Wind Beyond Shadows

Normale Version: Shout, shout, let it all out
Du siehst gerade eine vereinfachte Darstellung unserer Inhalte. Normale Ansicht mit richtiger Formatierung.
Shout, shout, let it all out
These are the things I can do without
Come on, I'm talking to you, come on
Shout, shout, let it all out
These are the things I can do without
Come on, I'm talking to you, come on
In violent times
You shouldn't have to sell your soul
In black and white
They really, really ought to know
Those one track minds
They took you for a working boy
Kiss them goodbye
You shouldn't have to jump for joy
You shouldn't have to jump for joy (Shout, shout)
Let it all out
These are the things I can do without
Come on, I'm talking to you, come on
They gave you life
And in return you gave them Hell
As cold as ice
I hope we live to tell the tale
I hope we live to tell the tale (Shout, shout)
Let it all out
These are the things I can do without
Come on, I'm talking to you, come on
Shout, shout, let it all out
These are the things I can do without
Come on, I'm talking to you, come on
Shout, shout, let it all out
These are the things I can do without
Come on, I'm talking to you, come on
And when you've taken down your guard
If I could change your mind
I'd really love to break your heart
I'd really love to break your heart (Shout, shout)
Let it all out
These are the things I can do without
(Really love to break your heart) Come on, I'm talking to you, come on
Shout, shout, let it all out
These are the things I can do without
Come on, I'm talking to you, so come on

(Shout von Tears for Fears - zum anhören)


Monate waren vergangen, seitdem er endlich seinen Traum leben konnte, oder war es vielmehr die Hölle auf Erden ???
Sev konnte sich nicht wirklich entscheiden, welches von Beidem es war, auch wenn er wohl gerade zum Letzteren tendierte.
Hatte er doch schon sein Leben lang davon geträumt von seiner Musik zu leben und die Klavierstunden seiner Kindheit waren das Paradies, verglichen mit dem schäbigen Heim, in dem er hatte Leben müssen, nachdem sein Vater bei einem Brand umgekommen war. Andere Familienmitglieder hatte es nie gegeben, oder wenn, dann hatte sein Vater ihm nie davon erzählt. So war der damals 5 jährige Junge in einem der zahlreichen Heime gelandet und hatte gelernt, was die Hölle auf Erden tatsächlich bedeutete. Nicht nur, das er von den Grösseren tagein, tagaus immer wieder schikaniert wurde, nein, auch die Aufpasser fackelten nicht sehr lange und schlugen schon bei dem kleinsten Vergehen zu. Einzig und allein ein altes, vollkommen verstimmtes und verstaubtes Klavier hatte die Tränen des kleinen Jungen getrocknet. Anfangs klimperte er nur wahllos auf den Tasten herum, bis er tatsächlich begann die ein oder andere Melodie, die er hörte. Natürlich brachte ihm dies einige weitere Ohrfeigen und den Spott der anderen Kinder ein, doch das hielt den kleinen Jungen nicht davon ab sich jeden tag aufs neue in das Zimmer zu schleichen und es erneut zu versuchen. Brachte ihm der Klang des Klaviers doch einen inneren Frieden, den er sonst nirgendwo finden konnte.
So war es nicht weiter verwunderlich, das er die Besuchstage des Heimes regelrecht hasste. Hiess es doch immer wieder und wieder aufs Neue sich her zu richten und freundlich zu lächeln, während potentielle Eltern die Reihen abschritten, um sich eines der Kinder heraus zu picken. Viele Kinder freuten sich darauf, doch Sev hasste es, besonders, wenn die Wahl auf ihn traf. Hätte man doch eigentlich meinen sollen, das er sich freute, endlich aus der Hölle heraus zu kommen. Zum Teil stimmte dies auch, nur hiess es immer wieder aufs Neue Abschied von seinem geliebten Klavier zu nehmen und sich neuen Regeln zu unterwerfen. Lange dauerten die Tortouren jedoch selten. Viel zu seltsam, viel zu verschlossen war der kleine Junge, als das die "neuen" Eltern tatsächlich Freude an dem Jungen hatten. Daran, das er immer wieder im Heim landete freute sich Sev sogar regelrecht. War er dann doch endlich wieder mit seinem Klavier vereint und konnte weiter spielen.
So zogen die Jahre ins Land, immer wieder unterbrochen von nervigen Ausflügen in neue Häuser, die immer wieder im Heim endeten, da keiner ihn wollte. Erst sein Musiklehrer erkannte schliesslich die unleugbare Liebe des Jungen zur Musik und begann ihn zu fördern. Während alle anderen den letzten Glockenschlag gar nicht erwarten konnten, um endlich heim zu laufen, flitzte Sev so schnell wie er nur konnte ins Musikzimmer der Schule und wartete ungeduldig auf seinen Musiklehrer, welcher ihm alles zeigte, was er wissen musste, auch wenn er kläglich daran scheiterte dem Jungen Musiknoten näher zu bringen. Konnte er doch tatsächlich jeden einzelnen Ton der Stimmgabel auf dem Klavier spielen, scheiterte jedoch, sobald er die verschiedensten Striche und Schnörkel auf dem Papier sah. So hatte der Lehrer nach unzähligen Wochen doch endlich ein Einsehen. Erkannte er doch das grenzenlose Potential des Schülers und spielte ihm ab nun die Musikstücke vor, welche er lernen sollte. Zu seinem Erstaunen brauchte der kleine Junge die Stücke oftmals nur 1-2 mal hören, eh er sie aus dem Gedächtnis spielen konnte.
Dies waren wohl die glücklichsten Jahre seines Lebens, doch wie so oft folgte das Unglück auf dem Fusse. Kaum, das er 16 geworden war, flog er mit ein paar Scheinen aus dem Heim und wurde sich selbst überlassen. Zeit für die Schule blieb ihm nicht mehr, da er ab nun selbst zuschauen musste, wie er überlebte. All zu schlecht gelang es ihm nicht, da er doch nicht nur Klavier- sondern auch Gitarrenstunden erhalten hatte und nun von Stadt zu Stadt zog und den Leuten auf den Strassen seine Musik vorspielte. Reich wurde er dadurch freilich nicht, reichts es doch gerade so zum überleben, wenn überhaupt. Gab es nicht wenige Tage, in denen er hungernd stundenlang spielte, ohne das er überhaupt etwas Geld zusammen gekratzt bekam. So zog er von Stadt zu Stadt, bis er endlich in Phönix landete.
Unterschlupf suchend, in einer alten Fabrikanlage, baute er sich ein kleines Nest, nur um tagsüber erneut durch die Strassen zu wandern und die Leute mit seiner Musik zu unterhalten. So kam es auch, das er eines Tages vor der University of Arizona spielte und dort tatsächlich einer der hiesigen Lehrer auf ihn aufmerksam wurde.
Schicksal ? Glückliche Fügung ?
Stunde um Stunde spielte er, Tag um Tag, ohne zu bemerken, das der Lehrer jeden Tag aufs Neue kam, um ihm zu lauschen, bis er ihn schlussendlich doch ansprach und das Leben das nunmehr 26jährigen vollkommen veränderte. Bot dieser ihm doch tatsächlich ein Stipendium an !!! Ein Stipendium, in dem er nichts weiter tun musste, als seiner Leidenschaft zu frönen. Besser noch, er dürfte endlich wieder Klavier spielen.
Das Paradies auf Erden ... wäre da nicht der kleine Harken, das er dafür um die halbe Welt reisen musste. Sollte er doch tatsächlich in Japan studieren, genauer gesagt Kyoto, da die hiessigen Lehrer dort vollkommen begeistert von seinem Talent waren.
Dennoch dauerte es einige Tage, bis der junge Mann tatsächlich einwilligte. Immerhin ging es hier um ein anderes Land, andere Sitten und schlimmer noch, eine vollkommen neue Sprache, welche er lernen musste. Zudem sträubten sich ihm doch die Haare bei dem Gedanken so eng mit anderen zusammen zu wohnen, schlimmer noch, einen Mitbewohner zu bekommen, mit dem er vielleicht gar nicht klar kam, oder der genauso ein Schläger war, wie die Jungs damals im Heim. Doch auch diesmal war das Glück auf Sev`s Seite, so das er doch tatsächlich ein Zimmer für sich alleine hatte, da sein Kommilitone nicht beim Semesterstart erschien.
Eigentlich müsste man meinen, das der junge Mann überaus glücklich und zufrieden sein sollte... doch da irrte man sich gewaltig.
Musste er sich doch erneut mit all den komischen Strichen und Schnörkeln auseinander setzen, sowohl im Unterricht als auch im Sprachunterricht, die einfach keinen Sinn für ihn ergaben und sich vehement dagegen sträubten in seinen Kopf hinein zu gehen. Dennoch übte man Nachsicht mit ihm, da schnell erkannt wurde, welch aussergewöhnliches Ausnahmetalent er war, sobald er am Klavier oder der Gitarre sass. Immer wieder hörte er das Getuschel seiner Kommilitonen, die neidisch über das "neue Wunderkind aus der Gosse" redeten in dem Wissen, das er nicht wirklich viel von ihrer Unterhaltung verstand, doch damit hielt er sich nicht auf. Zog er sich doch so weit wie möglich von allem und jedem fort und wollte keinen Kontakt zu den anderen. War er doch nicht hier, um Freunde zu finden, einzig und allein Musik beherrschte sein Leben und davon brachte ihn nichts ab, nicht einmal das Getuschel.
Ein Getuschel, welches immer mehr und mehr zu nahm, als er doch tatsächlich zu der ein oder anderen Privatveranstaltung eingeladen wurde, um dort vor den Gönnern und Investoren der Uni zu spielen. Natürlich wusste er, das die Uni ihn als Aushängeschild, ja gar wie ein Zirkusaffe präsentiert wurde, da jedem ausgiebig erzählt wurde, woher er kam und welch ein Glück er doch hatte, das die Uni ihn angenommen hatte. Sev hasste solche Veranstaltungen. Hasste er es doch der Mittelpunkt einer Menschenmenge zu sein und wollte einzig und allein durch sein Können, durch seine Musik glänzen, nicht jedoch durch seine Herkunft. Dennoch musste er immer wieder die Zähne aufeinander beissen und brav erscheinen, denn auch wenn es nicht gesagt wurde, so wusste er doch, das er jederzeit wieder von der Uni fliegen konnte und dann erneut ohne etwas da stand und von Neuem beginnen musste und das in einem Land, das ihm noch immer vollkommen fremd war.
Wer wusste schon, ob das Glück ihm jemals wieder hold sein würde ?!
Diesmal dauerte es tatsächlich einige Monate und nach und nach gewöhnte sich Sev nicht nur an das Land und seine Bräuche, sondern lernte es tatsächlich zu lieben. Selbst den einstmals verhassten Sprachunterricht besuchte er mittlerweile begeistert und machte rege Fortschritte, so das er dem grössten Teil des Unterrichts und dem Klatsch gut folgen konnte, auch wenn er sich an Letzterem nie wirklich beteiligte. War die Musik doch noch immer seine Leidenschaft und der Sinn seines Lebens, alles andere war nebensächlich.
Nur am Wochenende verliess er das Gelände, um sich in einer Kneipe ein wenig Geld dazu zu verdienen, immer darum bangend, das niemand aus der Uni entdeckte, da er tatsächlich in einem Club für Schwule arbeitete. Ihn selbst störte dies rein gar nicht, ganz im Gegenteil, ergab sich so doch die ein oder andere passende Gelegenheit, da er als Exot angesehen wurde. Gleichzeitig jedoch wusste er, das derlei in Japan alles andere als gern gesehen wurde und üble Folgen nach sich ziehen konnte, sobald es bekannt wurde. Trotzdem brauchte der Student das Geld und igelte sich noch mehr ein, um jede Möglichkeit der Ausdeckung zu unterbinden.
Umso genervter war er, als ihm heute morgen mitgeteilt wurde, das er doch tatsächlich einen Zimmergenossen bekam.
Mitten im Semester!!!
In den Gängen wurde getuschelt, das er ein verwöhnter Kerl war, dessen Eltern ihn einfach eingekauft hatten und auch wenn er sonst nicht viel auf das Getuschel achtete, so schwahnte ihm doch übles.
Wie nur sollte er dem Kerl klar machen, das er ihm aus dem Weg gehen und nicht hinterher schnüffeln sollte. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn der Kerl von seinem zweiten Leben Wind bekam und dies dann brühwarm dem Direktor erzählte.
So war Sev schon den ganzen Tag über brummig und liess sich mit Absicht viel Zeit bei der Rückkehr auf sein Zimmer, darauf hoffend, das der Kerl vielleicht doch nicht erschien und er sich umsonst Sorgen gemacht hatte.
Dummerweise liess die unverschlossene Tür jedoch seine Angst weiter steigen.
Kurz durchschnaufend und die Schulter straffend liess er dann aber doch dem Schicksal seinen Lauf und musterte den Neuen eingehend, der auf dem leeren Bett gegenüber der Tür sass.
"Du bist dann wohl der Neue" stellte er ohne Umschweife mit doch recht akzentlastigen japanisch fest. "Ich bin Severino Williams und solange du deine Nase nicht in meine Angelegenheiten steckst sollten wir wohl halbwegs klar kommen. Mach einfach dein Ding, ohne mir im Weg zu stehen und dann komme ich dir auch nicht in die Quere" setzte er noch hinterher, um die Fronten gleich von Anfang an klar zu stellen. Schliesslich war der der Neuling und musste sich in das bestehende System einfügen, je eher er die Regeln kannte, umso besser.
Cyr konnte es immer noch nicht glauben, was nun alles auf ihn zu kommen würde. Nicht nur neue Menschen, sondern auch eine neue Arbeit, ein Wohnheim und zu allem Übel auch noch eine Universität! Allein der Gedanke an all das, reichte aus, um ihn flüchten zu lassen, doch setzte er sich mit dem einen nicht auseinander, konnte er all das andere ebenso vergessen.
Ihm wurde die Brust eng. Wie lang er nun schon vor dem Universitätsgebäude stand, es anstarrte, wusste er nicht. Vollkommen unfähig, sich zu bewegen, stand er hier und starrte es an. Szenerie um Szenerie spielte sich in seinem Kopf ab. Eine schlimmer, als die andere. Von starrenden Blicken, über getuschelte Worte die er nicht verstand, zeigenden Fingern, lachenden Menschen, die sich über ihn amüsierten, da sie irgendwelchen Gerüchten glaubten... Ihm war so schlecht.
Wie angenehm es doch wäre, all dem zu entgehen, doch sein neuer Job machte es zur Bedingung, das er die Uni besuchte. Die Bedingung, seiner Eltern, das sie ihn gehen ließen. Das Ansehen der Familie war doch das Wichtigste und musste gemehrt werden, bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Das er schon einige erfolgreiche Alben auf den Markt gebracht und und unzählige Konzerte gegeben hatte, spielte dabei keine Rolle. Mehr Erfolg, mehr Geld, mehr Ansehen. Und das seit Kindesbeinen an. Seit er das erste mal ein klein wenig Talent für die Musik gezeigt hatte, wurde er gefördert und noch mehr gefordert. Das er seit dem dreizehnten Lebensjahr kaum noch Spaß an der Musik hatte, wusste niemand, denn der Erfolgsdruck war unermesslich.
Entweder er spielte und bekam minimale Anerkennung seiner Eltern oder er wurde rigoros ignoriert. Selbst sein erster Selbstmordversuch hatte daran nichts geändert. Alles wurde vertuscht, schön geredet, als Phase abgetan. Es gab ein paar Tabletten, einige Zeit Bettruhe und dann war die Sache schon wieder abgehakt. Gehorsam, dann bekam er vielleicht mal ein Lächeln und wurde zur Kenntnis genommen. Das er sich inzwischen einfach nur leer fühlte, sich mehr wie eine Puppe vorkam, an deren Fäden man bei bedarf zog, war nicht wichtig. Im Gegenteil. So machte er, was gefordert wurde, scherte nicht aus und lebte in den vorgegebenen Bahnen, wie es verlangt wurde.
Das Angebot, das er die Filmmusik zu einer mehrteiligen Filmserie schreiben sollte, bot einen Ausweg aus seinem Gefängnis. Ein Weg, der ihn dermaßen erschreckte und mit Angst erfüllte, das er es erst hatte ablehnen wollen, doch kaum das seine Eltern Wind davon bekamen, wurde alles Dingfest gemacht. Ein weiteres mal wurde über seinen Kopf hinweg entschieden, was er tun sollte.
Cyr, der die Gelegenheit anfangs zum Ausbruch aus seinem Psychischen Gefängnis hatte nutzen wollen, stimmte zu, am anderen Ende der Welt den Job anzunehmen. Zwiegespalten malte er sich aus, was passieren könnte, was er tun könnte, gleichzeitig ahnend, das er es wohl nie umsetzen würde, erfüllte ihn das Wissen um die eventuelle Freiheit doch einen dermaßen großen Schrecken ein, das es ihn lähmte. Süße Freiheit, zu greifen nah... Dann kam die Auflage, das er studieren sollte. Trotz der Aussicht das Ansehen zu mehren, weigerten sie sich, ihm eine Wohnung zu finanzieren, würde er sich ihnen doch so entziehen und den Job gefährden können. Lang musste nicht gerätselt werden, wie sie ihn trotz der Distanz unter Kontrolle behalten konnten. Er solle in ein Studentenwohnheim ziehen, so stellten sie Sicher, das er unter Aufsicht war und es nicht zu bunt trieb.
Ein Gedanke, der ihn hätte lachen lassen, wenn er es nach all den Jahrzehnten nicht verlernt hätte. Kannten sie ihren Sohn eigentlich? Wussten sie, wie er wirklich war? Wohl kaum. Andernfalls wüssten sie, das er die Menschen mied, wo es nur ging und am liebsten nur im Bett liegen und schlafen würde, abgeschottet von allem, was ihn beeinflussen könnte.
Geld machte alles möglich, so auch, das er mitten im Semester einsteigen konnte. Eine großzügige Spende an die Universität, verstand sich. Vollkommen frei von jeglichen Hintergedanken... Natürlich.
Regen setzte ein, wohl der Startschuss dafür, das er sich in Bewegung setzen musste, um nicht vollends zu durchweichen. Sommerregen. Dicke, schwere Tropfen, die nicht daran dachten, in absehbarer zeit zu versiegen, weswegen er sich tatsächlich in Bewegung setzte.
Schon gestern, hatte er alle Dokumente durchgesehen, auswendig gelernt, um den weg ins Zimmer problemlos zu finden. Er trat durch das Eingangsportal und bemerkte genau das, was er vermutet hatte. Blicke die ihn mit Furcht erfüllte und die Brust eng werden ließen. Cyr zwang sich regelrecht einen gleichmäßigen gang beizubehalten, um nicht dein Eindruck zu erwecken, er wäre auf der Flucht, kein leichtes Unterfangen.
Getuschelte Worte drangen ihm ans Ohr. Ob es nun vom erkennen herrührte oder einer Entrüstung entsprang, der er mitten im Semester hier auftauchte, konnte er nicht sagen, denn all zu lang wollte er sich in den Gängen nicht aufhalten, weshalb er zusah, schnell zum Zimmer zu kommen.
Fast schon, als wäre er auf der Flucht, trat er ins Zimmer und drückte sich von innen gegen die Tür. Ihm raste das Herz. Er hatte Angst, kam sich verfolgt vor, ohne genau sagen zu können, wo das gefühl seinen Ursprung fand. Minuten verstrichen. Lange Minuten, ehe er es endlich schaffte, sich abzustoßen und das Zimmer in Augenschein zu nehmen.
Das Bett an der Tür war belegt, was ihn ein Gefühl von Übelkeit bescherte, die nur daher abgeschwächt wurde, das er am Fenster schlafen konnte. Ein Lichtblick und doch hätte er an Ort und Stelle in Tränen ausbrechen können. Nun war der Moment gekommen, an dem ihm bewusst wurde, worauf er sich eingelassen hatte. Hier nutzte weder Geld, noch Luxus. Er musste mit einem Fremden das Zimmer teilen. Auf engstem Raum!
Er war einem Nervenzusammenbruch nahe.
Langsam schritt er in den hinteren Teil des Zimmers, stellte seine Sachen ab und setzte sich auf das Bett. Würde er hier liegen, konnte er den Regen sehen. Der Gedanke ließ ihn minimal lächeln, doch sobald er den Blick vom Fenster abwandte, erstarb es ihm auf den Lippen.
Langsam ließ er sich auf das Bett fallen, wollte sich sortieren. Nur das Abstreifen der leichten Jacke war es, was er schaffte, als auch schon die Tür aufging und der Fremde eintrat, den er erst später hatte sehen wollen. Nicht einmal ein paar Minuten waren ihm vergönnt gewesen, um sich zu finden. Ihm schnürte sich der Hals zu.
Den Blick des Fremden ausweichend, starrte er auf den Boden. Nasse Schuhabdrücke waren dort zu erkennen, zweifelsohne seine eigenen. Der Ton, welchen der andere Anschlug, ließ ihn innerlich zusammen zucken. Irgendwas eisiges bildete sich in seinen Magen, ließ ihn sich zusammen krampfen, ehe er leicht nickte.
„Cyrian Cipriano.“, meinte er schlicht, da er dem Gesagten nichts mehr hinzufügen konnte. Zudem hatte er zu viel Angst, als das er passende Worte finden könnte. Hektisch suchte er, da er glaubte, etwas sagen zu müssen, was zeigte, das er verstanden hatte. Ihm wurde der Mund so trocken. „In Ordnung.“, schob er dann noch hinter her, nicht in der Lage, den Blick zu heben und ihn wenigstens ein bisschen zu mustern. Ihm schwante nichts gutes. Zu forsch war er, zu abweisend, was vielleicht auch ganz gut so war. Geklärte Fronten war wohl das Beste, was er erwarten konnte. Leicht presste er die Lippen aufeinander, als ihm der Gedanke an seinen Bruder kam. Cris hätte dem Kerl hier sicher die Meinung gegeigt. Cyr schloss die Augen und atmete leicht durch.
Langsam hob er den Blick, nachdem er eine gehörige Portion Mut gefasste hatte. Was Cris konnte, war doch sicher nicht so schwer? Doch war es. Cyr wusste es und doch heftete sich sein Blick auf Sev, betrachtete dessen Beine, wanderte weiter über seinen Oberkörper und blieb an dessen Hals hängen. Mehr traute er sich nicht. Wann er sich das letzte mal mit einem Fremden auseinander gesetzt hatte, konnte er nicht mal mehr sagen. Mehr als neben seinen Eltern zu stehen, während die das Gespräch führten, tat er nicht. Das Wasser, das der andere ihn nicht fressen würde, half dabei nicht.
Ob er mir den Hals durchschneiden und mich beklauen würde? Sicherlich ein sehr absurder Gedanke und wenn er auch sehr unwahrscheinlich war, lag er im Bereich des Möglichen. Hier gab es genug Menschen, um die Angst real werden zu lassen.
Um den fremden nicht weiter anzustarren, ja um irgendwas zu tun, stand er auf, zog die Jacke aus und hängte sie an die Rückenlehne des Stuhls, einige Wassertropfen fielen dabei zu Boden. Da sei Tun nicht all zu viel zeit in Anspruch genommen hatte, setzte er sich wieder und zog die Längliche Tasche zu sich, hob sie auf die Knie und packte sein elektrisches Piano aus, welches er dann auf den Tisch stellte.
„Morgen kommen noch ein paar Sachen...“, meinte er sehr ruhig, teilnahmslos, jedoch auf keine distanzierte Weise. Es lang einfach keine Emotion in den Worten. „Es ist aber nicht viel...“ Sein Blick streifte durchs Zimmer. Irgendwie würde er schon alles unter bekommen, ohne Sev zu bedrängen.
Was er von dem neuen Mitbewohner halten sollte wusste er nicht, hatte er doch verschiedenste Szenarien gedanklich durchgespielt gehabt und doch hatte keine von Ihnen auf die Realität vorbereitet gehabt. Hatte er doch mal mit einem Wasserfall gerechnet, mal mit einem Partygänger, mal mit einem Streber, doch nie hatte er an ein Häufchen Elend gedacht, so wie es nun vor ihm hockte.
Fast war er versucht laut "Buh" zu rufen, doch dann würde der kleine Kerl wahrscheinlich einen Herzinfarkt bekommen, oder gar schreiend wie ein Mädchen aus dem Zimmer flüchten, nur um sich dann in die nächstbeste dunkle Ecke zu verkriechen. In den wenigen Monaten die er hier war, hatte er schon so einiges erlebt und sich auch an die, für ihn, teils komischen Bewohner gewöhnt, doch der hier war echt noch einmal ein ganz anderes Kaliber, von dem er absolut keine Ahnung hatte, wie er damit umgehen sollte. Schliesslich würden sie sich das Zimmer teilen müssen und somit waren Begegnungen nicht vollkommen zu vermeiden. Nur wie sollte man sich hier entspannen, wenn man angeglotzt wurde, als wäre man Freddie Krüger und der kannibale von Rothenburg persönlich ???
Nun gut, vielleicht hätte er seine Worte vielleicht etwas weniger aggressiv formulieren können, doch klare Fronten waren ihm wichtig und im Gegensatz zu Japanern sah er es gar nicht ein alles runter zu schlucken und gute Miene zum bösen Spiel zu machen, wenn ihm was nicht passte. Ein Charakterzug der hier nicht selten damit endete, das er mal wieder zum Rektor zitiert wurde und sich mal wieder eine seiner stinklangweiligen Moralpredigten über Zurückhaltung anhören musste. Gebracht haben sie bisher nie was, denn auch wenn er sich zurück hielt, so würde er sich keinesfalls zu einer dieser kleinen, braven Marionetten umerziehen lassen, welche hier wie Mäuschen durch die Gänge irrten. So war er nicht und so würde er auch nie werden...niemals.
Vorerst entschied er sich jedoch dafür sich keinen Millimeter zu bewegen. Am Ende sprang der Kerl tatsächlich noch wie ein Irrer schreiend aus dem Fenster und auf die Standpredigt, die dann folgen würde, hatte er absolut keine Lust. Am Ende würden sie ihm noch die Schuld in die Schuhe schieben und so einfach würde er es denen nicht machen.
Genervt rollte er mit den Augen, als er auch noch wie ein Ausstellungsstück gemustert und inspiziert wurde. Kurz überlegte er tatsächlich, ob er sich nicht ein wenig hin und her drehen sollte, damit er auch hübsch weiter gaffen konnte, entschied sich jedoch schon im gleichen Augenblick dagegen. Er war keine Laborratte, auch wenn er sich gerade wie eine fühlte.
Erst als das zittrige Mäuschen sich bewegte, entspannte auch er sich ein klein wenig. Zu mindestens flüchtete Es nicht, also musste er auch nicht länger wie ein nutzloser Betonklotz herum stehen. Fast schon erstaunt hob sich seine Augenbraue, als Es kurz darauf doch tatsächlich etwas von sich gab, auch wenn man schon sehr genau zuhören musste, weil er mehr flüsterte, als tatsächlich sprach. "Hmpf" brummte er leise, um wenigstens zu zeigen, das er ihn gehört hatte. Eine überaus komische Art, die er hier bei den Japanern kennen gelernt und recht schnell übernommen hatte. Konnte dieses Wort doch irgendwie alles und nichts bedeuten und somit passte es gerade perfekt. "Schau einfach zu, das immer alles ordentlich ist" erinnerte er ihn, diesmal in einem versucht ruhigen Ton, damit er nicht doch noch Fensterglas splittern hörte. "Die wöchentlichen Inspektionen werden nicht angekündigt und ich habe keine Lust ne Strafarbeit zu schreiben, nur weil du einen Saustall hinterlässt" Vollkommen idiotisch, da sie in einem Wohnheim lebten und doch musste immer alles penibel und ordentlich sein. Fluchen, diskutieren oder die Vollidioten nieder starren helfen leider nicht, hatte er schon versucht, bis er sich widerstrebend doch der Regel beugte. Konnte er die Zeit doch besser nutzen, als über irgendwelche doofen Aufsätze zu hocken, in denen er ausführlich seine Reue beteuern und versprechen musste, das er sich von nun an den Hausregeln gemäß benahm. "Hast du schon deinen Stundenplan und alles andere abgeholt ?" setzte er hinterher, während sein Blick kurz zu ihm herüber kuschte. Das Piano registrierte er, doch sah er nirgendwo diesen verdammten Ordner mit zig Regeln, dem Campusplan, den Stundenplänen und all dem anderen Kram, den sie ihm damals einfach so in die Hände gedrückt hatten. So ganz nach dem Motto: Friss oder stirb. "Den ganzen Mist brauchst du, wenn du nicht eine Strafarbeit nach der anderen schreiben willst" klärte er ihn auf und linste auf seine Armbanduhr. "Das Sekretariat schließt in 30 Minuten und wenn du dich nicht x Mal verläufst brauchst du quer über den Campus schon 15min" schob er noch hinterher und seufzte auf. Ob frustriert oder genervt...vielleicht eine Mischung aus Beidem. "Komm schon, sonst krieg ich am Ende noch einen auf den Deckel, nur weil du dich nicht um deinen Kram gekümmert hast" brummte er, schnappte sich seinen Rucksack und hielt ihm demonstrativ die Tür auf, eh er die Chance hatte zu protestieren.
Wenn er darum gewusst hätte, das man ihn so leicht durchschaute, wäre er wohl davon gelaufen und hätte all das Vorhaben, welches eh schon auf wackligen beinen stand, über den Haufen geworfen. So aber war er zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als das er auf seine Mauern achten konnte. Die inneren standen, diese standen immer, aber es waren eben nicht die einzigen. Was sonst so selbstverständlich war, geriet unter all den neuen Eindrücken ins Bröckeln, zumindest diese, die nicht all zu wichtig waren. Der andere ahnte sicher nicht mal, das er mehr zu sehen bekam, als seine Familie in all den letzten Jahren zusammen. Unsicherheit war an sich ein ständiger Begleiter, doch hier schien es, als würde es ganz neue Dimensionen erreichen. Ihm flatterte das Herz, der Magen, einfach alles.
Und doch konnte er es nicht lassen, in die Richtung des anderen zu blicken. Ob ihn nun die Neugierde oder der Selbstschutz antrieb, konnte er nicht sagen, was er aber wusste war, das es unhöflich war. Cyr schluckte und bemerkte, wie trocken der Hals war. Wie hatte er sich nur darauf festnageln lassen können hier zu leben! Weder für ihn noch für den anderen war es angenehm. Nicht mal explizit wegen dem ansehen, viel mehr, weil wohl keiner wusste, wie er mit dem anderen umgehen sollte. Wobei, nach dem äußeren zu schließen, war der Fremde sicher nicht auf den Mund gefallen, wohingegen Cyr eher folgte und Konfrontationen mied.
„Um die Ordnung musst du dir keine Sorgen machen.“, antwortete er ruhig, nun nicht mehr ganz so leise. Auch wenn es schwer war sich selbst davon zu überzeugen, sagte er sich immer wieder, das der Fremde ihn weder anspringen noch foltern und schon gar nicht umbringen würde. Wie unsinnig die Gedanken waren, wusste er selbst und doch waren das Gefühl und die Gedanken vollkommen gegensätzlich, passen nicht zueinander. Es war so eine Überwindung zu sprechen, daher wiederholte er das Marta, das ihm nichts passieren würde, immer wieder, während er sich keine Reaktion entgehen ließ, um entsprechend zu reagieren.
„Ich bin es nur nicht mehr gewohnt, das Zimmer zu teilen.“, gab er das offensichtliche zu. Sein verhalten sprach für sich, eine Feststellung, für die er sich selbst schämte und doch konnte er nichts daran ändern. „Es gibt Kontrollen?“, stellte er dann aber doch verwundert eine Frage, schneller, als er es hätte verhindert werden können. Sicher, ob wir keine Tiere halten oder andere Dinge anstellten… aber so wie es klingt, als wären wir im Knast… Fast hätte er den Kopf darüber geschüttelt, hielt die Bewegung aber kurz vorher noch auf. Besser, er dachte nicht daran, wie viel Geld das Institut bekam, um dann die Bewohner zu kontrollieren.
„Wie sehen die aus?“, wagte er zu fragen, um sich passend darauf einstellen zu können. Gegen Instrumente, die hier standen, können sie doch kaum was sagen, im Gegensatz zu Essensresten oder Haustieren. Zwar hatte er die Hausordnung und regeln gelesen, doch wirklich explizit waren diese nicht. Allgemeine Richtlinien vielleicht, nicht mehr.
„Nein, die habe ich tatsächlich noch nicht!“, stellte er erschrocken fest, wobei er spürte, wie alles in ihm zu Eis gefror, ehe sich das Gefühl verfestigen konnte, sprang Sev jedoch schon auf und wollte sich auf den weg machen. Cyr, der vollkommen überrumpelt war von dem Angebot, reagierte, stand auf und nahm seine Tasche, obwohl er das wichtigste bei sich hatte. Wohl der Herdentrieb, weil Sev selbst seine Tasche genommen hatte. Er schloss erst zögerlich zu ihm auf, trat dann jedoch durch die Tür und sah sich noch mal im gang um. Ein paar waren verschwunden, ein paar andere neu aufgetaucht… sein Blick wanderte weiter zu Sev, der plötzlich so nah bei ihm stand. Fast war er versucht einen schritt zurück zu machen, wäre dann aber nur gegen den Türrahmen gedonnert.
„Danke für diene Mühen.“ Er machte nun doch einen schritt und ging in die Richtung, in der er das Sekretariat vermutete.