Wind Beyond Shadows

Normale Version: Aufklärung 2.0?
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Mairtin Connolly

Die ersten Tage waren hier ziemlich aufregend gewesen. Mein Immunsystem war anfangs schwach gewesen, besserte sich nun aber zusehends. Fortschritte zeigten sich darin, dass ich langsam besser durchschlief, ohne die enorme Anzahl der Alpträume – anstatt achtmal nur noch viermal aufwachen. Kurz nach Weihnachten schaffte ich einen Treppenabsatz mehr, ohne außer Atem zu komme. Die Ausdauer nahm zu. Weihnachten sowie Silvester waren seit drei Jahren der PURE Horror für mich und damit alle besser durch diese Zeit kamen, hatten die stillen Brüder mir kurzerhand verdammt harte Beruhigungs- und Schlafmittel eingeordnet. Einer von ihnen fand Zugang zu mir, indem er für seine Zunft unkonventionelle Wege ging. Er las zwar von mir unbemerkt meine Gedanken, nutzte aber andere Kommunikationswege, um sich mir mitzuteilen. Ein Hoch auf Computer. Ich war zu labil gewesen, eine Stimme in meinem Kopf zu hören. Insofern war ich auch ein spannender, medizinischer Fall, eine Herausforderung und die Chance neues Wissen zu erlangen. Wissen war eine Droge für die Typen.

Ohne die Stillen Brüder wäre ich in der Welt der normalen Menschen sehr wahrscheinlich in der geschlossenen Anstalt gelandet. Am Anfang hatte ich mich praktisch in mir selbst versteckt, hatte mich verkrochen und war kaum zur Kommunikation bereit. Ein Zustand, der die stillen Brüder sehr große Sorgen bereitete und zu starken Medikamenten greifen ließ. Kurzzeitig hatten sie auch überlegt, mich in eine entsprechende Einrichtung zu stecken, dann aber dagegen entschieden – nicht transportfähig und gewiss nicht die ideale Art und Weise über Magie mehr zu erfahren. Portale? Nein. Es war das Richtige gewesen. In meinem blonden Kopf spielten sich ganz schnell einige wirklich üble Szenen ab, obwohl ich seit meiner Entführung schon zahlreiche Flüge hatte absolvieren müssen. Die Tiefe der psychischen, seelischen Wunden alarmierend wie erschreckend. Jeder Flug war allerdings wie ein Messer, das immer tiefer getrieben wurde. Dazu die Tatsache, dass mein Adoptivvater mir dies antat, oder der Verlust des Zwillingsbruders. Ups. Zwilling. Turnte da noch irgendwo ein weiterer unwissender Shadowhunter durch die Welt? Falls der doch lebte, galt es den zu finden – schnellstens!

Bisher wusste ich nichts über die Schattenwelt, nur dass dies hier offenbar eine wie auch immer geartete paramilitärische Einheit war. Meine Abstammung der Nephilim war dank des Allergie- und Bluttests für andere hier klar, nur ich ahnte nichts. Die Stillen Brüder hatten dies bisher aufgrund meiner Psyche so empfohlen. Vor zehn Minuten erlaubten sie, mich einzuweihen. Mairtin Connolly ist so weit, dass wir die nächsten Schritte gehen können. Er kann eingeweiht werden. Er ist stabil genug, aber sein Weg ist nicht zu Ende und er ist stärker, als er weiß. Dennoch lohnt es sich nun, das Training zu erweitern, ihn tiefer einzuweihen und dabei die Therapie fortzusetzen. Spannend wird das wie, denn in einigen Dingen ist er fertig und in anderen nicht. Physik, Mathematik, Chemie und so, das braucht er nicht und ich denke, wir können auf vieles aus seiner Militärzeit aufbauen, verbinden und ergänzen. Diese Chancen haben wir nun wirklich nicht häufig. Es ist das erste Mal, dass jemand so spät eingeweiht wird und es ist pures Glück, dass er Soldat war. Diese Art von Denken ist immer noch stark verankert. Das bedeutet hoffentlich weniger unkluge dumme Entscheidungen seinerseits als Clarissa Fairchilds Aktionen. Die hat einigen graue Haare beschert. Ihm alles wichtige beizubringen aber ihn auch als Mann zu behandeln wird nicht einfach aber nötig. Das letzte was er braucht ist eine zusätzliche Depression aus Unterforderung, die PTBS reicht schon. Ich bin gespannt Xi, ein sehr spannender Fall und ich frage mich schon jetzt, welche Waffe er nehmen wird. Hab Dank, dass ich hier dabei sein darf und dein Vertrauen in mich. Ich kann dir sagen, dass da ein paar Brüder schon fast ein bisschen neidisch sind auf mich. Hehe! Ach und ganz nebenbei heimst du gewaltig viel Aufmerksamkeit für dein Institut ein wenn das alles klappt. Unter deiner Leitung geschehen dann dinge an die andere nie im Traum gedacht haben.

Bis hier hin war es ein harter Weg gewesen, voller Panik und Flashbacks. Gutes Essen, Wärme, heiße Bäder, schlafen, lesen, Zeit nehmen, Medikation und ablenken, waren ebenso wie Gespräche Teile der Therapie. Ich konnte mir Armeeuniformen, Hubschrauber oder Flugzeuge auf Bildern ansehen, ohne auszuticken, und wir waren nun bei Geräuschen angekommen. Die auszuhalten, war noch schwer für mich. Aber es musste sein. Daher war die Therapie auch so verdammt wichtig. Ich war ganz langsam in eine Richtung gekommen, die wieder besser war, gesünder und ich drohte auch nicht mehr praktisch vor Panik in die Luft zu gehen, wenn jemand hinter mir ging. Einen Abstand von bis zu 50 Zentimetern hielt ich nun auch außerhalb eines Trainings oder Schwimmens aus. Langsam begann ich zuzulegen und Mitte Januar wog ich 82,5 Kilogramm. Das war immer noch weniger als zu Eintrittszeiten bei der Armee!

Es stiegen auch Kraft und Ausdauer geradezu sprunghaft an. Kaum dass ich auf verschiedene Weise trainierte, kam der Blutdruck auf ein gesundes Maß, kehrte der Appetit zurück und mit dem richtigen Essen sowie starken Eisentabletten stieg der Hämoglobinwert. Ich besaß das Mindestmaß an Fett am Körper, was ich benötigte, der Rest? Tatsächlich baute ich die Muskeln wieder auf. Das körperliche Training unterstützte auch die Psyche. Aktuell nahm ich meistens pflanzliche, statt chemische, starke Schlafmittel. Doch möglicherweise unterstütze auch die Tatsache, dass die dämliche Firma mit dem Verschwinden des Geschäftsführers in Bredouille kam. Eine kleine Rache, etwas Gerechtigkeit. Wirklich viel hatte ich allerdings nicht mitbekommen.

Wirklich gut aber wirkte die Ankunft meines Hengstes Devilstar vor fünf Tagen. Der dunkelbraune Holsteiner hatte ein Stockmaß von 1,90 Metern. Lange, elegante Beine, gute, harte, große Hufe für ein Warmblut, konnte gute, reelle Dressur gehen, strampelte vorne aber nicht wie manches, aktuelle Dressurpferd. Mein Holsteiner brachte mit Casall und Cornet Obolensky im Pedigree bestes Springblut mit. Devilstar war intelligent, klug und einfach genial, sprang ganze Häuser, wie die Reiter so gern sagten. Trotz seiner Größe konnte er schnell galoppieren, enge Wendungen gehen oder lang machen. Mir war nicht klar, dass Xiao es schaffen konnte, den Hengst SO schnell aufzutreiben. Lustigerweise stand er eh zum Verkauf für einen relativ günstigen Preis, weil er als unreitbar galt. Zuletzt hatte er bei einem der Starreiter gestanden. Bei der Ankunft hatte ich mir auch die Sättel und die Trensen angesehen. Es passte bestens und war sogar noch mein Zeug gewesen. Er war also samt Zubehör damals verkauft worden. Verrückt wie surreal. Aber gut, es kam mir ja zupass, denn die Sättel und Trensen hier würden ihm kaum passen.

Wie frech Devilstar war, hatten die Stallarbeiter schon erfahren: Gestern hatte er die Schubkarre voller Mist umgeschubst. Anstatt in seiner Box stand Devilstar heute Morgen schon draußen auf der Stallgasse und sah sich alles ganz gemütlich an. Er wollte gefordert und gefördert werden. Wie er überhaupt herausgekommen sei, lautete die Frage. Aber sie hatten hier einen Schlossknacker von Pferd, wie es im Buche stand. Ein wiehernder Quatschkopf, ein durchgeknallter XXL-Flummi auf vier Beinen. Der sprang das auch aus dem Stand. Sie hatten die Boxentür kontrolliert – verschlossen und so vermuteten sie zurzeit einen frechen Schüler.

Heute war auch ein entscheidender Tag im Verlauf meines Verbleibs hier. Aber das ahnte ich noch nicht. Ich war in den Stall gegangen, hatte Devilstar gesattelt und getrenst, warm gemacht und wir waren so konzentriert bei der Arbeit, dass mir die Umgebung schnell nicht mehr auffiel. Als wir uns den Hindernissen zuwandten, zeigten wir, wie gut wir zusammenpassten. Ich hatte die Hindernisse höher und enger gesetzt – 1,60 m. Ich wollte wissen, wie er zurzeit ging. Das Ergebnis ließ mich grinsen: Steilsprünge, Höhe, Weite, enge Wendungen oder auch Versammlung, kein Problem. Angeblich hatte er nicht so weit springen wollen. Tja, ging doch. Ein Geräusch unterbrach mich. Da entdeckte ich Xi, und ich nickte. Eine enge Wendung nehmend jagten wir herüber und nahmen auf dem direkten Wege noch einen Steilsprung mit. Devilstar zeigte buckelnderweise, was er von der Pause hielt. Nichts. Er WOLLTE Gas geben. Das saß ich aber locker aus, schwang mit, war locker und forderte einen ruhigen Arbeitsgalopp, aus dem ich heraus anhielt. Ich teilte mir den Weg ideal ein. Rhythmus war der Schlüssel dazu.

Das sorgte auch dafür, dass er nicht steigen musste, um die Energie loszuwerden. Neugierig streckte der Hengst die Nase vor, um die ihm fremde Person zu begrüßen. Das war eine Schnupperattacke von oben und der Hengst war freundlich, solange ich dabei war. Noch vor wenigen Wochen hätte ich das kaum so geschmeidig sitzen können, weil ich nicht genug Kraft besaß oder locker genug wäre. Alles Zeichen, dass sich mein Zustand immer weiter verbesserte - und weder ich noch Pferd schwitzten zurzeit. „Guten Morgen, Sir. Was gibt es?“ begrüßte ich höflich in dem mir so typischen, irischen Akzent. Ich saß ab, das gebot die Höflichkeit. „Die Hindernisse ändere ich nachher noch wieder zurück, ich wollte wissen, wie Devilstar und ich hier nun harmonieren“ warf ich noch ein. Die Art und Weise, wie mich der Leiter ansah, sagte mir, dass da mehr im Busch war. Auch wenn ich ihn nicht kannte. Es war der Soldat in mir, der die Situation spürte. Ich wartete ab, während Devil begann zu flehmen. Offenbar irritierte ihn ein Geruch. Ich trug einen 4-Punkt-Reithelm sowie Reithandschuhe, Springreitstiefel und Sporen. Auch für die Sporen saß ich ruhig genug, ich verwendete aber moderne, pferdefreundlichere, runde Sporen, die dieselbe Wirkung hatten, aber das Pferd nicht so schnell blutig hinterlassen konnten. Das Tier blieb sensibel genug, es fand kein Klemmen statt oder dergleichen. Da brauchte es ein absolut ruhiges Bein und für diese Zäumung hier eine sehr ruhige Hand. Quälerei war das nicht bei einem wirklich guten Reiter. Dass ich das Sir verwendete, war wieder ein Hinweis auf die Armeezeit und darauf, dass mir nicht entgangen war, das ER der Leiter hier war. Aufmerksamkeit also.
Xi hasste diese verdammte Büroarbeit. Kaum hatte er den Stapel angearbeitet und dachte, dass endlich Ruhe herrschte, kaum auch schon irgendwer und brachte ihm den nächsten Batzen. Somit war das leise Klopfen in seinem Kopf, welches Jeremiahs Kommen ankündigte fast schon eine angenehme Unterbrechung.
Leise, ohne auch nur ein Ton von sich zu geben schlüpfte dieser durch die Tür, um seinen täglichen Bericht persönlich bei ihm abzuliefern, fast als ahnte er, das er einen Anfall kriegen würde, wenn auch er ihn noch mit Papier überhäufen würde. Seelenruhig und ohne sich auch nur irgendwas anmerken zu lassen, lauschte er dem Bericht, welcher überaus positiv klang. Immerhin weilte jener Gast mittlerweile schon seit Wochen bei Ihnen, auch wenn er sich bisher kaum großartig darum gekümmert hatte. Schließlich war er keine Krankenschwester und seine wenige Zeit verbrachte er lieber mit Chia oder anderen Dingen, statt an einem Krankenbett zu hocken und jemandem dabei zu zu schauen, wie er wieder gesund wurde. Natürlich wusste er, das Xiao immer wieder nach dem Colonel geschaut und auch geredet hatte, teils durch ihn selbst, teils durch den Buschfunk der einfach nie die Klappe hielt.
Ein leichtes zucken des Mundwinkels konnte er dann doch nicht verhindern, als ihm auch noch für den überaus interessanten Fund gedankt wurde. Dabei hatte er ihn nicht gefunden, aber einen stillen Bruder berichtigte man nicht, niemals. Waren sie doch die Konstanten im Leben eines jeden Kriegers und niemand, der nicht zufällig dumm war, würde sie jemals freiwillig mit Ihnen anlegen.
"Es freut mich sehr, dass dieser Fall sich so interessant entwickelt hat" ergriff er schließlich das Wort und schmunzelte innerlich etwas. Konnte er sich doch durchaus denken, dass solch ein Fund die reinste Attraktion unter den Brüdern war und Jeremiah nun der Mittelpunkt der Bruderschaft war, da er die Pflege übernommen hatte. Menschliche Züge, welche er durchaus kannte und doch waren es Züge, welche man bei den Brüdern sonst nie zu sehen bekam. Viel zu sehr waren sie in sich gekehrt und ließen nur einander an ihren Gedanken teilhaben. "Ich werde einen passenden Plan entwickeln, welcher seine Stärken und Schwächen fördern wird, ohne das es zu einem erneuten Zusammenbruch kommen wird" Versprach er, denn in einem Punkt stimmte er dem Bruder zu. Erwachsene Nephilim, welche absolut keine Ahnung von ihrer Herkunft hatten fand man nicht an jeder Ecke. Umso wichtiger war es ihn auf ihre Seite zu ziehen und richtig auszubilden. Klar hatte die Armee schon einiges getan, doch deren Kampfweise unterschied sich um ein Vielfaches von der ihren. Verließen sie sich doch nicht blind auf Technik, sondern agierten aktiv, im Team. Mal schauen, ob der Soldat dies hinbekam und sich in ihr System einfügen würde. "Sobald ich alles vorbereitet habe lasse ich euch den Plan zuschicken, damit ihr eure eigenen Sitzungen hinzufügen könnt" beendete er seine Gedanken, denn das weitere Sitzungen unerlässlich waren sah wohl jeder, selbst wenn derjenige die Akte nicht kannte. Ob es etwas brachte würde nun erst die Zeit zeigen. Dennoch war er sich sicher, sobald Geist und Körper wieder in Einklang miteinander gebracht wurden, würden auch die tiefen Wunden der Vergangenheit anfangen zu heilen. Vielleicht würden sie ihm gar noch mehr Kraft verleihen, sobald er anfing zu reflektieren und die Fehler zu erkennen, so dass er diese nie wieder machte.
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren verneigte sich der Bruder nur respektvoll, eh er ihn wieder seiner gewohnten Arbeit überließ, oder wohl eher dem Krieg gegen das geschriebene Wort.
Obwohl er die Akte eigentlich schon zur Genüge kannte, holte er sie noch einmal aus dem sorgsam verschlossenen Rollcontainer, welcher die Akten über jeden einzelnen seiner Krieger enthielt. Seltsam dünn war jene Akte, wenn man sie mit den anderen verglich und das obwohl der Soldat schon so einiges hinter sich hatte. Doch im Gegensatz zu den anderen enthielt seine Akte nur die Geschichte seines Lebens, statt auch die seiner Familie, obwohl Xi nichts unversucht gelassen hatte. Der Großteil der Berichte auf seinem Tisch waren Stammbäume, Familiengeschichten und Berichte über Krieger, welcher zur fraglichen Zeugung in der Nähe seiner Heimat gewesen waren und somit zum Ring der potentiellen Eltern gehörte. Viel herausgefunden hatte er bisher nicht, aber immerhin hatte er den Stapel doch schonmal halbieren können, so dass sich der Kreis der Verdächtigen langsam, nach und nach enger zog.
Nochmals ging er jeden nur bekannten Fakt über Mairtin Connolly - Soldat der königlichen Armee nochmals durch, fast als würden von Zauberhand neue Hinweise auftauchen, welche ihm die Arbeit erleichtern würden.
Passierte natürlich nicht, also legte er die Akte schließlich frustriert seufzend weg, nur um sie wieder im Rollcontainer zu verschließen und sich auf den Weg zu den Stallungen des Instituts machte. Wie so vieles andere, war ihm natürlich nicht entgangen, das ein weiteres Pferd ihrer eh schon beträchtlichen Sammlung hinzu gefügt worden war, genauso wenig wie ihm der Spatzenfunk entgangen war, das ihr Gast jede Möglichkeit nutzte, um seinen treuen Begleiter zu besuchen. Ein Charakterzug, den Xi selbst durchaus zu schätzen wusste. Züchtete er doch selbst schon seit Jahren Clydesdales und kannte die Liebe zu den sanften Riesen durchaus. Hatten sie doch oftmals die Macht selbst im stärksten Orkan eine Ruhe auszustrahlen, welche selbst ihren Besitzer ergriff. Vielleicht war dies der richtige Zeitpunkt, um sich selbst ein Bild zu machen, ohne die Starrheit eines Büros, ohne die Nervosität eines offiziellen Besuches. Wollte er doch den echten Mairtin Connolly kennen lernen und sich ein Bild von ihm machen, eh er seine weiteren Schritte plante.
Sich langsam entspannend, als er durch die erstaunlicherweise ruhigen Gänge des Instituts lief, war er mehr als nur froh, dass er nicht alle 5 Meter aufgehalten wurde. Konnte solch ein Gang doch schnell mal doppelt bis dreifach solange dauern, weil er ständig angehalten wurde. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, das die ganze Kompanie grad brav zum Training war und sorgte dafür, das sich tatsächlich ein kleines Lächeln auf das sonst doch recht ernste Gesicht des Kämpfers stahl. Ein Lächeln, welches sonst nur Chia zustande brachte und auch nur dann, wenn sie unter sich waren.
Leises Gewieher und Gestampfe vertieften das Lächeln noch weiter, als sich ihm neugierig Köpfe aus den Boxen entgegen streckten und Herkules gar erfreut wieherte, als er seinen Herrn erkannte. Schon auf den ersten Blick sah er, das die Box des neuen Hengstes leer war, so dass er sich erst einmal großzügig mit Karotten eindeckte und an jeder einzelnen Box stoppte, seinen Bewohner begrüßte und kurz verweilte, um herauszufinden ob alles in bester Ordnung war. Nur bei Herkules und Arashi, dem heissblütigen Jungsporn den er Chia gekauft hatte, verweilte er länger und kraulte die beiden ausgiebig, hier und dort den neugierigen Mäulern ausweichend, die ihm dreist die Karotten aus der Jacke heraus klauen wollten.
Schließlich löste er sich aber auch von ihnen und steuerte den Trainingsplatz an. Schon von weitem erkannte er den Reiter, denn auch wenn er ihm bisher noch nicht persönlich begegnet war, so kannte er doch dessen Bilder aus der Akte und erkannte vor allem den heißblütigen Hengst, welchen er ritt.
Leise, ohne auch nur ein Geräusch zu machen lehnte er sich schließlich ans Gatter und beobachtete die beiden. Teils um zu beobachten und sich gedanklich seine Notizen zu machen, teils um das Duo nicht zu stören. Erst als der Reiter näher kam bewegte er sich leicht und schien aus seiner Starre zu flüchten. Ohne zu Zucken liess er sich von dem Hengst beschnuppern, der natürlich nicht dumm war und die Karotten wohl schon aus weiter Entfernung gerochen hatte. Den Reiter vorerst ignorierend zückte er den Leckerbissen, welcher heißhungrig verschlungen wurde und strich dem Hengst sanft über die Nüstern, eh er sich seinem Besitzer zuwandte, das Gesicht wieder zur perfekten Maske erstarrt, so das man nicht aus ihm lesen konnte. Eine Fähigkeit die Chia wie die Pest hasste und das obwohl sie so überaus nützlich war. Leicht verneigte er sich vor dem Reiter, während er dem vorwitzigen Hengst leicht auswich, welcher dreist weitere Karotten forderte. "Es wird Zeit, das wir und einander vorstellen" setzte er mit seiner sanften Stimme an, welche nichts von dem knallharten Kämpfer ahnen liess. "Mein Name ist Shixin Xu" stellte er sich vor, während sein Blick sich auf ihn richtete und er dem Hengst die nächste Karotte entgegen hielt. "Ich bin der Leiter des hiesigen Instituts, in dem sie nun schon einige Wochen verweilen." setzte er weiter fort. "Wie ich hörte sind sie von ihrer Krankheit wieder genesen und ich wollte hören wie ihre weiteren Schritte sein werden" Setzte er fort und liess ihm scheinbar die Wahl. Dass er diese eigentlich nicht hatte wusste er wohl kaum und würde sich wohl sofort dagegen sträuben. Daher suchte er dem Mittelweg, indem er sich erst einmal anhörte, was ihr Gast wollte, eh er sein weiteres Vorgehen planen würde. Konnte er ihn doch nicht hier einfach überfallen und sein weiteres Leben verplanen. Dies würde ihm genauso wenig gefallen, also konnte er schon gar nicht erwarten, das sich ein anderer einfach so fügen würde. "Wenn Sie fit genug sind könnten wir einen Ausritt unternehmen und dabei ein klein wenig plaudern ?" schlug er vor, vielleicht half ihm dies ja sich zu entspannen und offen mit ihm zu reden. Ein Versuch war es jedenfalls wert.

Mairtin Connolly

Ich wusste ein wenig davon, wie viel über mich so geredet wurde. Aber ich ahnte, dass es zumindest ein paar Gespräche geben würde. Das war immer so mit fremden Menschen, die in einem ganz speziellen Kulturkreis auftauchten. In diesem Moment war ich ganz bei meinem Pferd und schaffte es ein wenig, die Sorgen zu vergessen. Der Hengst freute sich wieder bei mir zu sein, begrüßte mich jedes Mal mit einem Wiehern und schleckte mich ab, als ob er immer noch nicht glauben könnte, dass er hier bei mir war. Das Tier brachte mich tatsächlich wenig mehr zur Ruhe und obwohl er bei anderen meistens wild war, wusste er genau wann es mir zu schlecht ging zum Spielen oder Buckeln. Aktuell hatte ich längst nicht die Reserven wie früher. Das hatte er ebenso erkannt und zweifelsohne beschlossen, auf mich aufzupassen.

Jeremiah nahm wahr, wie sich der Leiter des hiesigen Instituts amüsierte und er war durchaus stolz. Eine kleine Sünde ja, aber er wusste genau, die anderen hätten ebenso empfunden, wenn sie mit dem Patienten hätten arbeiten dürfen. Das war doch wirklich mal eine schöne Abwechslung vom sonstigen Alltag eines Stillen Bruders. „Bisher habe ich keinen passenden Vergleich für ihn. Vielleicht fällt Dir etwas ein. Ich werde in den Analien suchen, ob es schon einmal einen vergleichbaren Fall auf der Welt gegeben hatte. Falls ja, wäre es interessant, um Vergleiche zu ziehen. Oder ist Dir einer bekannt? Viel Glück beim Überzeugen. Ich hab das Gefühl, unter diesem verängstigten Etwas steckt ein sturer Kern, sonst wär er schon gestorben. Er muss sich nur erinnern und er ist ein irischer Scherzbold. Ein irischer XXL-Kobold. Doch vorerst muss ich los, kehre aber bald wieder."

Derweil war ich auf dem Platz unterwegs und ließ sich Devilstar austoben. Ich wusste aber, dass er auf mich achtete. Bisher ahnte ich nicht, dass ich adoptiert war, sondern ging eher davon aus, dass meine Eltern mir irgendetwas anderes nicht erzählt hatten. Meine Mutter hatte schließlich nie über ihre eigene Vergangenheit gesprochen und uns bewusst gemacht, dass nur der Willen meines Erzeugers zählte. Man suchte in alle Richtungen. Ich hatte daran zwar durchaus Interesse, aber noch nicht die Kraft, mich damit noch aktiver auseinander zu setzen. Zu sehr war ich noch in dieser psychischen Gewalt gefangen gewesen. Ich wachte aber immer mehr auf, begann mich nun auch für meine Umgebung zu interessieren. Bisher hatte ich nicht wirklich mit dem Leiter dieses Instituts zu tun gehabt, und gesehen hatte ich ihn nicht wirklich. Das einzige Mal, dass wir uns begegnet waren, da war ich noch an der Schwelle des Todes gewesen und eine Blutanalyse hatte meine wahre Herkunft offenbart.

Es wunderte mich, wie schnell Casino Devilstar, seines Zeichens sonst manchmal echt ein dominanter, schwieriger Hengst, der sich bei Fremden schon mal richtig aufplustern konnte, aber es lag wohl an den Möhren, die der Mann mit sich trug. Er stellte sich als Shixin Xu vor. Mit der Aussprache der hiersigen Namen hatte ich noch manchmal meine Schwierigkeiten, doch es wurde etwas besser. Es war nicht gerade einfach. Er verwendete die Höflichkeit, auf die ich einging. "Habt Dank für die Nachfrage als auch die Gastfreundschaft und die Gelegenheit, hier zur Ruhe zu kommen." Devilstar bekundete frech flehmend sowie den Hals reckend, wie toll er das Möhrenangebot fand und er war wirklich schnell darin, so etwas zu verputzen. Das Gebiss passte bestens, aber ich vermutete, er war zuletzt mit härterer Hand als der meinen geritten worden. Ich vermutete aktuell, sogar, dass jemand Rollkur versucht hatte. Devil verkroch sich schon mal hinter der senkrechten, machte sich eng. Die Stimme des Mannes war warm, weich und besaß eine ganz eigene Melodie.

"Ich weiß nicht genau, wie ich Ihnen dies danken kann", und sprach dabei selbst mit dem mir so eigenen irischen Akzent, welche den englischen Worten einen sanften, melodischen Klang verliehen. Ein Klang, der unterschwellig von den ganzen Klängen, Mythen und Sagen meines Volkes rund um die Geschichten und die Landschaften sprach. Erhob ich die Stimme einmal zum Gesang, war es leicht, diese Länder und Geschichten im Geiste zu sehen, wenn man sich auf die Texte einließ. Das Liedgut enthielt viel davon. Ganz egal, ob die englisch gesungenen Stücke oder die gälischen. Nun wollte der Leiter des Instituts mehr über meine nächsten Schritte wissen. Diese Frage hatte ich mir glücklicherweise auch schon gestellt, auch wenn sie alles andere als angenehm war und Angst in mir auslöste. Angst vor den Menschen, denen ich nur mit viel Glück und durch Zufall entkommen war.

Ich sprach in einer Aufrichtigkeit sowie einem Ernst, der nichts von dem irischen, frechen Kobold, der eigentlich in mir schlummerte, erkennen ließ. Es war mir ja auch ernst. Shixin Xu lud auf einen Ausritt ein. "In Ordnung, Sir", sagte ich automatisch und folgte dem jahrelang gelernten, ruhigen wie sachlichen, zackigen und respektvollen Armeeton. Es war kein Ton, den man in der Gruppe verwendete und ein lauteres Ja Sir hören ließ. Ich saß wieder auf, während mein Hengst den Kopf hob und ich ließ ihn folgen, sobald Shixin das Signal gab zum Losreiten.

Doch einen Distanzritt mit etlichen Kilometern würde ich noch nicht stehen können. Solang ich aber nicht vom Pferd kippen würde, war alles in Ordnung. Ich verließ mich auch auf meinen Hengst, dass der schon auf mich aufpasste. Das zeigten auch die Öhrchen, welche jetzt wieder vollends auf mich gerichtet waren. Das spürte ich genau. Devil zeigte sich als unruhig und schritt dann eifrig vom Hof, als wir losritten. Ich spürte genau, wann er welchen Huf wie setzte und ich war froh, über seine Trittsicherheit, bedeutete das doch auch, dass ich mich ihm bedingungslos anvertrauen konnte. Ich blieb aber selbst ebenso aufmerksam, wusste ich doch, wie schnell Devil auch schon mal agieren konnte. Da musste man als Reiter aufpassen und anbleiben im Gelände. Dennoch entspannte der große Dunkelbraune für seine Verhältnisse einigermaßen. Ein Gondel-Pony-zum-Drauf-schlafen wie der gemütlichste Haflinger der Welt war er nicht.
Das der neue Hengst überaus starrsinnig sein konnte, war ihm schon zu Ohren gekommen und doch hatte er bisher noch kein Pferd kennengelernt, das einer Karotte hatte widerstehen können. Selbst Herkules wurde da regelrecht lammfromm und ließ alles mit sich machen, sofern er nur immer hübsch eine Karotte nach der anderen bekam.
So schmunzelte er nur leicht, als der Hengst fast schon brav und neugierig ständig an seiner Jacke entlang schnupperte, in der Hoffnung die anderen Karotten auch noch zu bekommen. Nicht ganz fair, doch Xi war sich nicht zu schade für Bestechungen, sofern sie für ihn von Nutzen waren. Hatte er so doch die perfekte Gelegenheit dessen Reiter in Ruhe zu mustern, ohne das es allzu direkt, allzu unhöflich war.
Selbstverständlich hätte er ihn auch einfach in sein Büro bitten können, nur dann wäre die Situation wohl kaum so entspannt gewesen, so wie es jetzt der Fall war. Wollte er doch einen Eindruck von dem Menschen hinter der Akte bekommen, eh er sein weiteres Vorgehen planen konnte. Schließlich hatte Jeremiah mehr als nur klar gemacht, das es Zeit wäre ihn einzuweihen und doch war sich Xi nicht sicher. Natürlich hatte Mairtin ein Recht darauf die Wahrheit zu erfahren, nur wie sollte es dann weiter gehen ? Konnte er ihn mit diesem Wissen doch nicht einfach vor die Tür setzen und sich selbst überlassen. Nun gut, sein Vater würde dies wohl ohne mit der Wimper zu zucken tun, doch Xi war nicht sein Vater und würde es auch nie werden.
Umso wichtiger war es den Menschen kennenzulernen und zu schauen, ob er vielleicht selbst schon Pläne hatten, welche ihm am Ende gar eine Entscheidung abnehmen würden, da sie nichts mit dem Institut zu tun hatten. Das er zudem ritt war ein kleiner Pluspunkt, den Herkules brauchte seine tägliche Runde, warum sie also nicht gemeinsam unternehmen und schauen, wohin das Schicksal sie führte.
So nickte er nur leicht bei seinem Dank, welcher in seinen Augen völlig überflüssig war. Immerhin waren sie da um die Menschen zu beschützen. Nun gut, eigentlich vor Dämonen, doch Xiaos Bericht nach war sein Widersacher nicht sehr weit von den Bestien entfernt, welche sie normalerweise jagten. Sprachen seine Narben und sein Traumata doch für sich, so das er gar nicht erst den vollen Bericht hatte lesen müssen, um zu wissen was tatsächlich passiert war.
"Warte kurz hier, dann hole ich Herkules" instruierte er ihn kurz angebunden, wie es einfach seine Art war, hielt dem Hengst noch die letzte Karotte vor die Nase, eh er sich zurück in den Stall begab.
Kurz hielt er bei den Sätteln, eh er leicht den Kopf schüttelte und alles an Ort und Stelle beließ. Immerhin sollte es nur ein gemütlicher Ausritt werden und sie jagten niemandem hinterher, so dass er den Sattel samt den Halterungen für Waffen, Medizin und weiteres brauchte. Freudig reckte ihm Herkules sein Kopf entgegen, nur um laut aufzuschnaufen, als er bemerkte, dass es keine weiteren Karotten mehr geben würde. Amüsiert schüttelte er den Kopf, während er die Box öffnete und wartete, bis der Hengst folgsam seine Box verließ. "Du bist viel zu verfressen mein Lieber" instruierte er ihn schmunzelnd, während er ihn flink putzte und sich schließlich auf dessen Rücken schwang. Auf ein Halfter oder Gebiss verzichtete er bewusst. Hatte er Herkules doch nicht nur eigenhändig auf die Welt geholt, sondern auch penibel jede freie Minute mit ihm verbracht, um ihn perfekt auf seine Bedürfnisse zu erziehen, bis schließlich Reiter und Pferd zu einer perfekten Einheit wurden.
"Hübsch brav bleiben" instruierte er ihn leise, eh er ihn problemlos mit dem Druck seiner Schenkel hinaus aus den Stall und zu ihrem wartenden Gast lenkte, eine Hand locker auf dessen Mähne gelegt, während die andere auf seinem Oberschenkel ruhte. Einen leisen Pfiff von sich gebend sicherte er sich die Aufmerksamkeit der beiden Pferde, eh Herkules von alleine den richtigen Weg hinaus in den Wald nahm, welcher sich hinter dem Anwesen erstreckte, so dass sie erst gar nicht dem Lärm der Stadt ausgesetzt waren.
"Jeremiah hat mir erzählt, das sie gute Fortschritte machen, auch wenn sie noch weitere Sitzungen brauchen werden, um weiter zu genesen" brachte er das Thema geschickt wieder in die Richtung, in welche er wollte, ohne allzu gross ins Detail zu gehen. Denn das er körperlich wieder fit war, sah jeder auf den ersten Blick und doch verbarg es die seelischen Wunden, welche nun erst anfangen würden zu heilen, wenn sie überhaupt jemals vollkommen heilen würden. "So gesehen können Sie also jederzeit das Institut verlassen und ihr Leben wieder aufnehmen, sofern dies der Wunsch ist und sie schwören, das sie unser Geheimnis niemandem verraten werden" setzte er seine Gedanken bewusst weiter ruhig fort, auch wenn er ihm gegen Ende seiner Gedanken einen scharfen Blick zuwarf. Musste er sich doch vollkommen darauf verlassen, das dieser niemandem verriet wer sie waren, geschweige denn was sie taten. "Sie können aber auch noch eine Weile bei uns bleiben..." setzte er an, während sein Blick nun vollends auf ihm zu liegen kam, damit ihm keine noch so kleine Reaktion entging. "Körperlich sind sie wieder fit genug und sie könnten ein paar Trainingseinheiten mit meinem Männern absolvieren um wieder in Form zu kommen und neben dem Geist auch den Körper wieder trainieren" vervollständigte er noch seine Gedanken, eh er vorerst schwieg. Hatte er ihm doch nur Möglichkeiten aufgewiesen, welche er nutzen konnte, die Entscheidung welchen Weg er schlussendlich nehmen würde lag nun bei ihm.

Mairtin Connolly

Ich lachte in mich hinein, denn Casino Devilstar konnte kaum einer Leckerei widerstehen und es gab kaum ein verfresseneres Pferd als ihn. Er war erstaunlich gut darin, etwas zu finden oder zu erspähen sowie äußerst kreativ in der Beschaffung, sodass er zur komplexen Problemlösung fähig war. Mir entging die Musterung durch den Institutsleiter nicht, aber ich ließ es zu. Ohne Angst. Immerhin. Noch vor einiger Zeit wäre ich nervöser gewesen. Jetzt aber war ich ruhig genug und konnte mich langsam so weit wahrnehmen, dass ich so eine Musterung packte, ohne vor Angst abzudrehen. Allein das war schon ein gigantischer Fortschritt. Die Sitzungen beziehungsweise Gespräche mit dem stillen Bruder halfen mir an der Stelle enorm.

Ich bekam die Zeit, die ich brauchte, um gesund zu werden, den Tag relativ frei zu bestimmen, nicht mehr diese nervenden Meetings und diese Geschäfte, die mich kaum interessierten, das war etwas Neues für mich. Okay, eigentlich nicht, aber es klang wie aus einem anderen Märchen. Aber ich hatte es vortäuschen müssen. Ich war gut genug und hatte auch genug Wissen, um drei Jahre lang die Firma zu führen. Das ging nicht ohne eine gewisse Überzeugungskraft, Verhandlungsgeschick und dergleichen. Auch damals waren mir Musterungen untergekommen, die ich durchstehen musste. Ich hatte gelernt, mich hinter einer ruhigen Maske zu verbergen. Die hatte ich auch immer wieder hier aufgesetzt. Allerdings bemerkte es Jeremiahs immer wieder, gab mir dann und wann einen kleinen Schubs in die richtige Richtung und manchmal gab es erst einmal Zeit. Devil begann mir mit seinem samtigen Maul sanft über den Nacken zu reiben und er pustete mir seinen warmen Atem ins Genick. Es war eine ganz sanfte Berührung. Dann waren die Möhrchen doch wieder interessanter. Die Anwesenheit meines Hengstes wirkte ebenso entspannend auf mich und auch das Tier war selbstbewusst hier. Ich wusste nicht, was das hier wurde und vielleicht war ich auch deswegen so entspannt. Das mit den Dämonen hatte ich nur kurz mit Xi angesprochen und kurz danach hatte sich auch gezeigt, dass meine Psyche nicht mehr zuließ. Ich war schlichtweg noch viel zu labil gewesen. In der Nacht nach dem Gespräch mit Xi hatte ich mit Träumen flach gelegen, irgendwelche Geräusche hatten mich mit Flashbacks brutal aus der Realität gekickt. Wie ich genau wieder zur Ruhe gekommen war, wusste ich nicht. Aber danach hatte ich locker länger geschlafen. Etwas Strenge hatte auch gutgetan, um wieder in die Reihe zu kommen und zu lernen, mich wieder selbst wahrzunehmen, dass so starke Ängste gar nicht nötig waren. Stück für Stück brachte mich Jeremiah dazu, einen Weg zu suchen, wie ich besser klarkam, zeigte mir auf, was Lösungen sein konnte.

Kaum dass wir in den Wald ritten, zeigte sich der mächtige, raumgreifende Schritt meines Devilstars, der merkte, dass er seine Siebenmeilenstiefel auspacken durfte und der Hengst hatte einen gewaltigen Schritt im Leib. Zu schnell waren wir nicht. Es dauerte nicht lange, bis der Institutsleiter Shixin sein Anliegen zur Sprache brachte. Damit hatte ich gerechnet. „Das stimmt“, antwortete ich unumwunden, redete nicht um den heißen Brei. Da folgte schon der nächste Test. „Das Leben, welches ich früher mal hatte, das wird nicht mehr so einfach möglich sein.“ Ich wusste ja nicht mal, ob mein Captain noch lebte. „Was Ihr Geheimnis angeht, ist das sicher und ich hätte nichts davon, es zu verraten. Es ist nicht in meiner Natur, so etwas zu tun. Es wäre ganz und gar unehrenhaft, nicht wahr?“ Eine kurze Pause. Ich hörte ruhig den weiteren Worten zu. „Ich denke, das entspricht mir mehr: zu bleiben, wenn ich es darf, denn ich möchte keine Umstände machen.“ Klare Worte und ich zeigte mich mit diesen Worten höflicher, auch wenn man es mir angeboten hatte. Wir Iren hatten manchmal eine eigene Art.

Eine kurze Pause, dann sprach ich etwas Weiteres aus, das zeigte, ich hatte doch schon ein paar Dinge reflektiert. „Würde ich zurückgehen, müsste ich zum einen erst einmal meine Identität beweisen und das wäre nicht leicht. Das dauert seine Zeit, Zeit, die gegen mich spielen würde. Zeit, die gewissen... Kräften... entgegenkommt und mich in die Lage zurückkatapultieren könnte, aus der ich kam. Also nein.“ Mit Kräften meinte ich meinen Erzeuger sowie Arthur Guy. Ich war nicht fähig, das Ganze noch klarer zu benennen. Ich hatte Angst, ja. Noch immer. „Taktisch gesehen ist es demnach klug, den Ausstieg aus der Welt, aus der ich kam, zu machen. Einen einfacheren Zeitpunkt gibt es nicht.“ Plötzlich erschrak Devil vor irgendetwas, es war ein wehendes Blatt und er machte einen Satz nach vorne, aber ich beugte mich zur Seite, packte direkt vorne ins Gebiss und bog den großen Pferdekopf zu mir. „Neee, hier geblieben, mein Flummi“, sagte ich sanft und stimmte kurz eine kleine Melodie meiner Heimat an, die ihn beruhigte, und dann ließ ich ihn wieder los. Flummi war ein weiterer Spitzname, den ich für den Holsteiner auf Lager hatte, denn es entsprach bestens seiner Sprunggewalt. Ich machte mich so schwer, wie es nun ging, nahm die Zügel kurz, richtete ihn auf, damit er mir jetzt nicht abzischte wie eine Gewehrkugel. Devil schritt anschließend weiter, als sei nichts gewesen. Dieser Beugestopp war etwas, das nicht alle anwandten, und es brauchte Gleichgewicht und Kraft in den Beinen gleichermaßen. Devil war ein blutgeprägter Hengst, besaß dementsprechend Feuer im Arsch. „Außerdem denke ich, dass weder die Wüste noch ein Hubschrauber beziehungsweise Armeeflugzeug wieder etwas für mich wäre in der Kombination mit der Britischen Armee und Uniform und alles, was dazu gehört“, nahm ich routiniert den Faden wieder auf und kommunizierte klar wie reflektierend. Gleichzeitig zeigte ich die Ruhe eines Soldaten, der sich von so etwas wie einem scheuenden Pferd nicht aus der Ruhe bringen ließ. Devil tänzelte ein wenig, ging aber weiter, während ich ihm am Widerrist kraulend die nötigte Sicherheit vermittelte. Ich schwebte selbst zwischen einigen Gegensätzlichkeiten: Nervosität, Angst, aber auch wieder deutlich mehr Klarheit. Jetzt war ich ziemlich klar, ruhig und hier auf dem Pferd recht sicher. Reiten konnte ich und obwohl ich noch nicht auf dem Level war, auf dem ich mal gewesen war, meinem Sitz sah man weiterhin an, dass ich auf einem hohen Niveau unterwegs war.

„In dieses alte Leben gehör ich damit nicht mehr und ein Umsatteln auf einen anderen Bereich innerhalb der britischen Armee ist auch unpassend.“ In meinem Alter wurde man kein Ausbilder oder gar Offizier, erst recht nicht, wenn man grade eigentlich noch frisch gebackener Lance Corporal gewesen war. Als solcher war ich höchstens Jahr unterwegs gewesen, ehe ich entführt wurde. Und würde ich jemals zur britischen Armee zurückkehren, so würde ich weiter als Lance Corporal eingesetzt werden. Mein Instinkt verriet mir jedoch deutlich, das war nicht mein Weg. Ich wehrte mich mit allem, was ich hatte, gegen diesen Weg. Das trieb mich ganz automatisch in die Arme der Shadowhunter und ich bewies gleichermaßen wiederum Mut, indem ich dem Unbekannten, eigentlich Gefährlicherem entgegensprang, egal was da kam. Ob dies wirklich wahr war? Wer wusste das schon genau. Vielleicht war es für mich trotzdem anders. Die individuelle Psyche eines Menschen war mitunter ziemlich unterschiedlich.