Wind Beyond Shadows

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Der Wind pfiff melodisch durch den Bambus, der ihn umgab. Ein einzigartiges Geräusch, welches ihn immer wieder hier her zog. Es gab viele Bambuswälder in Kyoto, doch irgendwie schien es dieses Geräusch nur hier zu geben. Es erinnerte ihn an eine Flöte und doch wieder nicht. Leicht klang es, irgendwie nach Freiheit und verging dann in einem sanften Rauschen. Als wolle er dem Klang auf den Grund gehen, sah er sich um. Zwei Wege, die von Kies Bedeckt von ihm wegführten, ein Geländer, gefertigt aus Bambus, wohl von den ihn umgebenen Stämmen stimmte, sonst nichts. Bis auf einen Mann, der nicht ins Bild passen wollte. Sein Aufzug, seine Haltung, nicht zu Letzt die Sonnenbrille, die so fehl am Platz wirkte, wie ein Fisch, der einen Bambus hinaufklettern wollte.
Den Blick weiter schweifen lassend, behielt Xiao ihn im Augenwinkel. Der erste Eindruck, wies ihn als Tourist aus, aber das musste nichts bedeuten, wie der Hunter wusste. Viele Menschen zog es zu dem nahegelegen Tempel, der zum Zen Buddhismus gehörte. Noch herrschte eine angenehme Stille, was wohl an der Stunde des Tages liegen musste. Noch waren die Öffnungszeiten nicht erreicht, doch darauf legte er keinen wert. Er wollte die Ruhe im Garten genießen, nicht den Tempel besichtigen.
Leise knirschte der Kies unter seinen Sohlen, als er das Gewicht verlagerte und einen Schritt auf das Geländer zu machte. Der kleine Bach, der unter der Brücke hindurch gluckerte, führte geradewegs zum Tempel. Seinen Lauf folgend, blickte er durch die Schneise, die er zog, jedoch konzentrierte er sich nicht vollends auf den Anblick, der den Atem rauben konnte. Ein teil seiner Aufmerksamkeit lag auf dem Fremden mit der Sonnenbrille.
Der Dezember schien kein geeigneter Monat für einen solchen Aufzug zu sein. Ein Schal, welcher vor dem eisigen Wind schützte und die Wärme am Körper hielt, wäre weniger auffällig, als ein Schutz gegen die nicht vorhandenen Sonnenstrahlen. Den Gedanken vorerst abschüttelnd, beschloss er, das der fremde sicher seine Gründe hätte. Ein Vampir war er nicht, das hätte er gespürt.
Vampire... Das Blutsaugende Volk schien ihn im übertragenen sinne zu verfolgen. Ein absurder Gedanke und doch einer, der ihm des Öfteren kam. Das Verräterische Volk hatte so viel in seinem Leben angerichtet, das Xiao glauben konnte, das sie seine Familie verfolgten. Übertrieben. Natürlich.
Er beugte sich leicht nach vorn, legte die Unterarme auf das Geländer, das einen solideren Eindruck machte, als es aussah.
Wie angenehm doch nun die sonne wäre, wenn sie über seinen Nacken streichelte, stattdessen musste er darauf acht geben, nicht zu viel Haut zu präsentieren. Die Kälte war erbarmungslos und würde sich jeden freien Spalt zu nutzen machen, um unter seine Kleidung zu krauchen, sich dort einzusitzen und ihn frösteln zu lassen. Schon jetzt waren seine Hände Eiskalt und das, obwohl sie in feinem Leder steckten. Noch wollte er diesen Ort nicht verlassen. Die Ruhe war ihm nach den anstrengenden Tagen wahrlich willkommen. Erst die Ankunft, dann die Einarbeitung, erste Treffen mit den Huntern. Die Arbeit stapelte sich und ließ ihm kaum einen Moment zeit, um durchzuatmen. Selbst auf die Gefahr hin, das sich weitere Arbeit stapelte, hatte er sich ein paar Stunden freigenommen, um richtig anzukommen. Die Gedanken verweilten noch in China, was daran lag, das er gleich nach seinem Erscheinen alles Verstaut und noch am gleichen Tag die ersten Dinge erledigt hatte. Ein Fehler, wie er nun bemerkte...

Mairtin Connolly

Wörter: 839 / 5210 ((Hab n paar Kilometer gebraucht, ich setz nicht jeden Post so lang, geht aber locker noch mal länger Wink ))

Es war kalt, sau kalt, wenn Mairtin der App auf seinem Smartphone trauen konnte. Aber er spürte es nicht. Ihm war eh zu warm. Mairtin trug einen seidenen Anzug, schwarz, darunter ein Hemd, dunkelblau mit einer hellblauen Krawatte, die er von dem Hals löste. Er hatte das Gefühl, das Ding würgte ihn geradezu. Auf der Nase trug er eine Sonnenbrille, trotz des ganzen Schnees. Warum? Es war das einzige Mittel, wie er die vom JetLeg gezeichneten, geröteten Augen verbergen konnte. Für das Geschäftsmeeting eben hatte er das Ding dann aber doch absetzen müssen. Die Gepflogenheiten dieses Landes waren Mairtin noch immer recht fremd, aber das war nicht schlimm. Es war ihm nämlich egal, ob er diesen Deal für die International Weapon Connolly abschließen konnte oder nicht. Die ganze Firma war ihm egal, aber nur so weit, wie er es verantworten konnte. Das bedeutete, solange er keine Prügel mehr bezog. Mairtin hatte es irgendwie geschafft, seinem Leibwächter zu entkommen. Der suchte ihn irgendwo in der Stadt, wenn er richtig vermutete. Wie ihm die Flucht gerade gelungen war, war ihm selbst nicht ganz klar. Aber zum Glück war Ryan Nelson von der Menschenmasse und den lauten Geräuschen sowie den zahlreichen Lichtern so überfordert gewesen, dass er nicht aufpasste. Diesen Moment hatte Mairtin gnadenlos ausgenutzt, sich in einer U-Bahn abgesetzt, dann ein Bus. Egal wo hin, einfach weg. Weg, weg. Er war inzwischen komplett verirrt. Aber das war ihm egal. Notfalls hätte er noch immer eine Karte des Hotels, in dem er abgestiegen war. Verdammt, eigentlich sollte ich im Bett liegen, dachte Mairtin und nicht hier stehen. Er war zwei Tage in Japan und hatte sich entweder hier oder noch vom Flug eine Erkältung geholt. Vielleicht mehr. Allzu gut waren seine Abwehrkräfte nicht mehr, nicht mehr seit seiner Entführung und der Folterung. Diesen Zustand hasste er wie die Pest. Aber der Ire ahnte, dass das ganze auf Stress zurückzuführen war und dies ihn derart schwächte.

Dunkel ahnte Mairtin, dass er diese Aktion teuer bezahlen würde, sehr teuer. Der Leibwächter Ryan Nelson war der Mann, der ihn auch entführt und dabei vergewaltigt hatte. Und er zitterte erneut, stieß stoßweise den Atem aus, pumpte so viel Sauerstoff in die Lungen, wie er bekommen konnte. Es war ein halbes Wunder, dass er tatsächlich hatte fliehen können. Warum? Er hatte zu wenig Blut im Körper, denn vor wenigen Tagen noch hatte er einen Selbstmordversuch unternommen. Die Verbände unter dem Hemd bewiesen dies. Seine 'Ehefrau', beziehungsweise seine Schwägerin, hatte das Ganze verhindert. Es würde noch ein paar Tage dauern, bis er den Verlust hatte ausgleichen können. Da Mairtin aber auch nicht wirklich genug aß, war es schwieriger. Langsam sog er nun den Anblick seiner Umgebung in sich auf. Es war friedvoll, irgendwie schön und am liebsten würde er sich hinlegen, nie wieder aufwachen. Auch wenn er inzwischen zehn Kilogramm weniger wog als zu seinen Soldatenzeiten, zog er noch immer ein straffes Trainingsprogramm durch, sofern er konnte. Mit Blutarmut war das doppelt so schwer. Die hatte er auch schon vor dem Selbstmordversuch gehabt - aus Stress heraus. Kurz um, Mairtin war an seinen Grenzen. Das wusste er und er brauchte Hilfe, wenn er entkommen wollte. Woher der Wille zum Leben kam, wusste er selbst nicht. Aber da war ein letzter Rest in ihm, sonst hätte er die Gelegenheit zur Flucht nicht ergriffen. Seine Eltern saßen irgendwo in Europa fest, flachgelegt vom Norovirus. Von dort aus war auch keine Gefahr zu erwarten.

Sein Smartphone hatte er ausgestellt und die SIM-Karte entfernt, sodass man ihn nicht tracken konnte. Beides hatte er aber noch, um es notfalls noch einmal zu nutzen. Ein Geräusch ließ den ehemaligen Soldaten, der da immer noch in dem Iren aktiv war, herumfahren. Kampfbereit. Diese Instinkte waren so tief in ihm verankert, dass er es nicht verhindern konnte. Das waren kleine Hinweise darauf, dass er NICHT Michael Connolly war, sondern der kleine Bruder Mairtin. Dieser entdeckte nun einen anderen Mann, wahrscheinlich einheimisch, der ebenso von seinem Auftauchten überrascht zu sein schien, wie Mairtin von ihm wiederum. Der Ire nickte und grüßte dann mit heiserer Stimme. "Guten Morgen." Er wusste, mit seinen 191 Zentimetern war er immer noch eine imposante Erscheinung, selbst jetzt, da ihm 10 Kilogramm fehlten. Und Muskeln hatte er immer noch, ebenso eine gewisse Kraft noch. Aber all das war ein Schatten dessen, was er mal gewesen war. Er war immerhin gelernter Scharfschütze. Irgendetwas ließ ihn ahnen, dass dieser Mann irgendwie nicht ganz so harmlos war, wie er zu sein vorgab. Warum wusste er nicht.

Höflich legte er die Sonnenbrille ab, verstaute sie in der Tasche der Anzugjacke. Er entblößte damit sein blasses Gesicht. Ihm war nicht klar, dass er das Make-up vergessen hatte, mit dem er sonst manches kaschierte. "Störe ich Sie? Ich wollte Sie nicht erschrecken", sprach Mairtin Englisch mit seinem typischen irischen Akzent, der noch einmal etwas anders war, als das amerikanische Englisch oder das britische oder schottische. Es hatte eine ganz eigene Melodie. Doch der Mann war irgendwie nicht das einzige, was ihn verwirrte. Da war noch jemand anderes oder besser etwas...?
Xiao runzelte die Stirn, als er die leisen, stoßweise ausgeführten Atemzüge hörte. Fast könnte man glauben, eine Schwange hatte beschlossen hier ihr Kind zu bekommen. Doch aus de Augenwinkeln bemerkte er, das noch immer nur der Mann dort stand. Viel zu luftig schien er für diese Jahreszeit angezogen, ging es ihm kurz durch den Sinn, verwarf er es aber gleich wieder. Das Verhalten des Europäers war zu auffällig, als das man es ignorieren könnte, es sei denn, man wollte es absichtlich ignorieren.
Zu behaupte, der Chinese würde sich sorgen, wäre übertrieben, dennoch sah er nicht einfach darüber hinweg. Seine Bereitschaft zu helfen, war nicht am Werk, so was hatte er nicht, aber alles, was ungewöhnlich war, machte ihn neugierig, jedoch nicht in dem Maße, das er offensichtlich hinstarrte. Sensationsgeil war er nicht. Und doch.... er lauschte, beobachtete aus dem Augenwinkel. Sollte der Kerl sich dazu entschließen, umzukippen, sähe die ganze Sache anders aus, doch bin dahin bewahrte er die Ruhe und war weiterhin entspannt.
Irgendwas schien den Mann dann aufzuschrecken, was dies sein sollte, konnte Xiao nicht sagen, aber dessen ruckartige Reaktion verriet so einiges über de Fremden, dem er nun direkt entgegen sah. Ein normaler Bürger war er nicht. Das Aussehen ließ Xiao dabei außer acht, da es offensichtlicher nicht sein konnte, viel mehr schlussfolgerte er es aus dessen Haltung, der Angespanntheit, die gleichzeitig abgeschlagen wirkte und an Energie fehlte. Menschen unterschätzten, was man allein aus dem Gebaren lesen konnte, wenn man wusste, worauf man achten musste. Vieles passierte intuitiv, wie Xiao wusste, der sich nun langsam aufrichtete. Eine lauernde Katze hätte sich nicht fließender bewegen können. Statt auf den Mann zu zugehen, lehnte er sich gegen das Bambusgeländer, welches ihn mühelos standhielt. Von seinem neuen Ausblick, konnte er den Fremden viel besser mustern. Nun offener, jedoch nicht fordernd, eher abwartend, tastend.
Als hätte sein Gegenüber den gleichen Gedanken, wandte dieser sich um, nahm sogar die Brille ab und offenbarte, was er dahinter zu verstecken versuchte. Jetlag war nur eine der Dinge, wie er ahnte.
„Stören? Nein.“, schmunzelte er leicht und ließ erneut einen musternden Blick über ihn gleiten. Die Kleidung schien so unpassend und gleichzeitig wieder den Ort angemessen, wenn man wusste, das sich hier ein Tempel befand, doch ob sich der Fremde darüber im Klaren war? Selbst hatte er zur schwarzen Jeans gegriffen, ein passender Rollkragenpulli ersetzte den Schal. Gekrönt wurde der Rest von einer Lederjacke, die an seine übliche Kampfmontur erinnerte. Ein Einzelstück, welches man nirgends in einem Laden finden würde, wurden diese doch extra für sie – die Nephilim – gefertigt. So konnte man selbst in privaten Klamotten zu einem Einsatz gehen, ohne Mittellos dazustehen.
„Es ist ein relativ öffentlicher Platz, aber nein.“, meinte er in beruhigendem, weichen Ton, der dennoch etwas angenehmes Dunkles an sich hatte. Akzentfrei sprach er mit dem Mann, der nun offenbarte, aus welcher Region er zu kommen schien. Xiao hörte man es nicht an. Äußerlich schien er hier her zu passen, doch in Wahrheit waren Japaner und Chinesen sich nicht wirklich eins. Im Gegenteil, betrachtete man sich doch gegenseitig mit Unmut und Misstrauen.
„Alles in Ordnung mit Ihnen?“, konnte und wollte er sich dann doch nicht verkneifen und blickte in eine bestimmte Richtung, um den Fremden dazu zu animieren, ein Stück zu gehen. Ein wenig Bewegung bei dieser Kälte, die erbarmungslos in die Haut schnitt, konnte nicht schaden, zumal sie auch den Kreislauf ankurbelte. Die Stille, die nur von den natürlichen Geräuschen unterbrochen würde, lockte sie den weißen Kiesweg entlang.

Mairtin Connolly

Meine Lungen pumpten wie ein verdammter Blasebalg und sogar ich hörte, dass der Atem in meinem Brustkasten rasselte. Kein gutes Zeichen. Fuck. Das waren keine guten Aussichten, sollte es zu einem Kampf kommen. Einem längeren Tänzchen konnte ich kaum standhalten. Nicht in diesem Zustand. Wenn es dazu käme, würde ich schnell und hart zuschlagen müssen, soweit das eben ging. Aber ich ahnte dunkel, dass es nicht gehen würde und Flucht die bessere Variante wäre. Mir war auch bewusst, dass ich aktuell in diesem Zustand auch nicht über die Schnelligkeit, die mir früher als Soldat zu eigen war, nicht zur Verfügung stand. No way, no fucking way. Zum Glück merkte ich aber, das zumindest jetzt keine harte, aktive Bedrohung von dem kleineren schwarzhaarigen Asiaten ausging. Ob er nun Japaner, Chinese, Vietnamese oder Koreaner war? Das wusste ich kaum zu sagen, denn die Menschen sahen hier einander ziemlich ähnlich. Sehr ähnlich. Irland war da einfacher auseinanderzuhalten. Aber ich vermutete, dass die Menschen hier sich in meiner Heimat ebenso kaum zurechtfinden würden. Als Soldat war ich in einigen Teilen der Welt gewesen und in der Funktion als Geschäftsführer war ich auch mächtig herumgekommen. Genauer, es gab Zeiten, in denen ich mehrfach in der Woche flog. Fliegen war der Horror für mich – seit der Entführung. Und ich hatte nie gelernt, mich wieder zu entspannen, denn der Mann, der mich entführt und vergewaltigt hatte, war immer in der Nähe – als mein Leibwächter oder Wärter, dem ich nun doch entwischt war. Wie ich dann hier hergekommen war? Mit Gewalt hergezerrt. Irgendwann war ich völlig erschöpft im Flugzeug eingeschlafen, weil ich keine Reserven mehr hatte. Da es ein öffentlicher Flieger war, ließ Nelson sogar etwas mehr ‚Manieren‘ erkennen. Er hielt mich ohnehin für ungefährlich. Ich hatte viel zu viel Angst zu fliehen, wie er meinte. Tja, falsch gedacht. Kaum, dass ich eine Gelegenheit gewittert hatte, hatte ich Fersengeld gegeben und mir die Menge zum Vorteil gemacht.

Ich war schlichtweg abgetaucht und konnte entkommen, obwohl ich hier auffiel – einerseits durch das europäische Aussehen und andererseits durch meine Größe von 191 Zentimetern. Als Soldat hatte ich gelernt, unsichtbar zu werden, wenn ich es wollte. Diese Fähigkeiten halfen mir bei der Flucht. Das Fieber verhinderte, dass ich noch mehr nachdachte. Ich bemerkte nur, dass der andere aus irgendeinem Grund entspannt war, ruhig. Die Kleidung war möglichst unauffällig. Dagegen fiel ich hier auf. Nicht etwa wie ein bunter Hund. Nicht etwa wie ein roter Rubin unter einem Haufen Saphire. Nein, das war die Art, die dem Big Ben in London gleichkam. Oder gleich der ganze Buckingham Palace, welcher Scharen von Touristen anzog. DIESE Art von unübersehbar. Es blieb nur zu hoffen, dass Nelson mich nicht bis hier hin aufspüren konnte. Aber da er weder chinesisch noch Japanisch sprach und ich mit stark akzentbehafteten Hallo und Auf Wiedersehen oder Dankeschön ganze drei Worte mehr sprach, war die Wahrscheinlichkeit nicht allzu hoch. Obendrein hatte der Mann einen gewaltigen Akzent, sodass selbst englische oder irische Leute teilweise Mühe hatten, den Schotten zu verstehen. Doch der wusste sich auch zu helfen. Meine irischen Wurzeln konnte ich kaum verbergen, auch im Englischen hatte ich etwas Akzent und wer genau hörte, merkte das auch.

Als ehemaliger Soldat entging mir die Musterung des Mannes nicht. Ich tat es ja nicht anders. Unauffällig und doch wahrnehmbar, wenn man geschult war. Kampferfahrung, kein Anfänger, lautete mein schnelles Urteil. Er bewegte sich mit derselben Eleganz, welche einer Raubkatze zu eigen war. Und trotz der Tatsache, dass ich krank war, ließ die Haltung noch immer den Soldaten erkennen. Auch wenn ich seit zwei Jahren Opfer der Entführung war. Es war der Soldat, der nun, da ich frei war, seinen Lebenswillen wieder mehr zeigte. Plötzlich pfiff ein weiterer, eiskalter Wind, der mich dann doch kurz die Schultern hochziehen ließ. Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie eine kleine Katze aus dem Bambus trat. Sie hatte ich also gehört. Das erstaunlich große Tier stolzierte zwischen uns her, setzte sich genau in die Mitte, miaute und begann dann ihre Katzenyogaeinheit, indem sie sich putzte. Dass es ein Kater war, entging meiner Aufmerksamkeit. Entweder aufgrund des Fiebers oder mein Hirn ordnete diese Information unbewusst als unwichtig ein. Es war irgendwie geradezu surreal. Instinktiv hatte ich mich so hingestellt, dass ich eine gute, starke Verteidigungsposition innehielt und gleichzeitig sofort losschlagen konnte, sollte das nötig sein. Diese Bewegungen waren mir in Fleisch und Blut übergegangen und das funktionierte so sicher wie atmen. Noch ein Hinweis auf die militärische Ausbildung der britischen Armee.

Ganz automatisch nahm ich die Umgebung wahr, auf der Suche nach potenziellen Verstecken, in denen Gefahren lauern konnten, ohne das ich dabei mein Gegenüber aus dem Auge ließ. Mir fiel auf, dass der andere mich nicht als Bedrohung kategorisierte, eher vorsichtiger und beinah abtastend beobachtete. Sein Blick war nicht zu übersehen. Ich blieb vorerst auch recht ruhig. Er meinte, dass ich nicht störte. Ich nickte und nun wurde ich langsam doch neugierig. „This seems like a religious place, a temple?“ ((Englisch: Das scheint ein religiöser Ort zu sein, ein Tempel?)) Ich sprach mit einem irischen Akzent etwas anders als die Briten. Wer genau hin hörte merkte das. Je nachdem wie sauber ich Englisch sprach, kam das th durch oder aber ich verwandelte es in das typisch Irische d beziehungsweise t. Da ich aus Nordirland kam, hatte ich den Ulster-Dialekt. Ein W sprach ich mal hart und mal weicher aus, je nachdem, welches Wort ich verwendete. Dass mein Gegenüber Chinese war und kein Japaner, konnte ich nicht sehen oder hören. Zumindest wusste ich, dass die beiden Völker sich nicht wirklich riechen konnten und zwischen ihnen ein ähnlicher Konflikt bestand wie zwischen den Schotten, den ihren, den Walisern und den Engländern. Meine Heimatsinsel war ja schon Schauplatz solcher Auseinandersetzungen, regelmäßig um genau zu sein. Zumeist wurden die Konflikte jedoch eher auf politischer Ebene ausgetragen. Doch es hatte auch Zeiten gegeben, in denen es zu Kämpfen gekommen war. Denn irgendwann wurde unterteilt in die freie Republik Irland sowie Nordirland, welches sich noch immer dem britischen Königshaus verbunden fühlte und als Teil, dessen behandelt wurde. Doch auch in Nordirland gab es Kräfte, die gegen die Krone gearbeitet hatten und sich der Republik anschließen wollten.

Ich war mir nicht sicher, konnte mich aber aktuell an keinen solchen Ort hier in der Gegend erinnern. Aber das mochte auch am Fieber liegen. Was mich genau angezogen hatte, wusste ich ja nicht. Ich war einfach meinem Instinkt gefolgt. Die Frage, ob ich stören würde, hätte ich in dieser Art oder in dieser Betonung nicht gestellt. Das war Zeichen meiner Panik. Jetzt erst ging mir die Verwirrung des anderen auf. Was mir jedoch aufging, war die ruhige Stimme. Also keine Bedrohung bisher. Keine Aktive, das passte wohl zur Haltung. Doch das hieß nicht, dass ich meine Wachsamkeit herunterfuhr - so weit das eben mit meinem fiebrigen Kopf ging. Und allzu schnell konnte ich einfach nicht denken. Kurz um, ich war an meinen Grenzen. Scheiße noch mal, in einem Kampf würde ich mit 95-prozentiger Sicherheit unterliegen. Dann fragte der andere, ob alles mit mir in Ordnung sei. Eine so verwirrende Frage für mich, dass ich erst kaum antworten konnte und daher der Einladung folgte, ein paar Schritte zu gehen. Ich setzte mich in Bewegung. Auch hier verriet die Art und Weise, dass ich nicht der normale Geschäftsmann war, wie der Anzug bezeugen wollte. Kaum dass wir ein paar Schritte gegangen waren, musste ich husten. Dabei wandte ich mich etwas von dem Fremden ab, sodass die Bakterien nicht in seine Richtung geschleudert wurden, und legte zudem den Ellenbogen vor das Gesicht. Das war eine Geste der Höflichkeit, die hierzulande üblich war, weniger zu Hause.

Doch da meine Mutter eine Hypochonderin war und dementsprechend Angst vor Krankheiten hatte, war mir dieses Verhalten schon früh ein geprügelt worden. Gerade wollte ich noch ein mattes, ‚es geht‘ schon hervorwürgen, da hatte mein Körper auch schon eine andere Antwort parat: Ich ging tatsächlich in die Knie. Scheiße! Jetzt war ich wirklich in der Scheiße! Meine Sicht schwamm. Ich keuchte, glühte heiß wie ein Kohlebecken vor lauter Fieber, der Atem rasselte weiter in den Lungen und nur mit viel Mühe und Kraft kam ich wieder auf die Beine, ging aber gleich beinah wieder komplett zu Boden, denn die Oberschenkel waren nicht stark genug, um mein Gewicht nun zu tragen. Der Kies knirschte unter mir. Kein gutes Zeichen. So könnte ich meinem Entführer nicht entkommen, sollte er mich aufspüren. Diese Erkenntnis erfüllte mich mit Angst, nackter, purer Angst. Der würde keine Rücksicht auf meinen Zustand nehmen, nein er sogar noch ausnutzen und noch einmal eine Vergewaltigung versuchen. Das war mir sofort klar. Nach dem Flug bzw. meiner Einführung hatte er so etwas nicht mehr versucht, da mein Erzeuger ausdrücklich verlangt hatte, dass ich das Gesicht der Firma bleiben konnte. Inkontinenz passte da einfach nicht ins Bild. Nur deswegen hatte er Weiteres in dieser Art verhindert. Nicht etwa aus Sorge um mich.
Wenn Xiao es nicht besser wüsste, würde er annehmen, der andere war bis auf die letzte Faser seines Körper gespannt. Nicht nur das. Er schien auf Flucht geeicht zu sein, nur der passende Grund oder vielmehr Auslöser fehlte noch, um die gespannte feder los schnellen zu lassen. Doch diesen Impuls gab er ihm nicht. Die Bewegungen, die er selbst vollführte waren ihm so in Fleisch u Blut übergegangen, das er nicht explizit darauf achten musste, sich ruhig zu halten. Er war es einfach. Wo anderen die innere Ruhe fehlte, obwohl sie still standen, war er ein Fels, den nichts erschüttern konnte, gleich was gegen ihn branndete, so auch jetzt. Zwar lauschte er den Geräuschen und der Symphonie von Tönen, die diese gebaren, doch stufte er sich nicht als gefährlich ein. Erst wenn ein Misston erklingen würde, der wider der Harmonie sprach, würde er hellhörig werden, so aber gab es keinen Grund, da auch die Intuition nicht ansprach. So gegensätzlich und doch gleich waren sie.
Xiao ließ nichts darauf schließen, was er von seiner Aussprache hielt. Keine Regung zeigte sich in seinen ebenmäßigen Zügen, obwohl er sie durchaus interessant und noch viel mehr: Interessant, fand. Nicht, das er sich darüber lustig machte, nichts lag ihm ferner. Viel mehr war sie sehr ungewöhnlich. Einem Land konnte er dem nicht zu sortieren, auch wenn er schon viele bereist hatte. Es klang nicht wir das typische Englisch, daher musste es aus der europäischen Region stammen, doch ob nun England, Schottland oder Irland, das konnte er nicht definieren. Die wenigen Worte hatten etwas Hartes an sich und doch schwang ein Hauch Melodie in ihnen, die sie umso einzigartiger machten. Der Akzent dazu, tat sein Übriges. Nun weiter zu forschen, tat er jedoch als unhöflich ab, daher nickte er nur leicht, als Zeichen, das er ihn verstanden hatte, aber auch als Antwort auf dessen Frage hin.
„Ein buddhistischer Tempel, ja, gesehen habe ich ihn jedoch nur einmal. Vor vielen Jahren...“, stimmte er zu und dachte daran, wie er mit Shixin hier her gekommen war. Eigentlich hatten sie im Institut hatten bleiben und lernen müssen, doch die Neugier auf die fremde Insel war größer gewesen. Die Strafarbeit, die sie daraufhin hatten erledigen sollen, war es Wert gewesen.
„Auch bekannt, als Moostempel.“, fügte er in einem Bilderbuch-Englisch hinzu und dachte an den Garten, den sie damals hatten sehen können, mit seinen vielen kleinen Mooshügeln. Gern hatte er sie damals berührt, doch der Anstand und die Achtung vor den Heiligtümern hatten ihn inne halten lassen. Nun war der Drang sie zu berühren, längst verloschen. Einzig die herrschende Stille zog ihn noch an. Sich von deinen Gedanken lösend richtete er die Aufmerksamkeit wieder auf den Fremden, von dem er irgendwie hoffte, das es sich bei ihm um keinen Touristen handelte, der nun weitere Informationen haben wollte. Xiao war sich seines Aussehens bewusst. Auch wenn er nicht aussah, wie ein Tempelvorsteher, könnte ein Tourist glauben, er käme von hier und wüsste mehr, weil er Augenscheinlich wie ein Japaner aussah.
Auch würde ein Tempelvorsteher sich wohl anders verhalten. Selbst wenn Xiao nun entspannt war, wirkte, wie ein einfacher Besucher, konnte sich das in einer plötzlichen Gefahrensituation von einer Sekunde au die andere ändern. Sein Leben konnte davon abhängen. Seines und das derjenigen, die er zu schützen hatte. Sein leben lang war ihm dieses Handeln beigebracht worden, kaum, das er hatte stehen können. Die Jahrhundertealte Familiendynastie verlegte es. Elite bis zum Äußersten. Perfektion bis in den Tod. Keine Entschuldigung. Keine Vergebung.
Er richtete sich auf, wartete, bis der Fremde auf normale Distanz zu ihm heran gekommen war und setzte sich in Bewegung, den Kiesweg folgend, der sie zur nächsten Brücke führen würde. Brücke war eigentlich ein recht hoch gegriffener Begriff, wenn man die beiden, dicken Stämme, die auf der Trittfläche begradigt worden waren, um den Tritt zu stabilisieren, bedachte. Und doch waren sie mächtig genug, damit zwei Menschen bequem nebeneinander her gehen konnten.
Kaum merklich wanderten seine Brauen nach oben, als ein Schwall an Bakterien über die Lippen kamen. Xiao wandte sich ein wenig ab, um ihm den Raum zu geben, den er brauchte, jedoch bereit, nach ihm zu packen, sollte er schwanken. Als er sich beruhigt hatte, blicke er zwar Wortlos zu ihm, doch war dieser Blick alles andere, als Gleichgültig. Feine Schweißperlen waren auf der Stirn zu erkennen, was dem Nephilim verriet, das der fremde unter Fieber leiden musste.
Fast schon um, die Gedanken, die ihm eben durch den Kopf schwirrten, zu bestätigen, sackte die Person neben ihn ein wenig ab. Nicht genug, um umzufallen, jedoch ausreichend, um Xiao in sekundenschnelle Handeln zu lassen und nach ihm zu packen. Mit festem Griff schlangen sich seine Finger um dessen Oberarme und verhinderte, das der Europäer mit dem lustigen Akzent in dem Hüfttiefen Wasser baden ging. Wahrscheinlich würde die plötzliche nasse Kälte ihm den Rest geben.
Mit langsamen, sehr langsamen schritten bugsierte der Hunter den Fremden auf sicheren Wegen, bis sie wieder Kies unter sich hatten und er sich auf einen alten Baumstumpf setzen konnte.
Mit musternden Blick stieß er leise die Luft aus. Hier gab es weder Handyempfang, noch eine Seele, die sich bei dem Wetter herum trieb, um ihnen helfen zu können. Daher gab er es schon nach wenigen Blicken auf, irgendjemanden finden zu wollen. Stattdessen streckte er die kühlen Finger aus, legte sie leicht an dessen Stirn, ehe sich der ganze Handrücken gegen die feuchte Hitze schmiegte und leicht dagegen drückte. Viel helfen würde das nicht, doch für den Moment konnte es ein wenig Linderung verschaffen, bis er eine Idee greifen konnte, die sie weiterbrachte.
Weit kam er bei diesem Vorhaben nicht, denn schritte kamen auf sie zu. Schritte, die nicht zu den Menschen passten, die man hier üblicher weise antraf, daher drehte er sich ein wenig von dem Fremden weg, stellte sich schräg vor ihn und harrte aus, bis er die Gestalt sehen konnte, die ihnen Gesellschaft leisten wollte.
Ein weiterer Europäer. Sicherlich kein Zufall, entschied Xiao binnen eines Bruchteils einer Sekunde. Der Ausdruck auf dessen Züge, die eine Mischung aus Freude, Begehrlichkeit und Hass widerspiegelten, ließen ihn sich anspannen.
Abwartend harrte er aus, bereit denjenigen hinter sich zu schützen.

Mairtin Connolly

Wieder erfasste ein Zittern meinen fiebernden Körper. Mir schwindelte. Aber ich versuchte, alles Wichtige zu erfassen. In meinem Kopf verknoteten sich die Gedanken zum Teil. Dennoch nahm ich ihn nicht als aktive Bedrohung. Er schien ebenso wissen zu wollen, was hier passierte oder wer ich war. Wenn mich nicht alles täuschte, checkte er mich ebenso ab. Dann erfuhr ich, dass dies hier tatsächlich ein Tempel war. Ein heiliger Ort demnach. "A mystical place to forget about the world" ((Ein mystischer Ort, um die Welt zu vergessen)) sagte ich leise und wieder waren die ts etwas schwächer betont, o's etwas länger gezogen, typisch irisch eben. Soweit ich wusste, waren die Menschen hier noch sehr ihrer Kultur beziehungsweise dem Glauben verbunden.

Solche Strömungen gab es auch in Irland und Nordirland. Moostempel? Das war seltsam. Es erinnerte mich aus irgendeinem Grund an die Heimat, an die sanften, irischen Hügel, die mit Gras und Moos bewachsen waren. Die neugierigen Blicke bemerkte ich nicht mehr. Das Fieber war zu hoch und mein Gehirn verarbeitete nur noch das Nötigste. Als ich hustend schwankte, bemerkte ich plötzlich einen Griff an meinem Arm.

Geschwächt wie ich war, fehlte mir die Kraft, mich zu widersetzen und es war geradezu einfach, zu bewegen. Auch wenn ich noch immer etwa 83 Kilogramm wog und mit 191 Zentimetern nicht gerade klein war, sodass man mich nicht eben einfach unter den Arm klemmen konnte. Ich pumpte die Luft in die Lungen. Obwohl wir langsam gingen, war es anstrengend, sodass ich immer wieder schwankte und ohne die Unterstützung wäre ich wohl tatsächlich im Wasser gelandet. Irgendwie packte der Fremde mich auf einen Baumstamm. Ich war froh, zu sitzen, ausruhen zu können. Das Keuchen, welches nun aus meinen Lungen kam, zeigte, ich war an meinen Grenzen.

Plötzlich war da eine Hand an meiner Stirn. Ich ließ es zu, zu geschwächt. Doch so nah, wie wir uns nun waren, konnte ich etwas an seinem Hals näher sehen, das mir vorhin nicht aufgefallen war. Das Ding sah im Stil so aus wie die Graffitis, die ich seit etwa zehn Jahren immer mal wieder sah. Dass andere es nicht konnten, wusste ich, und da mein Erzeuger ziemlich schwierig war, hatte ich wohl weißlich die Klappe gehalten, bevor der mich in irgendeine Anstalt steckte. Jetzt aber rutschte mir etwas heraus, "dieses Symbol an Ihrem Hals... ich habe Graffitis dieser Art immer mal wieder gesehen.... Aber was bedeuten sie...? Keine Datenbank des britischen Militärs.... enthält Informationen... dazu..." Ich wusste nicht, ob ich mich getäuscht hatte. Immerhin wäre es auch möglich, dass das Fieber mich täuschte. Erneut durchlief ein Zittern durch meinen Körper.

Dann waren da weitere Schritte, eine Stimme, die mich sofort ängstigte. Ich atmete schneller, kämpfte mich zurück auf die Beine. Sitzend könnte er mich leichter einfangen, erneut entführen oder so etwas. Ich musste kämpfen. Irgendwie. Auch wenn meine Chancen nicht gut standen. Der Fremde schob sich zwischen mir und Nelson, der den kleineren Mann. Er schnaubte. Keine ernsthafte Bedrohung.

Die kalte, schneidende Stimme ließ mich noch einmal beben. "Du kleine verdammte Kanalratte bist mir abgehauen. Das wirst du büßen, egal was die Order ist... DAS wirst du büßen."

Ich ahnte, dass er mich noch einmal vergewaltigen wollte. In meinem jetzigen Zustand könnte ich es kaum verhindern, genau wie damals. Nur ob ich es dieses Mal überleben würde, wusste ich nicht. Und das lag nicht nur an der angedrohten Brutalität, sondern auch an der Tatsache, dass ich krank war.

"Aus dem Weg, kleiner Mann" blaffte er Xiao an, "oder willst Du sterben? Ich erledige nur meine Aufgabe. Der da tut es nicht."

Und er zog eine Pistole. Eine 45er. Unauffällig. Die Dinger waren, soweit ich wusste, eigentlich in diesem Land verboten. Er entsicherte, "also...? Ich will das eigentlich unauffällig erledigen."

Ich knurrte leise. "Mach Dich vom Acker, Du bist eine Schande für diesen Ort denke ich und eine Beleidigung."
Ich stellte mich fester auf den Boden, versuchte Sicherheit zu zeigen und mich stärker zu zeigen, als ich mich fühlte. Dabei verlangsamte ich die Atmung, damit ich nicht verriet, wie schlecht es eigentlich um mich stand. In dieser Sache agierte ich wie ein Pferd, das seine Schwäche versteckte angesichts eines Raubtiers. Und Nelson war ein Raubtier.

Nelson knurrte, "ein paar Manieren vergessen, was?" Er schoss, rutschte aber aus und verfehlte Xiao. Die Kugel streifte stattdessen mich. Den Schmerz ignorierte ich aber. Das kannte ich zur Genüge aus dem Einsatz. Dort hatte ich schon Schlimmeres erlebt. Er legte wieder an, zielte dieses mal hoffentlich besser...
Xiao, noch am überlegen, was er tun konnte, damit sich die Station seines Gegenüber verbesserte, blickte mit einem leichten Stirnrunzeln auf ihn herab. Graffiti? Was dieses Wort bedeutete, wusste er, doch wie kam er auf die Runen an seinem Hals? Warum konnte er sie sehen? Fragen, auf die er so abtupft, wie sie kamen, keine Antworten wusste, obwohl es offensichtlich schien. Sie lagen ihm auf der Zunge, doch konnte er sie nicht aussprechen, als würde etwas verhindern den Befehl von Kopf zu Lippen, weiter zu leiten. Es musste auf später verschoben werden, wenn die Situation geklärt war und sie sich besten falls im Warmen befanden. Vorerst musste er es im Hinterkopf behalten.
„Später....“, murmelte er die Antwort, die wohl alles andere, als zufriedenstellend war, doch der Zustand des Fremden ließen nun keine tiefgründigen und komplizierten Gespräche zu. Hoffentlich verstand er dies und fragte nun nicht weiter. Die Information über das Militär, speicherte er ebenso ab, obwohl es einiges am Verhalten erklärte.
Aber das musste warten. Jemand Neues kam zu ihnen und er machte nicht dein Eindruck, als wolle er gleich wieder abziehen.
Fast hätte er über das 'klein' geschmunzelt. Ihn mit seinen 1,80 als 'klein' zu bezeichnen, war frech, aber er stand über solchen Kleinigkeiten. Manche brauchten es für ihr Ego, andere herab zu würdigen. Emotionalität brachte das innere Gleichgewicht durcheinander und dieses wiederum hinderte objektives Handeln. Emotionen führen zu Fehlern und die durfte man sich bei einem täglichen Kampf ums überleben nicht leisten. Lieber analysierte er den Neuankömmling, wobei ihm die Waffe, die dieser zog, nicht entging. Für andere nicht Merkbar, verlagerte Xiao das Gewicht, die Kugel würde ihn nicht treffen, wenn der Schütze den Winkel bei behielt.
Während die beiden Europäer sich noch ein kleines Wortgefecht lieferten, lauerte der Chinese, wartete ab, bereit zum handeln. Seine Sinne waren auf die Waffe gerichtet. Nichts entging ihm von der Körperhaltung. Die Waffe war ein Ärgernis, jedoch keines, das er nicht überwinden konnte.
Als er Schuss fiel, setzte er nach vorn, schlug ihm mit der Handkante auf das Handgelenk, sodass es vernehmlich knirschte. Die Waffe flog im Bogen in den unweiten Tümpel hinein und verschwand mit einem dumpfen 'plopp'. Der Kerl, der vielleicht über seinen Verlust gejammert hatte, griff sich das Handgelenk und ging heulend in die Knie.
Xiao trat auf ihn zu.
„Man sollte nicht von Manieren sprechen, wenn man selbst keine besitzt.“, meinte er ruhig in klarem Englisch und ging elegant in die Knie, um mit dem Schützen auf gleicher Höhe zu sein. Teilnahmslos stieß er ihn um und blickte ihn an, ehe er sich wieder erhob, ihn sicherte und zeitgleich um weitere Waffen entledigte. Allesamt landeten sie im Wasser. Schade drum, doch die Algen würden sie verstecken, der Schlamm am Grund sie verschlucken.
Der Chinese war kein Freund von unnötiger Gewalt und doch schnappte er sich auch das Handy und ließ es den anderen Sachen folgen. Wer es hier her geschafft hatte, würde es auch zu Fuß zurück schaffen. Was sich auch immer zwischen den Europäern abgespielt hatte, interessierte ihn nicht, was er jedoch nicht brauchte, war ein Schuss in den Rücken.
Anschließend wandte er sich von dem fluchenden Kerl ab, der sich auch schon wieder auf die Beine kämpfte. Der Hass in dessen Blick ließ Xiao innehalten, bereit, erneut zu zuschlagen, sollte der Kerl auf dumme Gedanken kommen. Gelassen begegnete er dessen Blick. Er hatte schon mit Wesen zu tun gehabt, die konnte sich der Kerl nicht mal in seinen wildesten träumen vorstellen, dennoch unterschätzte er ihn nicht.
„Sie sollten Ihrer Wege gehen und ihn in Ruhe lassen.“, schlug er in einem freundlichen Ton vor und verzichtete auf unnötige Drohungen. Er war nicht hier, um den Platz zu markieren, das überließ er anderen. Wer nun glaubte, er hätte den Engländer mit dem lustigen Akzent vergessen, der irrte. Xiao war sich dessen durchaus bewusst, eben so dessen Zustand, der mit jeder verstreichenden Minute kritischer wurde. Gut, das er mit dem Auto hier war.... Ehe sie diesen Ort jedoch verlassen konnten, mussten sie den möglichen Verfolger los werden.

Mairtin Connolly

Irgendetwas stimmte hier nicht. Ganz und gar nicht. Das hätte ich kaum geglaubt, ausgerechnet heute, der Lösung zu den komischen Graffitis oder Symbolen, die ich seit gut zehn Jahren sah, eine Lösung zu finden. Und ich dachte, dass ich noch bescheuert wäre. Ich versuchte eine logische Erklärung zusammenzupuzzeln, aber mein fiebriges Hirn wollte nichts Sinnvolles produzieren. Da gab es nichts, oder? Doch als Nelson hier war, hatten wir andere Sorgen.

Nelson war selbst über zwei Meter groß und ein wahrer Koloss, gegen den ein Kampf selbst für mich mit vollem Gewicht und bei bester Gesundheit nicht gerade ein Spaziergang. Dennoch schaffte es der kleinste in dieser Runde das Handgelenk des Mannes mit einem gezielten Schlag zu brechen. Nicht schlecht. So richtig bekam ich das Kampfgeschehen nicht mit, denn ich schwankte wieder und merkte kaum, wie sich mein Arsch wieder auf den Baumstamm sinken ließ. Ich konnte einfach nicht mehr Widerstand leisten, oder gar kämpfen. Dafür fehlte mir die Kraft, meine Muskeln hatten nicht die Kraft, mich zu tragen. Oder einen direkten Angriff starten. Das lag einfach nicht im Bereich meiner Möglichkeiten. Mit über deutlich 40 Grad Fieber war das wohl kein Wunder. Herumlaufen sollte ich wirklich nicht, eher in ein Bett. Es war ein pures Wunder, dass ich überhaupt, bis hier hergekommen war.

Nelson, alles andere als erfreut über die Tatsache, dass ihm seine geliebten Waffen abhandenkamen, stürmte vor, um den kleineren zu rammen, glitt aber wieder aus, und landete dann schließlich zu meiner Freude mitten im Tempel. Mit Arsch voran ragte er aus dem Wasser und ein Frosch thronte darauf, samt einer Seerose. Oh das sah sowas von bescheuert wie witzig aus. Er stand wieder auf, warf dem kleinen Chinesen einen drohenden Blick zu, stieg wieder aus dem Wasser und setzte zu einem Angriff mit voller Kraft an, also er donnerte mit der Energie einer menschlichen Dampframme los. Wer ihm den Rücken zuwandte, war er einfach nur dumm, oder?

"Sie haben ja keine Ahnung...." Er wollte etwas sagen, aber ich fuhr dazwischen und keuchte "verpiss dich aus meinem Leben."

Nelson verfehlte den Chinesen noch einmal. Vielleicht lag es am Jetlag. Oder aber daran, dass er am Abend zuvor auch zu viel Alkohol getrunken hatte. Und das hatte mir bei der Flucht auch geholfen. Doch egal... Ich verlor gerade endgültig das Bewusstsein und kippte von dem Baumstamm....
Xiao beobachtete den Kerl gut genug, um zu wissen, wann und wie er ausweichen musste, damit dieser in s Leere lief. Beim ersten mal lief er geradewegs ins Wasser hinein, das durch den unwillkommenen Besucher vollkommen durcheinander geriet. Die Sekunden, die er brauchte, um sich aus dem Tümpel zu befreien, nutzte der Shadowhunter, um zu dem lustigen Engländer zu gelangen. Dieser sah mit jeder Minute, die verstrich, schlimmer aus. Nun brauchte es nicht mal mehr eine Hand, um die Temperatur zu überprüfen, dessen Zustand sprach für sich. Doch weiter beschäftigen, konnte er sich damit nicht, denn die Dummheit des anderen, sprach für sich.
Blind vor Wut, wie dieser vor stürmte, würde es ausreichen, ihm ein Bein zu stellen. Viel Raffinesse brauchte man in dessen Vorgehen nicht mehr, daher machte Xiao sich auch nicht die Mühe irgendwie auf ihn zu reagieren, sondern machte im letzten Moment einen schritt zur Seite und ließ den Kerl weiter stürmen. Natürlich kam es, wie es kommen musste und er stolpere, fiel in einen Busch und kullerte erneut in den Tümpel, der sich dahinter verbarg. Nur aus diesem würde er o schnell nicht entkommen, denn er Schlick war einfach zu tief.
Nun war der Moment den Kerl links liegen zu lassen, sich den anderen zu schnappen und ihn den weg zurück zu bringen, den sie gekommen waren. Kein leichtes Unterfangen, jedoch machbar. Wozu hatte man so viele Runen, wenn man sie nicht nutzen konnte? Das Gewicht, welches Xiao trug halbierte sich zwar nicht, aber es wurde erträglicher, sodass er ihn mit einer guten Portion Geduld zum Auto bringen und ihn auf den Beifahrersitz festschnallen konnte.
„Tja, was mach ich nun mit dir...?“, überlegte er leise auf chinesisch. „In eine Klinik kann ich dich nicht bringen, da würde der Kerl sicher auftauchen...“ Ihm kam der Gedanke an das Institut, wo die schweigenden Brüder sich um ihn kümmern konnten. Das dieser Kerl, von dem er nicht mal den Namen wusste, die Runen sehen konnte, sprach für sich... Dazu kam der Streifschuss, der einige fragen aufwerfen würde. Eine Schusswaffe hatte Xiao nicht bei sich, dafür andere Waffen. Würde der verdacht des Täters auf ihn fallen, würde es niemanden verborgen bleiben, wenn er ihn einfach in einer Klinik ablieferte und dann verschwand. Des Weiteren würde es weitere Fragen geben, wenn man Waffen bei ihm fand. Die Lösung schien also nahe..
Xiao drehte den Schlüssel und fasste einen Entschluss. Das Institut wäre die beste Anlaufstelle. Dort wäre er auch vor dem Zugriff anderer vorerst sicher, bis er wieder wach war und eigene Entscheidungen treffen konnte. Sollte der Kerl schlau genug sein, würde er die zeit und die Gelegenheit dort nutzen, um zur Ruhe zu kommen und die nächsten Schritte zu überlegen. Doch das sollte Xiao nicht mehr interessieren. Rechenschaft war er ihm trotz allem, was er für ihn getan hatte, nicht schuldig.
Xiao parkte das Auto in der Tiefgarage des Instituts, welches nur diejenigen sehen konnten, die die Gabe dazu hatten. Für jeden normalen Menschen war es nur eine Ruine eines alten Schreins, doch für sie versteckte sich hier ein mehrstöckiges Gebäude samt einiger unterer Etagen.
Nachdem das Auto an seinem Platz stand, schnappte er sich den englischen Riesen und brachte ihn auf die Krankenstation, wo es zwar ebenso einige Fragen zu beantworten gab, denen er sich aber ohne Probleme stellen konnte. Schnell war die Situation dargelegt, das, was passiert war und eine kurze Einschätzung zum Zustand des Patienten.
Nachdem man ihm den Mann, dessen Namen er nicht wusste, abgenommen hatte, machte er sich zunächst auf den weg in sein eigenes Zimmer, wo er sich erst mal umzog. Das Blut, welches an ihm haftete, musste zudem abgewaschen werden. Anschließend ging er in sein Büro. Sollte der Fremde zu sich kommen, würde man ihm als rechte Hand der Leitung Bescheid geben, so oder so.