Wind Beyond Shadows

Normale Version: Nachts im Muse-...ähh, ich meinte in der Bibliothek!
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Charmant zu sein, war nicht unbedingt sein Ding, genau so wie Taktgefühl. Dass er also oft genug durch seine skurrile Art auffiel und dadurch nicht gerade den besten ersten Eindruck lieferte, war also schon fast selbstverständlich. Wie hatte er damals bloß Cris von sich überzeugen können? Da musste er sich wirklich ins Zeug gelegt haben, denn sonst wären sie jetzt nicht zusammen. Vielleicht lag es aber auch gerade daran, dass er sich nicht bemühte übermäßig höflich zu sein? Cris mochte keine Heuchler und falsche Höflichkeit erst recht nicht - bei ihm war man besser dran, wenn man einfach direkt sagte, was Sache ist und das passte gut zu August, der oftmals unpassenderweise Worte von sich gab, die er sich vorher nicht hübsch zurechtgelegt hatte. Gleich und gleich gesellt sich gern, hm?
“Du bist zu gutmütig.”, merkte er schmunzelnd an und wollte sie gerade wieder daran erinnern, wie schroff er sie am Anfang behandelt hatte, aber er meinte es nicht wirklich so - und das wusste die Brünette natürlich, aber man stelle sich vor, dass sie an jemanden geriet, der ihr diesen Stimmungswechsel nur vorspielte, mit der Absicht sie zu verletzten! Ja, da konnte man nur auf ein gutes Bauchgefühl hoffen, damit sie am Ende nicht verletzt wurde. Aber August war ja einer von den Guten, was für ein Glück. Vielleicht nicht gerade der unschuldigste Engel, aber wenn er eines in den letzten jahren gelernt hatte, dann war es, dass die wenigsten seiner Art sich brav an alle Regeln hielten. Ausreißer und Extremisten gab es immer, zu denen zählte er durch seinen Rauswurf und dem Wunsch bei seinem Dämon zu bleiben, anstatt sein restliches Leben im Himmel zu verbringen, auch, aber man konnte nicht abstreiten, dass er im Herzen doch eine gute Seele war und über einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn verfügte. Und das Aussehen war ja eigentlich egal, nicht? Das hier war nur seine menschliche Hülle, in der er eben sein Leben auf der Erde verbringen musste. Da hatte man ja theoretisch gesehen freie Wahl, was natürlich in der Praxis nicht so funktionierte, da man nicht einfach einen x-beliebigen Körper besetzen durfte. Aber das wahre Aussehen eines Engels blieb den meisten verwehrt, genauso wie die Sache mit den Flügeln, die auch nicht jeder sehen konnte - was auch gut war. Nicht, als ob er sie ständig zeigte und aus seinem Rücken ausfahren ließ, aber wenn es einmal dazu kam - und das war äußerst selten - dann lag man im klaren Vorteil, wenn nicht jeder das weiße Gestrüpp sehen konnte.
Der irritierte Blick der Studentin brachte ihn zum Lachen. Ach, jetzt wusste sie plötzlich nicht wovon er sprach, wie süß. Also war sie sich dem gar nicht bewusst. “Das verstehe ich schon, aber vielleicht sagst du in solchen Momenten besser nichts? Man muss sich nicht zwingend dumm stellen, jedoch wenn man einfach nichts sagt und sich seinen Teil denkt, dann ist man am Ende immer safe.”, behauptete er mal. Normalerweise hieß es ja, dass man den Mund halten sollte, wenn man keine Ahnung hatte, aber in ihrem Fall war es genau umgekehrt, immerhin ging es um Leben oder Tod. Sich also still die Informationen zurechtzulegen und mit ihnen zu arbeiten, brachte durchaus mehr Vorteile, als wenn man Vermutungen laut aussprach und am Ende einen Kopf kürzer war - das war seine Meinung. Zu den Zeiten seines Dämonenjäger daseins, war das eine wichtige Lektion gewesen und da er aber meistens seine Klappe nicht halten konnte, provozierte er seine Gegner stattdessen und nutzte die Zeit, in der sich der andere eine bissige Antwort überlegte und diese abgab, um die Fakten zu checken. Und siehe da, er war immer noch am Leben - zwar unter den miesesten Umständen, die ein Engel durchleben musste - aber hey, er beschwerte sich nicht. Im Gegensatz zu den anderen, kam er jeden Abend nach Hause, wurde von seinem Freund in den Arm gezogen und schlief mit ihm, Seite an Seite ein. Da gab es weitaus schlechtere Situationen für ihn. Allgemein betrachtete war das sowieso nur eine reine Ansichtssache. Für einen hochrangigen Engel, der nur für seinen Posten lebte, wäre das vielleicht die Hölle gewesen, aber für August glich seine momentane Situation mehr dem Konzept eines Himmels als sein bisheriges Leben und er hatte sich so sehr daran gewöhnt, dass er selbst auch überrascht war, als Chelsea der Mund aufklappte und sie ihn auf das Feindbild “Dämon” ansprach, dass ja im kompletten Gegensatz zu den unschuldigen Engeln stand. Und ja, normalerweise war man ja auch verfeindet und man hasste sich, aber August hatte diese Regel bereits zweimal gebrochen und sah mittlerweile auch keinen Sinn mehr dahinter, jemanden einfach nur wegen seines Wesens zu hassen, denn niemand kannte die Umstände für eine Verwandlung zu einem Dämon und nicht jeder von ihnen war durch und durch böse.
“Äh, sind wir auch...aber...es gibt immer Ausnahmen? Jedenfalls gehören wir dazu. Kommt im Himmel natürlich nicht so super an, keine Frage. Deswegen muss ich auch studieren und ein normales Leben führen, denn sonst habe ich nichts zu tun...so als Ausgestoßener.”, gestand er und bemühte sich einen gleichgültigen Ausdruck zu bewahren. Wie sehr es ihn freute eine Chance darauf zu haben die Ewigkeit mit Cris zu verbringen, wollte er gerade nicht zeigen, da er schnell ins Schwärmen geraten konnte und es war ihm noch etwas peinlich, dass so offen zu zeigen. “Danke, sehr nett von dir. Wer weiß? Vielleicht komme ich auf das Angebot einmal zurück.” Man konnte nie wissen was auf einen zukam und wenn er ehrlich war, hatte er bis auf Cris und Hope keine richtigen Freunde. Alleine dafür zahlte es sich schon aus, den Kontakt zu der Hexe aufrecht zu erhalten, neben der Tatsache, dass sie furchtbar nett war. “Nein, ganz alltäglich und normal sind unsere Probleme nicht, aber das ist bei einer ungewöhnlichen Konstellation wie uns beiden zu erwarten.”
Dass sie es schade fand, dass nicht jeder seine Flügel sehen konnte, konnte er bis zu einem gewissen Grad nachempfinden und schenkte ihr deshalb ein entschuldigendes Lächeln - eine Möglichkeit das zu ändern gab es ja nicht, leider.
Zumindest die Lösung für ihr momentanes Problem schien langsam näher zu rücken und als Chelsea bekannt gab, dass sie niemanden hatte, den sie um diese Uhrzeit noch erreichen konnte, ging August bereits zum zehnten Mal die Nummer seines Freundes im Kopf durch, damit er sie auch ja richtig eintippen konnte, sobald er das Handy der Hexe hatte. Sie sprach ihre Sorge bezüglich der Automatikverriegelung an, jedoch quittierte der andere es nur mit einem verschmitzten Lächeln. “Also das sollte für jemanden wie ihn absolut kein Problem sein.” Denn wenn es eines gab was Cris gut konnte, dann war es irgendwo einzubrechen. August deutete der Hexe also, dass sie ihr Handy überreichen sollte und als sie es tat, tippte er die magischen Zahlen ein, um seinem Freund anzurufen. Nach wenigen Sekunden nahm dieser ab und es tat so gut seine Stimme zu hören, dass sich der Engel etwas an das Handy krallte, dann jedoch aber panisch zu sprechen begann. “Cris, ich bin eingesperrt und komme nicht mehr aus der Bibliothek raus. Ich war total mit meiner Ausarbeitung beschäftigt und habe nicht mitbekommen, dass bereits alle gegangen sind. Alles ist verriegelt und ich bin hier mit einer anderen Studentin. Es ist die Bibliothek bei-” Stille.
“Hallo? Cris?!” Entsetzt hielt er das Handy von seinem Ohr und sah, dass das Display komplett schwarz war. Auch als er wie ein Irrer darauf herumtippte, blieb es regungslos. “Ist die Energie weg? Das kann doch nicht wahr sein!”, rief er empört und fühlte sich in dem Moment bestätigt: Handys funktionierten nie, wenn man sie wirklich brauchte. Aber er glaubte an Cris, wusste ganz tief im inneren, dass sein Freund ihn retten würde. “Cris schafft das. Ich weiß nicht wie, aber er kann das.”, versicherte er der Hexe und hielt einen Daumen hoch.

Chelsea Shadowhawk

Du bist zu gutmütig.
Es war nicht das erste Mal, dass Chelsea dies zu hören bekam. Im Grunde warf ihr das Sienna immer wieder mal an den Kopf und auch von ihrer Schwester hatte sie dies im Laufe ihrer gemeinsamen Jahre des öfteren zu hören bekommen. An sich sah sie nichts schlechtes darin, anderen gutmütig gegenüber zu treten. Wenn man andere nett behandelte, hatte man größere Chancen, dieses Verhalten auch zurückzubekommen. Allerdings verstand sie auch den negativen Aspekt, den es mit sich bringen konnte, denn alles hatte zwei Seiten. Sie konnte somit also nachvollziehen, dass sich die beiden Sorgen um sie machten, wenn sie Leuten Chancen gab, die diese vielleicht nicht verdient hatten. Doch ihrer Meinung nach hatte jeder eine verdient. Wer diese nicht nutzte, hatte selbst bei jemandem wie ihr durchaus verspielt, aber niemand konnte vorhersagen, bei wem dies der Fall sein würde. Würde sie jedem von Anfang an nur Misstrauen entgegenbringen, sähe die Situation mit August jetzt vielleicht auch ganz anders aus und sie war froh, dass er sich beruhigt hatte und sich herausstellte, dass er bisher doch nicht so übel war, wie es der erste Eindruck erahnen ließ.
Vermutlich hatte sie bei ihm aber auch einfach ein wenig Glück. Dass sie sich mit ihrer Einstellung in eine unschöne Situation manövrierte war immerhin nicht nur einmal passiert. Sowohl ihre Kommilitonin Alice als auch ihr damaliger Nachhilfeschüler in der Highschool waren gute Beispiele dafür, wenn ihre gutmütige Art einfach ausgenutzt wurde. Ändern tat es an ihrer Einstellung aber dennoch nichts, denn nur weil es ein paar Mal schief gegangen war, musste das immerhin nicht immer so sein.
Augusts Erklärung zu ihrem Kombinationstalent bestätigte ihre Gedanken, die sie sich dazu gemacht hatte, nachdem ihr Kopf das Ganze so weit begriff, was er ihr hatte sagen wollen, dass sie darüber nachdenken konnte. Einfach die Klappe halten, war dennoch schwer für sie, selbst wenn sie wusste, dass es in manchen Situationen besser wäre, einfach nichts zu sagen.
“Das stimmt schon. Mein Verstand ist mitunter nur nicht schnell genug, um mich am reden zu hindern, wenn ich hinter solche Sachen gekommen bin. Dann will ich am liebsten wissen, ob ich damit auch richtig liege. Aber ich werde es mir zu Herzen nehmen”, erwiderte sie ihm mit einem Lächeln, konnte aber nicht ganz verhindern, dass sie leicht rot wurde, weil er ihre Schwäche in diesem Punkt aufgedeckt hatte. Aus diesem Grund wandte sie den Blick dann doch lieber wieder ab, bevor er es trotz des spärlichen Lichts des Snackautomaten sehen konnte. Chelsea wusste, dass sie die eine oder andere Schwäche hatte und mit Sicherheit besser daran tat, an diesen zu arbeiten. Leicht war dies allerdings nicht. Sie hatte es bereits einmal versucht, sich zurückzuhalten, was ihr Drang anderen ihre Hilfe anzubieten, nachdem sie bei ihrem Nachhilfeschüler damit so auf die Nase gefallen war und beinahe bis auf die Knochen blamiert worden wäre. Dass es nicht passiert war, hatte sie auch nur ihrer Schwester zu verdanken und danach hatte sie ihr versprochen, nicht mehr jedem zu helfen, nur weil sie es prinzipiell könnte. Lange hatte es nicht gehalten, bis sie wieder in ihr altes Muster gefallen war, aber bis auf die Sache mit Alice war es seitdem zum Glück auch gut gegangen. Die beiden waren einfach nur ein paar Ausnahmen, auch wenn sie lebhaft in Erinnerung blieben.
Mit den Ausnahmen kannte sich August aber ebenfalls aus, denn sein Freund und er waren dies auf jeden Fall. Noch immer war sie verwundert darüber, dass ein Engel und ein Dämon eine Beziehung führen konnten, aber irgendwo hatte der andere auch recht. Wieso sollte es solche Verbindungen auch nicht geben, auch wenn sie sich weder mit Engeln noch mit Dämonen großartig auskannte. Bei ihren leiblichen Eltern sah das ein wenig anders aus. Zumindest bei letzteren.
Ein schmerzhaftes Ziehen machte sich in ihrer Brust bemerkbar, als sie an die beiden Hexen dachte, denen sie ihr Leben verdankte. Sie konnte sich nicht an ihre Gesichter erinnern, denn dafür war sie damals noch zu klein, als sie starben und eigentlich sollte man meinen, dass sie die Dämonen deswegen hasste, doch wie bei den Menschen waren sicher auch unter ihnen nicht alle gleich. Chelsea schüttelte leicht den Kopf, um die Gedanken loszuwerden. Gleichzeitig wurde ihr aber auch bewusst, wie ihre Aussage wohl gewirkt haben musste und sie hob entschuldigend die Hände.
“Ich wollte damit auch nicht sagen, dass ich etwas gegen solche Beziehungen hab”, fing sie an und lächelte dann, bevor sie weitersprach. “Die Liebe sucht sich nun einmal ihren eigenen Weg und solange ihr beiden glücklich seid, hat da meiner Meinung nach auch keiner das Recht, das schlecht zu reden. Und ein normales Leben kann mit der richtigen Person sicher auch erfüllend sein.”
Sie selbst hatte diese Art Glück noch nicht gefunden, auch wenn sie hoffte, dass es auch bei ihr irgendwann einmal klappte. Aber auch das war einfacher gesagt als getan. Vor allem wenn man in dem Punkt vorsichtiger war, als in manch anderen Belangen. Selbst in Sachen Freundschaften hatte sie in ihrem Leben bisher nicht so viel Glück, auch wenn man das kaum glauben konnte. Zumindest war Sienna zu Beginn ihres Studiums sehr überrascht, dass sie ihre Freizeit alleine mit ihren Büchern verbrachte, anstatt mit Freunden. Sie war somit die erste Freundin hier in New York und wenn sie es richtig betrachtete auch die einzige. Vielleicht vor sie auch aus diesem Grund August ihre Hilfe bei kleineren Problemen an, weil sie hoffte, so noch jemanden zu finden, den sie in die äußerst kurze Liste einreihen konnte. Vor allem wäre er neben Lucy und eine Zeitlang auch Jace der erste vor dem sie nicht verstecken musste, was sie war. Daher freute sie sich auch darüber, dass der Schwarzhaarige ihr Angebot annahm und schenkte ihm ein weiteres Lächeln.
“Das freut mich zu hören.”
Bevor sie ihm irgendwann einmal helfen konnte, brauchten sie allerdings beide Hilfe. So ganz wusste sie jedoch nicht, ob sie beruhigt sein sollte, dass August so überzeugt davon war, dass sein Freund es schaffen würde, etwas gegen die Türverriegelung zu tun, damit sie hier herauskamen. Es klang für sie, als würde er dies nicht das erste mal tun und Übung darin haben und irgendwie kollidierte das ein wenig mit ihrem Gerechtigkeitssinn. Allerdings versuchte sie diesen für einen Moment zu unterdrücken, denn sollte es der Dämon tatsächlich schaffen, bewahrte er sie beide davor, die ganze Nacht hier in der Bibliothek zu hocken. Daher biss sie sich gespannt auf die Unterlippe, als der andere ihr das Handy abnahm, um seinen Freund anzurufen, während sie hoffte, dass ihr Akku solange mitmachte.
Zu ihrer beider Glück schien er ihn auch zu erreichen und Hoffnung keimte in ihr auf, dass sie hier bald raus kamen und sie nach Hause konnte. Dabei fiel ihr ein, dass sie ihre Sachen noch zusammenpacken musste, die noch immer verstreut auf dem Tisch lagen, an dem sie gearbeitet hatte. Um August in Ruhe telefonieren zu lassen, wollte sie sich gerade auf den Weg machen, um ihre Tasche und die Unterlagen zu holen, als sie hörte, wie das Gespräch scheinbar plötzlich abbrach. Chelsea blickte sofort zu dem Engel, der auf ihrem Handy herumtippte, in der Hoffnung, es wohl wieder zum Laufen zu bringen, aber diese war vergebens. Dennoch nahm sie es ihm ab und versuchte es ebenfalls, bevor sie frustriert seufzte.
“Der Akku ist tatsächlich leer. Und es gibt einige Bibliotheken in der Stadt. Eh er uns gefunden hat, dauert es sicher ewig…”
Nun mit deutlich weniger Hoffnung ließ sie sich zu Boden und auf die Knie sinken. Gleichzeitig ließ sie den Kopf hängen, denn ihre einzige Chance hier frühzeitig herauszukommen, war gerade wie eine Seifenblase geplatzt. Normalerweise behielt sie selbst bei Stress die Ruhe, während andere verzweifelten, doch gerade fühlte sie sich eher wie die anderen.
August hingegen schien noch immer davon überzeugt zu sein, dass sein Freund sie hier herausholen würde, weshalb sie ihn fragend ansah.
“Das hoffe ich. Ansonsten sitzen wir hier bis morgen um 8 Uhr fest.”

Crispin Cipriano

“Danke für deine Hilfe. Ohne dich hätten wir vermutlich jede Menge Ärger bekommen.”
Crispin quittierte diesen Satz mit einem Kopfschütteln und einem leisen Schnauben, bevor er das Datenkabel und das daran hängende Handy von seinem Laptop trennte und es Luan reichte, der neben ihm auf dem etwas heruntergekommenen Sofa saß.
“Ihr solltet einfach besser aufpassen, ob euch bei euren Aktionen jemand beobachtet. Ist ja nicht so, dass ihr das erst seit gestern macht.”
Andernfalls hätten sie ihn nun nicht gebraucht, um das Handy der Person zu knacken, von der sie erwischt wurden und die Beweisfotos gemacht hatte. Wobei sie froh sein konnten, dass er schon ein wenig Übung darin hatte und die Sicherungen bei diesem Gerät nicht allzu groß waren, sodass es schnell erledigt und die Bilder gelöscht waren.
“Du kennst doch Aiden. Wenn es um seinen Vater geht, ist er ein Hitzkopf”, gab ihm der andere als Antwort, als er ihm das Mobiltelefon abnahm und es in seiner Hosentasche verschwinden ließ. Ein weiteres Mal schüttelte er den Kopf, nicht verstehend, warum die vier auch ausgerechnet bei Aidens Vater und dessen Lebensgefährten einbrechen mussten. Wobei das nicht ganz stimmte. Auf einer Seite verstand er es schon, denn auch er hatte ab und an den Gedanken, seinen Eltern ein Statement zu machen, doch er verwarf ihn jedes mal wieder aufs Neue. Im Grunde war er nämlich froh, dass sie ihn bis auf ein paar Glückwunschkarten zum Geburtstag oder zu Feiertagen weitestgehend in Ruhe ließen - auch wenn es eigentlich traurig und ziemlich erbärmlich war, wenn man bedachte, dass sie nicht wussten, dass er in Cyrians Körper steckte und sie sich somit scheinbar auch einen Dreck um ihren ältesten Sohn scherten. Warum das so war, wusste er nicht, aber es interessierte ihn auch nicht, denn immerhin kam es ihm zugute.
“Der Hitzkopf ist er auch so.”
In dem Punkt hatten sie eindeutig etwas gemeinsam. Luan schien diesen Gedanken ebenfalls zu haben, denn ein breites aber vor allem wissendes Grinsen bildete sich auf seinen Lippen. Zum Glück sagte er jedoch nichts, denn alleine diese Geste reichte aus, um ihm das klar zu machen. Im richtigen Moment die Klappe halten zu können, war eine Eigenschaft, die er an dem Silberhaarigen schon damals geschätzt hatte. Bei einem Anführer wie Aiden war das aber wohl auch unabdingbar und wie gut er in der Lage war, Dinge für sich zu behalten, zeigte alleine schon die Tatsache, dass er lange Zeit seine Beziehung mit Niall verheimlicht hatte. Geschweige denn, dass er genau wie Crispin inzwischen kein Mensch war. Letzteres hatte sogar ihn überrascht, da er nicht damit gerechnet hatte, dass Luan ein Hexer sein könnte.
“Ich sollte langsam nach Hause. Niall wartet sicherlich schon”, riss ihn der andere aus seinen Gedanken und er nickte. Auch er sollte gehen, denn August war mit Sicherheit bald zu Hause. Um zu sehen, wie spät es inzwischen war, wollte er gerade sein eigenes Handy aus der Hosentasche angeln, als dieses mit einem Mal zu vibrieren begann und einen Anruf ankündigte. Viele Leute konnten es nicht sein, die ihn anriefen. Die einzigen, die seine Nummer besaßen, waren sein Freund und Luan. Nicht einmal der Rest der Clique hatte sie, da der Kontakt bisher nur über den Silberhaarigen lief. Noch hatte er sich einfach nicht komplett entschieden, ob er diesen aufrechterhalten wollte oder ihn doch wieder abbrach.
Somit hatte er allerdings den Verdacht, dass der Engel doch schon zu Hause war und er zu lange getrödelt hatte, denn der andere wusste nicht, wo er war. Der Anruf des Hexers kam spontan und außerdem war es Crispin auch nicht gewohnt, jemandem gegenüber Rechenschaft abzulegen, wo er hin ging. Und wenn er ehrlich war, mochte er diese Freiheit auch zu sehr, um sie komplett abzulegen, auch wenn er wusste, dass sich August schnell Sorgen machte, wenn er nicht da war, wenn er aus dem Studio kam. Seine Devise war, lieber um Entschuldigung als um Erlaubnis zu bitten, wobei er ersteres auch nur bedingt tat.
Als er allerdings die Nummer auf seinem Display sah, runzelte er die Stirn, denn sie war ihm komplett unbekannt. Anders als vor kurzem, als August ihn über eine Telefonzelle versucht hatte zu erreichen, handelte es sich dieses Mal um eine Handynummer, weshalb er eher skeptisch abnahm.
“Ja?”
Cris, ich bin eingesperrt und komme nicht mehr aus der Bibliothek raus. Ich war total mit meiner Ausarbeitung beschäftigt und habe nicht mitbekommen, dass bereits alle gegangen sind. Alles ist verriegelt und ich bin hier mit einer anderen Studentin. Es ist die Bibliothek bei-
Auf der einen Seite war es beruhigend zu hören, dass es sich bei dem Anrufer um seinen Freund handelte. Auf der anderen Seite jedoch, bekam er ein leicht schlechtes Gewissen, weil er wegen der Ausarbeitungen nun in der Bibliothek fest saß. Immerhin wollte er diese so schnell wie möglich fertig machen, damit sie sich ein schönes Wochenende machen konnten. Als der Anruf allerdings abrupt abbrach, bevor er erfahren konnte, in welcher Bibliothek er war, mischte sich zu den Schuldgefühlen nun auch seinerseits Sorge, aber auch Frustration. Er nahm das Handy vom Ohr und sah, dass es nicht an diesem lag. Somit musste das andere den Geist aufgegeben haben.
“Verdammt …!”
“Ist alles in Ordnung?”
Luan kam gerade aus einem Nebenzimmer, aus dem er seine Jacke geholt hatte, und schaute ihn fragend an. Crispin schüttelte den Kopf und seufzte frustriert.
“Absolut nicht.”
Er wollte gerade dazu ansetzen, zu erklären, was los war, als ihm eine Idee kam und er den Hexer aufmerksam musterte. Dieser hob bei seinem Blick nur eine Augenbraue.
“Erzählst du mir nun, was los ist, oder muss ich raten?”
“Sag mal, kannst du jemanden mit deiner Magie ausfindig machen?”, stellte er eine Gegenfrage, anstatt konkret zu antworten, denn dafür hatte er gerade keine Geduld. Innerlich hoffte er, dass Luan dazu fähig war. Natürlich könnte er es auch herausfinden, welche Bibliothek es war, doch weder hatte er ein passendes Programm auf seinem Laptop, mit dem er das Handy selbst im ausgeschalteten Zustand orten konnte, noch hatte er Lust, sich mit dem Provider auseinanderzusetzen. Zu seinem Glück nickte der andere jedoch.
“Wenn du etwas hast, was der Person gehört, sollte ich es hinbekommen.”
Crispin verstand, warum der andere ihm keine Garantie gab. Als er erfuhr, was dieser war, hatte er ihm auch erklärt, dass er viele Jahre überhaupt nicht gezaubert hatte und dementsprechend ein wenig eingerostet war. Dennoch gab es ihm genug Hoffnung, die Suche zu beschleunigen.
“Geht auch eine Partnerkette?”
“Ja, ich denke, das sollte funktionieren.”
Ohne lange zu zögern, griff er daraufhin unter seinen Pulli und holte eine Kette mit einem Notenschlüssel als Anhänger hervor, die er von dem Engel geschenkt bekommen hatte. Früher hätte er das Ganze unglaublich kitschig gefunden und es vermutlich abgelehnt, aber irgendwie war es doch ein schönes Gefühl, etwas bei sich zu haben, von dem August den anderen Teil besaß und bei sich trug. Luan begann bei dem Anblick zu grinsen.
“Sag besser nichts!”, gab er warnend von sich, denn der Silberhaarige wusste sicher noch, was er früher davon gehalten hatte. Oft genug hatte er sich bei anderen immerhin darüber lustig gemacht.
“Hatte ich nicht vor.”
Und er tat es tatsächlich nicht. Stattdessen widmete er sich der Suche nach August und Crispin sah ihm gespannt dabei zu. Er hatte so etwas noch nie gesehen und Luan bisher auch noch nie dabei beobachtet, wie dieser zauberte. Nach einem frustrierenden Fehlschlag, weil ihn das Klingeln seines Handys abgelenkt hatte, fand Luan heraus, wo sich der Engel befand und nachdem auch er es wusste, warf er sich seine Jacke über, schnappte sich seinen Laptop und lief zum Ausgang. Bevor er allerdings ging, schaute er über die Schulter noch einmal zu dem Hexer.
“Somit sind wir quitt, würde ich sagen.”
Damit machte er sich auf den Weg zu der Bibliothek, die ihm genannt wurde. Während er in der U-Bahn von Brooklyn, wo sich der Unterschlupf der Clique befand, zur Uni-Bibliothek in Manhattan saß, machte er sich über die Sicherungen schlau, denn wenn August dort fest saß, hieß das, dass die Tür verriegelt sein musste und er irgendwie in das Sicherheitssystem gelangen musste, um die Verriegelung zu lösen. So ganz reichte die Zeit der Fahrt dafür nicht, da er gleichzeitig auch aufpassen musste, dass niemand sah, was er da tat. An der Haltestelle, an der er raus musste, angekommen klappte er daher seinen Laptop zu und lief den Rest des Weges bis zum Eingang der Uni-Bibliothek. Dort überlegte er kurz, ob er sich einfach auf eine der Stufen setzen und weiter nach den Informationen suchen sollte, die er benötigte, oder ob er einfach mal klopfen sollte. Vielleicht befanden sich August und die andere Studentin ist Hörreichweite und er konnte ihnen somit zumindest mitteilen, dass er da war. Am Ende entschied er sich für letzteres, lief die Treppe hinauf und trat mit dem Fuß gegen die Tür, da er sich mit diesem einfacher bemerkbar machen konnte.
Ja, sie war wirklich zu gut für diese Welt und ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war sie sich dem auch bewusst und hörte es nicht zum ersten Mal. Natürlich war es nett, wenn man andere freundlich behandelte, aber man durfte sich auch nicht von allen auf der Nase herumtanzen lassen und gerade bei Chelsea hatte er das Gefühl, dass das viele Leute taten. Fair war es keinesfalls, aber die Menschen und auch die anderen Wesen nahmen keine Rücksicht darauf, was fair war oder nicht und damit musste man eben lernen umzugehen.
Aber gut, das war gerade ihr kleinstes Problem, denn nachdem das Mobiltelefon keine Energie mehr hatte und Chelsea auch keinen Energieschlauch mit hatte, um das Teil aufzuladen, sackte langsam das Gefühl in August, dass sie wohl tatsächlich bis zum nächsten Morgen in der Bibliothek bleiben mussten.
Unmöglich! Ein Engel und eine Hexe, gefangen in einem Gefängnis, erbaut von Menschen - beide ausgestattet mit ihren eigenen Fähigkeiten, aber wozu, wenn sie sich nicht einmal befreien konnten? Der Schwarzhaarige fühlte sich unheimlich nutzlos in dem Moment und er hätte am liebsten etwas getreten. Den Automaten vielleicht? Der schien sich sowieso gegen ihn verschworen zu haben, denn heute war nicht das erste mal, dass er kein Snickers ausspucken wollte. Gefangen zu sein, wenn auch nur auf bestimmte Zeit und mit Gesellschaft, war immer noch eine Last für ihn und wieso hatte er nicht einfach auf die Uhr gesehen, darauf geachtet, dass bereits alle - fast alle - gegangen waren? Keine Prüfung der Welt sollte ihn davon abhalten sich einen Abend mit seinem Freund entgehen zu lassen und jetzt war er, in dieser eiskalten Bibliothek, die laut der Brünetten nicht die einzige in der Stadt war - was nicht unbedingt half den Frust zu mildern, denn woher wollte Cris tatsächlich wissen wo er steckte? Seine Aurenerkennung brauchte noch ein wenig und meistens konnte er gewisse Wesen erst spüren, wenn sie dicht vor ihm standen und dann gab es in dieser Stadt auch noch mehrere potentielle Orte, an denen sie theoretisch stecken konnten, was das ganze in die Länge zog. Was Cris Faible für illegale Technologien anging, konnte es wiederum gut möglich sein, dass er herausfand wo sie sich befanden, denn soweit August wusste, war eine Ortung von anderem technischem Kram ein Klacks für den Hacker, aber ob das wirklich klappte? Auch dieses mal? Hach, es war doch zum Mäusemelken und so ließ auch er sich neben Chelsea nieder und stützte sein Gesicht schmollend in seine Hände ab. “Er wird es schon schaffen. Ich glaube an ihn.”, murmelte er und sprach sich dabei selbst Hoffnung zu, auch wenn die Möglichkeit, dass sie hier schlafen mussten, immer mehr in den Vordergrund rückte.
Gelangweilt spielte er mit seinen Schnürsenkeln und zupfte an diesen oder richtete seine Armbänder, seine Ringe… aber kein Zeichen der Rettung folgte. Wie schnell sein Freund es überhaupt hierher schaffte, war ebenfalls schwer zu sagen, es konnte sich um eine gute halbe Stunde handeln, wenn er sofort die richtige Bibliothek ausmachte, oder auch um Stunden, die sie hier in dem spärlich beleuchteten Raum sitzend verbringen mussten. Um sich nicht weiter in unangenehmes Schweigen und Seufzen zu hüllen, erhob er seine Stimme, versuchend die Stimmung etwas aufzulockern, da er merkte, dass diese auch an jemandem wie Chelsea, die doch so nett und freundlich war, zerren konnte. “Du bist also eine Hexe, hm? Welche Fähigkeiten hast du? Offensichtlich keine Dinge verschwinden lassen.”, scherzte er, um die andere etwas aus der Reserve zu locken. Vielleicht fand man ja doch irgendwie einen Weg mit ihren Fähigkeiten zu arbeiten, wenn man nur kreativ genug war und sich etwas einfallen ließ. Das war genau seine Stärke, doch jetzt gerade fühlte er sich machtlos gegenüber allem, wenn er sie sich hinausteleportieren könnte, aber zu welchem Preis? Ein fehlender Arm?...nein, danke! Also blieb ihnen wohl wirklich nichts anderes übrig als zu warten...und zu warten..und zu- Hm? August hob den Kopf und sah sich um. Die Aura war schwach, aber er spürte sie, ganz genau und es war unmissverständlich Crispin. “Er ist hier, er ist hier!”, sagte er hastig und stand auf, um zu einem der verriegelten Fenster zu gehen. Hinaussehen konnte er nicht, aber er nahm dort zumindest das Gefühl stärker wahr und es gab ihm genug Hoffnung, dass er nicht komplett dem Wahnsinn verfiel. Das schwere Klopfen, das von der anderen Seite des Raumes kam, ließ ihn etwas zusammenzucken und er drehte sich sofort um, mit einem breiten Grinsen im Gesicht. “Ich sagte doch, dass er es schaffen würde!”
Mit der zurückgewonnen Lebensfreude rannte er zurück und blieb vor der Tür stehe, die sie versucht hatten zu öffnen. Ob Cris ihn hören würde, wenn er nach ihm rief, wusste er nicht, aber er versuchte es nicht. “Cris? Hol uns hier raus, bitte!”

Chelsea Shadowhawk

Wie August so sehr davon überzeugt sein konnte, dass sein Freund sie hier herausholen würde, war Chelsea schleierhaft. Es gab immerhin so einige Bibliotheken in der Stadt und da die richtige zu finden, war sicherlich nicht so einfach. Oder besser gesagt, wäre es pures Glück, wenn er zeitnah hierher kommen würde. Dennoch wollte sie ihm glauben. Nicht zuletzt, weil ihr kaum etwas anderes übrig blieb und die Alternative so aussah, dass sie die ganze Nacht hier verbringen würden. So nett sie den Engel inzwischen auch fand, wollte sie doch nicht länger als nötig hier mit ihm zusammen eingesperrt sein. Nicht, weil sie seine Anwesenheit vielleicht als störend empfand, sondern einfach wegen des Prinzips des Eingesperrtseins. Zudem hatte der Dämon ja vielleicht irgendwelche nützlichen Fähigkeiten, die ihm helfen konnten, sie zu finden. Wenn August schon so sicher war, dass er die Türverriegelung umgehen konnte, wusste er vielleicht auch Mittel und Wege sie schneller zu finden. Sie selbst kannte sich mit so etwas überhaupt nicht aus. Chelsea war froh, wenn ihre Technik funktionierte und sie alles so einstellen konnte, wie sie es brauchte. Alles, was darüber hinausging, war für sie ein Buch mit sieben Siegeln. Und vermutlich würde sie auch nur Bahnhof verstehen, wenn man es versuchte ihr zu erklären, da es nichts war, wofür sie sich sonderlich interessierte.
Um die Zeit zumindest für einen kleinen Moment sinnvoll zu nutzen, erhob sie sich wieder und warnte sich zur Treppe. Allerdings blieb sie noch einmal stehen und blickte zu August.
“Ich pack mal meine Sachen zusammen. Sollte dein Freund es doch zeitnah schaffen, muss ich es wenigstens nicht dann erst machen.”
Damit lief sie die Stufen wieder hinauf und zurück zu dem Platz, an dem sie gesessen hatte, was sich schwieriger gestaltete als gedacht. Das Licht des Automaten reichte gerade so, um die Stufen der Treppe auszuleuchten, doch alles, was jenseits davon war, lag größtenteils im Dunkeln. Hier und da brachte eine Straßenlaterne ein wenig Licht, doch das war es dann auch schon. Daher stolperte Chelsea mehr oder weniger blind durch den Raum und tastete sich mit den Händen vorwärts. Als sie endlich an ihrem Platz ankam, suchte sie ihre Sachen zusammen und verstaute alles in ihrer Tasche. Am liebsten hätte sie die Bücher, die sie benutzt hatte, noch zurück in die Regale gebracht, doch eh sie die richtigen Stellen gefunden hätte, würde es vermutlich Stunden dauern. Es ging ein wenig gegen ihre Vorliebe zur Ordnung, aber sie sah schon darüber hinweg, dass Augusts Freund nicht ganz legale Dinge tun würde, um sie hier herauszuholen, sollte er sie finden. Da waren nicht zurückgestellte Bücher das kleinere Übel.
Chelsea schaute in die Richtung, aus der sie kam, und seufzte. Nun musste sie sich den ganzen Weg zurücktasten. Doch als sie sich gerade wieder los machen wollte, fiel ihr ein, dass sie ihren E-reader in der Tasche hatte, der zumindest etwas Licht liefern konnte, sodass sie nicht komplett blind umherstolpern musste. Daher nahm sie ihn heraus und schaltete ihn ein.
Auf dem Weg zu August fiel ihr dabei auf einem anderen Tisch auf, dass dort ebenfalls noch etwas lag. Sie blieb stehen und änderte ihre Richtung, um dorthin zu laufen. Ein kurzer Blick auf die Bücher und das Geschriebene verriet ihr, dass es um Musik ging und hatte der Engel nicht erwähnt, dass er wegen Musiktheorie hier war? Doch wem sollte es zudem sonst gehören? Somit packte sie auch dies alles zusammen. Eigentlich ging sie nicht an fremde Taschen, aber wenn sie einmal hier war, konnte sie dem Schwarzhaarigen diese auch gleich mitbringen und er musste nicht selbst noch einmal den Vorraum verlassen.
Bepackt mit beiden Taschen bahnte sie sich ihren Weg zurück und ließ sich seufzend auf der untersten Stufe der Treppe fallen.
“Ich habe dir übrigens deine Sachen mitgebracht”, sagte sie in die Stille hinein, als sich August neben sie setzte, und stellte die Tasche vor ihm ab. Das leise Murmeln nahm sie zwar wahr, aber für sie klang es eher so, als müsste er sich selbst ein wenig Hoffnung zusprechen, was ihre eigene Zuversicht, die sie durch ihn zum Teil gewonnen hatte, wieder zunichte machte. Sie streckte die Beine und machte sie lang, während sie ihren Gedanken nachhing. Innerlich ärgerte sie sich sehr darüber, dass sie nicht daran gedacht hatte, ihr Handy zu laden oder wenigstens ihre Powerbank mitzunehmen, die sie sonst vorrangig für ihren E-Reader nutzte. Hätte sie an eins von beidem gedacht, stünden ihre Chancen sehr viel besser, hier schnell herauszukommen, aber so war es ein Spiel mit dem Glück.
Nach einer gefühlten Ewigkeit schien August die Stille nicht mehr auszuhalten und sie war ihm dankbar dafür, dass er sie durchbrach, um sie etwas zu fragen. Im ersten Moment wusste sie nicht, worauf er hinauswollte, da er selbst herausgefunden hatte, was sie war, bis er widersprach und es ihr klar wurde.
“Nein, leider gehört das nicht zu meinen Fähigkeiten”, erwiderte sie ihm mit einem wehmütigen Lächeln. “Das einzige, was ich kann, sind Heilzauber. Ich habe zwar verschiedenste Sachen ausprobiert, aber selbst die einfachsten Dinge, die selbst junge Hexen mit ein bisschen Übung recht schnell beherrschen, funktionierten bei mir überhaupt nicht. Als Hexe bin ich also recht nutzlos…”
Zum Ende hin wurde sie immer leiser, denn gerade schmerzte es doch ein wenig, dass sie so gar nichts tun konnte. Doch das Glück sollte ihn wohl doch hold sein und ihre eingeschränkten Fähigkeiten rückten völlig in den Hintergrund, als August mit einem Mal aufsprang und etwas davon sagte, sei Freund wäre da.
“Wieso bist du dir da so sicher?”
Erst im nächsten Augenblick hätte sie sich alleine für die Frage in den Hintern getreten, denn schließlich hatte er auch gemerkt, dass es sich bei ihr um eine Hexe handelte und da sein Freund ein Dämon war, konnte er es womöglich einfach wahrnehmen. Nun selbst wieder hoffnungsvoller stand sie auf und wollte ihm gerade zu einem der Fenster folgen, als sie ein Klopfen an der Tür hörte, was nun auch sie davon überzeugte, dass ihre Rettung nahte. Sie erwiderte das Grinsen des anderen mit einem Lächeln und sah ihm nach.
“Ich wünschte, ich könnte sagen, ich hätte nicht daran gezweifelt.”
Aber genau das hatte sie zeitweise, was wohl einfach daran lag, dass sie den Dämon nicht kannte und im Gegensatz zu dem Engel nicht wusste, was er alles konnte, aber egal, ob es nun Glück oder doch Können war, dass er nun hier war, das wichtigste war, dass er offensichtlich vor der Tür stand und es nun hoffentlich nicht mehr lange dauerte, bis sie wieder in Freiheit waren.

Crispin Cipriano

War er hier wirklich richtig?
Genau diese Frage stellte sich Crispin kurzzeitig, nachdem er mit dem Fuß gegen die Tür getreten hatte und darauf wartete, dass sich eine Reaktion zeigte. Er wusste nicht, wie verlässlich Luans Ortung war. Schließlich hatte er - soweit er erfahren hatte - jahrelang überhaupt nicht gezaubert. Vielleicht war er einfach eingerostet und er hatte den falschen Ort erfahren, auch wenn der Hexer nicht wusste, dass er zu einer Bibliothek musste. Andererseits wusste er auch nicht, ob sich August und die Person, von deren Handy er angerufen hatte, überhaupt in der Nähe befanden und ihn gehört hatten, auch wenn es im Inneren der Bibliothek vermutlich noch stiller war, als es während der Öffnungszeiten schon sein sollte.
Diese ganzen Überlegungen waren allerdings unnötig, als er plötzlich eine Aura wahrnahm, die er kannte und die ihm unweigerlich ein erleichtertes Lächeln auf die Lippen zauberte. Kurz darauf hörte er leise Augusts Stimme von der anderen Seite der Tür und auch wenn er diese schon nicht mehr gebraucht hätte, um sicher zu sein, dass er hier richtig war, erleichterte es ihn doch zusätzlich.
“Genau deswegen bin ich hier. Könnte nur etwas dauern”, erwiderte er etwas lauter und in Richtung der Tür, damit man ihn auch hörte, bevor er sich wieder abwandte und sich auf die oberste Stufe der Treppe setzte. Anschließend öffnete er wieder seinen Laptop und verband diesen mit dem öffentlichen WLAN der Bibliothek, dessen Signalstärke zum Glück bis zu ihm reichte. Er erledigte den Rest seiner Suche, die er in der U-Bahn nicht schaffte und er war froh, dass er nun nicht mehr aufpassen musste, dass niemand sah, was er hier tat. Es war unglaublich lästig, wenn jemand neben einem saß, der immer wieder zu einem sah und ihn somit auch aus seiner Konzentration riss. Bei August hatte er damit kein Problem, wenn er ihm über die Schulter schaute, aber das war auch etwas anderes. Sein Freund wusste im Groben, was er tat, auch wenn er es nicht genau verstand und auch wenn es ihm nicht zu 100% gefiel, vertraute er ihm doch, dass er nichts tat, was ihnen noch mehr Probleme einbringen würde. Sich bereichern oder anderen schaden wollte er damit allerdings nicht und somit war es für den Engel in Ordnung. Bei Fremden sah das anders aus, denn für sie waren Hacker alle nur böse.
Nachdem Crispin alles hatte, was er brauchte, holte er sein Handy aus der Hosentasche und öffnete die App, die er brauchen würde, um das Passwort für das WLAN Netzwerk herauszubekommen, mit dem der PC verbunden war, der die Türverriegelung steuerte. Dieses war natürlich nicht für jeden zugänglich, aber das war kein Problem für ihn. Er stellte einige Dinge ein und begann dann die Suche. Über den Laptop hätte er dies ebenfalls tun können, doch über die App war es doch ein wenig leichter und warum es sich schwerer machen, wenn man es auch auf diese Art machen konnte?
Einige Minuten vergingen, in denen das Passwort gesucht wurde, und er sich umsah. Dabei bemerkte er, dass er von der Hauptstraße aus leicht zu sehen wäre, wenn jemand vorbei kam und in die Richtung der Bibliothek schaute. Wenn dies passierte und jemand skeptisch wurde, riskierte er, dass die Polizei gerufen wurde und genau das wollte er vermeiden. Natürlich könnte er den Beamten dann erklären, warum er hier war, aber er hatte schlicht keine Lust auf allzu viel Kontakt mit diesen Leuten. Sein Bedarf daran war durch seine Vergangenheit mehr als gedeckt. Daher entschied er den Standort zumindest ein Stück zu wechseln und sich hinter eine der großen Säulen zu verziehen, die den Eingang zierten. Dort setzte er sich im Schneidersitz hin und lehnte sich mit dem Rücken gegen das Gestein, was zusätzlich schon viel bequemer war, und arbeitete weiter, als die App endlich das Passwort ausspuckte.
Crispin trennte seinen Laptop vom öffentlichen Netz und verband ihn stattdessen mit dem gesicherten. Anschließend öffnete er die Programme, die er brauchte, um in den PC zu gelangen. Er suchte nach diesem innerhalb des Netzwerks und als er ihn gefunden hatte, lächelte er leicht.
“Das ist ja leichter, als ich dachte…”, murmelte er.
Eigentlich hatte er gedacht, dass es etwas schwerer werden würde, doch auch als er die Firewall sah, wurde er eines Besseren belehrt. Obwohl er noch zu den Anfängern gehörte in den Hacker Kreisen, war es einfach in den PC zu gelangen und dort das Sicherheitssystem für die Tür zu finden. Als er dies geschafft hatte, deaktivierte er es. Zusätzlich versicherte er sich, dass er nichts übersehen hatte. Dann stellte er seinen Laptop neben sich auf den Boden, ließ diesen aber eingeschaltet, schob sein Handy wieder in die Hosentasche und stand auf, um die kurze Distanz bis zur Tür zu überbrücken. Dort zögerte er kurz, denn auch wenn er sich sicher war, alles richtig gemacht und nichts übersehen zu haben, bestand doch immer noch die Möglichkeit, dass es doch passiert war, weshalb er seinen Laptop auch noch nicht ausgeschaltet und auch die Verbindung noch nicht getrennt hatte.
Nach einem kurzen Moment legte er die Hand auf den Türknauf und drückte dagegen. Mit einem erleichterten Seufzen stellte er fest, dass sich die Tür bewegte und öffnete sie komplett, sodass er eintreten konnte. Sofort fiel sein Blick auf August und er konnte sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen.
“Was würdest du nur ohne mich machen?”
Die Frage war rein rhetorischer Natur, aber er konnte sich trotzdem nicht zurückhalten, sie zu stellen, denn ohne ihn würde sein Freund wohl die Nacht in der Bibliothek verbringen. Bei dem Gedanken glitt sein Blick zu der anderen Person, die sich in der Nähe des Schwarzhaarigen befand und sich als junge Frau entpuppte. Vermutlich war sie ebenfalls eine Studentin, denn wer sollte sonst so einen Ort aufsuchen und das auch noch bis zum Ende der Öffnungszeiten? Allerdings hatte er beim Anblick ihres Gesichts das Gefühl, es schon mal irgendwo gesehen zu haben. Er wusste nur nicht woher.
Wer brauchte schon ein Snickers, um die Laune zu heben, wenn die Stimme von Cris alleine reichte, alle seine Sorgen zu vergessen? Seine Laune hob sich rapide und er bekam sein Lächeln gar nicht mehr aus dem Gesicht. Die Aura des anderen beruhgite ihn sofort, sämtliche Zweifel und Sorgen waren über Bord geworfen, denn für ihn zählte es nur noch, dass sie sich hoffentlich sehr schnell sehen würden.
Hibbelig ging August also auf und ab, konnte es kaum erwarten, dass sich die Türen endlich öffneten, aber es galt zu warten, denn selbst wenn sein Freund der Technik mächtig war, hieß es nicht, dass es mit einem Fingerschnippen erledigt sein würde. Chelsea machte sich in der zwischenzeit auf den Weg zu ihren Sachen und er selbst hatte seine Unterlagen komplett vergessen. Wer brauchte schon doofe Zettel, die er sich mühevoll über mehrere Stunden mühevoll erarbeitet hatte, wenn er doch wegen eben diesen Mitschriften hier festsaß? Hätte er doch bloß besser auf seine Umgebung geachtet, dann wäre das alles nicht passiert, wobei er es auch etwas schade gefunden hätte, denn sonst wäre es wahrscheinlich nie zu der netten Konversation mit der jungen Hexe gekommen, die sowohl seine Stimmungsschwankungen, als auch seine Drohungen, die er ihr anfangs an den Kopf geworfen hatte, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.
Dabei war sie die netteste Person überhaupt und es entging ihm auch nicht, als sie wieder zurück war, dass sie sogar seine Sachen mitgenommen hatte. Der Schwarzhaarige schenkte ihr ein dankbares Lächeln und stopfte seine Zettel lieblos in den kleinen schwarzen Supreme-Rucksack. Nichts davon war jetzt wichtig, denn für dieses Wochenende war sowieso nur noch geplant, dass er Zeit mit seinem Freund verbrachte - vor allem nach der bereits vergeudeten Zeit, die sie zusammen auf der Couch verbringen hätten können. Cris, wie er sich in irgendwelche Systeme einschleuste, so als Übung und aus Spaß, und er mit den Kopfhörern und einem Buch oder Stift und Papier, um Musikstücke zu transkribieren. Oder sie hätten sich einen Film angesehen - vielleicht sogar den Paten, den er schon seit Tagen versuchte schmackhaft zu machen, jedoch ohne Erfolg. Dafür hatten sie aber alle Iron-Man Filme und sogar die Avengers-Reihe, sowie Guardians of The Galaxy durch und August war nun eingefleischter Marvel-Fan. Sein Liebling war allerdings nicht etwa Iron Man sondern Hulk, da dieser ebenfalls wie er, durch sein Äußeres unterschätzt wurde. Noch besser gefiel ihm allerdings Black Panther und er freute sich schon darauf, wenn sie sich den nächsten Avengers Film im Kino ansehen würden - mit seinem Favoriten, der das Team unterstützt. Hach, so vieles hätten sie tun können, aber immerhin hatte August jetzt auch eine neue Freundin gewonnen und er empfand es dringend als nötig, es ihr irgendwie mitzuteilen, wenn er auch nicht sehr gut darin war.
“Dankeschön. Für alles heute. Ohne dich wäre ich ziemlich aufgeschmissen gewesen. Und mach dir keine Sorgen wegen dem Zaubern. Du hast gesagt, dass du meinen Freund geheilt hast? Das bedeutet mir wahnsinnig viel und ohne deine Hilfe hätten wir es wahrscheinlich auch nie so schnell aus dem Krankenhaus geschafft.” Wäre Cris nicht dazu in der Lage gewesen zu gehen, hätte sich der Engel erst um einen Rollstuhl oder sonstiges kümmern müssen, aber auch das wäre schwierig gewesen und vor allem noch auffälliger. Nein, Chelsea hatte ihnen wirklich den Hintern gerettet und auch wenn er es erst jetzt erfahren hatte, so wusste er es unglaublich zu schätzen. “Falls du jemals etwas brauchen solltest, egal was, dann kannst du mich jederzeit um Hilfe bitten.”, bot er ihr an und meinte es absolut ernst. “Du hast mehr für mich getan als jeder andere und das möchte ich nicht einfach so stehen lassen. Leider habe ich kein Handy, aber das hast du ja schon mitbekommen. Aber du hast ja jetzt die Nummer von meinem Freund, Crispin. Entweder meldest du dich da oder du suchst mich einfach bei den Musikern an der Uni.” An der Uni kannte ihn mittlerweile sowieso jeder, einfach weil er sich etwas seltsamer verhielt und dadurch auffiel. Neben “der kleine Produzent”, war er auch als derjenige “mit dem heißen Freund” bekannt, dank der Besuche von Cris, wenn dieser ihn von der Uni abholte und dabei sämtliche Aufmerksamkeit der weiblichen Studentinnen auf sich zog. August fragte sich, ob Chelsea auch bereits Wind davon bekommen hatte. Der künstlerische Zweig, mit den Musik- , Literatur- und Kunststudenten war zumindest immer up to date was das anging.
Das Klicken der Tür, ließ ihn dann herumfahren und er erblickte kurz darauf das Gesicht seines Freundes, dem er regelrecht um den Hals fiel und dabei das Gesicht dicht an seinen Hals drückte. “Aufgeschmissen wäre ich. Ich bin so froh dass du da bist.”, murmelte er an seine Haut und löste sich dann langsam von ihm und folgte dem Blick des Dämons. “Oh, Cris! Das ist Chelsea. Sie hat mir netterweise ihr Handy geborgt, damit ich dich anrufen konnte. Ohne sie wäre ich nicht dazu imstande gewesen dich zu kontaktieren.”, erklärte er und empfand es dann noch als wichtig, seinem Freund von dem Vorfall im Krankenhaus zu erzählen. “Sie arbeitet im Krankenhaus und wie es der Zufall wollte, hat sie sich damals nach Seis Angriff geheilt. Deswegen warst du so überraschend fit… für die damaligen Verhältnisse! Ich habe ihr gesagt, dass sie uns jederzeit kontaktieren kann, wenn sie etwas braucht. Das ist immerhin das Mindeste.”
August beugte sich dann zu seinem Rucksack, der bei der schwungvollen Umarmung auf dem Boden gelandet war und nahm diese hoch. “Also, Chels. Das ist mein Freund, Crispin. Nochmal danke für alles. Wohnst du weit weg von hier? Schaffst du es alleine hin oder sollen wir dich begleiten?”, fragte er noch und verschränkte seine Finger mit denen des Dämons.

Chelsea Shadowhawk

Wie schnell sich die Stimmung des Schwarzhaarigen ändern konnte, hatte Chelsea bereits mitbekommen, nachdem sie dessen Snickers aus dem Automaten gerettet hatte, doch diese Besserung seiner Laune war nichts im Vergleich zu dem, was sie nun, da nicht nur das Klopfen von außen zu hören war, sondern auch eine Stimme, zu sehen bekam. Wie ein Tiger im Käfig lief der andere auf und ab, während sie sich mit dem Rücken gegen die Wand an der Tür lehnte und ihn beobachtete. Irgendwie fand sie es schon niedlich, dass alleine die Stimme seines Freundes so eine positive Wirkung auf ihn haben konnte und das zu sehen, machte alles wieder gut, was er ihr in den ersten Minuten ihrer Begegnung an den Kopf geworfen hatte. In solchen Fällen wie diesem war sie nicht besonders nachtragend, denn schließlich war das hier eine Ausnahmesituation, sodass sie ihm das bereits verziehen hatte, als er sich beruhigte und sie normal miteinander reden konnten. Allerdings konnte sie seine Skepsis auch durchaus verstehen, wenn sie daran dachte, dass er momentan scheinbar große Probleme hatte. Sie kannte sich zwar weder mit Engeln noch mit Dämonen großartig aus, aber hinterlistige Aktionen waren wohl nichts, was man einer bestimmten Spezies zuschreiben konnte. Jeder konnte so etwas planen - egal, was er war - und somit hatte sie nun im Nachhinein auch vollstes Verständnis für seine Reaktion. Woher sollte er auch vorher wissen, ob sie ihn nicht doch in einen Hinterhalt gelockt hatte?
Mit dieser Frage im Kopf wandte sie ihren Blick von August ab und schaute aus dem Fenster, das sich in ihrer Nähe befand. Zwar konnte sie von dieser Perspektive nicht viel erkennen, da es inzwischen draußen bereits komplett dunkel war, aber das störte sie nicht, denn um die Aussicht ging es ihr auch nicht. Sie wollte lediglich vermeiden, den Engel anzustarren, während sie tiefer in ihren Gedanken versank.
So unangenehm es auch war, in der Bibliothek eingeschlossen zu sein, bereute sie es doch nicht, dass es so gekommen war, denn immerhin hätte sie den anderen andernfalls nicht kennengelernt. Jedoch hatte sie das Gefühl, in der letzten Zeit immer mehr Kontakt mit der übernatürlichen Welt zu bekommen. Man sollte meinen, dass das nichts Ungewöhnliches für jemanden wie sie wäre, doch die längste Zeit über hatte sie kaum mit anderen Wesen bewusst etwas zu tun, wenn man von ihrer Adoptivfamilie einmal absah. In den letzten Wochen und Monaten wurde es hingegen immer mehr. Angefangen mit dem Zusammenstoß mit Jace auf einem Sommerfest, auf dem sie mit ihrer Schwester war, über die unheimliche Begegnung auf dem Friedhof mit der Sirene und die Ermittlungen gemeinsam mit Noel bis hin zu den Ereignissen im Krankenhaus und an diesem Abend. Die meisten dieser Ereignisse waren positiver Natur und doch wusste sie nicht, wie sich das Ganze noch weiter entwickeln würde, denn wie August schon sagte, waren nicht alle Wesen nett. Und irgendwie machte ihr das auch ein wenig Angst, obwohl ihr bewusst war, dass es auch unter den Menschen Personen gab, die an Bösartigkeit dem typischen Bösen, was man mit einigen Wesen in Verbindung brachte, in nichts nachstanden.
Bevor sie sich noch weiter darüber Gedanken machen konnte, hörte das stetige Geräusch von Augusts Schritten auf und wurde stattdessen von dessen Stimme abgelöst. Sie drehte ihren Kopf wieder zu ihm und das, was sie zu hören bekam, machte sie für einen kurzen Augenblick sprachlos. Nicht nur, dass er sich so aufrichtig bei ihr bedankte, obwohl sie sowohl an diesem Abend, als auch damals im Krankenhaus kaum etwas getan hatte, sondern auch, dass er versuchte, sie ein wenig aufzumuntern und ihr anschließend sogar anbot, dass er ihr seine Hilfe anbot, sollte sie diese irgendwann einmal brauchen. Es verscheuchte ihre trüben Überlegungen der letzten Minuten und zauberte ihr ein Lächeln aufs Gesicht.
“Ach was, ohne dich und deinem Freund hätte ich trotz meinem Handy niemanden gehabt, der hätte herkommen können, denn um den Notruf effektiv zu wählen, hätte der Akku niemals ausgereicht. Und was das im Krankenhaus betrifft… Das war nichts Besonderes”, versuchte sie es kleinzureden, denn auch wenn sie anderen gerne half und während ihrer Schichten auf der Intensivstation und in der Notaufnahme des öfteren Leute heilte, kam es doch eher selten bis gar nicht vor, dass sie dafür Dank erhielt - und schon gar nicht auf diese Weise.
“Aber danke für das Angebot. Ich werde es mir auf jeden Fall merken. Für euch gilt aber natürlich dasselbe.”
Sie musste es einfach noch einmal wiederholen, denn auch wenn er scheinbar der Meinung war, ihr vielleicht etwas schuldig zu sein, wollte sie ihn doch daran erinnern, dass auch er und sein Freund jederzeit die Möglichkeit hatten, sie um Hilfe zu bitten - selbst wenn es nur eine Kleinigkeit war. Für sie war es ungewohnt, andere zu fragen, ob sie ihr bei etwas helfen konnten, aber sie wollte das Angebot auch nicht einfach ausschlagen. Dies wäre unhöflich und außerdem wusste man nie, ob man es nicht doch einmal in Anspruch nehmen musste, wobei sie kurzzeitig wieder in die Gedanken von zuvor versank.
“Wenn werde ich dich aber wohl in der Uni aufsuchen. Allzu schwer sollte das nicht werden.”
Ein weiteres Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, denn wenn sie genau darüber nachdachte, hatte sie tatsächlich schon von einer der Literatur Studentinnen, der sie einmal geholfen hatte, etwas davon gehört, dass einer unter den Musikern wohl einen ziemlich gut aussehenden Freund hatte, wo sie sich beschwert hatte, dass die Besten eben immer entweder schwul oder vergeben waren - oder in diesem Fall wohl beides. Sie hatte nur mit einem halben Ohr hingehört, denn solcher Tratsch interessierte sie in der Regel nicht. Wenn sie nun allerdings den jungen Mann aus dem Krankenhaus mit dem zusammenbrachte, was sie heute erfahren hatte, konnte es gut möglich sein, dass sie von August und seinem Freund gesprochen hatte. Somit wäre es wohl wirklich ein Kinderspiel ihn zu finden, denn auch wenn sie nun die Handynummer des Dämons hatte, wusste sie doch nicht, wie dieser es finden würde, wenn sie sich darüber meldete.
Bevor sie noch mehr dazu sagen konnte, hörte sie mit einem Mal die Tür und schaute augenblicklich in deren Richtung. Nur Sekunden später war diese offen und eine tiefe Erleichterung erfasste sie, weil es Augusts Freund tatsächlich geschafft hatte, das Sicherheitssystem irgendwie zu umgehen. Genauer wollte sie nicht darüber nachdenken, wie er das gemacht hatte, denn diese Vorgehensweise kollidierte noch immer mit ihrem Gewissen, obwohl sie es selbst nicht getan hatte. Zudem lenkte sie der Anblick der beiden davon ab, wodurch sie sich ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen konnte. Sie löste sich von der Wand und trat mit einige Schritte hinter den Engel. Neugierig musterte sie ihren Retter und musste feststellen, dass er im Gegensatz zu damals wieder vollkommen fit war. Zwar war dies wohl keine große Kunst, wenn sie daran dachte, was er war, aber es erleichterte sie dennoch ungemein. Zudem musste sie zugeben, dass er absolut nicht wie ein Dämon wirkte. Der seinerseits musternde Blick war ihr jedoch leicht unangenehm, wobei sie nicht genau sagen konnte warum, weshalb sie aber selbst auf den Boden schaute. Zumindest bis August sie vorstellte und dem anderen alles erklärte, wodurch sie doch wieder aufsah und ihm ein freundliches Lächeln schenkte.
“Freut mich, dich kennenzulernen. Und… ähm… Ich bin froh, dass es dir wieder besser geht.”
Dass August auch dies erwähnte, war ihr ebenfalls ein wenig unangenehm, auch wenn sie wusste, dass er ihr dankbar war. Dennoch wollte sie nicht, dass daraus so eine große Sache gemacht wurde, da sie es selbst nicht so sah. Bei der Frage des Kleineren löste sie ihren Blick von dessen Freund und schaute stattdessen zu ihm, wobei sie die Geste des Händchenhaltens bemerkte und den Kopf schüttelte.
“Ich wohne zwar etwas außerhalb in Caldwell, aber ich muss nur in den Bus steigen. Das schaffe ich auch alleine. Geht ihr ruhig nach Hause. Immerhin ist es inzwischen sicherlich schon spät.”
Chelsea wusste, dass ihr letzter Satz auch ein gutes Argument dafür war, dass sie nicht alleine nach Hause fahren sollte, aber sie wollte den beiden nicht noch mehr Zeit klauen, als es diese ganze Situation schon getan hatte und sie hoffte einfach darauf, dass ihr an einem Abend nicht zwei Dinge passieren würden, auch wenn es gerne hieß, dass wenn dann alles mit einem Mal kam.

Crispin Cipriano

Schon seit mehreren Wochen oder eigentlich seit ihrer Aussprache nervte es Crispin mitunter, dass August so viel für die Uni tun musste. Waren es nun die Vorlesungen, die Arbeit im Studio oder wie heute die zusätzlichen Hausarbeiten, die sie in einer bestimmten Zeit fertig machen mussten und dass er heute das Ende der Öffnungszeiten verpasst hatte, war nur eins der Dinge, die damit einhergingen. Eigentlich hatte er nämlich gehofft, dass sie mehr Zeit zusammen hatten, was durch die Anwesenheitspflicht in der Uni und der vielen Arbeit allerdings oftmals nichts wurde und ihre Zweisamkeit dadurch ziemlich auf der Strecke blieb. Er wusste, wie wichtig seinem Freund dieses Studium war und er unterstützte ihn auch darin, wenn er Hilfe brauchte - so langweilig und unnütz er Musiktheorie auch fand - aber es frustrierte ihn dennoch. Da war es auch vollkommen nebensächlich, dass sie im Grunde eine ganze Ewigkeit zusammen hatten und die Uni nur einen kleinen Bruchteil davon darstellte. Das einzige, das ihn beschwichtigte, war die Tatsache, dass sie zumindest dieses Wochenende nur für sich hatten und ihr gemeinsamer Urlaub ebenfalls bald vor der Tür stand, in dem sie endlich einmal alles hinter sich lassen und vergessen konnten, was ihren Alltag sonst belastete und einschränkte.
Gerade war all dies allerdings nebensächlich, als er sah, wie August sich darüber freute ihn zu sehen und er selbst war ebenfalls froh und erleichtert darüber, dass alles in Ordnung war. Zwar konnte in einer Bibliothek wohl nicht viel passieren, aber hätte er keinen Anruf bekommen, hätte er sich wohl den ganzen Abend und die ganze Nacht über gefragt, wo er war und sich Sorgen gemacht. Und vermutlich hätte er jede einzelne Bibliothek in der Stadt abgeklappert, in der Hoffnung, irgendwo die Aura des Engels zu spüren. Aus diesem Grund schlang er auch sofort seine Arme um ihn, als er augenblicklich auf ihn zukam, sobald die Tür offen war. Er vergrub sein Gesicht in den weichen Haaren, allerdings eher um sein Schmunzeln zu verstecken, als ihm August genau das bestätigte, was er sich bereits gedacht hatte.
“Und da soll nochmal einer sagen, zu hacken wäre etwas schlechtes”, murmelte er ebenfalls, konnte das Grinsen aber nicht ganz aus seiner Stimme heraushalten. “Aber ich hätte dich wohl auch ohne den Anruf früher oder später gesucht.”
Dass dieser das Ganze beschleunigt hatte, war ihm klar und er hatte auch jede Menge Glück, dass er zum Zeitpunkt des Anrufs noch bei Luan war. Andernfalls hätte er den weit komplizierteren und langwierigeren Weg wählen müssen und wer wusste schon, wie schnell er damit gewesen wäre.
Nachdem sich August wieder von ihm gelöst hatte, wurde er wieder ernst und sein Blick huschte ein weiteres Mal zu der Brünetten hinüber. Noch immer fragte er sich, woher er sie kannte, doch egal wie lange er darüber auch nachdachte, er kam nicht darauf, wo er sie schon einmal gesehen hatte. Auch ihr Name - Chelsea - sagte ihm absolut nichts. Wo hatte er ihr Gesicht also schon einmal gesehen? Doch bevor er weiter darüber grübeln konnte, erwähnte sein Freund, dass es ihr Handy war, über dass er ihn angerufen hatte, was ihm im Grunde aber bereits klar war, da der Engel sich vehement dagegen wehrte, sich ebenfalls eins zuzulegen.
“Vielleicht solltest du dir überlegen, dir doch ein eigenes Handy zu kaufen. Dann bist du nicht auf das von anderen angewiesen.”
Mit einem Grinsen sah er dabei zu ihm und hoffte insgeheim, dass ihm die heutige Situation zeigte, dass diese Dinger durchaus einen Sinn hatten und mitunter sehr hilfreich waren, auch wenn er ganz genau wusste, warum sich August teilweise weigerte, eins zu besitzen. Wie bei vielen anderen neuartigen Geräten war er eben einfach ein wenig überfordert damit, aber es sagte ja auch niemand, dass er ein hochkompliziertes Handy besitzen musste, dass allen möglichen Schnickschnack dabei hatte. Zudem käme es auch ihm selbst zugute, wenn sich sein Freund dazu überreden ließ, denn so hätte er auch tagsüber die Möglichkeit, etwas von ihm zu hören und ihn nicht nur früh und abends zu sehen - vor allem da er nach der Uni und der Arbeit im Tonstudio meist ohnehin todmüde war.
All das behielt er allerdings für sich, denn nur weil er ihn mit seiner Überforderung was moderne Technik betraf ganz gerne aufzog, musste niemand anders den wahren Grund für diese Abstinenz wissen. Allerdings lenkte Chelsea seine Aufmerksamkeit ohnehin wieder zu ihr. Dabei ging es weniger um das, was sie sagte, sondern viel mehr um ihre Stimme, die ihm ebenfalls bekannt vorkam und es nervte ihn gewaltig, dass er das alles nicht mit einer bestimmten Situation zusammenbringen konnte. Auf ihre Worte ging er dabei auch gar nicht ein. Zumindest wollte er das, denn ihr zweiter Satz irritierte ihn. Bevor er jedoch danach fragen konnte, klärte August ihn bereits auf und mit einem Mal fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Der kurze Moment, in dem er damals wach war und eine weibliche Person gesehen hatte. Das Gefühl, das er von seiner Heilung kannte, das jedoch in diesem Moment stärker war als normalerweise. Das alles hatte er hinterher für einen Traum gehalten, auch wenn es ihn selbst ebenfalls überrascht hatte, wie fit er damals schon wieder war. Nun machte das alles einen Sinn.
“Du warst das also…”, murmelte er leise, bevor er die Augenbrauen zusammenzog, da ihm etwas ganz entscheidendes in den Sinn kam. “Hast du dir eigentlich auch nur einen Augenblick darüber Gedanken gemacht, was passiert wäre, wenn dich zum Beispiel der Typ, der mit auf dem Zimmer lag, dabei erwischt hätte?!”
Dankbar für die Heilung war er ihr alle mal, denn ohne diese wäre es kompliziert geworden aus dem Krankenhaus zu verschwinden, aber dennoch fand er es unverantwortlich. Was genau sie dabei war, sodass sie die Fähigkeit besaß, andere zu heilen, interessierte ihn dabei auch gar nicht, denn dass sie zumindest kein Mensch war, war somit offensichtlich. Nach einem kurzen Moment schüttelte er dennoch den Kopf und wandte sich ab, um seine Sachen zusammenzuräumen, denn da die Tür nun offen und beide befreit waren, wollte er einfach nur noch mit August nach Hause.
“Ach vergiss es! Was interessiert es mich.”
Bei seinen Sachen angekommen, schaltete er das Sicherheitssystem wieder ein, sodass sich die Tür wieder verriegeln würden, sobald sie geschlossen wurde, denn er hatte auch keine Lust darauf, dass von dieser Aktion jemand etwas mitbekam, wenn er es vermeiden konnte. Anschließend stopfte er alles in seine Laptoptasche, hängte sich diese über die Schulter, sodass der Riemen quer über seinen Oberkörper verlief und trat wieder zu den beiden zurück. Gerade im richtigen Moment, als sein Freund sie noch fragte, ob sie sie vielleicht nach Hause bringen sollte. Ein leiser Seufzer entwich ihm dabei, während er den Griff um Augusts Finger, die sich zwischen seine schoben, etwas verstärkte, denn auch wenn er ihn liebte so wie er war, war diese Hilfsbereitschaft manchmal doch ein wenig zu viel für ihn - zumindest wenn es andere als ihn selbst betraf. Daher wollte er schon fragen, ob das wirklich nötig war, doch Chelsea kam ihm bereits zuvor, indem sie ihnen mitteilte, dass sie keine Begleitung brauchte.
“Super, dann können wir ja verschwinden, anstatt weiter hier herumzustehen und am Ende vielleicht doch noch erwischt zu werden. Auf ein Wettrennen mit der Polizei kann ich an diesem Abend nämlich verzichten.”
Es wäre bei weitem nicht seine erste Flucht vor den Behörden, aber er wollte es gerade dennoch nicht darauf anlegen, eine weitere zu veranstalten.
Möglicherweise brauchte es wirklich so einen Vorfall wie diesen hier - eingesperrt zu sein, ohne Aussicht auf Hilfe, damit er sich endlich für das illegale Talent seines Freundes begeistern konnte. In der Vergangenheit hatte er sich oft negativ gegenüber diesen Tätigkeiten geäußert, denn auch wenn er nicht genau verstand was vor sich ging, so waren ihm die Konsequenzen durchaus bekannt. Seinen Freund hinter Gitter zu sehen, war also nicht unbedingt ein Gedanke, mit dem er sich anfreunden wollte und wer wusste schon was da noch alles auf sie zukommen konnte. Durch dieses Hacking gingen immerhin auch Karrieren und Leben den Bach hinunter. In einem Moment besaß man alles, was das Leben einem bieten konnte, nur um es im nächsten Moment wieder zu verlieren. Auch wenn sie beide nicht unbedingt vom Geld besessen waren, konnten sie nicht abstreiten, dass sie durchaus angenehme Leben führten, in schönen Behausungen wohnten und nein, August wollte die tolle Badewanne von Cris und sein eigenes riesiges Bett nicht aufgeben.
Dennoch gab es bis jetzt keine Schwierigkeiten und das schrieb er einzig und allein dem Talent seines Freundes hinzu und auch dessen Misstrauen, was in diesem Fall sehr praktisch war. Crispin war vorsichtig und traf alle nötigen Vorbereitungen, damit nichts zurückverfolgt werden konnte - zumindest hatte er es August so erklärt und auch wenn es den Engel nicht zu hundert Prozent überzeugte, so musste er dem Jüngeren in dieser Sache einfach vertrauen, denn dieser wusste immerhin viel besser bescheid, als der altmodische Musikstudent, der schon mit dem Bedienen eines einfachen PCs sehr große Schwierigkeiten hatte. Selbst wenn es mittlerweile gut klappte und er seine Aufgaben erledigen und das Programm, welches seine Schule nutzte, problemlos verwenden konnte, waren ihm essenzielle Dinge wie das Internet komplett fremd. Von Handys wollte er gar nicht erst anfangen, auch wenn dieser Abend eindeutig bewiesen hatte, wie nützlich diese kleine Dinger sein konnten. Wäre er nämlich im Besitz eines gewesen, so wäre er jetzt wahrscheinlich schon längst Zuhause, in seinem Bett, in einem Shirt von Cris und an diesen angekuschelt.
“Ja, ja, du hast ja recht. Irgendwann sehe ich mich nach einem um…”, murmelte er und gab sich damit vorerst geschlagen. Von nun an würde er einfach besser aufpassen, damit er nicht noch einmal die Sperrstunde der Bibliothek übersah. Handys blieben ihm nämlich weiterhin etwas suspekt. Ob er sich jemals mit ihnen anfreunden konnte, stand also vorerst noch in den Sternen, wenn er es auch verlockend fände, seinen Freund jederzeit kontaktieren zu können.
Nun gab es aber wichtigere Dinge zu klären - nämlich ob sie zu dritt oder nur zu zweit nach Hause gingen. August musterte seinen Freund, der die Hexe zu erkennen schien und er setzte bereits zu einem Lächeln an, bis sein Freund etwas lauter wurde und Chelsea darauf ansprach, dass sie unvorsichtig gehandelt hatte. Er kannte den Dämon zu gut, um zu wissen, dass er es keineswegs böse meinte, sondern eben auf diese Art irgendwo auch Dank und Besorgnis aussprach, nur ob es die Hexe ebenso verstand, wagte er zu bezweifeln und weil die Arme schon den launischen Engel ertragen musste, der ihr anfangs sogar gedroht hatte, strich der Schwarzhaarige seinem Freund mit der flachen Hand über den Brustkorb und sah zu ihm hoch, sah allerdings zu der Studentin. “Was Crispin eigentlich damit sagen will ist ‘Vielen Dank für deine Hilfe. Es war zwar riskant, aber dennoch hat es uns sehr geholfen.’. Nicht wahr?”, fragte er dann wieder an seinen Freund gewandt, der es mit seinem typischen “Was interessiert es mich” kommentierte und begann seine Sachen zu verstauen. August verkniff sich sein Grinsen, denn er fand es persönlich natürlich sehr süß wie sein Freund reagierte, auch wenn die meisten es falsch interpretierten. “Sorry nochmal, er meint es wirklich nicht böse.”, flüsterte er seiner neuen Freundin hinzu, die sich in diesen wenigen Stunden sehr viel Respekt erkämpft hatte, indem sie stets freundlich und zuvorkommend geblieben war.
Cris deutlich merkbaren Seufzer wollte er schon mit einem sanften Stoß in die Rippen kommentieren, beließ es jedoch und drückte stattdessen ebenfalls ein wenig fester zu. Wir können sie nicht einfach alleine nach Hause gehen lassen! Ohne sie wäre ich heute aufgeschmissen gewesen!, dachte er sich und wünschte sich ernsthaft, dass sein Freund Gedanken lesen konnte - manchmal wäre das einfach zu praktisch.
“Gut, aber lass uns wenigstens ein Taxi rufen, damit du nicht mit dem Bus oder so fahren musst. Ich zahle das auch sehr gerne. Sieh es als Entschädigung für den heutigen Abend. Du hättest ihn ja auch wesentlich stressfreier verbringen können.”, meinte er und spazierte mit den beiden hinaus, wo sich die Türen wieder hinter ihnen verschlossen, als sei nichts geschehen. August winkte eines der typisch gelben Autos zu sich und ließ sich eine ungefähre Summe bis nach Caldwell ausrechnen, deren Betrag er mit einem Zuschuss von 50 Dollar beglich, damit sie auch wirklich nichts dazuzahlen musste, falls es mehr wurde. Der Taxifahrer bedankte sich und nun war es Zeit, dass sie getrennte Wege gingen - zumindest bis sie sich erneut über den Weg liefen. “Komm gut nach Hause, Chels. Wir sehen uns bestimmt irgendwann am Campus. Gute Nacht.”
Der Engel wartete bis das Taxi davonfuhr und winkte der Brünetten nach, bis er spürte, wie sein Freund ihn in Richtung der Bushaltestelle zog. “Wollen wir noch was am Heimweg Essen? Ich hätte Lust auf auf Pommes und da vorne gibt es eine kleine Imbissbude.” Sein Magen knurrte, hatte er doch Snickers gegessen und davor stundenlang an seiner Ausarbeitung gesessen. "Bitte, bitte..."

Und auch wenn beide eigentlich schon nach Hause wollten, liefen sie erst gute 20 Minuten später, Hand in Hand, mit einer Tüte Pommes die dunklen Straßen hinunter. August fütterte seinen Freund beim Gehen und lobte ihn lachend für sein kluges Köpfchen und ließ sich auch für seine altmodische Art als “alter Mann” bezeichnen. Bei Cris war es okay.
Cris durfte das.
Denn was wäre er, ohne den jungen Dämon an seiner Seite?
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