Wind Beyond Shadows

Normale Version: Don't let it fall apart
Du siehst gerade eine vereinfachte Darstellung unserer Inhalte. Normale Ansicht mit richtiger Formatierung.
Seiten: 1 2 3
Ob es eine gute Idee war, sich mit Mairtin zu treffen und ein wenig Sport zu treiben, würde sich zeigen. Seit dessen auftauchen waren nun schon ein paar Wochen vergangen und man konnte sehen, das es dem anderen Zusehens besser ging. Er nahm langsam zu und wenn Xiao den Berichten glauben konnte, die er rege verfolgte, dann wurde er auch stabiler. Eigentlich Grund genug das Büro mal zu verlassen, eigentlich frische Luft zu schnappen und ein wenig für die Muskeln zutun, die sich aufbauen mussten, damit der Patient sich regenerieren konnte. Wenn es denn nicht so kalt draußen wäre. Daher hatte er sich für die Halle entschieden. Zurückzuführen war es auf die Krankheit, die den Erwarteten so lang schachmatt gelegt hatte. Lieber wäre er draußen gewesen, aber das Risiko war noch zu groß, das er einen Rückfall bekam.
In seinen Trainingsklamotten war es wesentlich bequemer, wie Xiao fand, weswegen er sich darauf freute, trainieren zu können. Das Büro verlassen zu können, war immer ein Lichtblick, denn das Papier stapelte sich, egal, wie schnell er arbeitete.
Das Trainingsmaterial hatte er längst besorgt. Die Bögen standen bereit, ebenso Trinkflaschen, aber auch Kleinigkeiten zum Essen. Auch wenn sie Sport trieben, wollte er es langsam angehen lassen. Es nutzte niemanden etwas, wenn der Patient gleich wieder schlappmachte, weil er überfordert wurde. Dank der Rücksprache mit Jeremaiah wusste er, in wie weit er Mairtin belasten konnte. Ein paar Übungen, ein paar Schüsse und das weitere Kennenlernen würde im Mittelpunkt stehen. Nicht mal wirklich um der Person willen, viel mehr um herauszufinden, wohin dessen Weg ihn führen würde.
Eine halbe Stunde hatte er noch Zeit, bis der andere kommen würde. Zeit, in der er sich dehnte und die Ruhe genoss. Heute war es noch immer knackig kalt, doch davon war hier in der Halle nichts zu bemerken, denn die Klimaanlage verrichtete gehorsam ihren Dienst.
Die Rückenmuskeln lockernd dachte er an die Papiere, die auf ihn warteten. Etliche Berichte, die er sichten und aussortieren musste, damit das wichtige weiter zu Xi gelangen konnte, der sich dann darum kümmern würde. Noch gestern hatte er einen Bericht gelesen, das die Vampire und Werwölfe mal wieder aneinander geraten waren. Wer nun den ersten schritt gewagt hatte, war nicht ersichtlich gewesen, aber es gab Grund genug, das sie ihre Patrouillen in diesem Gebiet verstärken mussten. Das die beiden Parteien es auch nicht lassen konnten…
Ein Geräusch ließ ihn aufblicken, doch statt des Erwarteten, waren es nur zwei Hunter-Schüler, de auf ihn zu kamen. Sie hatten eine Frage zu einer Rune, was ihn misstrauisch machte. Erstens war er kein Lehrer, zweitens nahen sie solche Dinge im Unterricht durch, was ihn dazu brachte, die Ohren zu spitzen, damit er die Umgebung besser sondieren konnte. Es war durchaus möglich, das es einen dritten Schüler in unmittelbarer Umgebung gab, der etwas ausheckte, während man versuchte, ihn abzulenken.
„Jungs, passt besser im Unterricht auf, stellt Fragen, wenn ihr welche habt. Euer Leben kann davon anhängen, ob ihr etwas wisst, oder nicht.“, ermahnte er sie sanft, als er keinerlei Verdächtigkeiten entdecken konnte. Vielleicht waren sie wirklich nur auf ihn zu gekommen, weil er gerade hier war und sie an ihm vorbei gekommen waren. Sein Blick reichte aus, das die beiden ihre Füße in die Hand nahmen, denn es war Xiao zu zutrauen, das er sie aufforderte, die ganze Reihe an Runenbücher abzuschreiben, damit der Stoff verinnerlich wurde. Aber er hatte nichts dergleichen vor. Dies überließ er den Lehren, denn damit konnte er sich nicht auch noch belasten. Lehrer zu kontrollieren, ob sie ihre Arbeit richtig machte, gehörte nun wirklich nicht zu seinen Gebieten.
Mit einem letzten Blick sah er sich noch mal in der Halle um. Alles war so, wie es sein sollte, also war es wohl kein ablenkungsversuch, um einen streich an ihm auszuüben. Sowas hätte er sich damals, als er noch in der Ausbildung gewesen war, nicht erlaubt. Nun musste er selbst über die eigenen Gedanken schmunzeln, denn er klang, wie ein alter Mann.

Mairtin Connolly

In den vergangenen Tagen war ich besser zur Ruhe gekommen. Es war gut so. Ich war stabiler. Und auf dem Ausritt mit dem Leiter des Instituts vorgestern hatte ich bekannt, wie ich stand und wo meine Gesinnung zu finden war. Ich sprang mit einem riesigen Satz ins Unbekannte, wie ein Springpferd, das mutig über eine gigantische Mauer hinwegsetzt, ohne zu sehen, was dahinter lauerte. Oder war es doch ein fetter, breiter Wassergraben, bei dem sich so ein Tier ordentlich lang machen und Speed aufnehmen musste? In jedem Fall war es ein abartiger Sprung ins kalte Wasser. Ein Sprung, den nur wenige wagten, wenn man die Geschichte hatte, die hinter mir lag. Gestern Abend hatte ich Xiaos Einladung zum Training bekommen, oder eher ein halber Befehl. Mir war sofort klar, dass es ein weiterer Test war. Allerdings hatte ich davor keine Angst. Das erstaunte mich auch irgendwie ein wenig.

Ich trug eine Trainingshose, passende Schuhe, die Beweglichkeit erlaubten, ein langärmeliges Trainingsshirt. Es war noch zu kalt für mich, als dass ich gar im T-Shirt herumlaufen sollte. Darüber kam eine Fleecejacke, die ich jetzt zwar um die Hüften trug, aber bei Bedarf noch anziehen konnte. Ich wusste nicht, was Xiao mit mir so vorhatte, nur dass ich zu der Trainingshalle kommen sollte - um 9 Uhr. Ich war relativ früh aufgestanden, hatte gut genug gefrühstückt. Dank des Appetitanregers, genügend Essen und spezielle Shakes bekam ich endlich auch Gewicht auf die Rippen und baute die Muskulatur auf. Noch immer war ich deutlich zu dünn. Viel zu dünn. Ich würde mit den Klamotten warm genug bleiben, sodass ich hoffentlich nicht direkt wieder krank wurde. Mein Immunsystem war noch immer recht kaputt und daher nahm ich auch entsprechende Immunkuren, um wieder auf die Beine zu kommen. Langsam wurde ich auch lockerer, der Rücken war schon recht gut dran. Aber die Hüfte machte mir immer wieder mal noch Probleme, das merkte man auch immer mal wieder beim Reiten. Es würde in die Reihe kommen und Reiten half, mich zu lockern. Auch die Ausdauer wurde ganz langsam besser, doch war es noch ein Weg zu gehen, bis ich wieder auf dem Niveau war, das ich als Scharfschütze gehabt hatte. Immerhin war ich fähig gewesen, mich hinter die Feindeslinien zu schleichen oder auch Schüsse auf bis zu Kilometer abzugeben. Tödliche Schüsse. Und bisher war ich immer lebend zurückgekommen.

Mir kamen zwei Schüler entgegen, die eiligen Schrittes sich von der Halle entfernten, ganz so, als ob darin ein Dämon lauerte. Ah, Xiao war also schon da und machte so viel Eindruck, dass die Kleinen direkt Reißaus nahmen. Ich betrat die Halle und runzelte die Stirn, verstand dann aber sofort. Bogenschießen. Interessant. Ich kam etwas zu früh an. "Guten Morgen", sagte ich dann mit kräftigerer Stimme als noch vor wenigen Wochen. Frei von der Erkältung, nicht mehr heiser oder so und seit heute Morgen war auch der letzte Hustenreiz verschwunden. Dieser Reiz blieb oftmals länger als die Erkältung selbst. Meine Stimme hatte einen melodischen Klang, sprach immer von Irland und seiner Musik, etwas heller, als bei den meisten Männern meiner Statur. "Wie geht es... Ihnen?" Und angesichts der Tatsache, dass dies hier ein öffentlicher Raum war, wählte ich die Höflichkeitsform, es konnte ja jederzeit wer hineinkommen und ich überließ Xiao die Wahl der Anrede. Die Art meines Blickes sagte aber, dass ich nur deswegen das Sie wählte und auch das kurze Stocken sprach dafür. Ich war im vollkommenen Arbeitsmodus und ein kleiner Blick auf den Soldaten wurde deutlich, der Mann, der bereit war Informationen aufzunehmen, bereit sich Neuem zu stellen, der Mann, der ich eigentlich war. Meine Haare waren nach der morgendlichen Dusche noch etwas feucht und leicht zurückgekämmt. Ich trat heran, war neugierig, was das wurde. Mit einem Gewehr oder einer Pistole wär das absolut keine Entfernung für mich. Zielübungen vermutete ich.

Ich schoss gut, das wusste ich, aber eben anders. Ohne Zielfernrohr traf ich auch auf 1600 Meter treffsicher tödlich, mit auf bis zu 3000 Meter und ich hatte eine sehr große Anzahl an Zielpersonen ausgeschaltet....
Befehlen würde er ihm nichts, noch nicht, denn soweit war es dann doch noch nicht. Zwar wusste er, wie er sich entschieden hatte, aber das tat nichts zur Sache. Es war eine einfache Einladung zur Bewegung, zumindest war es das, was er zu sich sagte. Welchen anderen Grund sollte das Sehen sonst haben? Es gab keinen anderen. Bewegung tat gut, sie entspannte und half, die innere Mitte zu finden, grade wenn man es so sehr verinnerlicht hatte, das man es nicht mehr anders kannte. Immer wenn er die innere Ruhe suchte, war es der Sport, der ihm half. Meditation gepaart mit Bewegungen. Kampfhaltungen und Übungen, die so sehr ineinander überflossen, das man sie als Tanz ansehen konnte. Ein tödlicher Tanz.
Während er auf die Zielscheiben sah, die Gedanken ein wenig schweifen ließ, hörte er erneut das Geräusch von schritten, diesmal jedoch ein wenig schwerer, als die die Schüler, was die Vermutung nahelegte, das Mairtin sich gleich zu ihm gesellen würde. Als er sich mit einer fließenden Bewegung herum drehte, sollte er sich nicht täuschen.
„Guten Morgen!“, grüßte er ihn auf Chinesisch, m ihn ein wenig zu ärgern. Eigentlich nicht seine Art, so albern zu sein, aber irgendwie war ihm danach seine Muttersprache mal wieder über die Zunge rollen zu lassen. Seit er hier war, hatte er sie nicht mehr gesprochen. Vielleicht sollte er Xi ein wenig dazu anstiften, es gelegentlich zu sprechen. Den Gedanken schob er jedoch vorerst in den Hinterkopf, da nun etwas anderes wichtiger war.
Er ließ seinen Blick über den Neuankömmling wandern und fand, das die Behandlung nun sichtliche Fortschritte machte. Man konnte Martin durchaus noch als sehr schlank bezeichnen, aber er war nicht mehr so ausgezerrt, wie zu der Zeit, als sie sich kennengelernt hatten. Ein paar Wochen noch und er würde seine alte Form inkl. Gewicht zurückerlangt haben. Ein paar gezielte Muskel und Sporteinheiten und es würde wieder zum Gesamtbild passen. Irgendwie war es interessant zu sehen, wie sehr sich ein Mensch in kurzer Zeit verändern konnte, wenn man gezielt daran arbeitete.
„Du reicht… es ist nichts Offizielles.“, beruhigte er ihn mit sanfter Stimme. Auch wenn der Raum öffentlich war, sie waren aus privaten gründen hier. „Wenn grade keine Schar Schüler hier ist, die ich Anweisen muss oder etwas Offizielles ist, können wir beim ‚du‘ bleiben.“ Wenn es offiziell wurde, würde man es recht schnell bemerken, Xiao hatte zwar immer eine sehr gerade Haltung, doch fehlte die Spannung im Leib, die er dann inne hatte. Nicht weil er sich unwohl fühlte, sondern weil ER dann im Arbeitsmodus war. Aber da sie bis jetzt keine solcher Begegnungen hatten, konnte der Ire es nicht wissen, wie der Hunter sich dann verhielt. Die feinen Unterschiede würde er schon noch kennenlernen bzw sehen, wenn sie eintraten.
„Entspann dich also.“ Ein kleines Lächeln begleitete seine Worte, ehe er auf ihn zu trat und einmal mehr musterte. Abschätzend, ob sein Körper das würde leisten können, was erwartet wurde. Sie würden mit Kleinigkeiten anfangen, um die Muskeln an die Belastung zu gewöhnen und einzustimmen.
„Hast du Erfahrung mit dem Bogenschießen?“, wollte er wissen, um sich auf dessen Können einzustellen. Nicht, um ihn zu testen oder zu Hinterfragen ob das, was er im Laufe der Wochen erfahren hatte zu beweisen, es war einfach nur ein Sport, der die Muskeln und den Rücken sowie die Haltung schulen sollte. Ihm war das Problem mit der Hüfte nicht entgangen.
Xiao nahm einen leichten Bogen, reichte ihn Mairtin und stellte sich dich, jedoch leicht versetzt hinter ihm. Als dieser den Bogen hob, legte er seine Hände an diesen, um hier ein wenig zu schieben, dort ein wenig zu drücken und die Haltung zu korrigieren. Mit den Handflächen auf ihm, spürte er die Anspannung der Muskeln, die noch nicht ganz so waren, wie er es gern hätte.
„Hier ein bisschen mehr Spannung, dort ein bisschen weniger.“, meinte er leise, dicht an dessen Ohr, um selbst einen guten Blick auf dessen Ziel zu haben. Mit sanften druck seiner Hände unterstrich er seine Worte, um zu verdeutlichen, was er meinte. Mit dieser Übung konnte er gut erfahren, wo der Körper noch ein wenig Unterstützung brachte, was gefördert werden musste, um die ehemalige Festigkeit zurück zu gewinnen. Bei seinem Tun stieg ihm der Duft des Duschgels aber auch der leichte Körpergeruch des Mannes in die Nase, der fast verdeckt wurde.
Xiao konzentrierte sich.

Mairtin Connolly

Es war nicht einfach, mich beim Sport zu entspannen und ich hatte mir angewöhnt, mich in meinem Zimmer schon mal warmzumachen. Am besten ging das noch mit Devilstar bisher. Der riesige Hengst hatte langsam ebenfalls verstanden, dass er wieder bei mir war und wurde lebhafter, aber auch mutiger. Langsam zeigte sich das Pferd, das er eigentlich war. Und wie hieß es doch so schön? Wie der Herr so das Gescherr oder anders herum? Egal wie, es galt wohl für uns beide. Aktuell spielten die beiden Warmbluthengste gern miteinander. Es schien ganz so, als ob die beiden Tiere ganz wie ihre Herren eigentlich einen Kobold im Kopf hatten. Xi sagte etwas in einer mir unbekannten Sprache, aber ich nahm an, dass es eine Begrüßung war. Ich grinste ein bisschen, kaum sichtbar und nur eine Nuance des Mundwinkels hob sich nach oben. Ah, Fremdsprachen also und der Stolz der Muttersprache, na, wenn das so war, könnte ich ihm genauso mehr Gälisch geben. Gar kein Problem. Ich hatte es ja schon einmal aus Versehen gesprochen, dann aber auch direkt übersetzt. Ich nickte ob der Anweisung, dass ein Du vollkommen in Ordnung war. Nicht selbstverständlich. Da kam ich mit der britischen Armee aus einem anderen Stall. Es gab da sogar einige verstockte Typen, die sogar die alte Höflichkeitsform Thy bevorzugten, die sonst scheinbar nirgends mehr gesprochen wurde - außer im royalen Umfeld. Meistens waren es Typen der königlichen Wache, die dies sprachen. Von meinen reiterlichen Fähigkeiten her hätte ich auch locker in diese Regimenter gepasst und hätte es da sehr weit bringen können. Die Queen war eine Pferdenärrin. Die Nordiren standen zu Großbritannien und so war mein Weg in die Britische Armee vorgezeichnet.

Inzwischen hatte ich 82,8 Kilogramm auf der Wage, noch einmal 300 Gramm mehr als vor einigen Tagen. Noch 200 Gramm mehr und ich hätte das Ausgangsgewicht erreicht, das ich bei der Armee gehabt hatte - yeah, so viel wie ich mit 17 auf die Waage gebracht hatte. Um die Fortschritte genau zu kontrollieren, hieß es für mich täglich wiegen. Diese Art der Kontrolle war nicht nur zu einem Ritual geworden, es half mir auch, da ich ohne dies und den Appetitanreger noch immer mal wieder dazu neigte, zu wenig zu mir zu nehmen, allerdings war es nicht mehr so ausgeprägt wie zu Anfang. Deutliche Anzeichen, dass ich noch unter meinem Schicksal litt. Der Stille Bruder rechnete ohnehin nicht damit, dass das so schnell vorbei wäre und ich länger auf seine Hilfe angewiesen wäre, aber ebenso ins Training sollte. Beides zusammen wäre besser als in eine Anstalt oder gar in die Stadt der Stille, wo ich erst recht noch mehr kaputt gehen würde. Obwohl es nicht einmal drei Kilogramm waren, die ich zugelegt hatte, waren schon deutliche muskuläre Veränderungen zu sehen, die Hoffnung auf den Mann machten, der ich zum Zeitpunkt meiner Entführung gewesen war, Hoffnung darauf, dass der Mann, der als Lance Corporal der beste Scharfschütze des Lagers in Afghanistan war.

"Gut", sagte ich dann einfach, ließ die Schultern kurz kreisen. Dann wollte Xiao wissen, ob ich Erfahrungen im Bogenschießen hätte. Kurz musste ich überlegen, ehe mir doch noch etwas einfiel, "irgendwann hatten wir in der Armee einen halbtägigen kurzen Grundkurs. Das ist allerdings sieben Jahre her und war mehr ein Spaß gewesen für Interessierte, als Vorbereitung für die einfachen Gewehre, zumal wir zu dem Zeitpunkt keine Übungsgeschosse vorrätig hatten, nur scharfe Munition. Am nächsten Tag kamen dann schon die Übungsgeschosse und damit ging es weiter an den Gewehren." Ich war an verschiedenen Schusswaffen ausgebildet. Diese Erfahrung würde mir wohl helfen. Zielen und anvisieren waren Fähigkeiten, die ich hatte. "Genug, dass der Pfeil nicht gleich aus Versehen aus dem Fenster fliegt oder in irgendjemandes Arsch oder Sack landet, wo er eigentlich nicht hin soll. Glaub bloß nicht, dass die genannten Körperteile sicher wären nur weil eigene Reihen oder so. Vergiss es, bittere Erfahrung. An mehr erinnere ich mich aber nicht unbedingt. Ein Mindestmaß an Sicherheit für genannte Körperteile ist aber wohl gegeben, da ich da auch keine Kugel hinjage, es sei denn ich will es", antwortete ich trocken. "Als erhöhte Sicherheitsmaßnahme soll auch der Kilt gelten, sagte man schon mal in Irland." Xiao bekam einen kleinen Blick auf den Soldaten, aber auch den Kobold in mir, der ich mal gewesen war. Was ich mit bitterer Erfahrung meinte? Die Narbe auf meiner linken Arschbacke hatte ich dem Querschläger eines Kameraden zu verdanken. Mein erster Einsatz und dann sowas, dank eines unachtsamen Kameraden.

Ich nahm den Bogen auf. Meine Haltungsprobleme kamen alle aus Blockaden heraus, die sich nur langsam lösen ließen, bestanden sie zum Teil doch schon seit drei Jahren. Das knackte man eben nicht so schnell. Plötzlich stellte sich der kleinere Mann hinter mich, sehr nah. Etwas, was ich nur schwer aushielt und so spannte sich mein Körper unter ihm noch einmal mehr an. Kurzzeitig dachte ich, dass ich austicken würde, um mich zu wehren. Dann aber blieb ich gerade so noch im Hier und Jetzt, gespannt wie diese Bogensehne. Doch selbst unter dieser Anspannung wurde klar, was mir an Muskelmasse noch fehlte, da war einiges aufzuholen und wieder aufzubauen. Die Akte der Armee ließ immerhin verlauten, dass ich locker 60 Kilogramm Ausrüstung auf einem Marsch tragen und trotzdem ein hohes Tempo gehen konnte. Davon war ich weit entfernt. Unter den federleichten Berührungen Xiaos spannte sich die Muskulatur kurzzeitig noch einmal mehr an, aber schließlich doch ganz langsam immer mehr, wurde an den richtigen Stellen butterweich. Die Anspannung war auch an meiner schneller pochenden Halsschlagader anzusehen. Irgendwie war es aber nicht nur negative Anspannung, da war etwas anderes, das ich nicht greifen konnte. Etwas, das mir half, diese Nähe auszuhalten, auch wenn es echt nicht leicht war. Ein nonverbales Zeichen, dass ich von hinten missbraucht wurde. Damals hatte mich Nelson mit Brust und Bauch in den Sitz gepresst, und dann seinen Spaß gehabt. Kein Wunder, dass ich so nahe Berührungen von hinten nur schwer ertragen konnte.

Auf Befehl ließ ich los und das Geschoss bohrte sich seinen Weg in die Zielscheibe, verfehlte knapp die Mitte. Mehr als der typische Anfänger zustande brachte und ein Hinweis auf meine Scharfschützenvergangenheit. Das Geschoss war etwa 3,7 Zentimeter daneben gelandet. Ich musste mich an ein anderes Gewicht gewöhnen. Es fühlte sich anders an, als ein Gewehr, aber die Haltung war nur teilweise anders. Manches ähnelte sich auch. Der Pfeil selbst war viel leichter, aber es brauchte Zugkraft, wenn gleich noch nicht allzu viel, da dies ein leichterer Bogen war. Es kam darauf an, die Spannung zu halten, nicht krampfhaft zu zielen und ruhig zu bleiben. Die letzteren beiden konnte ich. Ich hatte nicht die Muskulatur zurzeit, um die richtig schweren Dinger zu spannen. Das würde noch kommen, je mehr ich wieder aufbaute. Dennoch zeichnete sich beim Spannen schon ein Muskelspiel ab, das Hoffnung auf mehr machte, wenn ich erst mal so weit war.

Mit einem Gewehr wär das hier kein Ding für mich gewesen, auch ohne Zielfernrohr auf 1600 Meter. Und ich kam auch mit einem 11,5 kg schweren MG-Gewehr zurecht, aber ebenso mit einer L115A1.
Xiao legte nicht so viel wert auf die Ansprache, es sei denn es ging um die Arbeit, dann war es wichtig, denn da sollte alles seine Ordnung und Richtigkeit haben. Selbst wenn der Großteil der Soldaten ein freundschaftliches Verhältnis zueinander hatten, war es in manchen Bereichen einfach wichtig, den Respekt zu wahren und darauf zu achten. Befehle anzunehmen war ebenso wichtig, statt herum zu diskutieren und womöglich eine Gefahr zu provozieren, wo es sie zu vermeiden galt. Hier und jetzt war es jedoch nicht wichtig und sie konnten sich relativ entspannen.
Er hörte ihm aufmerksam zu und fand, das so ein Grundkurs, wenn auch aus Spaß, besser war, als nichts. Irgendwas blieb schließlich immer hängen und wenn es nur die Grundzüge einer Haltung und das Wissen war, wie man den Bogen zu halten hatte. Körperspannung war soweit auch vorhanden, was auf dessen ehemaligen Soldatendasein zurück zu führen war. Zudem ging Xiao davon aus, das auch ein paar Regeln hängengeblieben waren, an die er sich nun halten konnte.
„Nun, ich könnte dir diversen Schutz besorgen, wenn du die Gedanken um deine Weichteile machst,“, meinte er in ernstem Ton, obwohl es eher ein Witz hatte sein sollen. Sie waren hier allein und wenn er dicht bei dem Iren stehen blieb, sollte die Gefahr, das ungewollt etwas getroffen werden, doch minimiert war. Anders sähe es aus, wenn noch 15 andere hier wären, für die die bahnen ausgelegt waren. Xiao hatte jedoch dafür gesorgt, das sie für die nächsten Stunden ihre Ruhe hatten. Zwar war der Kobold recht gut genesen, aber das bedeutete nicht, das er schon einen erhöhten Geräuschpegel tolerieren konnte. Zudem konnte er so seine Aufmerksamkeit auf ihn richten, statt diese mit anderen teilen zu müssen. Ein Umstand, dem er nicht ganz entkommen konnte, wenn mehrere da waren.
„Du bist ein kleiner Angeber.“, kam er nicht umhin, zu bemerken. „Konzentrier dich auf das, was vor dir liegt.“ Xiao zu beeindrucken, war nicht leicht und mit Worten schaffte man das schon gar nicht. Da mussten taten folgen. Behaupten aufzustellen war schließlich leicht. Um seine kleine Ermahnung jedoch abzumildern, schmunzelte er ein wenig, denn er hatte keinen Schüler vor sich, den er herum scheuchen konnte, sondern einen erwachsenen Mann, der viel und gern redete.
Xiao korrigierte immer wieder mal die Haltung des anderen, ein paar Worte auf den Lippen, die er vorerst für sich behielt. Was dem Anderen angetan wurde, wusste er aus den Akten. Die schweigenden Brüder waren eben Gründlich konnten Verletzungen deuten, selbst wenn sie Jahre zurück lagen. Kurz kam ihm die Idee, eine Massage anzuordnen, um diverse Blockaden zu beseitigen, aber die meisten würden wohl bleiben, da sie vom Kopf kamen, nicht vom Körper, der sich weigerte in seinen Vorbestimmten bahnen zu funktionieren. Hier war mal wieder Zeit der Schlüssel zum Ziel.
Statt also mit Worten zu versichern, das er ihm nichts tun würde, da es ohnehin auf der Hand lag, vermittelte er mit sanften Druck, was er wollte und erwartete. Ob es heute zum Schuss kommen würde, blieb abzuwarten, denn das Ziel Xiaos war es die Haltung zu korrigieren, Muskeln zu fordern und Defizite zu erkennen. Aber um ihm dann doch ein kleines Erfolgserlebnis zu gönnen ließ er ihn schießen, auch, damit die Muskeln sich entspannen konnten. Sie unter Daueranspannung zu halten, half auch nicht.
Während er Pfeil von der Sene schnellte, ließ er die Hand locker auf dessen Rücken liegen, ehe sie nach unten sank und er das Ergebnis begutachtete. Nebenbei bemerkte er, das er ihm beim Hand fallen lassen, unbeabsichtigt gestreift hatte. Er rettete sich n einem kleinen Räuspern und wandte sich ab, um weitere Pfeile zu holen.
„Besser, als erwartet, aber der Rest wird noch kommen. Wenn du kein Anfänger mehr bist und dien Körper sich daran gewöhnt hat, wirst du einen richtigen bekommen.“ Xiao selbst würde sich umstellen müssen, wenn er mit einem so leichten Bogen schoss, dem es eindeutig an Zugkraft fehlte. Aber der beste Bogen nutzte nichts, wenn man ihn nicht spannen konnte.
„Versuch es noch einmal.“, forderte er ihn auf, stellte sich wieder dicht hinter ihn. Da würde er durch müssen, bis die Haltung soweit gefestigt war, das Worte ausreichten, um ihn zu korrigieren. Sollte es helfen und würde der Ire das willen, würde Xiao selbst einen Pfeil abschießen, damit Mairtin sah, was Xiao ihm vermitteln wollte.

Mairtin Connolly

Mein Körper brauchte eine Weile, um zur Ruhe zu kommen, aufgrund der Tatsache, wie nah Xiao mir stand und mein Geist ebenso. Ich hörte, was er dann sagte und antwortete, "ich vertraue auf meine eigenen Zielfähigkeiten für heute. Ob das Ende vorne nun spitz ist oder feuert, es ist wohl dasselbe: einfach drauf achten, dass das scharfe oder feurige Ende nicht auf irgendjemanden zeigt, der NICHT als Zielobjekt definiert ist, oder? Solang man DAS erkennt, ist das schon mal ein Anfang", antwortete ich in typisch irischer, trockener Belustigung und mit einem kleinen Grinsen auf den Lippen. Ich wurde langsam lockerer, den Kommentar Angeber überging ich. Mehr konnte ich einfach nicht bringen. Die Konzentration richtete ich nun auf das, was vor mir lag, soweit ich das konnte. Vielleicht hatte ich auch deswegen am Ende etwas die Mitte verfehlt? Wer wusste das schon. Mir entging sein Schmunzeln nicht. Aus irgendeinem Grund war eine Verbindung zwischen uns, vielleicht lag das an den Anfängen. Langsam fand ich auch zu mir selbst zurück, tastete mich manchmal wieder mit einem Scherz vor, an guten Tagen. An schlechten verkroch ich mich wieder in mein Schneckenhaus. Es war ein Auf und Ab, ganz typisch für die PTBS.

Ich wusste sofort, dass ich noch Zeit brauchen würde, bis ich den Bogen wechseln würde. Dafür war ich viel zu sehr Scharfschütze und schon einmal auf Schusswaffen trainiert worden. Dies würde mir wohl auch noch hierbei helfen. Denn im Prinzip waren Gewehre nichts anderes als die technologische Weiterentwicklung einer Armbrust, welche wiederum selbst eine Weiterentwicklung von Pfeil und Bogen waren. Das durfte man nicht vergessen. Kaum, dass der Pfeil sicher von der Sehne geschossen und weit genug entfernt war, musste ich kurzzeitig die Muskulatur entspannen und war froh darum. Ich spürte in meinem Rücken und den Armen nach, da wo ich zu viel Anspannung hatte, wusste ich, dass ich arbeiten musste. Gleichzeitig aber suchte ich nach Ähnlichkeiten zu dem, was ich selbst als Schütze kannte. Es war etwas ähnlich, aber nicht nur. Ich kannte einen Gewehrkolben, der einen Rückstoß verursachen konnte und den es gegenzuhalten galt. Irgendwann verkrampfte dabei auch der beste Schütze - beispielsweise bei einer langen Schussserie. Da jagten einem schließlich Energie in die Schulter, die den Körper zum Zittern und den folgenden Schuss etwas schwerer machte. Je länger man in Serie schoss, desto stärker dieser Effekt. Dies fehlte hier oder ich hatte nicht das entsprechende Tempo. Aber dafür brauchte ich auch den Rücken etwas anders.

Ich nickte nur, "es hat auch länger als eine halbe Stunde gedauert, bis ich ein Gewehr schießen konnte. Das ist im Prinzip jetzt dasselbe, dieser Vorgang des Erlernens." Die Scharfschützenausbildung dauerte auch neun Wochen und da hatte man ja zumindest in der Grundausbildung zuvor schon mal ein Gewehr in der Hand gehabt, besaß also zumindest einige Grundfertigkeiten im Schießen. Das Wissen, dass ich dies damals geschafft hatte, verlieh mir jetzt auch die nötige Ruhe, welche mich von aufgeregten Teenagern unterschied, die zum ersten Mal einen Bogen hielten. Entspannt und ruhiger im Geist, als eben noch gehorchte ich dann, als Xiao meinte, ich sollte es erneut versuchen. So spannte ich den Bogen erneut, setzte die Anweisungen von eben schon etwas besser von Anfang an um. Aber man sah auch noch, dass es noch Zeit brauchte, bis ich die volle Kraft hatte, um das Ding zu schießen, das ich eigentlich schießen könnte, mit dem Körper, den ich als aktiver Soldat der Britischen Armee gehabt hatte. Es würde wirklich noch ein paar Tage dauern, bis ich wieder einen 48 Kilometer Eilmarsch mit 18 Kilogramm-Rucksack und dem zusätzlichen Gewicht einer Waffe in unter acht Stunden hätte stehen können. Früher war das kein Problem gewesen und ich hätte auch die Kraft hierfür gehabt. Instinktiv spürte ich, dass es besser wäre, erst einmal die Muskeln, Sehnen und Gelenke, an diese ungewohnte Belastung heranzuführen.

Warum? Ich wusste es nicht. Aber vielleicht lag es daran, dass es unangenehm war, wie die Sehne über die Narbe schnallte, selbst jetzt, da ich etwas Langärmeliges trug, oder dass die Haut und die Sehnen darunter etwas unangenehm zogen. Es war eine unschöne Erinnerung an meine Tat, an den Frevel, an das Vergehen meinerseits - am Tod eines jeden Soldaten, der nicht heimgekehrt war. Die Stellen waren zwar verheilt, aber eben nicht besonders toll verheilt. Zum Glück waren Muskeln, Sehnen und Knochen in keinster Weise in ihrer Funktion dadurch beeinträchtigt - keine Selbstverständlichkeit - aber es sah halt unschön aus, sodass Berührungen dort mir weiterhin unangenehm waren. Gerade wulstige Narben neigten dazu, schneller wehzutun oder sich anders bemerkbar zu machen. Mit der Zeit aber würde der Bereich unempfindlicher werden. Allzu dick waren beide Narben nicht, aber keine feinen Linien, sondern leicht wulstig, gut zu sehen und etwa zwei Millimeter breit sowie mehrere Zentimeter lang, die Unterarme hinaufführend. Ich hatte schnell Hilfe bekommen. Zum Glück, wie ich heute schon sagen würde - auch das war neben meinem Arbeits- und Leistungswillen, der sich zeigte, der Hauptgrund, warum der Stille Bruder ein Training zuließ. Andernfalls wären die Waffen eine Gefahr für mich selbst. Insofern war ein Unterarmschutz für mich wohl doppelt wichtig, einer der die Stelle genau dort schützte, wo die Narben entlanglief.

Außerdem hatte ich gestern gut mit Devil zu diskutieren gehabt, noch einmal Belastung für die Sehnen und Muskeln, die ich keinesfalls überfordern wollte. Wenn ich jetzt zu viel wollte, hatte ich mir schneller eine Sehnenscheidenentzündung geholt, als ich FUCK sagen konnte. Das war klar. Kurz um, ich vertraute meinem Körper mehr und ließ es nicht zu, dass mein Stolz obsiegte. Dies hatte ich schon in der Armee gelernt abzulegen, genauer in der Grundausbildung. Hör Deinem Körper zu, war eine der wichtigsten Regeln, die ich binnen der ersten Woche gelernt hatte. Kurzzeitig schloss ich die meeresgrünen Augen, spürte jedem Zentimeter meines Körpers nach, der hier in Aktion treten musste, um es besser wahrzunehmen. Eine Taktik, die ich schon früher genutzt hatte. Ich schickte meinen Geist auf eine körperliche Reise, auf der Suche nach den Problemfeldern. Gleichzeitig half mir das, mit Xiaos Nähe klarzukommen, bei mir zu bleiben und nicht wie ein störrischer, bissiger Gaul oder gar eine scharfe Handgranate zu reagieren. Mir schwante unbewusst, dass eines zum anderen führen würde, Xiao - eventuell beabsichtigt oder reflexartig - sich zur Wehr setzen würde und das Ganze garantiert zu einem Rückfall meinerseits führen würde. Keine gute Kombination - also musste ICH klarkommen. Egal wie. Und das hier konnte helfen. Als ich die Augen öffnete, bekannte ich freimütig heraus, "es wird etwas dauern, bis mein Rücken, die Arme sowie Sehnen und Gelenke, das mit einem ernsthaften Bogen dauerhaft sicher hergeben. Das hier ist kein Gewicht." Wofür um den heißen Brei herumreden, wenn ich es selbst wusste? Wenn ich selbst wusste, was ein Scharfschützengewehr wiegen konnte und mir vollkommen klar war, dass die großen Dinger davon auch jetzt kein Vergnügen für mich wären? Erst recht nicht die Biester, die im Stehen abgeschossen wurden, weil sie so gewaltig waren?

Es war diese Einschätzung sowie ein Vergleich, der mich zu dieser These führte. Immer mehr kämpfte sich der Soldat in mir an die Oberfläche, führte zu einer Ruhe in mir, die vorher nicht da gewesen war, als Xiao direkt so nah hinter mir stand. Da hätte nicht viel gefehlt und ich wäre doch noch explodiert. Doch es geschah auch nicht, weil es Xiao war und ich dem irgendwie Vertrauen entgegenbrachte. Ich zeigte ihm nicht nur den Soldaten, sondern sandte auch ein unbewusstes Signal an ihn, dass er eine gewisse Wirkung auf mich hatte. Jetzt hielt ich das kurzzeitig aus. Aber es war eine schmale Gradwanderung, das sah man mir an. Ich brauchte dafür mentale Kraft.

"Zeigst Du mir, wohin der Weg führen wird?", fragte ich Xiao dann, wohl ahnend, dass er so etwas erwartete, aber es war ebenso sinnvoll. Und ohne, dass es mir in diesem Moment bewusst war, hatte ich die Spannung bisher gehalten. Ein Zeichen dafür, dass eine gewisse Kraft da war, wie ein kleiner Appetizer oder wie ein Puzzlestück dessen, was ich als Lance Corporal gebracht hatte. Es war ein Sneak Peak...
Die Betitelung als ‚Angeber‘ meinte er weder bösartig, noch spöttisch, es war einfach ein kleines ärgern, obwohl er nicht wusste, wo sie standen und es schon angebracht war, so mit ihm umzugehen. Aber so, wie er reagierte, ging er davon aus, das der Kobold es so aufnahm, wie er es sollte. Auch wenn er über den Kommentar hinweg ging. Es war besser, als das zusammenpacken oder biestige Reagieren, was ebenso möglich gewesen wäre. Vorerst entspannte er sich, was diese Sache anging, immerhin hatten sie hier besseres zu tun, als persönliche Befindlichkeiten wegen ein paar Kommentaren. Sie waren keine Kinder mehr, die mehr hinein dichteten, als notwendig.
„Nun, das spitze ende idealer Weise immer nach vorn.“, schmunzelte er ein wenig anzüglich, ehe er das Thema nun wirklich verwarf, sie sollten sich besser konzentrieren, ehe wirklich noch etwas wo drin steckte, wo es nicht hingehörte.
„Spann dich nicht so an, lass locker.“, meinte er ruhig, in weichem Ton, da ihm die Anspannung nicht entgangen war, obwohl er nur neben ihm stand. Dicht zwar, aber gerade gab es keinen Kontakt, an dem er es festmachen konnte. Eine Anspannung, die auf etwas lauerte, eine, die darauf wartete, die Kraft frei zu setzen und etwas zu tun. Wäre er wieder dort, wo er sein wollte, würde man ihn, einmal in Fahrt gerate, so leicht nicht stoppen können, doch bis dahin…
Nach einem kurzen Moment der Pause, versuchte er es erneut, jedoch nicht ohne erneute Anweisungen Xiaos. Was das anging, war er sehr streng, lieber jetzt triezen und es perfekt umsetzen zu können, als dann das nachsehen haben und den Pfeil ins Nirgendwo zu verschießen, wo er keinen Schaden anrichten konnte. Die Schüler waren auch nie begeistert, wenn es hieß, er wäre anwesend, denn dann gab es Wiederholungen über Wiederholungen, Zurechtweisungen über Zurechtweisungen. Was das anging, war er Perfektionist und er ließ keine halben Sachen zu.
„Ich hatte noch keines in der Hand, mit denen du es zutun hattest.“, sagte er ruhig. Einfache Schusswaffen ja, aber keine Gewehre, die waren im Dienst einfach unhandlich und unpraktisch, daher verzichteten sie darauf.
Xiao sah ihn kurz an, schmunzelte dann leicht und wandte sich wieder dem Zeil zu und verzichtete nicht darauf, Hilfestellungen zu leisten, hier und dort ein bisschen zu korrigieren. Ja er forderte ihn sogar auf, ein paar Sekunden in der Haltung zu verharren, das der Körper sich die Haltung einprägen konnte. Anschließend gab er sein Ok und ließ ihn erneut schießen. Durch die einstige Ausbildung würden die Fortschritte nicht so lang auf sich warten lassen, wie bei einem blutigen Anfänger. Dennoch brauchten sie Geduld.
„Ich weiß. Es wird kommen, wenn dein Körper oder viel mehr deine Senen und Muskeln an die Bewegungen gewöhnt sind. Das hier ist nur der Anfang, du wirst gefordert werden, wenn du soweit bist. Am Ende wirst du auch deine 18-30 Kilo haben.“, meinte er schmunzelnd. In der entsprechenden Zeit würde er die selbe Zugkraft wie Xiao bekommen, dessen war er sich sicher. Aber wenn er ihm diesen jetzt schon in die Hand drückte, würden sie spätestens in ein paar Tagen das Schlamassel habe.
„ich vertrau auf dich, also vertrau du auf mich, das ich dich nicht unterfordern werde.“ Eine große Bitte, die er da verlangte, dessen war er sich sicher, aber Vertrauen in dieser Sache war wichtig, um das Beste aus ihm heraus zu kitzeln. Er klopfte ihm mit der Hand leicht auf die Schulter, um ihn zu ermuntern und ließ sie vorerst auch zwischen Hals und Schulter ruhen. Selbst konnte er nur ahnen, wie frustrierend es sein konnte, sich nicht so auszutoben, wie man es gewohnt war oder es gern tun würde.
„Wenn du das willst, ja. Aber ich bin nicht nett!“, warnte er ihn vor, jedoch mit einem kleinen Lächeln. „Die Schüler hassen meine Anwesenheit, denn sie wissen, es wird Wiederholungen geben, bis sie erbrechen.“ Wenn er bereit war, das durchzustehen, würde Xiao ihm helfen. „Du wirst ein guter schütze werden, dessen bin ich mir sicher.“ Sogar noch besser als das, wenn alles so funktionierte, wie er glaubte. Aber das behielt er für sich. Erst beweisen, dann loben.

Mairtin Connolly

Mir war der Tonfall von Angeber bekannt und es war nichts Schlimmes für mich. Es war in Ordnung, ganz einfach brav gab ich mich ja auch nicht. Da kam der Kobold in mir hervor. Und ich hatte viel Schlimmeres in der Armee gesagt oder auch zu hören bekommen. Es fiel mir zunächst ein wenig schwer, mich zu lockern, aber dann ging es leichter, einfach nicht zu sehr dran denken. Ich atmete tief durch, nutzte das gesamte Volumen meiner Lungen, ehe ich ganz langsam die Luft wieder entweichen ließ. Ein langer Atemstoß, kontrolliert. Ich zählte bis acht, ehe ich wieder begann, einzuatmen. Mit jedem mal ließ ich besser locker und ich versuchte mich mehr auf den Sport, die Kraft und dergleichen zu konzentrieren. Nicht auf die Angst. Ich verstand gaaaaanz langsam, dass Xiao mich auch hier nicht FRESSEN und ZERFLEISCHEN würde. Ganz langsam akzeptierte ich es, ließ es zu, den Atem Xiaos in meinem Nacken wahrzunehmen. Und das war wirklich scheiße schwer, hatte Guy mich damals von hinten genommen. Die Übung half allerdings, nicht an die Decke zu gehen. Ich spürte, dass er mich jetzt forderte, jetzt ständig korrigieren würde, so wie er es mit den Schülern auch tat, nur auf eine Weise, die nicht den normalen Schülern entsprach, sondern einem Erwachsenen, einem Mann. Ich verstand es. Die erneuten Aufforderungen zur Korrektur nahm ich ruhig auf, setzte um, ohne mich davon nerven zu lassen. Ich agierte dabei mit der Präzision und Ruhe eines Soldaten (oder auch wie ein hoch ausgebildetes Dressurpferd?)

Da brauchte er schon sehr viel mehr. Ich nickte knapp, als er meinte, er hätte noch nie ein Gewehr in den Händen gehabt, wie ich sie handhaben konnte, wohl aber kleinkalibriger Waffen. "Es kommt auf das genaue Modell an. Aber tendenziell ist eine 45er oder eine 9-mm einfacher zu verstecken als die dicken Dinger." Die passten nun mal nicht unter die Hose. Allerdings hatte ich von handhabbar wohl eine ganz andere Definition. Ich schwieg kurz wieder, konzentrierte mich wieder auf die Waffe in meinen Händen, als ich spürte, dass es nötig wurde, damit ich nicht wieder in die Haltung glitt, die mir zurzeit noch etwas leichter fiel, aber nicht die richtige war. So blieb ich tatsächlich in der verlangten Position. Der Pfeil blieb weiterhin auf das Ziel gerichtet. Ich schoss erneut auf das Kommando und der Pfeil traf um einige Milimeter besser, nicht viel. Ich nickte noch einmal. "Ja, ich weiß, dass mein Körper noch Zeit braucht. Ich hab noch nicht mal das Gewicht, das ich mit dem Eintritt IN die Armee hatte. Das was ich jetzt wiege, hatte ich zuletzt als Minderjähriger" gab ich zu "und die Sehnen werden im Reiten gut belastet für die erste Zeit. Es macht keinen Sinn, einen zu schweren Bogen zu nehmen UND damit dann den Körper zu überlasten, bis daraus eine Sehnenscheidenentzündung entsteht. So schwer das auch ist, jetzt leg ich die Grundlagen. Eine Sehnenscheidenentzündung dauert mit Pech mehrere Wochen. Ergo kacke."

Ich kannte so etwas schon aus der Grundausbildung, da hatte ich auch gut zugelegt, Muskeln aufgebaut und wer genau in die Akte gesehen hatte, der sah auch, dass ich beim Eintritt in die Armee 184 Zentimeter groß war. Ergo ich war aus der Uniform herausgewachsen, binnen weniger Monate um genau zu sein. Damals war ich damit auch ein wenig zum Spott geworden. Damals war ich noch so jung, dass ich anfangs nicht direkt damit klarkam, es aber auch schnell lernte und mich als Kobold und Spaßvogel entpuppte. Ich nahm wieder auf, begab mich in die Haltung zurück und nickte Xiao zu, aufmerksam. "In Ordnung. Ich vertraue Dir. Warum auch immer, irgendetwas in mir sagt mir, ich kann Dir vertrauen." Plötzlich flackerte mein Blick auf, Verwirrung zeichnete sich darin ab. Alles nur Zeichen dessen, wie tief die seelischen Wunden reichen mussten und dass ich das eben zugebende reflektieren musste. In meinem dunkelblonden Köpfchen arbeitete es. Kurz verspannten sich Muskeln, die Haltung veränderte sich, aber dann glitt ich in die gewollte Position zurück. Dafür musste ich mich aber kurz entspannen, die Schultern kreisen lassen und dann nahm ich nach einem kurzen Kopfschütteln den Bogen erneut auf. Ich lachte auf, "oh interessant. Eine Herausforderung, ja? Diese Ankündigung habe ich schon ein paar Mal gehört - nicht von Dir, aber von Ausbildern sowie zwei Captains - und ich antworte Dir, try me." Wieder dieser etwas frechere Ton, kaum hörbar, aber gerade noch da. Ich kam wieder aus meinem Schneckenhaus hervorgekrochen und ließ erahnen, wie es zu dem Eintrag in meiner Akte 'enorme Leistungsbereitschaft, bester Schütze' aber auch 'aufpassen, der wird frecher und zum Scherzkeks, wenn nicht ausgelastet' gekommen sein mochte durch zwei Captains. Ich war nicht totzukriegen.

"Wenn Du den genauen Wortlaut haben willst, den ich nur noch weiß, weil wir den in der Ausbildung täglich dreißig Mal hörten und auch nachts damit aus dem Bett geworfen wurden, ich zitiere: 'Ihr werdet am Ende entweder raus sein oder aber ihr könnt es vorwärts und rückwärts kotzen, selbst wenn ich Euch um nachts um drei Uhr wecke oder vom Scheißen vom Klo hole. Wenn ihr Euch beschwert, ihr könnt es, sage ich ihr könnt einen Scheiß. Ein Zehntel, wenn es hoch kommt.'" Ich machte eine kurze Pause, ehe ich weiter ausführte. "Also ich glaube, ich werde damit klarkommen und verfüge ich erst mal über das was ich war, wirst Du Dich anstrengen müssen mich zum Kotzen zu bringen. Das davor? Das nehme ich als normalen erneuten Aufbau. Ein Ausbilder MUSS einen gewissen Sadismus gegenüber den Kadetten beweisen. Manchmal. Sonst bekommt man nicht das Beste. Heute? Nein. Ich weiß, dass ich das heute nicht stehen kann und bin noch viel zu sehr mit Aufbau beschäftigt und meine Grenzen sind mir klar. Eine der Grundregeln für Soldaten, die nach Hause kommen wollen." In diesem Moment legte meine Stimme an Kraft zu, kurzzeitig bäumte sich der Soldat stärker auf als bisher, er wagte sich mehr auf das Gelände und ich kämpfte innerlich einen harten Kampf. Gut so. Ohne die täglichen Sitzungen mit dem Stillen Bruder wäre ich wahrscheinlich noch nicht SO weit, wie jetzt. Und er dachte langsam auch an Meditation, aber das wäre noch einmal schwerer für mich und es brauchte eine gewisse Stabilität.
Xiao hatte genug Empathie, um zu wissen, wie weit er mit seinen Korrekturen gehen konnte und wann sein gegenüber dicht machte und nicht mehr dafür empfänglich war, was er wollte. Hier und dort nahm er daher auch die Anspannung war, die nichts mit dem Bogen oder Anstrengung zutun hatte. Dennoch schonte er ihn nicht, wissend, was er mit ihm anstellte. Ja gar provozierend, zwingend, das er es aushielt. Das passierte auf eine selbstverständliche, natürliche Art und Weise, auf eine alltägliche Art, damit er dann, wenn es nicht zu vermeiden war, aushalten konnte. Etwas, das nebenbei trainiert wurde, wenn es die Gelegenheit gab, war bei weitem nicht so schlimm, wie eine Situation, der man nicht entweichen konnte. Der Atem im Nacken mag nichts schlimmes sein, doch mit dem erlebten dann auf engen Raum aushalten zu müssen, konnte Traumata auslösen, die zum Amok und zu Toten führen konnten. Dann lieber in kontrollierten dosen…
„Du machst das gut….“, sagte er leise, als er die Atemtechniken registrierte, die ihm nur helfen konnten. Xiao passte sich dessen Atem an, erhöhte sogar minimal den Druck seiner Finger, als er einatmete, nur, um den Druck zu verringern, als er ausatmete. Ihn zu zerfleischen war daher gerade das letzte, was er wollte. Viel wichtiger war, das er sich entspannte, alles abstreifte und sich auf das Jetzt und sein Ziel konzentrierte. Alles andere kam danach.
„Ich trage keine Waffen, um sie zu verstecken.“, schmunzelte er. „Sondern um sie zu gebrauchen.“ Unnütz mit sich herum zu tragen war zwar der Idealfall, aber eher selten, waren sie doch dazu da, genutzt zu werden, Leben zu verteidigen, doch wem sagte er das? Hier stand kein Zivilist vor ihm, sondern jemand, der wusste, wovon er sprach.
„Genau, lieber jetzt Geduld, als später bereuen.“, stimmte er zu, nickte lobend, als der Pfeil ein wenig mehr ans Ziel gelangt war, wenn auch nur minimal. Aber der Fortschritt war zu erkennen. „Tja auch wenn du so wenig wiegst, siehst du sicher besser aus, als damals.“, warf er mal in den Raum, nicht weiter kommentierend, ob er das beweisen konnte, ob er ein Bild von damals gesehen hatte oder dergleichen. Stattdessen zeigte sich ein kleines Lächeln auf den Lippen, als er den Blick weiterhin auf der Zielscheibe ruhen ließ. Manches musste er nicht wissen, ihn ein wenig brüten zu lassen, gefiel ihm zudem, also sollte er ruhig schmoren. Allein das, was er unter seinen Händen fühlte, sprach wohl für sich. Kaum ein Teen konnte das bieten, auch wenn es noch nicht so viel war oder versprach, mehr zu werden. Aber das blieb abzuwarten.
Leicht nickte er ihm lächelnd zu und entschied, das mit dem vertrauen nicht zu kommentieren. Solche, die sagten ‚Vertrau mir‘ waren am ende jenen, die es als erstes ausnutzten, zumindest in Filmen, Büchern und solche Sachen. Das wichtigste war gesagt, alles andere würde sich zeigen. Auch wenn er es nicht in Worte fasste, war Xiao wohl einer, dem Vertrauen wichtiger war, als irgendwas anderes. Damit konnte man so viel aufbauen oder zerstören, je nach dem, was man als Absicht hatte. Bei ihm jedoch… lieber würde er sterben, als sein Wort zu brechen oder jemanden zu verraten. Das waren aber Dinge, die es zu bewiesen galt, nichts, was man behauptete. Entweder man war da, oder man war es nicht. Da gab es nichts schön zu reden.
Auch er kam nicht umhin zu schmunzeln. Das würde wirklich ein Abenteuer werden, denn es war eine Sache, vorlauten Teens etwas beizubringen, eine andere, es mit einem erwachsenen zutun, der von selben Schlag war. Letzteren konnte er nicht drei Mal um den Platz scheuchen, weil er sich im Wortlaut vergriffen hatte. Hier war er zwar auch Lehrer, in gewisser Weise, aber kein Solcher, der ihm Respekt abfordern konnte, weil seine Position um einiges höher war. Vertrauen spielte hier also wieder eine große Rolle. Vertrauen darauf, das er wusste, was er machte und eben das entsprechend vermitteln konnte, um ihm zu helfen den richtigen weg für sich zu finden.
Bevor er etwas erwidern konnte, legte Mairtin schon mit dem Zitat los. Nur gut, denn Xiao hätte diesen nun gnadenlos eingefordert, wenn er schon so damit prahlte. Als er dann tatsächlich ohne Aufforderung erfolgte, grinste er leicht.
„Tatsächlich ein kleiner Angeber, aber ich nehme dich beim Wort. Ich hol dich aus dem Bett und dann hast du da genau ins Schwarze zu schießen.“, forderte er, „erst dann lass ich dich in Ruhe.“ Ein Zeil, das durchaus zu erreichen war. Eine Absicht, die er einfordern würde, auch wenn es bedeutete, das die eigene Nacht sehr kurz werde würde, selbst wenn er es alle paar stunden wiederholen und ihn hier herunter schleifen musste. „Und vergiss nicht die bewegten Ziele.“ Scheiben aus dem Stand zu treffen, war keine Kunst. „dann hoch zu Ross bewegte Ziele treffen…“ Die Liste schien unendlich und ja, es war ein kleines sadistisches Lächeln, welches sich auf seinen Lippen widerspiegelte. Wer die Qual wollte, der sollte sie auch bekommen. Dämonen taten einem nicht den gefallen und bleiben kurz stehen, damit man sich ohne Probleme treffen konnte. Es schien eine Herausforderung für sie beide zu sein, aber keine, die er scheuen würde.
„Nun konzentrier dich wieder.“, verlangte er mit sanften Unterton, schon jetzt begrüßend, das Mairtin morgen gehörigen Muskelkater im Rücken haben würde. Aber damit konnte er, Xiao, sehr gut leben. Was das anging wurde er wirklich gern verflucht. Nachteil war nur, das sie morgen auf das Training würden verzichten müssen, es sei denn, es fiel ihm eine andere Art Training ein. Termine hatte er bis jetzt nicht, jedenfalls keine, die zwingend nötig wären. Zum Training der Hunter konnte er ihn noch nicht mitnehmen, was bedeutete, das sie etwas neutrales finden mussten, was ihn nicht gleich umwarf, aber gleichzeitig ein wenig forderte.
„Kleine Pause?“ Er nickte zu den Wasserflaschen, de er mitgebracht hatte. Den Rücken nun binnen einer halben Stunde zu überfordern, brachte sie nicht weiter. Kleine schritte brachten den Wanderer schließlich auch zum Ziel.
„Inzwischen bist du ja schon recht fit, hast du dir schon Gedanken darüber gemacht, wo du wieder hin willst?“ Er meinte nicht mal zwingend, ob er bleiben wollte, viel mehr, was die Fitness anging und das Training in absehbarer Zeit. Vielleicht fanden sie etwas, worauf sie hinarbeiten oder etwas gezielter fordern konnten.

Mairtin Connolly

Die Berührungen waren zwar nur leicht, brachten mich aber effektiv und effizient gleichermaßen an meine psychischen Grenzen dessen, was ich aushalten konnte, ohne in die Luft zu gehen wie eine Handgranate. Wie schwer mir das fiel, spiegelte sich wohl auch in meinem Gesicht und war auch anders zu sehen: Ich schwitzte und es dauerte nicht lange, bis große Flecken zu sehen waren - vor allem an Brust und Rücken. Es brauchte etwas Zeit, bis ich wahrnahm, dass es gar nicht wehtat oder etwas Schlimmes geschah. Die Anstrengungen, den Bogen zu halten, halfen tatsächlich im Hier und Jetzt zu bleiben. Entsprechend meines Atemrhythmus verstärkte oder verringerte sich der Druck in meinem Nacken und ohne dass ich es zunächst merkte, antwortete mein Körper irgendwann. Die Muskulatur wurde ganz langsam etwas lockerer an der Stelle. Plötzlich quiekte ich lachend auf, wie eine Mischung aus Meerschweinchen und Quietscheente. Xiao hatte genau DIE eine Stelle an mir entdeckt, an der ich KITZELIG wie bescheuert war. Die einzige Stelle. (Nelson hatte das nie herausgefunden.) Ich versuchte nach Luft schnappend und lachend mich zu befreien, um anschließend wieder die Haltung anzunehmen. "Wehe Du verrätst, wem WO ich kitzelig bin" scherzte ich grinsend und mich wieder auf meine Muskeln konzentrieren, die offenbar irgendwie auf Xiao positiv reagierten.

Das Ganze half aber auch diese negativen Dinge wieder mehr loszuwerden, anzukommen, zu realisieren, dass hier nichts BÖSES wie Nelson lauerte und ich nicht gleich wieder eine Vergewaltigung befürchten musste. Kurzzeitig wurde der Bereich, den Xiao berührt hatte, sogar butterweich, gab nach. Okay nicht wirklich butterweich, aber im Vergleich zu vorher doch deutlich verbessert. Keiner von uns trug wohl Waffen, um sie nicht zu gebrauchen. Das hatten wir gemein. Ich nickte, verstand, was er meinte. Aber die Art der Bewaffnung war anders. Der Soldat in mir war wach. Ich wusste, dass ich bald eine Pause brauchen würde, um den Bewegungsapparat nicht zu überfordern und Xiao stimmte darin überein, besser jetzt Geduld zu üben. "Danke" ergänzte ich, "es wird langsam. Ich kann Veränderungen spüren." Das stimmte auch. Es ging mir besser als noch im Dezember, als ich hier vor die Türen des Tempels gespült wurde. Dass Xiao es genoss, mich brüten zu lassen, verstand ich noch nicht. Ich begann aber ihm wieder ein Stück mehr zu vertrauen, ohne dass ich es richtig fassen konnte. Obwohl ich frech sein konnte, ein irischer Kobold war, laut der Militärakte, dieses Wesen war verschüttet unter dem Gebirge von Trümmern eines Traumas. Fast komplett. Nur hier und da blitzte etwas Humor hervor und wahrscheinlich hatten mich die Erlebnisse verändert. Ganz so extrem wie früher würde ich vielleicht nie mehr werden.

Ich lachte leise als Xiao mich als kleinen Angeber betitelte. Noch vor einigen Wochen hätte ich diesen Tonfall und die Stimmung nicht richtig deuten können. Jetzt aber merkte ich diese Nuancen wieder. "Kannst Du tun" sagte ich und meinte das auch so. Treffen würde ich. Aber das kleine Grinsen verriet, ich würde Xiao eine unerwartete Retourkutsche geben. Vielleicht sollte ich einen netten Eimer über meiner Tür anbringen und PLATSCH. Oder etwas anderes? Hm, wer weiß. Wieder ernst erwiderte ich, "Schlachten richten sich nicht nach dem Wecker." Schon war ich wieder mehr der Soldat. Ob ich wirklich vom Pferd aus Schießen könnte, stand in den Sternen, nicht, etwa weil ich es mir nicht zutraute, sondern ahnte, dass Devil dafür nicht das richtige Pferd wäre. Der würde wahrscheinlich an die Decke gehen und ausrasten. Er war halt ein heißblütiger Kandidat mit hohem Vollblutanteil über die Mutterlinien. Ein starker, schneller Springer ja, aber manchmal eben eine Handgranate auf vier Beinen. Das war aber noch weit entfernte Zukunftsmusik, erst einmal galt es das Schießen zu lernen. Doch Xiaos nun sadistisches Lächeln in meinem Rücken sah ich nicht, ahnte aber er überlegte sich schon ein paar Dinge. Hätte ich es gewusst, hätte ich gelacht und ihn gefragt, ob das da drüben in Afghanistan eventuell anders ausgesehen hätte: Nein. Auch da musste man schnell agieren, wenn es galt die eigenen Jungs zu schützen, einen Rückzug zu ermöglichen oder feindlichen Vorstoß zu stoppen. Ein Scharfschütze konnte dafür genügen, wenn er kluge Schüsse setzte und Panik verbreitete. Auch wenn man stundenlang ohne genügend Verpflegung auf der Lauer gelegen hatte, im entscheidenen Moment da sein und vor allem schauen, das man selbst nicht aufgeklärt wurde.

Ich gehorchte dann wieder mit der Genauigkeit und dem Gehorsam eines Soldaten, der ich auch fünf Jahre gewesen war. Der Lance Corporal war da, hatte die Kontrolle vorerst übernommen. Kurz darauf schlug Xiao eine Pause vor. Ich gehorchte erneut, spürte, dass meine Muskeln es mir danken würden. Jetzt der falsche Ehrgeiz wäre dumm. Mir war auch klar, dass es ein Test sein könnte, aber taktisch klüger wäre es, den später zu bringen. Nicht bei der ersten Einheit. Ich nickte, legte den Bogen sorgsam ab, um anschließend eine der Wasserflaschen zu öffnen und ein paar Schlücke zu nehmen. Als ich die Flasche absetzte, um die nächste Frage zu beantworten, glänzten meine Lippen ein wenig von dem Wasser. Sie waren auch wieder farbig genug, Zeichen davon, dass ich nicht mehr groß unter der Blutarmut zu leiden hatte und ich fitter wurde. Im Gegensatz zum Zeitpunkt meines Auffindens waren meine Lippen nicht mehr spröde oder rissig. "Beruflich? Ich werde hier bleiben und das Leben als Soldat der königlichen britischen Armee hinter mir lassen. In diesem Leben ... nein, ich möchte die Worte dafür nicht sprechen, aber ich glaube, Du weißt, was ich meine. Es gibt genügend taktische Gründe, warum es so besser ist. So viel zum rationalen Part. Der emotionale? Ich spüre, dass es hier besser für mich ist. Warum auch immer. Und ich konnte meinem Bauchgefühl immer vertrauen. Das hat sich nie geändert." Ich nahm noch einmal ein oder zwei Schlücke und dachte nach. "Langfristig trainingsmäßig wieder auf das Level, auf dem ich war und das wird noch Arbeit genug. Das hab ich auch nicht übermorgen wieder drauf. Oder nächste Woche. Und was ich morgen dafür tun werde? Mein Rücken und die Arme werden morgen möglicherweise vermelden, vergiss es, das mache ich heute nicht noch mal, fick Dich, Mairtin Connolly. Also dürfte schwimmen beziehungsweise Ausdauer eine gute Wahl sein."
Seiten: 1 2 3