübt darin, wie früher, als er sich ständig teleportiert und diese Fähigkeit sogar im Kampf genutzt hatte, wenn er sonst schon nichts konnte. Der Gedanke warf ihn zurück in die Gasse, zu dem Kampf mit Seimei und es schmerzte, kratzte an seinem Stolz, wie wenig er wirklich anrichten konnte, wenn es darauf ankam. Er hatte weder diesen Jaydee besiegt, noch auf nur einen Kratzer bei dem Sohn des Lucifers gelandet. Beides hatte seine Gründe, aber trotzdem… es nagte an ihm. Er hatte schlichtweg Glück gehabt, dass er rechtzeitig wieder in der Stadt angekommen war und es irgendwie geschafft hatte sie beide in Sicherheit zu bringen. Doch auf das Glück konnte man sich nicht immer verlassen und wenn er Crispin beschützen wollte, dann musste er sich anstrengen, neue Taktiken entwickeln, stärker werden. Sei war nicht fertig mit ihnen und auch Aspen und Rixon hatten es auf die beiden abgesehen. Sie waren fern von einem friedlichen Leben und August wollte um jeden Preis das schützen, das ihm am meisten bedeutete - und wenn es das letzte war was er tat.
Die großen Hände an seiner Hüfte, holten ihn aus seinen Gedanken und er ließ sich bereitwillig näher an den anderen ziehen. Den Oberkörper hatte er bereits fertig verbunden und auch schon trockene Verbände darumgewickelt, die dafür sorgte, dass die Wunden das Ambrosia schnell aufsaugen würden. August nahm sich einen Moment, um das gesicht des anderen zu mustern und die Welle der Erleichterung, dass er noch am Leben war, traf ihn in diesem Moment, sodass er erneut zu Lächeln begann und dem Jüngeren mit der Hand über das Gesicht strich. Allerdings musste er den Kopf schütteln, als sie auf den Auftrag zu sprechen kamen. “Er ist entkommen. Aber das zu erklären würde den Rahmen sprengen. Ich erzähle es dir am Heimweg.” Dass er so ziemlich in der Scheiße saß, bis zum Kinn, hätte die Stimmung gerade nur gedrückt und auch wenn sie sich beeilen mussten, so kostete er diese ruhigen Momente in dem stillen Patientenzimmer aus, sich einfach an der Anwesenheit des anderen erfreuend. “Ich wollte dich an dem letzten Tag anrufen, deine Stimme hören, damit sie mir Kraft gibt. Aber der Auftrag saß mir im Nacken und ich musste einen strikten Plan verfolgen.” Der Engel wollte nicht, dass Cris dachte, dass er ihn während diesen vier Tagen vergessen hatte. Jede Nacht, jede freie Minute kreisten seine Gedanken um ihn und für ihn war es die reinste Qual gewesen sich nicht bei ihm melden zu können.
Die Finger an seinen Hüften übten mehr Druck aus und August strich mit der Hand besorgt durch das pechschwarze Haar, spielte mit den Strähnen, um den Dämon, der offensichtlich besorgt war, zu beruhigen. Dieser wollte anscheinend etwas sagen, etwas Wichtiges und der ältere schenkte ihm alle Aufmerksamkeit, zeigte ihm, dass er zuhörte, für ihn da war, was auch immer er loswerden wollte. Der Kuss, dessen Verzweiflung, die darin lag, konnte er nur erwidern, legte dabei beide Hände wieder an das Gesicht seines Freundes und hätte selbst nicht in Worte fassen können, wie froh er war, dass sie beide am Leben waren. Er wollte es dennoch versuchen anzusprechen und setzte bereits an, als sie sich voneinander lösten, jedoch kam ihm die Stimme des Dämon zuvor und es folgte ein langer Moment der Stille, in der August erst verarbeiten musste, was er gerade gehört hatte.
Ich liebe dich.
Sein Herz pochte, so laut und so fest, dass er Angst hatte, dass es aus seiner Brust sprang. Drei Worte, die er bereits im Gefühl gehabt hatte, sie auch schon selbst mehrmals aussprechen wollte, aber nie dazu gekommen war, weil sich nie der passende Augenblick ergeben hatte und jetzt, sprach sie Crispin aus, an ihn gerichtet, so aufrichtig, dass er die Bedeutung gar nicht anzweifeln musste. Die fülligen Lippen des Engels öffneten sich einen Spalt breit, jedoch ohne, dass er einen Ton von sich gab, komplett überfordert mit dem was gesagt wurde, und es dauerte noch einen weiteren entsetzlich langen Moment, bis er endlich seine Stimme wiederfand und endlich etwas erwidern konnte.
“I-ich...Ich liebe dich auch.”, stotterte er und schüttelte dann den Kopf. “Gott, du weißt gar nicht wie sehr. Ich liebe dich, Cris. Alles an dir. Seitdem ich dich das erste mal gerettet habe.”
Um dies zu verdeutlichen, drückte er seine Lippen fest auf die des anderen, wieder und wieder, murmelte dabei erneut dass er ihn liebte und wie froh er war, dass er ihn hatte. Mittlerweile war es ihm auch egal, dass er im Kleidchen vor seinem Freund stand, er setzte sich auf seinen Schoß, seine Knie sanken in die Matratze und seine Lippen suchten erneut die des anderen. Auch wenn sie nicht viel Zeit hatten, wollte er sich einen Moment nehmen, denn sie hatten sich die letzten Tage nicht gesehen, waren knapp dem Tod entkommen und jetzt musste es gefälligst auch mal einen kurzen Moment nur für sie beide geben. Die blassen Finger fuhren durch das seidig schwarze Haar im Nacken des Dämons, krallten sich sanft in dieses, während die andere Hand über den Hals und vorsichtig über den Oberkörper strich. Mit einem leisen Geräusch lösten sich die beiden voneinander und August lächelte seinen liebsten an. “Du siehst selbst mit Bandagen teuflisch gut aus, weißt du das?”, flüsterte er und grinste frech, bevor er ihn noch einmal küsste, an seiner Unterlippe saugte und am liebsten noch viel weiter gegangen wäre, aber hier war nicht der richtige Ort und auch nicht die richtige Zeit dafür.
“Sobald es dir besser geht, fahren wir weg. Ganz weit weg. So wie wir es besprochen haben. Wir packen einfach unser Zeug und machen Urlaub. Du und ich, ganz alleine.”, raunte er an die Lippen des anderen, die ihn nahezu in einen Rausch versetzten, denn er bekam gar nicht genug von ihnen, küsste sie immer wieder. “Ich liebe dich, Crispin.”, hauchte er dann anschließend an den Mund des anderen, gab ihm noch ein Küsschen, bevor er sich erhob und sich wieder kerzengerade vor den anderen hinstellte. “Lass uns hier verschwinden. Schaffst du es aufzustehen? Und zu gehen?”, fragte er, trat dann an das Fenster, um es zu öffnen und sich über den Sims zu beugen und hinunterzusehen. Sie konnten locker hinaus hüpfen, aber just in dem Moment, wurde er sich über seine unvorteilhafte Kleidung bewusst und richtete sich ruckartig auf, den Stoff des Kleides hinunterziehend. “Wir müssen den Haupteingang nehmen. Aus dem Fenster klettere ich mit diesem Ding bestimmt nicht! Aber wir müssen uns wirklich beeilen. Mein Zeug liegt noch hinter einem Gebüsch und hier kann jederzeit jemand reinkommen.”
Draußen am Gang war es still, als er die Tür öffnete und hinaussah. “Wenn wir schnell genug sind und niemanden über den Weg laufen, könnte es klappen. Vorausgesetzt der alte Knacker Mister Moore läuft uns nicht über den Weg.”

Crispin Cipriano

Noch immer fühlte sich diese ganze Szenerie für Crispin wie ein Traum an, wenn er August betrachtete. Auch wenn er es inzwischen besser wusste, sowohl die Aura des anderen als auch dessen Vanilleduft, der sich trotz des Geruchs des Ambrosias immer wieder in seine Nase stahl, wenn er sich näher zu ihm beugte, um ihm die Verbände anzulegen, waren nicht nur ein Indiz sondern ein Beweis dafür und dennoch. Er fühlte sich gefangen zwischen Ungläubigkeit und einem Funken Faszination, der sich trotz seiner Abneigung gegen dieses pinke Teil doch immer wieder in seine Gefühle mischte. Lediglich die eine oder andere Welle an Schmerz, die ihn traf, wenn der Engel trotz aller Vorsicht an eine verletzte Stelle kam, rissen ihn aus seinen Betrachtungen und lenkten seine Aufmerksamkeit stattdessen auf die Tatsache, dass sie sich hier im Krankenhaus befanden. So unangenehm diese Momente allerdings auch waren, so zeigten sie ihm doch zusätzlich, dass er das hier alles nicht träumte. Einem Teil von ihm war das auch zu 100% klar, nur der andere - weit größere - hatte damit noch zu kämpfen. Vielleicht hatte sein Kopf während der Auseinandersetzung mit Seimei doch mehr abbekommen, als gedacht und brauchte deswegen nun länger, um das Ganze zu verarbeiten und zu begreifen.
Bei dem Gedanken an einen Traum, kam ihm allerdings auch wieder die Situation in den Sinn, bei der Crispin auch nicht ganz wusste, ob sie nun wirklich passiert war oder ob er sie sich nur eingebildet hatte. War diese Frau wirklich hier im Zimmer gewesen und hatte irgendwas gemacht oder spielte ihm sein Unterbewusstsein einen Streich? Sein Blick löste sich von August und dem pinkfarbenen Fummel, um zu seinen Händen zu wandern, die ebenfalls einiges abbekommen hatten. Ein unangenehmer Schauer durchfuhr ihn, als er an die langen spitzen Zähne des Dämons dachte, die sich in seine Handflächen bohrten. Er hatte gespürt, dass die Wunden tief waren, doch der Anblick, der sich ihm bot, sagte etwas völlig anderes. Die Löcher, die Seimei hinterlassen hatte, waren noch immer deutlich zu sehen, aber bei weitem nicht mehr so schlimm, wie er sie in Erinnerung hatte. War sie also doch hier gewesen und hatte ihn geheilt? Doch wieso sollte jemand so etwas tun? Allerdings war es so gut wie ausgeschlossen, dass seine eigenen Heilkräfte diese schnelle Verbesserung seiner Wunden zur Folge hatte, denn so gut und schnell funktionierte sie noch lange nicht. Und ob trotz seiner Fähigkeiten - und der eventuellen Heilung durch die Fremde - Narben zurückblieben, würde sich wohl zeigen müssen, aber innerlich hoffte er darauf, dass dem nicht so war. Es gab so einige Dinge, die er gerne vergessen würde, weil sie ihm jedes Mal, wenn er daran dachte, eine Gänsehaut über seinen Körper zogen. Die Situation, als Blutbeutel für einen verrückten Dämon herzuhalten, gehörte da eindeutig dazu, wobei sie den Ekelfaktor des Erlebten mit der alten Schreckschraube auf dem Ball noch weit übertraf. Somit wäre es ihm tatsächlich am liebsten, er würde keine sichtbaren Spuren behalten, die ihn unweigerlich daran denken lassen würden, sobald er sie vor Augen hatte. Wobei kaum sichtbare Narben auf seinen Händen vermutlich noch das kleinere Übel waren, wenn er an das Mal in seinem Nacken dachte, bei dem er wirklich hoffte, dass man dagegen etwas machen konnte. Dass dieses Seimei wie ein Signalfeuer jederzeit zu ihm führen konnte, wollte er nämlich absolut nicht. Schlimm genug, dass sie neben Aspen und Rixon nun noch einen weiteren Dämon an der Backe hatten, der ihnen ans Leder wollte. Da brauchte er nicht auch noch einen eingebrannten GPS Sender. Crispin war zwar skeptisch, wenn er daran dachte, sich dafür auf einen anderen Engel als August zu verlassen, aber dieser vertraute ihm offensichtlich voll und ganz und somit sollte er sich auf dessen Urteil wohl einfach verlassen, auch wenn dieses bei Aspen komplett daneben gelegen hatte. Allerdings war die Wahrscheinlichkeit, dass sich jeder von dessen Brüdern gegen ihn verschworen hatte, die er als seine Freunde betrachtete, doch sehr gering. Hoffte er zumindest.
Dass Hope aber zumindest zu der mehr oder weniger hilfsbereiten Sorte Engel gehörte, zeigte die Erklärung seines Freundes, die er ihm gab, nachdem er ihm auf seinen Kommentar eine passende Antwort gab. Das Grinsen legte sich wieder auf seine Lippen und er schaute von seinen Händen hinauf zu ihm.
“Es geht mir zumindest gut genug, um mir nicht den Mund verbieten zu lassen”, konterte er ebenso frech wie noch zuvor, während sich alleine dabei ein warmes, bekanntes aber lange vermisstes Gefühl in ihm ausbreitete. Nicht nur der Engel selbst und die Zeit mit ihm hatten ihm gefehlt, sondern auch die Möglichkeit, auf diese Weise mit ihm reden zu können. Entspannt und frech, aber mit dem Wissen, dass keiner von ihnen es böse meinte und den anderen damit verletzen wollte. Somit hätte es auch das beschwichtigende Schmunzeln nicht zwingend gebraucht, um ihm dies zu zeigen, aber auch dieses verstärkte noch das Gefühl in seinem Inneren und weckte zugleich den Wunsch, es wieder öfter zu sehen, nachdem sie solange keinen Grund dafür hatten. Genauso wenig, um einfach einmal herzhaft zu lachen, was er gerade am liebsten tun wollte, als er hörte, dass ihn jemand vom Personal in seinen normalen Klamotten für einen Killer gehalten hatte. Crispin musste sich zu seinem Leidwesen allerdings zurückhalten, um niemanden von besagtem Personal auf sie beide aufmerksam zu machen oder gar den Typen in dem Bett neben ihm zu wecken. Ein Grinsen verkniff er sich aber nicht, auch wenn er wieder ernst wurde, bevor er ihm antwortete und dabei versuchte, seine Stimme weiterhin leise genug zu halten.
“Im Grunde bist du das ja auch, wenn man es genau nimmt. Wenn auch eher im Ruhestand. Der Killer-Aufzug wäre meines Erachtens aber dennoch besser gewesen, als dieses Teil und wenn du ihm den Hals umdrehst, bin ich dabei. Das hat er für seinen äußerst schrägen Humor echt verdient!”
Wenn Crispin Hope gerade noch für hilfsbereit gehalten hatte, so war er nun doch anderer Meinung. Natürlich hätte August wohl kaum in seinen eigenen Sachen wieder hier ins Krankenhaus spazieren können, wenn man ihn bereits bei ihrer Landung für gefährlich gehalten hatte, aber irgendetwas anderes wäre mit Sicherheit möglich gewesen. Wenn sein Bruder ihn auch nur halb so gut kannte, wie er, sollte er wissen, dass es August hasste, so viel Haut zu zeigen. Mal ganz davon abgesehen, dass es ihn vollkommen bloß stellte und alleine dafür würde er ihm am liebsten auf der Stelle zeigen, was er davon hielt. Es war eine Sache, den Engel mit gewissen Dingen aufzuziehen. Das hatte er selbst früher nur zu gerne getan und tat auch es auch jetzt noch, aber es war etwas ganz anderes, dies vor fremden Leuten zu tun - vor allem wenn es so viele wie in einem Krankenhaus waren, selbst wenn diese einen nicht kannten und in einer Stadt wie New York wohl auch nie wiedersahen.
Die Frage, ob jedoch die Gefahr bestand, dass sie auch den Dämon auf den Fersen hatten, den August hatte jagen müssen, nachdem er hörte, dass dieser fliehen konnte, hielt er genauso zurück wie sein lautes Lachen kurz zuvor. Crispin konnte nicht behaupten, dass ihm diese Frage nicht unter den Nägeln brannte, eigentlich hatten sie bereits mehr als genug Probleme und ein weiterer Dämon wäre wirklich ungünstig, aber sie hatten gerade wirklich keine Zeit für diese Art von Gespräch. Dabei hatte er allerdings dennoch das Gefühl, dass sich gerade jetzt alles gegen sie zu verschwören schien, obwohl es an sich schon seit langem so war. Nur hatten sie lange Zeit keine Ahnung davon und gerade schien die Gefahr hinter allen Ecken zu lauern, um sie einzukreisen und im richtigen Moment zuschlagen zu können, wenn sie trotz aller Vorsicht am wenigsten damit rechneten. Daher musste er tatsächlich mit sich kämpfen, um die Frage auf später zu verschieben, anstatt sie direkt zu stellen. Die Gewissheit, dass August ihn während des Auftrags kontaktieren wollte, lenkte ihn glücklicherweise auch genug davon ab und es linderte die Sehnsucht, die er während der Zeit verspürt hatte, machte es erträglicher, dass er diese vier Tage ständig mit seinen Gedanken bei ihm war und dennoch nicht wusste, wie es ihm ging.
“Ehrlich gesagt habe ich darauf gehofft, irgendwas von dir zu hören, aber zum größten Teil hab ich nicht damit gerechnet. Allerdings eher, weil ich so viel im Kopf hatte, dass ich an öffentliche Telefone nicht gedacht habe. Ich verstehe aber auch, dass du es nicht getan hast. Auch wenn du früher einer der besten warst, sind solche Aufträge sicher kein Kinderspiel mehr für dich. Und daran bin ich teilweise schuld…”
Den letzten Satz konnte er sich nicht verkneifen zu sagen, denn diese Last lag immer noch schwer auf ihm. Das Wissen, dass er trotz aller Intrigen, die gesponnen wurden, trotz aller Manipulation, der er ausgesetzt war, dennoch eine Mitschuld daran trug, dass August aus dem Himmel geworfen wurde und nun auf seine Fähigkeiten weitestgehend verzichten musste. Jedoch kam er dabei auch nicht umhin sich zu fragen, warum sie ausgerechnet seinen Freund noch mit einem Auftrag betrauten. Natürlich war nichts wirklich umsonst, auch keine Informationen und doch nagte es an ihm, dass die anderen Engel ihn scheinbar für entbehrlich genug hielten, um ihn noch auf Dämonen anzusetzen, die mit Sicherheit nicht so wehrlos waren, wie er selbst und auch nicht einmal mit der Wimper zuckten, wenn es darum ging, jemanden auszuschalten, der sie töten wollte.
All diese Gedanken an Gefahr, hinterhältige Dämonen, verräterische Engel und Intrigen waren allerdings vollkommen nebensächlich und vergessen, als er den anderen ansah. Abwartend, gespannt und mit einer Nervosität im Bauch, die er so bisher noch nie gespürt hatte. Was nicht verwunderlich war, da er schließlich noch nie jemandem gestanden hatte, dass er ihn liebte und vor August derartige Gefühle auch noch keinem anderen entgegengebracht hatte. Diese Tatsache alleine war es aber nicht, die ihn ungeduldig darauf warten ließ, was der andere sagte, wie er reagierte. Ob er es erwiderte… Jede Sekunde, die verging und sich erst zu einer Minute und dann zu einer gefühlten Ewigkeit zog, zerrte mehr an seinen Nerven und je länger es dauerte, um so mehr bekam er das Gefühl, dass er einen großen Fehler begangen hatte. Leise Zweifel regten sich in ihm, die ihm zuflüsterten, dass seine Gefühle nicht erwidert wurden. Dabei war er sich sicher, dass er damit nicht alleine dastand. Die Geschehnisse des heutigen Tages waren neben der Tatsache, dass der Engel ihm vor ein paar Tagen, als er in dessen Bad zusammengebrochen war, versprochen hatte, bei ihm zu bleiben, ein eindeutiger Beweis. Doch was, wenn er sich das alles nur eingebildet hatte? Wenn trotz aller Manipulation von seitens Rixon doch ein Fünkchen Wahrheit in dessen Worten steckte, wenn es um Augusts Absichten bei ihm ging. War er wirklich so dumm, zweimal auf ihn hereinzufallen?
Ich bleibe bei dir. Versprochen.
Diese Worte hatten sich in sein Herz gebrannt, ihm Hoffnung gegeben, als er glaubte, alles verloren zu haben. Aber waren sie wirklich ernst gemeint?
Crispin biss sich auf die Unterlippe, als eine Reaktion von August noch immer ausblieb und tiefe Enttäuschung zeigte sich bereits in ihm. Für einen kurzen Moment erhöhte er noch einmal den Druck seiner Hände, krallte seine Finger in den pinken Stoff, bevor er sie langsam davon löste. Zeitgleich löste er auch seinen Blick von ihm und senkte ihn, um ihm nicht zu zeigen, wie sehr er gerade dabei war ihn zu verletzen und eine Wunde wieder aufzureißen, von der er geglaubt hatte, dass die kurze Zeit, die sie nach ihrer Aussprache miteinander hatten, gereicht hatte, um sie einigermaßen heilen zu lassen.
Die zuerst gestammelte Antwort half ebenfalls nicht wirklich dabei, ihn zu beruhigen und von seinen Zweifeln wegzubringen. Eher im Gegenteil, da es für ihn in diesem Moment eher wie gezwungen klang. Daher wollte er schon etwas darauf erwidern, wieder in sein Verhaltensmuster zurückfallen, dass ihn während der ganzen letzten Monate mehr oder weniger geschützt hatte, doch August hinderte ihn daran, als er weiter sprach. Dieses Mal mit fester Stimme und überzeugend genug, dass sein Herz begann, schneller zu schlagen und dieses die Zweifel langsam versuchte in eine Ecke zu drängen. Er wollte ihm glauben, wollte, dass er ihm glauben konnte und wenn sein Herz reden könnte, würde es ihm vermutlich gerade einen Vortrag darüber halten, dass er dem Engel vertrauen sollte. Dass er nicht denselben Fehler noch einmal machen sollte, indem er sich an Worte klammerte, die nicht stimmten und doch seine damaligen Zweifel genährt hatten. Und so ungern er normalerweise auf derartige Predigten hörte, war er nun doch mehr als bereit dazu, da es ihn zerstört hätte, wieder in die Zeit zurückzufallen, als zwischen August und ihm alles so schien, als gäbe es keine Zukunft für sie. Doch die gab es.
Bereitwillig und mit einem Kloß im Hals, der es ihm gemeinsam mit seinen Schuldgefühlen unmöglich machte, noch einmal etwas zu sagen, ließ er sich auf den Kuss des Engels ein, legte dabei seine Hände wieder auf die Hüften des anderen, um sowohl ihn festzuhalten, als auch bei ihm Halt zu suchen und ignorierte dabei, wo sie sich befanden, und dass sie dafür eigentlich überhaupt keine Zeit hatten. Zudem versuchte er zu ignorieren, dass August in einem pinken Kleid steckte, aber das klappte weniger gut, als in ihm der Drang aufstieg zumindest für einen Moment und dessen Sachen zu schlüpfen und sich durch seine warme Haut unter den Finger davon zu überzeugen, dass es echt war. Doch er ließ es, wollte ungern die Situation kaputt machen, indem er August daran erinnerte, was er trug, indem er das Kostüm dadurch noch weiter hinaufschob. Somit begnügte er sich damit, mit seinen Händen hinauf zum Rücken zu wandern und war beinahe enttäuscht, als dieser sich von ihm löste.
“Das hörte sich früher aber ganz anders an, wenn du mich verarztet hast”, erwiderte er ihm, versuchte dabei gewohnt frech zu klingen, was ihm aufgrund seiner eigenen Gedanken, die ihm in den letzten Minuten durch den Kopf gingen, nicht gelang. Innerlich ärgerte er sich darüber, denn er wollte ihm in diesem Moment nicht zeigen, was genau in ihm vorging. Nicht, weil er es generell vor ihm verstecken wollte, auch wenn die Angst in ihm saß, wie der Schwarzhaarige darauf reagieren würde, wenn er erfuhr, worüber er nachgedacht hatte, sondern weil es nicht der richtige Augenblick dafür war und der erneute Kuss nahm ihm auch die Chance dazu.
Die Aussicht darauf, so bald wie möglich der Stadt für einige Zeit den Rücken kehren zu können, weg zu können von allen Problemen und hoffentlich auch allen Gedanken, die damit zusammenhingen, klang gerade noch sehr viel verlockender als zu dem Zeitpunkt, als sie das erste mal darüber gesprochen hatten. Und das obwohl auch dieser Urlaub dazu beigetragen hatte, dass er diese paar Tage ohne August überstanden hatte. Daher nickte er sofort, brauchte aber noch einen Moment, um seine Stimme wiederzufinden und zu hoffen, dass sie nicht zu viel von dem preisgab, was gerade mit ihm los war.
“Mir ist auch vollkommen egal, wo es hin geht. Hauptsache erst einmal weit weg von hier. Ohne dass uns irgendetwas oder irgendjemand stört.”
Ob Letzteres möglich war, wusste er nicht, aber er wollte daran gerade auch nicht denken, wobei ihm die weichen Lippen auf seinen eine große Hilfe waren. Er erwiderte den Kuss, zog ihn noch ein wenig in die Länge, da er eigentlich nicht aufhören wollte, aber er wusste auch, dass sie es mussten.
“Ich liebe dich auch. Und ich bin froh, dass ich dich habe und… damit nicht alleine stehe”, murmelte er und wurde zum Ende hin noch ein wenig leiser, da es gerade zu viel verriet, worüber er erst später mit ihm reden wollte. Im Grunde ärgerte er sich über sich selbst, weil er gezweifelt hatte, aber um darüber nachzudenken, war auch nicht der richtige Zeitpunkt.
“Mir bleibt kaum eine andere Wahl, als aufzustehen und zu laufen. Immerhin müssen wir hier schnell weg. Und mich zu tragen, dürfte in dem Outfit noch seltsamer aussehen.”
Ein kleines Lächeln stahl sich auf seine Lippen und nachdem August wieder von ihm heruntergerutscht war, versuchte er sich hinzustellen. Kaum stand er aufrecht, musste er sich allerdings an dem Nachtschränkchen festhalten, da sich in seinem Kopf alles begann zu drehen. Crispin schloss die Augen, um sich wieder zu fangen und versuchte zudem die Übelkeit, die aufstieg, zurückzudrängen. Beides kam gerade total ungelegen, aber er hatte beinahe die Befürchtung, dass es Nachwirkungen der Teleportation waren, denn ansonsten fühlte er sich wieder fit genug, um zu laufen.
“Vermutlich ist es auch besser so, dass wir nicht springen können, auch wenn es umständlicher ist, durchs Krankenhaus zu gehen.”
Bei diesen Worten wandte er sich zu August um, der gerade dem Fenster den Rücken zukehrte, das er als erstes als Fluchtweg im Kopf hatte. Das Kleid war dabei nicht der einzige Grund für seine Aussage, denn die Übelkeit und der Schwindel waren mit Sicherheit keine guten Voraussetzungen für einen Sprung. Daher war er - auch wenn es ein Umweg war - ganz froh darüber, als sie auf den Gang hinausschlichen und er die Tür zu dem Zimmer, in dem er lag, leise hinter sich schloss. Die Erwähnung eines gewissen Mister Moore ließ ihn kurz seine Aufmerksamkeit für seine Umgebung vergessen und er zog die Augenbrauen zusammen.
“Welcher Mister Moore?”
Leise schlich sich der Verdacht in seinen Kopf, dass dieser eventuell etwas mit dem Outfit zu tun hatte, in dem sein Freund steckte und wenn sein Verdacht stimmte, dann würde er Hope den Hals umdrehen, sollte es August nicht vor ihm schaffen.
Dass dies alles nur ein Traum war, wäre dem Engel mitunter noch am liebsten gewesen. Sowohl die Verletzungen seines Freundes als auch dieser unangenehm knappe und aufreizende Fummel, in den er sich extra für ihn gezwängt hatte, waren Grund genug dafür sich zu wünschen einfach aufzuwachen, neben einem gesunden Crispin und vor allem in normalen Klamotten nebeneinander zu liegen. Dennoch war es die knallharte Realität, dass sie nun zu zweit - nun ja, eher zu dritt, wenn man den schlafenden Patienten mitzählte - in dem Zimmer saßen, Crispin noch immer verletzt war und August aus einem dieser Fetisch-Magazine für Männer mit besonderen Bedürfnissen stammen konnte.
Mit größter Mühe verband er die einzelnen Wunden auf sorgfältigste Art, damit der andere keine Schmerzen hatte, was nur bedingt möglich war, wenn man bedachte, dass Verletzungen, die von einem Dämon stammen wahnsinnig schmerzhaft sein konnten. Hinzu kam noch die Tatsache, dass es von der eigenen Wesensart stammte und somit noch schmerzvoller sein musste, denn Dämonen waren nicht immun gegen ihresgleichen. Wie viel Schaden sie sich zufügen konnten, wusste der Engel nicht, aber für ihn stand fest, dass sein Freund wahnsinnig viel einstecken musste, bevor August endlich zur Hilfe kam. Das Mal im Nacken machte ihm hierbei am meisten Sorgen und er konnte nur hoffen, dass Hope bereits Erfahrungen damit gemacht hatte, um zu wissen, wie man damit umging, denn der Ältere hatte weder eine Ahnung welche Auswirkungen dieses haben konnte, noch ob es überhaupt rückgängig zu machen war. Diese Ungewissheit beunruhigte ihn, wenn sich auch die meiste Unruhe mit dem Eintreffen im Krankenhaus gelegt hatte, denn Krankenhäuser bedeuteten Sicherheit - das hatte zumindest sein Wesen so verstanden und sie deswegen hierher teleportiert.
Aber jetzt ist alles gut. Cris befand sich in Sicherheit und nur das zählte. Eine Welle der Erleichterung überrollte ihn bei dem Anblick seines Freundes, der zu ihm aufsah, mit vielleicht dem selben Blick wie damals, als sie sich das erste mal getroffen hatten. Diese Sicherheit, die er dem Jüngeren in dieser Nacht gegeben hatte, das stille Versprechen, ihn immer und immer wieder zu retten, koste es was es wolle. August beugte sich ein weiteres Mal zu seinem Freund hinunter und drückte ihre Lippen sanft aufeinander. “Und ich war noch nie so froh darüber wie jetzt gerade.”, murmelte er leise und strich durch das dunkle Haar, an dem noch Blut klebte. “Sobald wir Zuhause sind lasse ich dir ein heißes Bad ein, mache dir Tiramisu und wir legen uns ins Bett, sehen uns Iron Man an, ja? Oder was auch immer du willst. Ich will nur dass du dich wohl fühlst und dich ausruhen kannst. Wir planen unseren Urlaub und machen uns aus dem Staub, am besten in den nächsten Tagen.”
Für ihn gab es nur noch die Zweisamkeit zwischen ihnen, das war das einzige auf das er sich ab sofort konzentrieren wollte. Cris und er. Nur sie beide, gegen den Rest der Welt.
“Schräger Humor trifft es wohl am besten. Ist nicht das erste Mal, dass ich mich so blamieren musste.” Und definitiv auch nicht das letzte Mal, denn sein bester Freund wusste immer seinen eigenen schrägen Willen zu bekommen und auch wenn es nervig war, so bekam August im Gegensatz dazu jederzeit Hilfe. Er wusste auch, dass Hope es nicht böse meinte und ihm eigentlich nur einen Gefallen damit tun wollte - nur dass Cris eben nichts für Aufzüge wie diese übrig hatte und August selbst auch nicht gerade an Selbstbewusstsein gewann, wenn er so viel Beinfreiheit hatte. “Meine Sachen liegen draußen, ich ziehe mich dort einfach wieder um. Den Fummel benutze ich dann einfach um Hope zu würgen, wie klingt das?”, fragte er und zog amüsiert einen Mundwinkel hoch. Leere Drohungen, wie immer wenn es um seinen besten Freund ging, denn ohne ihn wäre er wirklich komplett aufgeschmissen, wobei es sich mit den Aufträgen hoffentlich fürs Erste erledigt hatte. Für ihn war diese ganze Dämonenjagd sowieso gegessen, wenn er sich doch mit einem das Bett teilte und für ihn sterben würde. Diese heuchlerische Jagd auf den Feind machte von seiner Seite aus keinen Sinn mehr und so langsam hatte er es satt sich etwas zu widmen, dass er nicht zu hundert Prozent vertrat. Diese Welt aus schwarz und weiß gab es für ihn schon lange nicht mehr und er merkte bereits vor einiger Zeit, dass es da noch so viel mehr Nuancen gab, die es einem unmöglich machten sich ausschließlich für das eine oder das andere zu entscheiden.
“Hey, hey…”, redete er auf den anderen ein und griff wieder mit beiden Händen nach Cris Gesicht, um ihm in die Augen sehen zu können. “Dass ich keine Aufträge mehr erfüllen kann, ist nicht deine Schuld. Es ist meine Entscheidung, ganz alleine meine. Ich könnte mich locker hocharbeiten wenn ich es nur wollte und wäre wieder ganz der Alte. Aber was hätte ich davon? Mir sind andere Dinge eben wichtiger geworden und warum meine Zeit mit irgendwelchen Dämonen verschwenden, wenn ich doch den schönsten und besten ihrer Art ganz für mich alleine habe? Und er mir jedes Mal aufs Neue beweist, dass meine Entscheidung die richtige ist?”
Cris war einfach das beste das ihm je passiert ist und von dem ersten Tag an, an dem er ihn spielen sah, wusste er, irgendwo ganz tief in ihm, dass sie dafür bestimmt waren, sich näher zu kommen und sei es nur eine unschuldige, schüchterne Freundschaft. Stattdessen hatte er so viel mehr bekommen und niemals hätte er sich all die Möglichkeiten mit dem anderen ausgemalt und doch… August lächelte sanft, half der armen Lippe, die drohte aufs Neue wund gebissen zu werden. “Niemals, Du warst mir von Anfang an wichtig. Trotz dem großen Missverständnis das zwischen uns lag. Selbst in der Zeit habe ich dich unbeschreiblich vermisst, wollte bei dir sein und na ja… wie du siehst war ich es auch meistens. Ob per Zufall oder nicht, das sei dahingestellt.” Die schlanken Finger strichen über die Wange des Dämons, den er vom ersten Moment an ins Herz geschlossen hatte. Gemeinsam waren sie einfach ein unschlagbares Team und jeder weitere Schritt machte sie stärker. Sie mochten vielleicht noch fern von einer friedlichen Zeit sein, aber auch das das sollten sie überstehen. August glaubte fest daran.
Sein geschwächter Freund, der noch nicht ganz fit war, wurde sofort von ihm gestützt, als er versuchte aufzustehen. Der Engel strich ihm über den Brustkorb, musterte das Gesicht auf Anzeichen von Ohnmacht oder Erbrechen, bis sie dann beide vorsichtig hinausgingen. Hand in Hand warteten sie an einer Ecke, kurz vor der Rezeption, darauf, dass die Dame, die sich dort befand von ihrem Bildschirm abwand, damit sie sich schnellstmöglich an ihr vorbeibewegen konnten. Allerdings brauchte die Dame sehr lang, sodass August Angst bekam, dass sie am Ende noch entdeckt wurden. Im Gang hinter ihnen ging eine Tür auf und ein leises Gespräch war zu hören, dass sich nicht näherte, aber trotzdem genug Panik im Kleineren hervorrief, dass dieser die Hand seines Freundes fester drückte und nach hinten sah. “Einfach losgehen. Egal was sie sagen, wir bleiben nicht stehen.”, flüsterte er seinem Freund zu und setzte sich in Bewegung. Zügige Schritte steuerten den Ausgang an und gerade als August durch die Tür trat und seinen Partner hinauszog, hörten sie die Rufe der Dame am Schalter. “Weiter, einfach weiter.” Laufen konnten sie durch Cris Verletzungen noch nicht, doch als auch hier die Tür aufging und ihnen jemand nachging, musste der Engel schnell handeln. “Halt dich fest. Scheiß Kleidchen hin oder her, wir müssen hier so schnell wie möglich verschwinden.” Und schon hob er den Dämon hoch, und sprintete mit ihm die Straße zu dem Parkplatz hinunter, wo er hinter die Büsche hüpfte und Cris dort am Boden absetzte, damit sie nicht entdeckt wurde. August kniete neben ihm und spähte durch die Blätter und Äste zu dem Parkplatz, wo sich eine Frau fragend und sichtlich verwirrt im Kreis drehte. Sie sah noch einmal genaustens um, drehte sich ein weiteres mal und ging dann kopfschüttelnd zurück.
Erleichtert atmete der Engel aus, hatte er doch die Luft angehalten, um keinen Mucks von sich zu geben, ehe er sich ins Gras setzte und grinsend zu Cris sah. “Nachts im Kleid aus ‘nem Krankenhaus flüchten. Das hatte ich auch noch nie. Aber jetzt muss ich erst mal raus aus diesem Fummel. Gib mir mal kurz dein Handy. Ich brauche eine Taschenlampe. Meine Sachen sind irgendwo hier versteckt.”
Wenige Minuten später hatte er die Tüte mit seinen Sachen gefunden, die glücklicherweise nicht entwendet wurde. Nicht auszumalen, wie er reagiert hätte, wenn er so wie er jetzt gerade angezogen war, bis nach Hause gehen musste. Zufrieden zog er ein Kleidungsstück nach dem anderen aus und war gerade dabei sich die Hose anzuziehen, als er inne hielt und zu Cris sah. “K-kannst du dich umdrehen?”, stammelte er und wartete, bis er aus dem Sichtfeld des Dämons verschwand. Bevor er sich die Hose anzog, mussten erst die Strümpfe abgestreift werden, die er fast vergessen hätte. Sie landeten als erstes in der Tüte, gefolgt von dem Kleid und dem Hütchen, welches sowieso eher als sinnloses Accessoire diente, den niemand trug diese heutzutage noch, außer es handelte sich um ein Kostüm wie dieses. Das kalte Leder seiner Jacke ließ ihn glücklich seufzen. Wieder vollkommen bedeckt in schwarz stellte er sich vor seinen Freund, dessen Hand er kurz darauf nahm und sich, nachdem er sich kurz umgesehen hatte, für den Weg entschloss, der zur nächsten Bushaltestelle führte. “Wir gehen zu dir. Das ist näher.”
Auf dem Weg erzählte er ihm von Mister Moore, der wohl ein Faible für solche schrägen Kostüme hatte, aber auch von seiner Mission, aber er ließ die Sache mit dem Pakt vorerst aus, da er es selbst noch nicht so ganz glauben konnte. Dass Cris in Gefahr gewesen war, hatte den Deal mit dem Dämon wieder komplett in den Hintergrund gerückt. Die Übelkeit, die er bei der Tankstelle verspürt hatte, bahnte sich wieder langsam hervor und er hoffte inständig, dass es irgendwann einfach vorbeiging oder er sich einfach daran gewöhnte. Das war der Weg für den er sich entschlossen hatte. Einer der schräge Aktionen erforderte, aber wenn er zu seinem Freund hinaufsah, um dessen Hüfte er einen Arm geschlungen hatte, dann bereute er keine Sekunde davon.

Weiter geht's hier: Time for you and me