Wind Beyond Shadows

Normale Version: Ausgebüchst? Moment wo ist die Leine!
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Mairtin Connolly

Die vergangenen Tage waren verdammt anstrengend gewesen. Sehr anstrengend. Seit drei Tagen war ich endlich fieberfrei. Dafür waren auch einige ordentliche Hammertabletten nötig gewesen. Antibiotika, Ibuprofen und Paracetamol in verdammt hohen Dosen waren dafür kombiniert und ich damit vollgepumpt worden. Nicht grade toll, aber nötig gewesen. Ich war an manchen Tagen zu schwach gewesen, auch nur die Tabletten oder Säfte zu schlucken, sodass man Spritzen wählte. Die hasste ich zwar auch, aber anderes war mit mir nicht möglich. Ich hatte mich vehement zur Wehr gesetzt, als sie mir einmal versucht hatten, etwas anderes zu geben, weil es eigentlich mehr Wirkstoff in meinen Körper gegeben hätte. Aber ich hatte zu getreten und dann unter dem Bett verkrochen.

Sie hatten Stunden gebraucht, um mich da wieder hervorzulocken. Die Anstrengung schlug sich anschließend in einem Schlaf von gut 20 Stunden nieder. Nun jedoch war ich der meiner Meinung, dass ich gesund genug für etwas Bewegung wäre. Immerhin war ich auch den Husten los. Ätherische Öle und Inhalationen sowie Hustenlöser hatten den zähen Schleim aus den Lungen geholt, die damit praktisch tapeziert gewesen waren. Teilweise hatte ich nach dem Essen oder etwas längeren Sitzen oder dem Gang zum Klo gepumpt wie früher nach einem Sprint mit vollem Speed und schwerer Ausrüstung auf dem Rücken, während ich in einer Schlacht steckte. Uff. Meine Lungen hatten hier Zeit gebraucht, um abzuheilen. Aber sie waren nun endlich frei. So richtig frei.

Ich spürte allerdings noch Verspannungen sowie Blockaden. Die Spuren der drei jahre körperlicher wie psychischer Folter ließen sich nicht so schnell beseitigen. Und was mir fehlte, war Appetit. Durch die Krankheit hatte ich noch einmal an Gewicht verloren und ich brachte jetzt 80,8 Kilogramm auf die Waage. Das waren fast 13 Kilogramm weniger als zu meinen Soldatenzeiten. Grund genug, dass überlegt wurde, mir Appetitanreger zu geben, denn ich konnte meinen Hunger und die Bedürfnisse nicht immer richtig wahrnehmen. Das würde zu einer weiteren Gewichtsreduktion führen. Alles Zeichen des ganzen Stresses und des psychischen Drucks. Ich litt obendrauf unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Es gab Geräusche oder Gerüche, die mich vollkommen paralysierten und Panikattacken auslösten. Dazu gehörten Flugzeuge und Hubschrauber oder auch Trucks und alles was sich ähnlich anhört. Es manifestierte sich auch in Alpträumen, die mehrfach die Nacht auftraten, sodass ich nur wenig schlafen wollte, sobald ich fitter wurde.

Sollte meine Militärakte inzwischen geknackt worden sein, wären das Gewicht sowie die Leistungsdaten bekannt und die Tatsache, dass ich mich aufgrund letzterer eigentlich auch als Elitesoldat empfahl, bekannt. Doch es war meine Zwiebelallergie, die das verhinderte und das stand in der Begründung für die Ablehnung. Allergien konnten sich über Jahre hinweg aufbauen. Daher war ein Allergietest auch regelmäßig zu machen. Sollte ich mit meinen ohnehin vorbelasteten Lungen eine weitere Allergie entwickeln, wäre es wichtig schnell zu wissen. Als ich die erste Mahlzeit hier gegessen hatte, war ich noch so fiebrig, platt und fertig gewesen, dass ich kaum an die Allergie gedacht hatte. Zum Glück war die Hilfe gekommen, bevor die Atemnot richtig loslegte und es war nur beim Husten geblieben. In meiner Vergangenheit allerdings war ich auch schon beinah erstickt. Die Heftigkeit bedingte meine Ablehnung für die SAS.

Nun war ich ungeduldig geworden. Der Soldat in mir erwachte immer mehr, der Teil von mir, der sich langweilte und wissen wollte, wo ich war, wurde aktiv. Ich stand auf, zog diese elende Krankenhauskleidung aus. Es war ein Hemdchen, das mir nur knapp über den Hintern reichte und man sah den Ansatz der Hinterbacken. Kurz um, das Ding war zu kurz vor mich. Zum Glück bewahrte mich eine schwarze Unterhose vor noch tieferen Peinlichkeiten. Ich trug nun ein Hemd und einen dickeren, schwarzen Pullover. Seit gestern zeigte sich, dass ich schneller fror, auch typisch für meinen Zustand. Warme Kleidung war essentiell, denn mein Immunsystem war noch so kaputt, dass ich mir schnell was Neues einfangen konnte. Wärme war auch wichtig, da mir noch immer Blut beziehungsweise rote Blutkörperchen fehlten.

Das war eine Folge der Blutarmut, die durch den versuchten Selbstmordversuch kamen. Zwar war ich davor jetzt sicher, denn ich war ja frei und der Grund, mir das Leben zu nehmen - die Entführung und die Folter - waren weg. Inzwischen waren auch die Verbände weg und die neuen Narben darunter wurden sichtbar, nicht zu übersehen, gerötet. Ich schämte mich dafür. Denn als Soldat war man den toten Kameraden schuldig, am Leben zu bleiben, denn sie hätten gerne noch gelebt. Meine Tat war ein Frevel! Böse! Übel! Scheiße! Aber dadurch wurde nur deutlich, wie schlimm diese Folter unter meinem Vater und Nelson sowie dieses 'Leben' gewesen sein mussten. Dafür machte ich mich grade selbst fertig und ich rieb oder kratzte mir immer wieder darüber. Diese Handlung war nicht nur Ausdruck der Scham, sondern auch eine Übersprungshandlung.

Ich ahnte ja nicht, dass ich hier theoretisch genauso hingehörte, wie die anderen. Noch die anderen. Es war unbekannt, ob meine Akte aufgetaucht war. Aber falls ja, wären nicht nur meine Leistungsdaten aufgetaucht, sondern auch mein Rang (Lance Coroporal), Einheit, Einsätze, Position (Scharfschütze - der beste des Lagers, kein kleines Lager), Dienstnummer, Alter, Geburtsdatum und eine längere Liste an Vergehen. Ich war ein Spaßvogel. So hatte ich beispielsweise während der Grundausbildung einen ganzen Gang mit Gleitgel ausgestattet, die Tür eines Vorgesetzten in Rosa getaucht. Und einen ziemlich dreisten frechen Reim über einen Vorgesetzten gedichtet, der mir im Gegenzug einen Knebel verpasst und zwei Trainingsrunden extra gehen ließ. Dass besagter Knebel erst am nächsten Morgen wieder rauskam, stand ebenso in der Akte. Kurz um, da war eine gewaltige Diskrepanz zwischen dem Lance Corporal, einem der Unteroffiziere und Truppenführer der Britischen Armee, und dem Mann, der hier angekommen war, der mehr an ein verschrecktes Reh als alles andere erinnerte.

Und was ich nun trieb, nachdem ich angezogen war? Mir ansehen, wo ich hier war. Ich öffnete die Tür und ging stiften. Die beiden Wachhunde waren mir nicht entgangen, aber als Soldat wusste ich, wie ich die loswerden konnte. Doch mir gereichte die nicht zureichende Ortskenntnis sowie die Tatsache, dass ich nicht fit genug war, mir Kraft, Ausdauer und Schnelligkeit fehlten, nicht zum Vorteil. Ich wollte mich nicht anfassen lassen, zeigte mich angriffsbereit, wenn ich musste. Das dumme war nur, mit der Blutarmut war ich eh geschwächt. Ich sah noch immer ziemlich blass aus. Die Wachen packten, um mich zu eskortierten. Das ging mir ziemlich auf den Piss. Indem ich mich immer wieder dagegen stemmte, verlieh ich meiner Meinung Ausdruck. Das dumme war nur, noch war ich nicht stark oder ausdauernd genug, mich ernsthaft zur Wehr zu setzen... Und obendrein hatte ich noch einige Blockaden im Rücken. Kurz um ich bewegte mich schlichtweg scheiße. Und das seit längerem. Das bedeutete auch, wer wollte konnte mich dazu bringen mich zu bewegen.
Es waren wirklich anstrengende Tage gewesen, die er hinter sich hatte. Xiao, der eigentlich weitestgehend vom aktiven Dienst zurück getreten war, hatte es nicht vermeiden können, das auch er ausrücken musste. Der Kampf hatte gegen den Dämonen hatte auf dem Gelände zwischen Schule und Institut stattgefunden. Ein paar Schüler der höheren Magieklasse wollten Schüler der niederen Klassen beeindrucken und haben einen Dämon aus einer anderen Dimension angelockt. Dieser, der leichte Beute witterte, ließ sich die Einladung nicht entgehen. Alarmglocken hatten geschrillt, ein anderer Ton, als der, wenn jemand unerlaubt zutritt wollte, was Xiao hellhörig werden ließ. Würde jemand hier herein wollen, würden die Wachen zugreifen und sich der Sache annehmen, wenn aber magische Aktivitäten außerhalb der erlaubten Bereiche aufkamen, machte es jeden Anwesenden hellhörig. So auch ihn.
Er wusste, das er sich auf seine Leute verlassen konnte, das, was auch immer passierte, beseitigt werden würde, kam aber ein solcher Alarm, wurde jede Hand gebraucht. Auf schnellsten weg war er zur Stelle, versperrte mit anderen den Weg, sodass der Dämon nicht ausbüchsen konnte. Recht schnell war dieser dann vernichtet und die betreffenden Schüler zu ihm zitiert worden.
In seinem Büro angekommen, hatten sie Rede und Antwort stehen müssen, um dann ihre Strafe zu erhalten. Einen Aufsatz über das leichtfertige verwenden von Magie war noch die leichteste Sache des ganzen. Einen Monat Stallarbeit und Küchendienst komplettierten die Strafe, die noch immer viel zu gering ausgefallen war. Daher verlangte der Stellvertretende Leiter einen zweiten Aufsatz am Ende der Strafe und würde dann entscheiden, ob sie ihre Lektion gelernt hatten.
Ihrer aller Leben wurde leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Auch wenn es nur ein niedriger Dämon war, hätte mehr passieren konnten. In Anbetracht der jüngsten Ereignisse, als das Institut vor kurzer fast vernichtet wurde, verstand hier niemand diesen Spaß. Viel mehr konnte er leider nicht machen, da es nicht in seine Zuständigkeit fiel. Um den Rest musste Magnus sich kümmern.
Als dann alle Berichte gelesen und von seinem jungen Gehilfen weg sortiert worden waren, entließ er den Jungen und nahm sich die Akte Mairtins vor, der kleiner Fortschritte machte, als erwartet. Die Medikamente schlugen zwar an, dennoch gab es hier und dort ungewollte Eskapaden. Seien es Albträume, unruhige Nächte, sodass er veranlasst hatte, Wachen vor dessen Tür zu positionieren. Niemand würde an diesen vorbei kommen. Er war kein Gefangener, aber der Gedanke, das Schüler einen Dämon angerufen hatten und ein Mairtin, der durch die Gänge geisterte, gefiel ihm nicht. Zu labil war der ehemalige Soldat, als der er jetzt schon auf Dämonen treffen sollte. Zu erfahren, das sie der Wahrheit entsprachen, war eine Sache. Auf einen zu treffen, eine ganz andere.
Die Wachen waren also zum Schutz da, nicht, um ihn einzusperren, wie man annehmen könnte. Aber auch so war es ihm lieber.
Wieder in der Akte vertieft, studierte er die Vergangenheit des Patienten. Manche Sachen, die er schon vermutete, wurden bestätigt, andere überraschten ein wenig, aber alles in allem stimmte das Bild mit dem überein, welches er sich schon gemacht hatte. Der Bericht der stillen Brüder deckte das ganze ab, sodass sich ein komplettes Bild zusammen setzte. Hier und dort fehlte vielleicht noch ein Steinchen, aber das sollte die zeit zeigen, dessen war er sich sicher. An manchen Stellen musste Xiao sogar ein wenig schmunzeln, als er die kleinen Abenteuer las, die Mairtin sich geleistet hatte.
Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, das der Tag schon wieder viel zu lang geworden war, so stattete er dem Krankenflügel einen kurzen Besuch ab, um sich ein kleines Update zu geben, ehe er sich auf das eigene Zimmer zurück zog.
Die Wachen ließen sich nicht so leicht abschütteln, immerhin handelte es sich hier um ihr Hauptquartier. Sie hefteten sich an die Versen des Flüchtenden und fingen ihn mühelos wieder ein. Notfalls auch mit Gewalt, wogegen keiner etwas entgegen zu setzen hatte, wer nicht aus ihren reihen stammte. Seit Kindesbeinen dazu erzogen, zu schützen und zu verteidigen, war Mairtin schnell wieder eingefangen und zum Büro des Stellvertreters gebracht.
Xiao, der gerade vom Training kam, warf einen Blick zur Uhr. Sein Dienst hatte noch nicht begonnen, aber das hinderte ihn nicht, hellhörig zu werden. Er rieb sich das Gesicht mit einem Handtuch ab und wandte sich zur Tür.
Verwundert sah er das Trio an, als er plötzlich in seinem Büro stand. Er nickte den beiden Wächtern zu und bedeutete ihnen, Mairtin auf dem großen Sofa abzuladen.
„Ihr könnt erst mal gehen.“, sagte er ihnen, bedeutete ihn aber mit einem ihrer typischen Zeichen, vor der Tür zu bleiben. Als die Tür geschlossen war, verschränkte er die Arme vor der Brust, den abwartenden Blick auf Mairtin gerichtet. „Was verschafft mir die Ehre?“

Mairtin Connolly

Was in der vergangenen Nacht das Institut der Shadowhunter in Atem gehalten hatte, wusste ich nicht. Ich hatte keinerlei Ahnung, wo ich hier eigentlich war, in welche Welt ich geraten war und noch weniger, dass ich von meiner Geburt her eigentlich dazu gehörte. Wie auch? Mir war ja nicht einmal bekannt, dass der Mann, der meine Entführung veranlasste, in Wahrheit nicht mein biologischer Vater war. Ich war über meine biologischen Eltern Teil dieser Welt und meine Mutter war einst verbannt sowie entrunt worden. Dabei war sie schon schwanger gewesen, wovon jedoch noch keiner etwas geahnt hatte zu dem Zeitpunkt. Andernfalls hätte man die Kinder gewiss anders untergebracht. Ich hatte keine Ahnung, was in der letzten Nacht los gewesen war. Zu intensiv waren meine Alpträume gewesen. Vielleicht hatte sich etwas Lärm in mein Unterbewusstsein geschlichen und sich mit dem Geschehen in meinem Köpfchen vermischt. Aufgewacht war ich allerdings nicht, irgendwann hatten mich die Schlafmittel praktisch umgehauen wie einen Brauereigaul. Hätte ich schon früher von den Wachen vor meiner Tür gewusst, wäre mir das unendlich peinlich gewesen.

Aber angesichts des Ortes hier und meiner ausgewachsenen PTBS – die bisher noch nicht zu diagnostiziert zu sein schien – war es nötig, zumal ich auch schlafwandelte. Letzteres wusste ich nicht. Und dass ich dabei gälisch sprach, machte es nicht einfacher, denn diese Sprache beherrschte hier wohl kaum jemand. Es wäre leichter gewesen, wenn ich englisch nutzen würde oder wenigstens das Spanische. Da standen die Chancen etwas höher, das es irgendwen gab, der mich verstand. Aber gälisch? Das irische auch noch? Ups. Eher tanzte hier ein rosafarbener, glitzernder Hirsch und tauchte alle in eine Zehnjahre anhaltende, durchgehende Weihnachtsstimmung, bei der alle rosa Wolken furzten. Die Wahrscheinlichkeit für so ein Fabelwesen standen verdammt gering. Wie sie mich nach dem ersten Umherwandern wieder ins Bett bekommen hatten, wusste ich genauso wenig – tatsächlich hatte ich alles verschlafen und konnte mich an kein bisschen am nächsten Morgen erinnern. Diese Wachen hatte ich nun die zweite Nacht gehabt. Dass die Wachen zu meinem Schutz waren – gleich in mehrfacher Hinsicht – wusste ich natürlich nicht.

Dass Xiao an meine Militärakte gelangt war, sprach für ein paar fähige Hacker – oder andere Quellen der Kraft, wie beispielsweise Magie, über deren Existenz ich aber nichts wusste. Doch die Akten der britischen Armee waren eigentlich ziemlich gut gesichert. Der Lance Corporal Mairtin Connolly galt seit drei Jahren als in Afghanistan verschollen, eventuell ein Entführungsopfer der Taliban? Nein, das war es nicht. Es waren ein Mann aus meinem Team gewesen sowie ein Ex-Kamerad, die die Tat ausgeführt hatten. Der Kamerad hatte rangmäßig unter mir gestanden. Dass ich nun in einem solchen katastrophalen mentalen Zustand war bereitete nur noch mehr sorgen denn als Scharfschütze war ich eigentlich mental enorm stabil und aus einem solchen erfahrenen Soldaten ein solches zitterndes total verängstigtes Bündel zu machen erforderte verdammt viel Gewalt.

Ich merkte schon, dass es nicht so einfach war, die Wachen abzuschütteln und schlichtweg fehlte mir dann die Ausdauer sowie die Kraft und die Schnelligkeit. Und meine Güte ging es mir auf den Piss, dass der eine Typ mich einfach hochnahm, um mich wegzutragen. Ich wusste, es wäre nicht gerade einfach gewesen, selbst wenn ich in bester Form gewesen wäre. Aber möglich. Doch trotz meiner Größe, Kraft und Nahkampffähigkeiten, die nicht zu verachten waren, war ich in erster Linie Scharfschütze gewesen. Damit waren Tarnen, Geduld, Zielen, schnelles Reaktionsvermögen noch wichtiger. Jetzt, mit Blutarmut, Lungen, die gerade erst wieder in Ordnung gekommen waren, war das kaum möglich. Ich war nicht auf so einen nahen Kontakt vorbereitet gewesen, sodass sich mein Körper verängstigt anspannte. Ich versuchte, einen Tritt zu platzieren, aber es klappte nicht, zu langsam. Der Mann sagte etwas, das ich aber nicht verstand, wahrscheinlich japanisch oder chinesisch. Oder koreanisch oder vietnamesisch. Das konnte ich kaum unterscheiden. Für mich hörte sich das so ähnlich an, wie andere das Gälische nicht zu unterscheiden vermochten in die Klangfarben Irlands sowie Schottlands. Heilige Scheiße, selbst in Irland gab es wiederum verschiedene Dialekte.

Und um den Mist perfekt zu machen – entweder er konnte kein Englisch oder war zu arrogant dazu. Das Dumme war nur, es ging derart viele Treppen rauf, runter und keine Ahnung wo lang, dass ich wusste, diese Anzahl der Treppen hätte mich keuchen lassen. Schon nach dem ersten oder zweiten Treppenabsatz, um genau zu sein. Warum? Das war eine Folge der Blutarmut. Aktuell hatte ich einen Hämoglobinwert von 7,5 und eigentlich wäre 12 bis 16 normal. Als die Blutarmut diagnostiziert wurde, lag der Wert bei 5,8. Meine Akte zeigte den Wert 15. Ergo, es wären vorerst noch einige Tabletten sowie Immunkuren und dergleichen nötig, bis ich wieder vollständig hergestellt war. Und das würde dauern. Insofern hatte es auch sein Gutes, dass ich getragen wurde, auch wenn es mir so richtig auf den Piss ging.

Wir kamen in ein leeres Büro, in dessen Tür kurz darauf Xiao erschien, welcher den Männern bedeutete zu gehen. Ich wurde daraufhin auf dem Sofa abgeladen wie ein Sack Kartoffeln – ein 80 Kilogramm schwerer Sack Kartoffeln. Xiao sah mich abwartend an und stellte dann eine humoristische Frage, die mich unwillkürlich doch ein wenig zum Grinsen brachte. „Hallo Xiao“ wow ich erinnerte mich tatsächlich an den Namen. „Was das war? Ein Spaziergang und plötzlich wurde ich unfreiwillig geschultert wie ein Sack Kartoffeln“ schlug ich vor und setzte hinzu „den Teppich zum Einrollen hab ich aber wohl vergessen.“
Xiao hob die Braue bei der Antwort, die er bekam, die er so nicht erwartet hatte. Den Teppich könnte er ihm besorgen, jedoch behielt er den Gedanken für sich, als er sich mit einem leisen Seufzen vom Tisch abstieß, um eben diesen herum zu gehen und sich auf seinen Bürostuhl zu setzen.
„Ich hätte dir sagen können, das Wachen vor deiner Tür stehen.“, deutete er an, fand aber, das sich die passende Gelegenheit nicht ergeben hatte. Dessen Zustand hatte für sich gesprochen, abgesehen davon, hatte es andere Dinge gegeben, die wesentlich wichtiger waren Wäre er nicht ausgekommen, hätte er es wohl nicht erfahren, was die Information überflüssig machte.
„Wie geht es dir?“ Sein Blick richtete sich kurz auf ihn, ehe er die wichtigsten Schreiben und Blätter zusammen schob, sortierte und in die verschiedenen Schubladen deponierte. Dabei war auch dessen Akte, die er sich später noch mal eingehender ansehen wollte, ebenso, was man sonst noch über ihn gefunden hatte. Alles, was mal irgendwie über Mairtin veröffentlicht wurde, war zusammen getragen werden, dessen letzte Wohnorte, sogar Arbeitsstellen, jede Station seiner Einsätze, Krankheiten, alles was irgendwann, irgendwie dokumentiert wurde. Selbst Röntgenbilder waren darunter, sowie Krankheitsakten. Dennoch hatte man noch einen Allergietest mit ihm gemacht, um alles auf den neusten Stand zu bekommen. Als alles verstaut war, schloss er die Schubladen ab.
Xiao goss sich u Mairtin Tee in die zwei verzierten Schalen, welche auf einem kleinen Tablett auf der ecke des Tisches stand. Mit den schalen in der Hand kam er zu ihm, reichte ihm eine und setzte sich auf die Lehne und richtete seinen Blick auf ihn.
„Also, was führt dich zu mir? Bist du ausgebrochen oder wolltest du her?“ Selbst tippte er auf ersteres, andernfalls hätte man ihn nicht hier her geführt. Nicht auf diese Weise. Jeder hier hatte seine Anweisungen und handelte entsprechend, daher sagte ihm die Art, wie sie ihn eingekesselt hatten, genug. Wäre er aus eigenem Willen hier her gekommen, hätten die Wachen ihn nicht aufs Sofa bugsiert, wie ein nasser Sack Reis.

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Hätte gern noch mehr geschrieben, aber es gab leider nicht genug Angriffsfläche :/

Mairtin Connolly

Als Lance Corporal, eine Art der Unteroffiziere, hatte ich in der Britischen Armee immer wieder drei bis vier Privatiers, junge Soldaten, frisch aus der Grundausbildung, angeführt oder mich auch um das Wohlergehen meiner Teamkameraden gekümmert, ihnen zugehört und auch Sicherheitsaufgaben übernommen. Auch das Anleiten jüngerer Lance Corporals war mir übertragen worden. Ich war als Scharfschütze auch für die Sicherung meines Teams zuständig, eine essenzielle, bedeutsame Aufgabe mit großer Tragweite, gerade wenn es gegen eine größere Anzahl an Feinden ging. Als Scharfschütze musste man manchmal über viele Stunden hinweg still liegen, beobachten und ausharren, trotz Kälte, Hunger, Nässe, Hitze oder Dehydrierung. Lange pinkeln oder gar anderes kam auch nicht infrage und manchmal hieß es kraft im schließmuskel zu haben oder aber laufen lassen, aber nicht die Deckung aufgeben. Laufen lassen war je nach witterung und wind auch keine gute idee, denn Tarnung war das oberste Gebot und mit unter überlebenswichtig, wenn es darum ging, den Kameraden den Arsch zu retten. Und ja ich hatte gesehen wie ein Mann beim scheißen erschossen wurde. Zwei Kugeln. Die eine hatte ihn kastriert die andere ein riesiges Loch in die Brust gepustet. Man musste über eine lange Zeitspanne hinweg die Aufmerksamkeit halten können, stand die ganze Zeit unter Strom, durfte sich nicht ablenken lassen, und doch alles Wichtige erfassen. Schnelligkeit war ebenso wichtig. Aber ich war in meinem jetzigen Zustand ganze Galaxien davon entfernt.

Unwillkürlich entfuhr mir ein Grinsen, "das mit dem Bescheidgeben hat sich wohl erledigt, hab ich auch so gemerkt. Ich schätze, ich habe Tarnnetz, Farbe und Tarnkleidung irgendwie nicht im Arsch versteckt. Da ist nicht so viel Platz und mein blonder Schopf, wäre auffällig, wie ein bunter Hund ist die Untertreibung des Jahrhunderts. Nein, der fällt hier so auf wie der gesamte Bucking Ham Palace oder der Big Ben, würde man die Gebäude einfach mal versetzen. Ich hätte mir genauso gut ein blinkendes, 10 x 10 Meter Plakat auf den Rücken schnallen und wäre wahrscheinlich immer noch besser getarnt damit", lautete meine trockene Analyse. Die letzten Tage waren mir nicht immer präsent und das lag wohl auch daran, dass mein Körper einfach mal mit gesund werden gut beschäftigt war - zumindest was die Bronchitis und Lungenentzündung anging. Die Blutarmut machte mich zusätzlich schläfrig, aber langsam war ich nicht mehr so blass wie noch vor einigen Tagen vor der Bluttransfusion. Apropos Blut: mein Allergietest und die damit verbundene Blutanalyse gab Rätsel auf, denn meine DNA ließ nur einen Schluss zu: Shadowhunterblut. Die Wahrscheinlichkeit, einen Shadowhunter in meinem Alter zu finden, der nicht wusste, was er war, lag in etwa bei null und es wäre leichter einen Diamanten in der Kanalisation zu finden.

"Etwas besser" beantwortete ich die Frage nach meinem Befinden und setzte hinzu "und Dir? Danke Dir für die Nachfrage sowie den Tee." Als Ire trank ich sowas natürlich. Mit etwas kalten Fingern nahm ich die Tasse entgegen und wurde mir wurde schnell wärmer von dem Getränk. Mir entging nicht, dass er Akten zusammen sortierte und wenn ich mich nicht täuschte, war da auch das Wappen der Britischen Armee. Sicher war ich mir allerdings nicht. "Wenn ich das richtig sehe, hast Du tatsächlich meine Akte vom britischen Militär ausgegraben? Nicht schlecht, Kompliment. Die Server sind eigentlich ziemlich gut gesichert. Da war ein Könner am Werk." Ich wusste, die Akte war nicht grade schmal und druckte sich nicht auf einem DIN 4 Blatt aus. Daran angefügt war auch jeder einzelne Einsatzbericht aus meiner Feder.

Die Aufgabe, gewisse Formulare auszufüllen, gehörte damals auch zu meinen Aufgaben. Ich gab Empfehlungen ab, wer sich später für welchen Bereich eventuell eignen könnte und dergleichen. Dabei legte ich dem Captain Rechenschaft ab. Doch sie hatten sogar noch mehr gefunden: Selbst meine Schulnoten aus dem irischen Eliteinternat hatten sie ausgegraben. Daher war auch klar, dass ich schon länger ritt. Ebenso bekannt waren meine Turnierergebnisse als Sportsoldat sowie die Pferde, wovon eines mein eigenes war - Devilstar. Darin verzeichnet waren auch die Equidennummern enthalten. Wir waren verdammt gut, ritten in der schweren Klasse Dressur S*, Intermediare I und in S**** Springen. Er war eine Schönheit. Es gab sogar videos. Selbst die Abstammung der Pferde war darin mit enthalten. Sie alle vereinten ein paar Hochkaräter, waren aber auch mit unter schwierige Knalltüten auf vier Beinen.

Das Krankenblatt verzeichnete für einen Soldaten meines Rangs und Erfahrung nach, erstaunlich wenig Narben. Die deutlichste aus der Militärzeit war die auf meiner linken Arschbacke - gut vier Millimeter breit, leicht wulstig und drei Zentimeter lang. Die hatte sich leider damals blöd entzündet und stammte von meiner ersten Verwundung. Aus den Akten ging ebenso hervor, wie heftig meine Zwiebelallergie war, ich litt unter Atemnot, wenn ich nicht schnell Hilfe bekam. Hier war es glücklicherweise so schnell gegangen, dass meine Atemwege zuschwollen. Einige Krankheiten hatte ich auch ab und zu gehabt.

Ich schnaubte, "ich schätze, das Oder kannst Du vielleicht auch streichen, denn ich wollte hier her, mich allerdings auch so umsetzen und ja ausgebrochen stimmt im weitesten Sinne, wenn die nicht abgeschlossene Tür öffnen und auf den Gang treten, dazu zählt. Was ich möchte? Hm, ich schätze, Dir danken für Deine Hilfe und dass Du mich vor Nelson bewahrt hast. Danke Dir. Es war nicht selbstverständlich. Ich hätte das wahrscheinlich nicht überlebt." Apropos Nelson, dessen Name war auch in meiner Akte aufgetaucht: Ein Arthur Nelson hatte mich sexuell bedrängt und war handgreiflich geworden - gegen meinen Willen. Dies hatte ich angezeigt und Nelson wurde darauf hin unehrenhaft entlassen. Zwar war das Ganze codiert, aber das war auch geknackt worden. Xiao hatte damit die ungeschwärzte Version meiner Akte in die Griffel bekommen.

Das Ausbrechen konnte ich auch schon bestens als 12-jähriger, sehr zum Leidwesen meines Vaters, der gar nicht mein Vater war, was ich aber noch nicht wusste. Der Typ, der mich hochgenommen hatte, war glattweg noch einmal größer als ich und wog wahrscheinlich 100 Kilogramm. Ups. Das nächste Mal würde ich wohl besser ein Fenster wählen müssen, oder einen Lüftungsschacht. "Auf dem Weg hier her, habe ich noch einige dieser Symbole gesehen und ich verstehe nun immer weniger, welches Institut das hier ist. Mir ist keine militärische Basis in diesen genauen Breitengraden bekannt." Mit Hilfe meiner Uhr, der Sonne und der Sterne wusste ich ziemlich gut, wo ich hier in etwa war. "Die Art der Ausbildung beziehungsweise Abläufe und dergleichen lassen mich vermuten, dass dies keine normale Universität ist, an der Sprachwissenschaften studiert werden." Als Lance Corporal hatte ich Sinne für solche Dinge, auch wenn ich die Sprache oder Symbole nicht verstand.

((Devilstar: https://unsplash.com/photos/aH3pvxLr0EY kommt dem recht nahe, nur 1,90 m also selbst ein riesiges Tier, und Warmblut))
Xiao hob bei seiner Aussage die Braue. Warum hätte er sich tarnen sollen? Man würde ihn finden, wenn man es wollte, so oder so, aber das würde er schon bemerken, sollte so was erneut vorkommen. Hier passierte nichts, ohne das es diejenigen erfahren, die es erfahren wollen. Wozu Kameras, wenn es andere Möglichkeiten gab?
„du bist nicht der einzige Blonde hier, falls du das annimmst...“, schmunzelte er dann. „Wir haben auch diverse Europäer. Franzosen, Engländer, Italiener...“ Nicht viele, aber den einen oder anderen gab es immer, der mal auf durchreise oder aus anderen gründen versetzt wurde. Es war ein Vor,- aber auch ein Nachteil, das es Dämonen in jedem Land, auf jeden Quadratkilometer der Erde war. So gab es immer etwas zu tun, ob man es nun wollte, oder nicht. Selbst hatte er es schon am selben Leib erfahren. Egal in welchen Land er sich befunden hatte, es gab immer einen Einsatz, bei dem er hatte aushelfen müssen und sollen, obwohl seine Anwesenheit andere Gründe hatte.
„Mir?“, echote er verwundert. Diese Frage bekam er nicht oft gestellt, sodass er ein wenig nachdenken musste, war er doch wahrscheinlich einer derjenigen, der diese Frage wahrheitsgemäß beantwortete. Was andere als Gesprächseinstieg nutzten, ohne wirkliches Interesse an der Antwort zu haben, hielt er es für wichtig zu sagen, wie es ihm ging. „Es ist viel zu tun,.viel Papierkram... Berichte, gestern wurde ein Dämon gestellt, den Schüler herbeigerufen haben... Was noch mehr Papier bedeutet, als ohnehin schon.“, antwortete er schließlich, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Natürlich gab es da noch einiges mehr, was er hätte aufzählen können, doch das ging zu sehr ins Interne, was ein Außenstehender nicht wissen musste. Die Strafen von Schülern war nicht das, was interessant genug war, um es weiter zutragen. Zudem wollte er sie nicht unnötig bloßstellen oder anschwärzen, oder zu lassen, das sich jemand daran ergötzte. Sie lernten hoffentlich daraus, damit war es vorerst erledigt.
„ich habe sie nicht ausgegraben...“, ging er auf den Hinweis seiner Akte ein. Xiao hatte sie nicht verbergen wollen, war es doch kein Geheimnis, allerdings wollte er auch nicht dabei beobachtet werden, wie er – spionierte. Es gab einfach keine nette Beschreibung für das, was er tat. „Aber ja, du hast recht, zum Teil. Es ist nicht nur deine Militärakte.“, offenbarte er. „Dein leben auf Papier. Alles, was je über dich dokumentiert worden ist.“, brachte er es schließlich auf den Punkt. Da es Mairtin selbst betraf, brauchte er kein Geheimnis darum machen, doch zu Gesicht bekommen, würde er sie nicht. Wenn er Glück hatten, würde er ein paar prägnante Punkte erfahren, aber selbst das wäre sehr fraglich.
„Aber ich habe auch gute Nachrichten. Dein Pferd wurde gefunden und die Chancen stehen gut, es hier her zu bekommen.“ Genaueres konnte der Chinese noch nicht sagen, immerhin stand noch einiges in der Schwebe. Jedoch zu wissen, das es lebte, ja zu wissen, wo es war, könnte man durchaus als Vorteil bezeichnen. Nun kam es auf den Verkäufer an, was er dafür haben wollte. Und wie Mairtin die Summe zurückzahlen wollte. Würden alle Stricke reißen, würde das Institut der Besitzer bleiben und die Papiere zu behalten, es dem Iren jedoch ermöglichen, die Pflege zu übernehmen und ihm uneingeschränkten Zugang zu ihm zu ermöglichen.
„dir zu helfen war für mich in diesem Moment selbstverständlich.“ sagte er in einem ruhigen Ton. Ihn dort liegen zu lassen, damit hätte er keine Ruhe gehabt, Sein Leben lang war er dazu ausgebildet worden, Menschen zu helfen, da würde er nicht zusehen, wie einer entführt oder im Fieberwahn liegen gelassen worden wäre. Und Gleichzeitig war er niemand, der Mildtätig oder wohltätig war und sich um alles und jeden kümmerte. „Also keine Ursache...“
Er trank einen Schluck und betrachtete Mairtin derweil. Erst, als er die Schale wieder in den Händen hielt, sie ein klein wenig daran wärmen konnte, antwortete er ihm. „Wir haben nichts mit dem Militär zu tun. Nicht im eigentlichen Sinne. Sie uns als dritte Partei. Menschen, Militär. Und dann wir. Wir sind Soldat, ja, aber nicht so, wie du es kennst. Während ihr Menschen bekämpft, bekämpfen wir alles übersinnliche... Magische, wie du annehmen würdest.“ Mit seiner Erklärung recht zufrieden, hob er den Blick von seiner Schale und blickte wieder zu ihm.
„Wir stehen zwischen den Menschen und der Hölle.“ Leicht, jemanden Unwissenden aufzuklären, war es nicht. „Die Runen findest du hier überall. In den Wänden, Boden, … Wir sind ein Institut, wie es das in jedem Land gibt. Die Menschen sehen uns nicht, wie ich schon sagte.... an muss Magie sehen können, als das zweite Gesicht besitzen oder ein Shadowhunter sein.“ Ihm gefiel der Gedanke, Mairtin zu dein jüngsten Hunter-Schülern zu stecken, die Vorstellungen, wie er zwischen Kindern saß, amüsierte ihn zeitgleich und ließen seine Augen funkeln.

Mairtin Connolly

Die Kameras waren mir nicht entgangen und das Heben der schwarzen Augenbraue sagte mir, den Scherz hatte er nicht mitbekommen. Ach herrje. Ich schüttelte innerlich den Kopf. Obwohl ich krank gewesen war und psychisch es mir immer noch weit entfernt von gut ging, hätte ich gedacht, dass man es eher hört. Oder aber man merkte es nicht, eben weil ich noch so beschissen aussah. Möglicherweise Letzteres. Meine Gedankenkotze begann wieder, sodass es mich Mühe kostete im Hier und Jetzt zu bleiben, aber es klappte. Ich musste mich zusammenreißen. Was mich grade triggerte, wusste ich selbst gar nicht. Übermäßige Schreckhaftigkeit, erhöhte Wachsamkeit, aber auch Konzentrationsstörungen gehörten zum Bild einer klassischen posttraumatischen Belastungsstörung, ich konnte nicht richtig wahrnehmen, was gerade um mich herum passierte, wie ich mich fühlte oder all so etwas. Und hin und wieder überrollte es mich, zerfetzte mich innerlich praktisch. Ich hatte immer wieder heftige Angstattacken.

Offenbar war ich nicht der einzige Europäer. Nicht einmal das konnte ich bewerten – ob es mir nun Angst machen sollte, oder entspannen. Die Überforderung war meinem Gesicht anzusehen, aber irgendwann entschied ich mich wohl für Entspannung. Mein Geist war wie ein offener Nerv, vollkommen überreizt, selbst von dem wenigen hier. Ich nickte knapp, als ich die Verwunderung in seiner Stimme hörte. Kurz war ich verwirrt. Offenbar schien er das kaum gewohnt zu sein, oder? War meine Frage nun richtig gewesen? Unangemessen? Ich war verwirrt, nur mühsam unterdrückte ich das Gefühl, welches sich wieder drohte meiner zu bemächtigen: Angst. Ich wartete ab. Die Antwort sowie seine Stimme halfen aber, im Hier und Jetzt zu bleiben. Das war knapp gewesen, sehr knapp, kurz um, ich stand schon mit einem Bein sowie einer Arschbacke wieder im Flashback, dem ich dann doch noch um wenige Millimeter entkam. Vielleicht waren es auch die nächsten Neuigkeiten, „was? Das ist ja echt klasse. Nicht schlecht. Das Geld kann ich zurückzahlen. Geht auch direkt als Überweisung, denk ich.“

Ich hatte tatsächlich ein starkes Kapital im Rücken, das mir gehörte. Ich hatte es zur Seite geschafft und Teile klug investiert, aber auch da liegen, zur sofortigen Verfügung. An meinem Erzeuger vorbei. Ich wollte versuchen, meine Flucht zu organisieren. Auch wenn Devilstar aufgrund seiner Abstammung nicht gerade nur 500 Euro kostete. Er führte immerhin Casall als Vater und Muttervater Cornet Obolensky im Pedigree. Damit kam zweimal Landgraf I in der Ahnentafel, wenn man etwas weiter zurückblickte. Ziemlich geiles Springblut also. Aber da er eigentlich unrechtmäßig verkauft worden war, würde es eh noch lustig werden. Ich schüttelte nur den Kopf, „keine Ursache ist nicht ganz richtig.“ Ich nahm einen weiteren Schluck des Tees und wartete kurz ab, ehe ich mich dann dazu bereit zeigte, zu erzählen, warum das NICHT selbstverständlich war. „In meinem zweiten Afghanistaneinsatz war etwas passiert, das einen an der Menschheit zweifeln lässt“ deutete ich an. Das war etwas, das nicht in der Akte stand. Zu brisant war es, sodass es keiner gewagt hatte, zu verschriftlichen. „Es ist ein paar Jahre her.“ Noch eine kleine Pause, in der ich meine Gedanken sortierte und überlegte, wie viel ich über diesen Vorfall preisgeben konnte.

„Das Team geriet unter den Beschuss der Taliban. Gut 20 Meilen (ca. 32 km) vom Lager entfernt. Der Captain verlor vier Leute, ergriff dann einfach die Flucht. Er ließ drei Leute zurück, einfach so. Lebende Leute, noch waffenfähig, einer hatte ein gebrochenes Bein und brauchte Hilfe. Die Jungs konnten den Captain einholen, es kam zunächst zu einem geordneten Rückzug. In der Nacht jedoch drohte er den verletzten Soldaten, der zu fiebern begann, zu töten. Er hielte sie ja nur auf. Und nein, es hatte keine Entlassung des Captains gegeben, er war der Sohn eines Ministers gewesen. Glaub mir also, das war nicht selbstverständlich. Der verletzte war ein junger Privatier von 20 Jahren. Privatier ist man die ersten paar Jahre nach der Grundausbildung. Die rache des Captains gab es dann als es für mich zu den SAS gehen sollte. Nach dem 65 Kilometer Eilmarsch mit 20kg Gepäck in unter 20 Stunden mit 7000 Höhenmetern drückte er mir eine Zwiebel ins Essen. Damit war Endstation bei mir. Auch das steht nicht in den Akten. Der Grund? Neid? Rache? Soweit ich weiß dient er immer noch und bei dem Gedanken, dass er noch ein paar Männer auf dem Gewissen haben könnte wird mir schlecht. Also das war nicht ganz so selbstverständlich.“ Es gab noch einige Dinge, die ich gesehen und erlebt hatte, die eben nicht in der Akte standen. Eine kurze Pause. Damit hatte ich auch ausgespuckt wie genau mein Ausfall in der Ausbildung zum Elitesoldaten abgebrochen werden musste.

„Ich hab mich dann mit dem anderen in einem Kampf meinem Captain gestellt, ihn gefesselt und den Oberen am nächsten Morgen übergeben. Den Kameraden hatte ich dabei selbst zurückgetragen. Also, das, was du getan hast, ist ganz gewiss nicht selbstverständlich, angesichts der Tatsache, dass jemand, dessen Job etwas Ähnliches gewesen wäre, so etwas tat. Und dafür danke ich Dir.“ Das Eingeständnis verriet auch viel über mich. Ich war nicht bereit, jedem Befehl dumm zu folgen, sondern schaltete mein Hirn ein, bereit meine Meinung zu vertreten. Da war ein Quergeist, ein irischer Rebell in mir, ein Kobold. Meine eigenen Verbindungen über meinen Erzeuger hatten mich dann geschützt.

Ruhig hörte ich dann zu, was Xiao dann erzählte. Ich runzelte die Stirn, versuchte, diese völlig neuen Informationen zu verarbeiten. Das klang sowas von verrückt, surreal und ich fühlte mich wie in einen Fantasyroman katapultiert. Einmal mit dem Arsch voran in die Welt von Mittelerde gehopst? Arschbombe und jippie kayay! Ich konnte es eigentlich nicht glauben, allerdings entging mir nicht der ernste Ausdruck des Mannes. Uff. Ich musste träumen und noch immer Fieber haben, oder? Bitte kneif mich jetzt mal wer, dachte ich nur noch. Irgendetwas schien Xiao zu amüsieren. Dieses positive Gefühl sorgte dafür, dass ich nicht umkippte.

Ich hob die Augenbraue, überlegte, wie ich die nächsten Worte wählte und aussprach. Dann runzelte ich die Stirn, spürte, dass Xiao es eigentlich ernst meinte und bisher schien er mir doch vernünftiger zu sein, als manch andere Menschen, die ich getroffen hatte. Manche hätten gesagt und ihr nennt die Taliban verrückt? Die sind doch erstaunlich rational dagegen. Dem würde ich allerdings nicht zustimmen. Ich nahm einen weiteren Schluck Tee. Währenddessen konnte Xiao mein Mienenspiel genau beobachten, da kam der Soldat in mir wieder hoch. Er wollte das verstehen. "Dir ist klar, dass ich eigentlich denke, ich stecke noch in einem Fiebertraum, aber da ich mir grade die Zunge verbrannt habe, fällt DAS aus. Kneifen ist nicht nötig. Ich bin mir aber nicht ganz sicher. Früher hätte ich wahrscheinlich gelacht und ein Teil von mir will das auch", der wurde aber von dem Soldaten überlagert. "Dennoch macht es...." Ich brach ab. Mein Verstand arbeitete. "Angenommen....hmm... Geheimhaltung.... nicht alle können es sehen, sagtest Du. Aber was ist mit den Auswirkungen?" Ich rieb mir den Nacken, während ich in meinem Kopf durchging, was ich kannte, das unwirklich erschien oder nach Vertuschung stank. Ich tarnte mein aufkeimendes Lachen als Husten. Nur die leichte Rhythmusveränderung im Vergleich zu der Art, wie ich sonst gehustet hatte, verriet, was es eigentlich war.
Xiao stellte seine Schale ab, erhob sich und zog sich erst mal eine Hoddie-Jacke über, ehe er die Schale wieder an sich nahm, diese auffüllte und neben ihn auf das Sofa setzte. Zurückgelehnt, musterte er ihn, sortiere dabei seine Gedanken und entspannte sich ein wenig. Die Begegnung zwischen ihnen war alles andere, als normal gewesen, dennoch war er froh drum, das es so gekommen war. Wenn er nicht dort gewesen wäre, was dann? So wirklich ausmalen wollte er es sich nicht. Der Mann, mit dem er Konfrontiert wurde, war nicht ohne gewesen. Sicherlich, sein eigenes Training führte dazu, um einiges Überlegen zu sein, aber das half Mairtin nicht weiter.
Bis jetzt hatte sich diesbezüglich nichts weiter ergeben, worum er recht froh war, doch wie sah es aus, wenn man den Kobold wieder auf die Menschheit los ließ? Wie lang würde es dauern, bis man ihn wieder auffand? Bis jetzt hatte es keine Entscheidung darüber gegeben, wie es weiter ging, aber noch war ja Zeit, daher sprach er seine Gedanken diesbezüglich nicht aus. Erholung und zur Ruhe kommen, war das wichtigste, dann sah man weiter.
„Wir können es auch erst mal als Besitz behalten und du kümmerst dich um ihn? Vielleicht der bessere Schritt, bis du zur Ruhe gekommen bist.“, überlegte er. „So kann man den Weg nicht direkt zu dir verfolgen...“, seinen eigenen Vorschlag noch mal in Gedanken durchgehend, sah er ihn an, um zu sehen, wie er darauf reagierte. Das man ihn hatte entführen wollen, war noch längst nicht vergessen, daher wollte er die Spuren nicht unnötig auf ihn zu führen lassen. Nicht, so lang er nicht gefasst genug war, um sich allein mit diesen Problemen auseinander setzen zu können. Es stand ja nicht nur eine Erkältung im Raum, sondern noch diverse Andere Dinge, die auf eine längere Krankengeschichte hindeuteten.
„Menschen... ein Völkchen für sich, dem man am besten aus dem Weg geht.“, stimmte er mit einem kleinen Nicken zu. Solche Geschichten konnte er zwar nicht bieten, aber es gab genug, was er mitbekommen hatte. So ganz kamen sie schließlich nicht aus, ob nun privat oder Beruflich, sei dahin gestellt. Selbst würden sie nie jemanden zurück lassen, egal unter welchen Umständen der Kampf stattfand. Selbst wenn dieser in einer anderen Dimension sein Ende fand. Jeder verließ sich auf den anderen, wissend, das er wieder nach hause kommen würde.
Leicht nickte er. „So was wirst du hier nicht erleben.“, sagte er ruhig. „Hier steht jeder für den anderen ein, ob nun Vorgesetzter oder einfacher Soldat. Wir leben hier wie eine große Familie. Jeder verlässt sich auf den anderen, aber das wirst du später sehen, wenn du in der Kantine mit den anderen isst. Da essen Vorgesetzte mir all den anderen zusammen. Respekt, Zusammenhalt ...“ Er musste es nicht weiter ausholen, was er meinte. Natürlich würde das jeder Soldat von seiner Einheit sagen, aber hier stimmte es. Grade Xi legte da sehr großen Wert auf all das, eben so Xiao, der mit seinen Kammeranden aß, so oft es möglich war. Ein einfacher Soldat konnte ihm eben so mal das Leben retten müssen, wie umgedreht. Schließlich waren sie im Tod alle gleich.
Erneut nippte er an seiner Schale, ließ seine Worte über Dämonen und der Jäger sowie die Magie wirken. Nicht wenige würden nun Lachen, da es mehr wie ein Scherz klang, denn der Wahrheit. Ihn eben so mal zu überzeugen, in dem er Beweise lieferte, konnte er nicht, denn das würde zu sehr ins Interne greifen, daher mussten Worte ausreichen.
„Ich weiß, wie es klingt..“, stimmte er zu, doch gab es nichts zu beschönigen. „Es wäre leichter, wäre es nur eine Geschichte, aber dem ist leider nicht so.“ Da die schale fast leer war, stellte er sie auf seinem Knie ab, richtete den Blick auf seinen Besucher und entschied, das der Papierkram vorerst warten konnte. Wenn er heute ein oder zwei stunden länger machte, würde er es dennoch rechtzeitig schaffen.
„Die Auswirkungen können die Menschen natürlich sehen. Die können wir nur zum Teil verdecken, je nach dem wie groß der Schaden oder die Probleme sind. FBI. CIA und all die wichtigen Institutionen der Menschen wissen, das es uns gibt und rufen uns nicht selten um Hilfe.“, erklärte er. „sollten zu große Zerstörungen stattfinden, wir es auf Naturkatastrophen geschoben, Anschläge...“, zählte er weiter auf. „Die Menschen sollen weitest gehend nichts mitbekommen von dem, was wir tun. Und wenn doch, wird es möglichst glaubhaft für sie zurecht gebastelt.“

Mairtin Connolly

Es herrschten wohl nicht nur für mich abgemagertes etwas kalte Temperaturen. Ich fror noch immer schneller, das lag auch wohl an dem fehlenden Gewicht sowie der Muskelmasse. Obendrein war ich ja auch gerade erst genesen, das Immunsystem längst noch nicht wieder da, wo es mal gewesen war. Ich atmete tief durch, genoss es, dass ich frei atmen konnte. Etwas so Einfaches, wie sonst so Selbstverständliches, das war schon verrückt, wie manche behaupten würden. Aber wer praktisch dem Tod entronnen war, der wusste so etwas zu schätzen. Ich wusste nicht, wie viel ich erzählen konnte, oder sollte und sortierte gerade manches in meinem Kopf, aber ich hatte die Menschen beziehungsweise Individuen als freundlich erlebt. Auch Xiao schien zu überlegen und so verbrachten wir einige Minuten in Stille, die aber nicht unangenehm war. Doch auch das Reden mit Xiao war gut. War gut eigentlich das richtige Wort? Ich wusste es in diesem Moment nicht, spürte aber sehr wohl, dass der junge Mann mir die Zeit und die Ruhe geben wollte, positiv wie freundlich mir gegenüber eingestellt war. Etwas, das ich kaum mehr kannte. In den letzten Jahren hatte ich so etwas nicht erlebt. Wahrscheinlich sah man meinem Gesicht an, was ich alles mir zwischen den Ohren herumgehen musste.

Dann stellte er einige Überlegungen an. „Hmm, taktisch keine dumme Idee. Ich habe ein Konto, auf dem ich Geld beiseite geschafft habe, schon bevor ich entführt wurde. Er hat es bisher nicht gefunden, aber wenn darauf zu früh große Aktionen auftreten, würde er das vielleicht eher merken. Dazu noch eine Reihe von Treuhandüberweisungen, bis die Spur für einen Außenstehenden nicht mehr zu sehen ist. Insofern ist es keine schlechte Idee. Mein Hengst heißt Casino Devilstar, er ist wahrscheinlich nicht allzu billig, aufgrund seiner Abstammung. Mach Dir aber keine Sorgen, ich habe das Geld, um ihn zu zahlen. Es kann auch klüger sein, die Summen zu splitten – und in verschiedenen Währungen. Das wirkt unauffälliger“ gab ich zu bedenken und offenbarte selbst den Taktiker in mir. Militärisches Denken eben und nicht das, eines ganz einfachen, kleinen Privatiers, sondern jemand, der auch schon ein paar Entscheidungen getroffen hatte, um andere zu führen. Das war meine Aufgabe als Lance Corporal, die Führung von bis zu vier Privatiers. Ich hatte ein Jahr als Lance Corporal gedient.

„Unbekannter, privater Käufer. Das sind gerne schon mal Zuchtstationen. Interessant wäre auch zu erfahren, warum er verkauft wird. Darauf lässt sich eventuell aufsetzen. Aber was ich weiß ist, dass er für andere schwierig war, weil er gefordert werden will. Er sucht sich sonst seine Aufgaben“ informierte ich über den Charakter des Hengstes. „Sattelkammer auseinenader nehmen oder so.“ Dann machte ich eine Pause. „Du oder ihr helft mir einfach so aus freien Stücken heraus, so völlig unerwartet und das erfüllt mich mit tiefer Dankbarkeit, mehr als ich ausdrücken kann“ gab ich dann unumwunden zu. Dass es mich erstaunte, bewies nur einmal mehr, unter welcher seelischen beziehungsweise psychischen Folter ich gestanden haben musste, aber das ich genauso die Ruhe und Entspannung wahrnahm sowie die Therapie annahm. Obwohl dieser Stille Bruder, Jeremias sein Name, nicht gerade alltäglich aussah, bestand eine Verbindung zwischen uns.

Mein Mundwinkel zuckte amüsiert ob des kleinen, frechen Kommentars, „bei einigen Individuen gilt eher die Devise HIRN. Hilfe Intelligenz reicht nicht, freigegeben zur Vernichtung. Manche Dummköpfe kann es irgendwie nur einmal geben.“ Ich nickte noch einmal, als Xiao darüber aufklärte, wie es hier lief. Es war eine Familie. Wie eine alte, wichtige Tradition. Das passte wohl zu diesem Land und war in Irland hier und da auch noch verankert, aber deutlich weniger als hier. „Je nach Lager beziehungsweise Batallion kenne ich das auch, aber es ist weniger häufig, statistisch gesehen.“ Ich wusste erneut nicht, ob dies die richtigen Worte waren. Unwillkürlich durchzuckten mich Erinnerungen an mein zweites Team, aus dem nur drei lebend zurückkehrten, nachdem wir es mit einer Landmiene zu tun bekamen. Ich war einer davon, relativ unversehrt gewesen. Aber andere Kameraden hatte es übler erwischt. Das war das erste Mal, dass ich sah, wie einem Mann beide Beine fehlten oder aus einem anderen die Eingeweide ragten, während der Rest weg war. Beide waren gestorben. Von einem anderen hatte man nur eine Hand mit einer Waffe sowie einen Fuß, der noch im Stiefel steckte, gefunden. Mir war bis heute selbst nicht klar, wie ich es schaffte, diese Erlebnisse zu bewältigen, und manche hätten das als schlimmer oder traumatischer bezeichnet, als das, was mir widerfahren war. Tatsächlich aber konnte ich diese Kriegserlebnisse besser verarbeiten. Vielleicht lag es auch daran, dass noch nicht Zeitabstand zwischen den Geschehnissen und jetzt gab.

„Respekt und Zusammenhalt sind Werte die eigentlich auch in vielen Teilen der britischen Armee gelten und viele Jahre war es so gewesen. Aber nicht nur würde ich einfach mal dreist behaupten. Sonst wär ich weiterhin im Militär und mit...“ Ich brach ab, scheiße der Gedanke an Colby tat weh. Was war aus dem Gebirgsjäger geworden? Ich wusste es nicht. Schnell schüttelte ich den Kopf, nein, es tat nicht gut und ich wollte ihm auch nicht schaden, wenn ich mich jetzt wieder meldete. Jetzt erst verstand ich auch, warum ich mich ihm nicht offenbaren wollte: Vielleicht hatte er mich auch verraten. Kurz um, ich wusste nicht, wem ich von meinen alten Freunden wirklich trauen konnte, sodass ich diese Sicherheit hier nicht gefährden wollte. Noch einmal nahm ich einen Schluck und war dieses Mal vorsichtiger dabei, um mir nicht erneut die Zunge zu verbrennen. Das hier war ein ganz anderer Tee als ich in Irland sonst trank. Aber nicht weniger schmackhaft. „Doch um es mit den Worten Sherlock Holmes beziehungsweise seines Autors Dole zu sagen, ‚wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss das, was übrig bleibt, die Wahrheit sein, so unwahrscheinlich sie auch klingen mag.‘ Ich schätze, das trifft den Nagel oder besser die Stecknadel auf den Kopf.“

Kurz musste ich wieder durchatmen, versuchte zu verstehen, wieso das denn sein konnte, was Xiao mir versuchte, hier zu servieren. Dann verstand ich schnell, wieso die Schäden und Auswirkungen überhaupt unbekannt blieben. Ein paar Menschen halfen wohl und es gab sie in allen wichtigen, großen Behörden auf der ganzen Welt. „Könnten so ganze Kriege entstanden sein?“ Warf ich ein und mich gruselte diese Tragweite schon jetzt, denn ich kannte Krieg. Ich kannte Zerstörung. Unwillkürlich musste ich wieder an diesen kleinen Jungen von damals in Afghanistan denken. Der Junge, der seine kleine Schwester im Arm hielt und im gebrochenen Englisch flüsterte, ‚sag es nicht Papa‘. Das Mädchen war tot. Und ihr fehlten die Beine. Waren es gar nicht die Taliban gewesen, sondern Dämonen, oder sonst was für Viecher? Uff. Das machte den Tod irgendwie noch unnötiger. Selbst wenn es hier nicht der Fall war, konnte es andere geben... Oder nein, nicht konnte, es gab sie ja offenbar, sonst wäre das Institut hier kaum da. Und eines war mir klar, Xiao konnte kämpfen, wenn er es mit Nelson hatte aufnehmen können. Allerdings hätte ich das selbst wohl zu meinen besten Zeiten vielleicht auch gekonnt, wäre aber von vorneherein im Nachteil. Warum? Der Mann war größer und schwerer als ich. Doch ich konnte dadurch unter Umständen auch eine größere Geschwindigkeit erreichen. Und nach der Entführung war ich mit Folter unter Kontrolle gehalten worden, hatte schnell zu viel Angst für eine Flucht gehabt. Das lag auch daran, dass er um meine Allergie wusste und in einer Sprühflasche etwas Zwiebelsaft mit sich trug.

Nun bestätigte Xiao, dass Naturkatastrophen oder Anschläge oftmals zur Erklärung gereicht wurden. Ich musste loslachen, „glaubhaft zusammengebastelt. Das klingt fast nach einer gemütlichen Runde Rollenspiel und Geschichten entwerfen bei einem Haufen an Knabbereien und keine Ahnung was allem. Ist Dir das bewusst? Oder doch die Zubereitung eines Haggis? Da wissen viele hinterher auch nicht, was tatsächlich drin ist, bedenkt man, wie es aussieht.“ Haggis war das schottische Nationalgericht, ein gefüllter Schafsmagen. Es gab einige Gründe, warum ich das schottische Nationalgericht hier für den Vergleich nutzte und nicht etwa Sushi. Erstens, wäre Letzteres als Beleidigung angekommen, da wäre ich mir sicher. Zweitens, bei Sushi sah man noch die einzelnen Essenskomponenten. Und bei Haggis konnte man es nicht mehr sehen. Zudem war ich Nordire. Es herrschte ohnehin eine gewisse 'Feindschaft'. "Du willst mir jetzt aber nicht sagen, dass die Schotten doch noch ein Nessi hatten und das doch kein verzerrt fotografierter Ast war, oder?" Und dabei hob ich eine Augenbraue, erwartete schon fast, dass er gleich mit irgendetwas ankam. "Ich kann zumindest verstehen, warum ich in meinem Umfeld als einziger diese Symbole sehen konnte. Ich glaube es jedenfalls." Wie es um meinen Zwillingsbruder Michael gestanden hatte, wusste ich nicht.
„Etwas zu wissen und nichts zu unternehmen, ist nicht mit dem gleich zutun, alle Geschütze aufzufahren…“, murmelte er leise. „Ich würde nicht blind darauf vertrauen, das er es nicht weiß. Besser wäre es, kleinere Bewegungen zu unternehmen und nicht direkt zu uns zu überweisen.“, merkte er an, da es zu offensichtlich war. Kleinere Summen, die stetig zu ihnen flossen, waren jedoch nicht weniger auffällig. So oder so würde es bei jemandem, der das Konto beobachtete, Fragen aufwerfen. Ein paar Erkundigungen einzuholen, sollte nicht schaden. Vielleicht konnte man das Geld über einige Konten umleiten. Hacker, die das erledigten, hatten sie genug.
„Sorgen? Nein, die mache ich mir nicht, da braucht es mehr. Es gibt für alles eine Lösung.“ Oft liegt sie nur nicht vor einem, sodass man sie erst entdecken muss. Damit Xiao sich sorgen machte, brauchte es noch einiges mehr, als ein Pferd oder ein paar Überweisungen, deren Ziel oder Ursprung man nicht erfahren sollte. Ihre Spezialisten würden einen Weg finden.
So ganz uneigennützig, wie Mairtin dachte, war ihre Hilfe nicht, aber das würde er erst später erfahren, wenn er soweit genesen war, das er eine objektive Entscheidung frei von jeglichen Bedenken und Ängsten treffen konnte. Dessen Vergangenheit als Soldat spielte ihnen in die Hände. Ihre Reihen waren ausgedünnt und sie waren um jede Hilfe Dankbar. Irgendwann würde man ihn vor die Wahlstellen, ob er ein normales Leben führen oder bei ihnen bleiben wollte mit allen Konsequenzen, die damit einhergingen. Ehe es aber soweit war, würde er nach und nach noch ein paar Informationen bekommen, ihre Lebensweisen kennenlernen und auch Kenntnisse der Schattenwelt erhalten. Die Entscheidung, die er dann zu treffen hatte, wäre endgültig und unabänderlich.
Ein kleines Schmunzeln zupfte an seinem Mundwinkel, als er den Kommentar über Hirn hörte. Schließlich nickte er. „Nun, bei uns werden die recht schnell aussortiert….“ Auf der einen Seite gut, auf der anderen Seite… Nur die Besten überlebten in ihrem Metier, was die Narben auf seinem Körper bewiesen. Niemand von ihnen war unverletzt. Jeder hatte schon Verletzungen davon getragen und viele hatten sie durch eigene Fehler oder Unachtsamkeit eben nicht überlebt.
„Wir müssen acht aufeinander geben.“, sagte er ruhig, nippte an der Schale, jedoch trank er kaum etwas. Vielmehr war es eine Geste, um sich zu sammeln und die Gedanken zu sortieren, bis er schließlich die Sprache erneut ergriff. Vorher senkte er die Schalte, umfasste sie mit beiden Händen und stellte sie locker auf dem leicht erhobenen Knie ab.
„Bei einem Einsatz verloren wir drei Leute, weil einer nicht aufpasste, sich ablenken ließ. Der Dämon trank eine Seele nach der anderen. Die Körper fielen einfach um. Vollkommen unversehrt, jedoch leer. Sie lebten noch jeweils eine halbe Stunde. Zwei Stunden und vier Stunden, ehe auch die Körperfunktionen nachließen.“, sagte er leise, um zu verdeutlichen, womit sie es zutun haben. Sicherlich gab es im Militär auch sehr viele Gefahren, Verletzungen, aber zu sehen, wie eigentlich unversehrte Körper starben… Mit Wunden konnte man abschließen, aber mit Körper, die einfach umfielen. Und mit dem Wissen zu leben, das so was passierte und gleichzeitig damit leben zu müssen, das Menschen sich unter einander bekriegten, um Unwissen, was es sonst noch gab, war nicht leicht.
„Jein, an vielem ist auch der Mensch an sich Schuld. Aber Kriege im Allgemeinen, ja.“, offenbarte er. Eingefahrene Dämonen, besessene Menschen, beeinflusste Gedanken… Aber das würde jetzt zu weit führen. „Es gibt unzählige arten von Dämonen und deren Fähigkeiten. Manche ernähren sich von Gedanken, andere von Angst, wieder andere schüren den Hass… Andere laben sich an der Wollust. Die Sünden der Menschen kommen nicht von Ohnehin.“ Alles hatte seinen Ursprung, so auch die Todsünden. Aber um all das zu erfahren, würde er die Berechtigung der Bibliothek bekommen müssen oder den Unterricht der Schüler besuchen. Stoff für spätere Tage.
Xiao stand auf, nahm Mairtin die schale aus der Hand um diese und auch die eigene erneut zu füllen, ehe er sie wieder überreichte und sich neben ihn setzte. „Wir haben Tatsächlich Leute dafür, sich Geschichten zurecht zu basteln, um den Menschen zu verkaufen, was passiert sein könnte und eben das wird dann an die entsprechenden Stellen weiter gereicht.“ Nur das dabei Chips und Knabberzeug fehlten, soweit ging es dann doch nicht. Die Sachen waren durchaus ernst zu nehmen, schließlich mussten sie Glaubhaft bleiben und das ging nur mit entsprechender Ernsthaftigkeit.
„Das mit Nessi weiß ich nicht, aber möglich ist es, das es das Wesen wirklich gibt, oder eben etwas, das der Menschen dafür hält.“ Hier konnte er nur die Schultern zucken, denn er glaubte ohnehin nur das, was er mit eigenen Augen gesehen hatte. Ihre Welt war verrückt genug, als das man alles glauben könnte, was einem zugetragen wurde.
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