Wind Beyond Shadows

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Alicia Yasutake

Heute war der Tag, der Tag der ihr Leben für immer ändern würde. Dies dachte Alicia jedenfalls als sie über der Kloschüssel hing und ihr morgendliches Müsli in die Schüssel beförderte. Sie wusste nur allzu genau, was die Übelkeit auslöste. Das war keine Reisekrankheit oder die Angst vor der neuen Heimat, die seit einigen Tagen wie eine zweite Haut an ihr klebte. Nein. Sie war schwanger und das irritierte sie immer noch. Denn wie hatte der Kerl, den sie nun Ehemann nennen musste, auch, wenn sie für ihn keine Liebe sondern eher Verachtung empfand, weil er sich die Witwe eines Geschäftspartners als Frau schnappte, es geschafft sie beim einmaligen Geschlechtsverkehr zu schwängern? Dies war ihr immer noch ein Rätsel, während sie nun schon seit einigen Tagen allmorgendlich im Bad hing und sich die Seele aus dem Leib reierte. Sie konnte aber auch wirklich gar nichts bei sich behalten und selbst der Duft von frischgebrühtem Kaffee aus Mrs. Clancys Wohnung eine Etage tiefer, ließ sie den Weg ins Bad suchen. Wie sie es dennoch geschafft hatte, schon 2 Kilo zuzunehmen, obwohl sie kaum etwas aß und gerade mal eine Flasche Wasser am Tag leerte, konnte wohl nur ein Arzt erklären, den sie bisher schon 3-mal in dieser Woche kontaktiert hatte. Sie sorgte sich. War soviel Kotzerei überhaupt noch normal? Würde sie das Baby verlieren, wie sie die anderen verloren hatte? Was konnte sie tun, um dem Baby bei seinem Start im Leben zu helfen?
Ab und zu hatte Allie doch mal das Gefühl gehabt, sie würde dem Typen auf die Nerven gehen aber er konnte ja nicht wissen, wie es war, neues Leben im Bauch zu tragen und die Hoffnung, die damit verbunden war, zu spüren, vor allem wenn sie sich dann doch verflüchtigte, weil das Baby verstorben war.
Ermattet ließ Allie sich auf die Fliesen sinken, nachdem sie die Klospülung betätigt hatte und lehnte den Rücken gegen die Wand hinter sich. Ein Blick auf die Uhr über dem Waschbecken verriet ihr, dass er gleich kommen würde. Ihr Ehemann, die neue Liebe ihres Lebens oder wie auch immer man den Kerl nennen sollte, der sie kurz nach Matts Tod geehelicht hatte und sie nun in ein fernes Land entführen würde.
Seufzend blies Allie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und wischte sich mit der Hand über den trockenen Mund. Der schale säuerliche Geschmack der Magensäue in ihrem Mund wollte sich einfach nicht verflüchtigen und so erhob sie sich mit zittrigen Knien, um in der Küche nach einer Flasche Wasser zu suchen.
Die meisten Gebrauchsgegenstände und Wertsachen waren schon in Kisten verstaut und so sah es in ihrer nun mehr alten Wohnung eher wie in einem billigen Ein-Dollar-Laden aus als nach einer Bleibe, wo man sich wohlfühlen konnte.
Mit einer Hand strich sich Alicia eine lose Haarsträhne, die sich aus ihrem dunklen Zopf gelöst hatte hinters Ohr als es an der Haustür klingelte.
Wie erstarrt war sie im Flur stehen geblieben und starrte die Haustür an als würde dort gleich ein Ungeheuer auftauchen, welches sie verschlang. Du hast einen Schlüssel, du Idiot, dachte sie und machte keine Anstalten, ihm auch noch die Tür zu öffnen. Was glaubte er, wer sie war? Sein Dienstmädchen? Mit verschränkten Armen blieb sie im Flur stehen und wartete. Sollte er sich selbst helfen, dachte sie und versuchte erneut die Übelkeit zu unterdrücken, während sie sich den Bauch rieb. Das lange Shirt, welches einst Matt gehört hatte, konnte so einiges verstecken, auch wenn ihr Bauch noch weit davon entfernt war, eine richtige Babykugel zu sein - immerhin war sie gerade mal im vierten Monat. Es wölbte sich dennoch, was Alicia erst gestern wieder mit staunenden Augen hatte beobachten dürfen. Sie liebte diesen Bauch und dessen Inhalt jetzt schon und betete dafür, dass das Baby eines Tages das Licht der Welt erblicken durfte.
„Kommst du jetzt rein oder willst du noch fünfmal klingeln?“, fragte sie recht angriffslustig gegen die geschlossene Haustür als es erneut klingelte. Sie hatte die Stimme extra etwas erhoben, damit er sie durch das dicke Eichenholz auch gut hören konnte. „Ich habe keinen Portier“, murmelte sie zu sich selbst und schüttelte ungläubig den Kopf
Männer….
Sie konnte diesen Daniel, auch wenn er bisher recht nett und freundlich erschien, einfach nicht einschätzen und das bereitete ihr Sorgen anderer Art, war sie doch jetzt eine werdende Mutter, die auf ihr ungeborenes Baby aufpassen musste.
Irgendwie war es mehr als surreal wieder hier zu sein und doch hatte eine Laune des Schicksals ihn wieder nach Phönix getrieben. Monate später, nach denen er alle Zelte abgebrochen hatte, flog er tatsächlich mal wieder in seine einstige Heimat. Nicht zum Besuch, sondern um seine Frau heim zu holen. Eine Tatsache die ihn vielleicht zum Schmunzeln gebracht hätte, sofern er sich dieses in der Öffentlichkeit gestatten würde und wenn man die Hintergründe vergas. Immerhin hatte er die Frau seiner einstigen rechten Hand geheiratet, die Frau des Mannes, der ihn verraten hatte und der durch seine Hand den Tod gefunden hatte.
Ein winziges Details, welches er der neuen Mrs. Yasutake verschwiegen hatte und eines von zahlreichen Geheimnissen, welche er mit sich herum trug und die niemals ans Licht kommen würden. Immerhin war er ein absoluter Profi, welcher nicht so dumm war Spuren zu hinterlassen, welche auf ihn zurückführen könnten. Dennoch verstärkte diese Tatsache die Surrealität nur noch mehr. Wer heiratete schon freiwillig den Mörder des Mannes, den man geliebt hatte ? Nun gut, ganz so freiwillig war es nicht von Statten gegangen, hatte er sie doch tatsächlich Tagelang von der Vernünftigkeit seines Vorhabens überzeugen müssen, eh sie sich endlich hatte breitschlagen lassen und dennoch, sie hatte eingewilligt.
Nun gut, beschweren würde er sich nicht, denn auch wenn sie eine kleine Kratzbürste zu sein schien, so konnte man sich doch durchaus mit ihr in der Öffentlichkeit blicken lassen. Die Regeln und Verhaltensweisen würde er ihr schon beibringen, so dass sie ihn nicht versehentlich blamierte. Gleichzeitig hatte so Arimasa keinen Grund mehr seine Kinder zurück zu halten, auch wenn er mehr als nur ungehalten über seine spontane Entscheidung gewesen war. Hatte dieser doch tatsächlich gehofft ihm einen weiteren Spion ins Hause schicken zu können und war dementsprechend nicht gerade begeistert, dass er sein Schicksal selbst in die Hand genommen hatte. Doch selbst er konnte nichts gegen eine beurkundete Ehe unternehmen, welche natürlich auch sofort vollzogen worden war, um sie unantastbar zu machen. Doch all dies interessierte ihn nicht gross. Schliesslich war die Hochzeit nur ein Mittel zum Zweck und nicht viel mehr. Nun gut, ein hübsches Mittel zum Zweck, aber das war irrelevant.
Vielmehr bescherte ihm Harus Verhalten einige Sorgen. Natürlich war die baldige Neuvermählung auch zwischen ihnen immer wieder ein Thema gewesen. Wussten sie doch nur allzu gut, das sie sich trotz ihrer Gefühle füreinander, nicht frei entscheiden, oder gar über ihre Zukunft bestimmen konnten. Dennoch hasste er es, wenn Haru mal wieder anfing sich einzuigeln und ihn ausschloss. Nicht bewusst, nicht einmal mit böswilliger Absicht. War es doch einfach nur eine seiner zahlreichen Eigenarten und doch hasste Daniel es. Hatte es Wochen, gar Monate gebraucht um ihn endlich aus seinem Schneckenhaus heraus zu holen, so dass er sich wenigstens ein klein wenig öffnete, nur um nun wieder von vorne zu beginnen. Abschrecken liess er sich davon jedoch nicht. Hatte er es doch schon einmal geschafft hinter die dicken Mauern zu dringen und sah nicht ein, warum dies nicht erneut wieder gelingen sollte. Würde es wie beim letzten Mal nur wieder eine Frage der Zeit sein, welche er geduldig abwarten musste. Zeit in der er ihn immer wieder in die Ecke drängen musste, bis er schliesslich doch wieder nachgab.
Doch um all dies konnte er sich erst in einigen Wochen kümmern. Musste er nach der Hochzeit doch recht schnell wieder zurückkehren, um alle Papiere in Ordnung zu bringen, so dass er die neue Frau mit zu sich holen konnte. Wochen in denen er ständig hin und her fliegen musste, bis nun endlich alles beisammen war und das Theater sein Ende fand. Um ihr die Eingewöhnung und vor allem die Gewöhnung an sich selbst etwas zu erleichtern, hatte er ihr Flitterwochen vorgeschlagen gehabt. Ein Einfall, der nicht gerade auf Gegenliebe gestossen war, bis er einwilligte, das sie die freie Wahl beim Ort hatte. " Wochen Neuseeland standen ihm nun also bevor. Nicht gerade ein Land welches er persönlich ausgesucht hätte, doch dies war vollkommen nebensächlich. Wollte er die Zeit doch vielmehr dafür nutzen, um die Frau kennen zu lernen, die er bisher nur 2-3 Mal gesehen hatte und welche von nun an den Rest ihres Lebens an seiner Seite verbringen würde. Gleichsam musste er sie in die richtigen Bahnen lenken, damit sie sich nicht nur in ihrer neuen Heimat, sondern auch in der neuen Rolle als Ehefrau des Dragon und Mutter seiner Kinder, zurecht fand. Kein leichtes Unterfanden, doch aufgeben, oder gar Versagen kam für Dani nicht in Frage. Niemals, weder bei sich selbst, noch bei anderen, welche sein Leben mit ihm teilten. Versagen war eine Schwäche und Schwäche konnte er sich nicht leisten, wenn er und seine Familie überleben wollten.

So hielt er sich auch nicht lange am Flughafen auf, nachdem er dem Piloten angewiesen hatte, in welchem Hangar dieser auf ihn Warten sollte, sondern bestieg den gemieteten Van....... ja ein kackverdammter Van... um sich auf den Weg zu ihr zu machen. Normalerweise kein Gefährt, welches er freiwillig besteigen, geschweige denn fahren würde und doch hatte er sich zu einem Kompromiss breit schlagen lassen. Konnte er doch kaum auf ein Entgegenkommen von ihr hoffen, wenn er nicht selbst den Anschein eines Entgegenkommens bot. Zudem hatte er ihre Wohnung gesehen und konnte sich ohne gross nachzudenken schon ausrechnen, das natürlich alles notwendig war und mit in die neue Heimat musste. Ein absolutes Unding in seinen Augen, da er nie den Sinn in Dekorationen und anderen nutzlosen Kram entdecken konnte und doch, für Frauen hing scheinbar das Leben an diesem nutzlosen Krempel, der bald wohl im ganzen Haus verstreut nutzlos herumstehen würde. Er ging sogar so weit tatsächlich noch einen Zwischenstopp an einem Blumenladen einzulegen und einen riesigen Strauss voller Narzissen für sie zu holen, um einen guten Eindruck zu machen. Selbst konnte er diesem nutzlosem Unkraut nichts abgewinnen und doch, selbst er wusste, dass Frauen, warum auch immer, derlei Gesten durchaus zu schätzen wussten. Vielleicht brachte ihm dieses unsinnige Gestrüpp ein paar Pluspunkte ein und sorgte dafür, dass sie ihm bereitwilliger entgegen kam. Immerhin hatte sie nicht Irgendwen geheiratet und gemäß ihrem Rang wurden tadellose Manieren von ihr erwartet. Nicht gerade einfach, wenn man sich zwischen Giftnattern bewegte, welche nur auf das geringste Anzeichen von Schwäche lauerten, um den tödlichen Biss zu platzieren.
So kam es auch, dass er tatsächlich klingelte, statt nach dem Gott verdammten Schlüssel zu kramen, nur um erneut eine Dosis ihrer Kratzbürstigkeit zu hören zu bekommen. Leicht verdrehte er die Augen, während er das Unkraut verlagerte und nach dem dämlichen Schlüssel suchte. "Ein überaus charmanter Empfang vom liebevollen Eheweib"
konnte er sich dennoch nicht verkneifen, als er das Ding dann doch endlich fand und die Tür aufschloss, nur um einem kampfeslustigen Blick entgegengeworfen zu bekommen. "Wenn man dich da so stehen sieht könnte man fast vermuten, dass du dich gar nicht freust, weil dein Mann da ist" kam auch schon der nächste kleine Seitenhieb, während er ihr den Strauss entgegen hielt. "Dabei bin ich doch überaus nett und hab dir sogar etwas mitgebracht" setzte er noch hinterher und funkelte sie fast schon ein wenig amüsiert an, während sein Blick blitzschnell durch die Wohnung huschte und die zig Kartons registrierte, die hier überall herumstanden. Innerlich rollte er mit den Augen, da er wusste, dass das meiste eh nur sinnloser Kram war, doch darum konnte er sich auch später kümmern, wenn sie etwas milder gestimmt war. "Bist du fertig, oder brauchst du noch Hilfe ?" wechselte er daher flink das Thema, darauf hoffend, das sie sich tatsächlich an seine Anweisungen gehalten hatte und alles reibungslos und flink vonstattengehen konnte.

Alicia Yasutake

Ein Alptraum war das. Einfach ein wirklich gewordener Alptraum. So stand sie hier mitten in ihrem Flur, musste aufpassen, dass sie nicht alles vollkotzte – so schlecht war ihr- und wartete auf einen Mann, der sie in die Ferne weit weg von ihrem wahren Zuhause brachte, während gleichzeitig ihr sehnlichster Wunsch nach einem Kind in Erfüllung ging. Obwohl, wenn sie so an sich herabsah, hätten es auch zwei sein können. Nie und nimmer war sie erst in der 13. Woche, wie es der Arzt so schön behauptet hatte. Gut, schwangere Bäuche sahen bei Frauen immer unterschiedlich aus aber bei ihr wölbte es sich nicht gleich, es kugelte schon fast. Selbst wenn Daniel blind gewesen wäre – was er ja nicht war – müsste ihm bei entsprechender Bekleidung auffallen, wie rund sie geworden war, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten.
Allie versuchte es mit tiefen Atemzügen als sie doch den Schlüssel in der Tür hörte und er endlich ihrem Spiel, sich zu weigern, den Pförtner zu mimen, nachgab. Das XXL-Shirt ihres verstorbenen Gatten, welches sie trug, verbarg die Murmel gut und das war auch besser so. Sie wusste nicht, was für krumme Dinger er so trieb, immerhin hatte er doch etwas von Zwillingen geredet, um die sie sich nun kümmern sollte. Wer sagte also nicht, dass weitere Kinder nicht erwünscht waren, wenn sie die Mutter zweier Kinder mimen sollte, die sie nicht mal ausgetragen hatte? Sie war sich nicht sicher. Traute ihm jedenfalls nicht, egal wie viel Süßholz er raspelte. Und ja, das hatte er getan als er hier jeden Tag aufgekreuzt war, mitunter mit Blumensträußen und kleinen Gesten, die sie doch irgendwie berührt hatten, dass sie am Ende sogar mit ihm geschlafen hatte. Das Ergebnis, davon, war nun gut sichtbar an ihrem Unterbauch zu erkennen. Zwar liebte sie den Mann nicht, der das Kind gezeugt hatte aber in das Baby, welches ihr diese Beschwerden bereitete, war sie ganz vernarrt. Hätte der Welt am liebsten gleich ihren Bauch entgegengestreckt und laut geschrien: „Ja, ich werde Mutter.“
Aus vergangenen Schwangerschaften, die alle im Sande verlaufen waren, war es ihr jedoch klar geworden, dass es viel zu früh war, sich über das Baby zu freuen. Noch war das Kind nicht geboren. Ja, es hatte sich noch nicht mal bemerkbar gemacht außer, dass es sie keinen Bissen bei sich behalten ließ und ihren Bauch wölbte, als hätte sie einfach nur sehr sehr viel gegessen. Sie liebte den Bauch jetzt schon, auch wenn sie ihrer Figur ein wenig nachtrauerte aber das war wohl nur normal.
Blumen? Er hatte ihr ihre Lieblingsblumen mitgebracht? Gerührt vor Glück schlug sich Allie die Hände vor den offenen Mund und gab ein leises Quieken von sich als hätte sie ein Meerschweinchen verschluckt.
Zeit ihm die Blumen abzunehmen und sich darüber zu freuen, was für einen charmanten Kerl sie doch geheiratet hatte, gab es jedoch nicht. Und so stürmte Allie, deren Gesicht von glücklich auf entsetzt umschwang – innerhalb weniger Sekunden- zurück ins Bad. Es war wohl ihr Glück, dass sie den Toilettendeckel oben gelassen hatte, andernfalls hätte sie sich auf die guten Fliesen ihres Vermieters übergeben, auch wenn da nur noch Magensäure kam und die feste Nahrung längst ihren Weg in die Kanalisation von Phoenix gefunden hatte, wäre dies kaum ein schöner Anblick gewesen. Die Würggeräusche, die sie von sich gab, waren im Flur gut zu hören, immerhin schallte es im halbleeren Badezimmer besonders gut.
„Ich…bin….gleich…soweit“, stammelte sie in Richtung Daniel und betätigte die Klospülung, nur um sich am Waschbecken festzukrallen. Ganz wacklig war sie auf den Beinen als sie den Wasserhahn anstellte und kaltes Wasser über ihre Handgelenke laufen ließ. Leicht beugte sie sich nach vorn, schöpfte sich eiskaltes Wasser ins Gesicht und trank sogar ein paar Schlucke, um den säuerlichen Geschmack aus dem Mund herauszubekommen.
Allie atmete ein-, zweimal tief ein und hoffte, dass es nun für eine Weile gehen würde. Wie sollte sie bitteschön so einen Flug überstehen? Zwölf, vierzehn Stunden eingesperrt in ein Flugzeug, welches sie ans andere Ende der Welt brachte? Würde Daniel nicht misstrauisch werden, wenn sie jede Stunde aufs Klo verschwand? Sooft musste niemand pinkeln, der nicht gerade eine Blasenschwäche hatte.
„Ich bin sofort da“, rief sie in den Flur, richtete sich die Haare und trat dann wieder unter seine Augen.
Mit einem sanften Lächeln nahm sie die Blumen entgegen und bedankte sich mit einem geflüsterten „Dankeschön“.
Anstatt darauf einzugehen, was gerade im Bad passiert war, begann sie damit im Raum nach einer passenden Vase zu suchen, was nicht einfach war, da sie sich nicht bücken wollte und so riskierte, dass das Shirt doch einen Blick auf ihre Murmel freigab, die ihn misstrauisch gemacht hätte. Ewig würde sie dieses Versteckspiel nicht mehr durchmachen können, das wusste sie. Wenn der Bauch weiter in dem Tempo wuchs, wie bisher, würde sie bald wie eine Zwillingsmutter aussehen, obwohl sie keine war.
Nach einigen Minuten erfolglosen Suchens wandte sie sich wieder zu ihm um, und setzte sich einfach seufzend auf eine der Kiste, in denen sie die Bücher ahnte. „Ich hoffe, du hast ein großes Auto dabei. Ich fahre nicht ohne meine Bücher und Malsachen“, machte sie gleich mal ihren Standpunkt klar.
Dani wusste selbst nicht, was er erwartet hatte, geschweige denn, was er erwarten durfte, doch was kam....nun das gehörte nun tatsächlich nicht zu seinen Fantasien.
Nicht nur das sie mehr als nur komisch aussah in diesem viel zu grossen Shirt, welches offensichtlich nicht zu ihr gehörte. Nein, irgendwas stimmte ganz und gar nicht. Was genau, das hätte er selbst nicht benennen können. War es doch vielmehr seinem geschultem Auge zu verdanken, sowie seiner Erziehung, das ihm nicht einmal die geringste Kleinigkeit entging. So registrierte er natürlich die Augenringe, welche wohl von Übermüdung her führten, welche er ihr kaum verdenken konnte. Hatte sich innerhalb von wenigen Wochen doch ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt und Zeit um ihr beim Einpacken zu helfen, war ihm auch nie wirklich geblieben. Dennoch, irgendwas schien anders und während er sich noch von dem mehr als nur komischen Quietschton erholte, verschwand sie auch schon würgend im Bad, was seine Augenbrauen irritiert in die Höhe schiessen liess.
Lag es tatsächlich an den Blumen ??? Irgendwie erschien ihm dies nicht wirklich plausibel. Hatten doch bei jedem Besuch immer genau diese in kleinen Vasen überall in der Wohnung herum gestanden. Vollkommen nutzlos und doch überaus hilfreich, wenn man keine Ahnung hatte, was die Ehefrau mochte. Somit konnten wohl kaum die Blumen der Auslöser für das mehr als nur heftige Gewürge hinter der Badtür sein.
Kurz war er tatsächlich versucht ihr zu folgen, entschied sich beim nächsten heftigen Würgen jedoch konsequent dagegen. Konnte er es sich doch schon selbst ausrechnen, das sie ihn in diesem Moment kaum in ihrer Nähe dulden würde, geschweige denn wollte, dass er sie so sah.
So liess er scheinbar ungerührt die Minuten verstreichen, bis sie dann doch endlich wieder aus dem Bad heraus kam. Misstrauisch, ja vielleicht gar ein klein wenig besorgt glitt sein Blick über sie, während sie scheinbar desorientiert durch die Wohnung flitzte und irgendwas suchte. "War das deine Methode mir zu sagen, dass du Flugangst hast ?" tastete er sich vorsichtig an das Thema heran, obwohl er wohl aus Sicht der Frauen wohl eher den Elefanten im Porzellanladen spielte, doch das scherte ihn gerade herzlich wenig. Immerhin würden sie nicht nur nach Neuseeland viele Stunden fliegen müssen, nein auch nach Japan würden etliche Stunden vergehen und er wäre lieber darauf vorbereitet. "Oder hast du dir irgendwas eingefangen ?" harkte er noch weiter nach, während sie tatsächlich versuchte vom Thema abzulenken. "Mach dir um deinen Kram keine Sorgen. Im Hangar wartet der Flieger auf uns und dort gibt es mehr als genug Platz für all deinen Kram und im Auto genauso" versuchte er sie wenigstens etwas zu beruhigen, während sein Blick den ihren fixierte und musterte. "Die Frage ist nur, ob wir dich überhaupt in den Flieger kriegen, denn auch wenn es alles andere als charmant ist.... nun ja, gerade topfit und reisebereit schaust du nicht aus" versuchte er die ganze Sache dann doch irgendwie so höflich wie irgend möglich zu definieren, obwohl es da wohl keine gute Umformulierung für gibt. "Oder ist es einfach nur die Aufregung ?" liess er einfach nicht locker, während er sich ihr langsam näherte und vor ihr in die Hocke ging. "Du brauchst keine Angst haben" beschwichtigte er sie zum gefühlt millionsten Male. "Ich habe versprochen auf dich aufzupassen und dafür zu sorgen, dass es dir immer gut geht und es dir an nichts fehlt und ich nehme meine Versprechen immer ernst" endete er vorerst, während er sich doch minimal aufmunternd anlächelte. "Was also ist los ?" harkte er nochmals nach, denn so leicht liess er sich nicht abwimmeln. Irgendetwas stimmte nicht, nur wusste er nicht was, doch auf seinen Instinkt hatte er sich immer verlassen können.

Alicia Yasutake

Alicia mochte es nicht, wie er sie musterte, auch wenn er nun ihr Ehemann war. Sie spürte seinen prüfenden Blick auch noch auf ihr als sie fast schon panisch im Raum herumeilte, um eine Vase zu finden, die aber scheinbar schon in einem Karton verpackt irgendwo im Raum lag. So gab sie es auf und ließ sich auf einer Kiste nieder.
„Ich habe keine Flugangst“, erwiderte sie als ihr auffiel, dass sie ihm ja immer noch nicht auf seine Frage geantwortet hatte.
Ich bin schwanger, dachte sie aber hatte absolut keine Lust es ihm zu sagen. Auch wenn er das Baby gezeugt hatte – von Matthew konnte es ja nicht mehr sein – war das hier ihre Schwangerschaft und nicht seine. Es war ihr Kind, welches sie unter dem Herzen trug und sie würde keinen Moment davon mit ihm teilen. So stand es schon für sie fest.
Bei seinem Kommentar über ihr Aussahen rollte sie mit den Augen. Wie oberflächlich, dachte sie. Ja, sie war ungeschminkt und hatte dieses graue XXL-Shirt ihres Ex an, genau wie seine Jogginghose aber störte das Daniel wirklich sosehr, dass er ihr die Reisefähigkeit absprach? Frechheit. Oder lag es daran, dass sie nicht, wie das topgestylte Flittchen aussah, welches er sich sehnlichst gewünscht hatte, nach dem seine vorherige Frau unter mysteriösen Umständen – so dachte Allie jedenfalls- das Zeitliche gesegnet hatte. War sie vielleicht doch nur ein Brutkasten gewesen und er hatte sie dann aus dem Weg geräumt als sie diese Aufgabe erledigt hatte? Fragen, auf die Alicia sicher keine ehrliche Antwort erhalten würde aber es lief ihr dennoch kalt den Rücken runter, wenn sie daran, dachte, dass sie das Baby bald eben nicht mehr verstecken konnte. Eine Schwangerschaft war einerseits so etwas Intimes aber andererseits präsentierte man anderen auf dem Silbertablett was man getan hatte. Der dicke Bauch sprach Bände.
Sie schluckte, versuchte die erneute Übelkeit zu unterdrücken und starrte ins Leere, während er davon sprach, dass sie keine Angst haben musste. Und ob ich die habe, dachte sie, konnte sich aber ein leises Schnauben nicht verkneifen.
Als er sich direkt vor ihr hinhockte und sie fast schon mitfühlend ansah, brachen ein paar Dämme und Tränen bildeten sich in ihren Augen, die schnurstracks die Wangen herabliefen.
Verdammte Hormone, dachte sie wütend und hätte ihn am liebsten von sich gestoßen, blieb aber regungslos sitzen und antwortete brummig: „Es ist nichts. Kannst du jetzt aufhören zu bohren? Danke.“
Unwirsch fuhr sie sich mit einer Hand durch ihr ungekämmtes Haar, welches sie wenigstens gestern Abend noch hatte waschen können, denn ganz verlottert, wollte sie ihm nun auch nicht über den Weg laufen.
Mit einer flinken Bewegung wischte sie sich über die feuchten Augen und seufzte.
„Es….es ist ein fremdes Land, in das du mich entführst…was glaubst du wohl, was das Problem ist“, jammerte sie schauspielreif, wobei die Tränen echt waren. Der Rest war Spiel und sie war ein Profi. Das konnte man Alicia nicht nehmen. Er wollte eine perfekte kleine Hausfrau…bitte die konnte er haben. „Ich hab beschissen geschlafen…und wohl einen schlechten Jogurt gegessen. Ich bin nicht krank.“
Wieder brach sie fluchtartig Richtung Badezimmer auf, verfehlte dieses Mal jedoch die Schüssel um wenige Zentimeter und sank neben ihrer Kotze auf die Knie und heulte noch mehr. „K.kkannst du mal…einen Lllappen besorgen“, rief sie stammelnd Richtung Flur. War jawohl klar, dass er ihr beim Saubermachen helfen musste, immerhin war er genauso für ihren Zustand verantwortlich wie sie. Nur weil er von der Schwangerschaft nichts wusste, hieß das ja nicht, dass es ihn von seinen Pflichten entband, ihr beizustehen.
An Musterungen dieser Art würde sie sich wohl oder übel gewöhnen müssen. War er es doch sein Leben lang gewöhnt immer alles im Auge zu behalten und jede noch so kleine Veränderung zu registrieren. Waren es doch oft genau diese Kleinigkeiten, welche über Lüge und Wahrheit, über Leben und Tod entscheiden konnten. Zudem war es eine Macht der Gewohnheit, welche man nicht einfach so abstellen konnte, schon gar nicht er. Brachte seine Stellung ihm nicht nur Privilegien ein, sondern auch jede Menge Feinde ein, welche nur darauf lauerten, um eine Schwäche zu entdecken, die sie zu ihrem Vorteil nutzen könnten.
Daher entging ihm ihr mehr als nur merkwürdiges Verhalten natürlich nicht, welches ihn nur misstrauischer werden liess und dafür sorgte, das er nicht locker liess. Ein Verhalten, welches er nur allzu schnell bereute, als tatsächlich die Tränen anfingen zu fliessen.
Normalerweise Stand er über solchen Dingen. Kannte er diese Masche doch nur allzu gut, da seine Mädels diese nur allzu gerne nutzten, weil sie dachten, das sie ihn so auf ihre Seite locken konnten. Vollkommen hoffnungslos, wie sie kurz darauf schnell mitbekamen und dennoch war dies hier etwas vollkommen anderes. Immerhin war sie seine Frau, auch wenn die Umstände der Eheschliessung alles andere als als gewöhnlich waren. Gleichzeitig erkannte er, das die Tränen echt waren und keine berechnende Taktik, welche ihn milde stimmen sollten.
"Ist es so verwerflich, das ich mir einfach nur Gedanken um dich mache?" murmelte er leise, ohne den Blick von ihr abzuwenden, denn auch wenn sie es vielleicht nicht glaubte, so war es die Wahrheit. Immerhin hatte er ihr ein Versprechen gegeben und er dachte nicht einmal im Traum daran, dieses zu brechen. Zudem mochte er ihre kleine aufmüpfige Art und Weise, welche ihn ständig forderte. Natürlich würde er dies niemals zugeben, aber insgeheim musste er sich eingestehen, das seine Wahl definitiv hätte schlimmer ausfallen können. Irgendwie war er sogar fast schon in positiver Stimmung, weil er davon ausging, das sie sich im Laufe der Zeit schon zusammenraufen und harmonisch miteinander leben konnten. Eine überaus angenehme Aussicht, welche ihm gefiel.
Somit hörte er aufmerksam zu, als scheinbar der wahre Grund ans Licht kam, welchen er durchaus verstehen konnte. Hatte sich innerhalb der letzten Wochen doch extrem viel verändert und sie hatte sich sehr viel besser gehalten, als er gedacht hatte. Eh er ihr dies jedoch sagen konnte, musste er schonwieder Platz machen, damit sie flüchten konnte, auch wenn er diesmal wohl nicht schnell genug gewesen war.
Als wäre nichts, stand er seelenruhig auf und fand den verlangten Lappen. Innerlich den Joghurt als Übeltäter verfluchtend, welcher sein ganzes Zeitmanagement durcheinander brachte, wischte er die Misere ohne mit der Wimper zu zucken weg. Schliesslich war er Schlimmeres, sehr viel Schlimmeres gewohnt.
"Geht es wieder etwas?" fragte er ehrlich besorgt nach, während er den Lappen auswusch und sich eines er zahlreichen kleinen Handtücher schnappte und unter das eiskalte Wasser hielt. Warum Frauen zig Handtücher brauchten, selbstverständlich in allen Farben und Grössen, hatte er bis heute nicht verstanden und würde es wohl nie. Diesmal jedoch kam es ihm ganz Recht, denn ausgewrungen landete das unnütze Ding auf ihrer Stirn.
Ohne sich dessen allzu bewusst zu sein, glitt sein Blick erneut über sie, diesmal mit einem Hauch Besorgnis. "Kann ich sonst noch irgendwas tun?" fragte er nun definitiv fürsorglich und schlang, ohne lange darüber nachzudenken, seine Arme um ihre Schultern, fast als würde der verdorbene Magen dadurch von alleine weggehen. "Kommst du alleine wieder hoch, oder soll ich dich tragen?" bot er freimütig an, ohne gross daran zudenke, das Frauen der heutigen Zeit sich nicht allzu gerne umher schleppen liessen, auch wenn es gut gemeint war.