Wind Beyond Shadows

Normale Version: Überraschung, willkommen in meiner Welt
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Mairtin Connolly

Ich hatte erneut Devilstar gesattelt. Erst stand etwas Dressur auf dem Plan. Dieses Mal in der Reithalle. Anderes blieb mir nicht übrig. Meine verdammte Gesundheit. Aber das ging wohl vor. Für den späteren Ausritt hatte ich noch einen Schal in meinem Rucksack und eine weitere Jacke. Es brachte ja nichts, wenn ich mir einen abfror. Ein weiterer Grund, warum ich die Reithalle wählte, war die Tatsache, dass Devil dabei konzentrierter in der Dressur blieb. Auf dem Reitplatz sprangen wir lieber, anstatt die nervende Dressurarbeit zu machen. Das musste wohl trotzdem sein, auch wenn er es nicht unbedingt mochte. Ein durchlässiges Pferd war mir wichtig genug. Und ich achtete darauf, dass er trotzdem seinen Spaß behielt. Devil hatte seine Sache heute wirklich gut gemacht und ich arbeitete selten länger als dreißig Minuten. Nun hielt ich an, gab ihm ein Leckerchen von oben herab, das er sich begeistert einverleibte. „Komm her, Du kleine Sabberbacke, das hast Du Dir verdient. Und jetzt geht es raus.“ Nachdem ich die Jacke übergezogen, ging es im ruhig im Schritt vom Hof. Etwa zehn Minuten später, begannen wir leichtzutraben – in einem lockeren, entspannten Rhythmus ging es vorwärts. Von wegen ruhiger, lockerer Ausritt.

Es zeigte sich gleich mal wieder, Devil war zwar inzwischen ein bisschen sicherer geworden, aber er war auch weiterhin temperamentvoll. Ein Rascheln ertönte in der Nähe in einem Gebüsch. Als Folge stieg Devil steil in die Luft, bis er kerzengrade auf den Hinterbeinen stand, den Kopf hoch in die Luft warf und mit den Vorderhufen in selbiger ruderte. Kurz ging es in Richtung Boden. Dann ging er wieder in die Levade, legte die Ohren an und tänzelte dabei auf den Hinterbeinen zur Seite. „Gaaaaanz ruhig“, sagte ich, machte die Stimme tief, nahm die Zügel enger, um ihn etwas zu begrenzen und dabei schloss ich die Beine eng um den Pferdebauch, um nicht hinabzufallen. Ich nahm weiterhin langsam an Gewicht zu. Dabei hielten sich Muskeln sowie Fett bestens die Waage. „Ey Dicker, lass es sein“ grummelte ich leise. „Devi, Du hast wohl wieder die Flöhe husten gehört, hm?“, sprach ich mit tiefer Stimme, und dann begann ich wieder zu singen. Typisch irisch eben.

„In the merry month of June from me home I started
Left the girls of Tuam nearly broken hearted
Saluted Father dear, kissed me darling mother
Drank a pint of beer, me grief and tears to smother
Then off to reap the corn, leave where I was born
Cut a stout blackthorn to banish ghosts and goblins
A brand new pair of brogues, rattlin‘ o’er the bogs
Frightenin‘ all the dogs on the rocky road to Dublin
One two three four five
Hunt the Hare and turn her down the rocky road
And all the way to Dublin, Whack fol lol le rah!“

Ich hatte eine etwas höhere Stimme, als man erst bei meiner Gestalt erwartete, aber klar und wie schon früher hatte sie den Effekt, dass sich die Öhrchen des Hengstes drehten, um mir zu lauschen. Ich sang aber noch nicht allzu laut. Er stand wieder auf allen vier Hufen, schnaubte, rollte mit den Augen und tänzelte weiter. „Shhhh... alles gut" versuchte ich ihn zu überzeugen und keiner von uns beiden sollte ahnen, was gleich noch passieren würde...

(( https://www.youtube.com/watch?v=9nhgcpq7lmE ))
[Bild: tala-makake1k1idg.jpg]


Jetzt war ich schon eine ganze Weile in der Welt unterwegs. Ich war es nicht gern, aber der Ältestenrat meines Dorfes hatte das so entschieden. Also tat ich, was man von mir erwartete. Es hielt mich, nach dem Tod meiner Familie, eh nichts mehr wirklich in dem Dschungel in Borneo, wo ich normal Zuhause war. Auf meiner Reise sollte ich wieder Vertrauen in die Menschheit bekommen. Doch das wollte ich garnicht. Die Menschen hatten meine ganze Familie getötet, und das nur, weil sie wissen wollten, wie unser Körper funktioniert. Das zu erforschen ist allerdings unmöglich, da wir uns auflösen, wenn wir sterben. Von uns bleibt nichts übrig. Das hätten die Menschen doch schon erkennen können, nachdem sie ein oder zwei getötet hatten. Wieso mussten sie alle umbringen, die mir am Herzen lagen?
Ich versuchte nicht weiter darüber nachzudenken, während ich um die Welt reiste. Am besten hatte es mir am Nordpol gefallen. Dort gab es kaum Menschen. Doch es war viel zu kalt für mich. Sowas war ich nicht gewöhnt. In Borneo war es niemals kälter als 23°C. Am Nordpol wurde diese Temperatur nicht einmal im Traum erreicht. Also war ich weiter gezogen. Leider hatte sich der Mensch schon viel zu weit ausgebreitet, so das ich immer weiter reiste. Zwar sah ich dadurch viel von der Welt, hatte aber keinen Spaß daran. Was wohl auch daran lag, das ich mich weigerte, mich mal in einen Menschen zu verwandeln, um die Gegenden zu erkunden.
Jetzt war ich zwar zurück in Asien, doch hier in Japan konnte es auch empfindlich kalt werden. Das und mein Wissen über Affen, die im Urwald lebten, brachten mich dazu mich in einen Makaken zu verwandeln. Ich war mir sicher, das ich mit dieser Gestalt gut klar kommen würde, da ich im Dschungel von Borneo auch oft als Affe durch die dichten Bäume gesprungen war. Ein weiterer Grund war, das ich auf einen Vogel keine Lust mehr hatte, da ich auf der Reise hier her oft als Vogel über das Meer fliegen musste, wenn ich nicht gerade als Fisch oder Schildkröte unterwegs war. Ich wollte einfach mal wieder eine Gestalt haben, die ich kannte.
In der Gestalt des Makaken sprang ich nun los und wollte auf einen der Felsen springen, die am Rande eines Weges standen. Doch ich verschätzte mich total. Auf einen Felsen zu springen war eben doch ganz anders, als auf einen Baum zu springen. Das hatte ich nicht bedacht. Ich rutschte ab und fiel auf den Boden zurück, wobei ich mir die rechte, fordere Pfote verdrehte. Es gab einen stechenden Schmerz und ich schrie auf. Im nächsten Moment erklang ein erneuter Schrei von mir. Diesmal allerdings nicht vor Schmerz, sondern weil ich mich erschreckte. Ich war direkt vor ein vierbeiniges Monster gefallen, das sich nun wütend aufbäumte. Jedenfalls nahm ich an, das es wütend war.
Noch schlimmer war jedoch, das dort ein Mensch auf diesem Monster saß. Mir blieb aber auch nichts erspart! Was für ein grauenhafter, schwarzer Tag! Nur gut, das der Mensch mich noch nicht gesehen hatte. Er war zu sehr damit beschäftigt sein Monster zu beruhigen. Ich stand auf und wollte schnellstens davon springen. Doch das ging nicht. Meine Pfote tat so weh, das ich gleich wieder aufschrie. Was sollte ich jetzt nur tun? Ich konnte die Pfote zwar anheben und auf den drei anderen Pfoten fliehen, doch so wäre ich zu langsam. Nützen würde mir das nichts. Auf einen Baum oder gar einen Felsen zu klettern, würde mit der Pfote aber mal gar nicht funktionieren. Das konnte ich mir abschminken. Wie also sollte ich hier weg kommen?
Ich sah mich um. Es gab ein paar Büsche in der Nähe, in denen ich mich vielleicht verstecken könnte. Doch brachte mir das was? Egal! Ein Versuch war es wert. Ich humpelte also zu dem nächstgelegenen Gebüsch. Doch bevor ich darin verschwinden konnte, tauchte aus diesem ein anderer, wütend aussehnder Makake auf und sprang auf mich zu. Erschrocken sprang ich zurück und vertrat mir dabei erneut meine schon verletzte Pfote. Nun war es ganz sicher vorbei mit dem Verstecken. Mittlerweile musste mich der Mensch gehört und auch gesehen haben. Er würde wissen, wo ich war. Panisch sah ich mich um. Vielleicht gab es ja doch noch einen Ausweg.
Der andere Makake war zum Glück einfach weiter gelaufen und hatte mich ignoriert. Wenigstens eine Sache, die nicht zum Problem geworden war.

Mairtin Connolly

Der Hengst unter mir stieg erneut steil in die Luft. Nur dank des Knieschlusses blieb ich im Sattel. Es half nichts, sich in den Zügeln festzukrallen oder daran wild zu reißen. Damit fügte ich dem Tier nur Schmerzen zu. Einen Finger hatte ich in das Maria-Hilfs-Riemchen verhakt. Das Ding hatte mich schon manches mal gerettet und es konnte zwischen Sturz und oben bleiben halten. Da konnte der kleine Finger reichen, ein kleines Detail – im wahrsten Sinne des Wortes. Auch jetzt blieb ich nur dank meiner Erfahrung im Sattel. Das kleine Äffchen sprang wie wild umher. Wahrscheinlich hatte es sich erschrocken oder war sogar verletzt. Ich konnte mich allerdings kaum darum kümmern, denn der Dunkelbraune machte noch ein paar hübsche Bocksprünge. Devilstar drehte sich um die eigene Achse, keilte nach hinten aus und ging unvermittelt auf die Vorderbeine, sodass ich kurzzeitig etwas aus dem Sattel glitt, aber oben blieb. Es forderte allerdings alles an Kraft und es hätte wirklich nicht viel gefehlt, sodass ich mich wieder auf den Arsch gesetzt hätte. Prima. Das wäre ziemlich peinlich für mich geworden. Ich wuchtete mich zurück in den Sattel. Uff, das war scheiße anstrengend und ich konnte darauf wetten, dass ich davon in den nächsten Tagen noch etwas spüren würde. Muskelkater war ein Begleiter geworden, den ich in den letzten Wochen immer wieder mal gehabt hatte und es war wohl vollkommen normal. Morgen würde ich wohl etwas pausieren müssen oder nur Leichteres machen. Langfristig jedoch war es ein gutes Zeichen, denn es bedeutete, dass ich erstens den Stress auch etwas verarbeitete und zweitens, dass mein Körper immer stärker wurde. Es würde aber noch dauern, bis ich körperlich wie geistig wieder vollkommen gesund war. Mit Xiao an meiner Seite hatte ich allerdings eine Chance, wieder zu heilen. Wie es weitergehen würde, wusste ich noch nicht und das würde die Zukunft wohl zeigen. Aber erst einmal musste ich das Pferd beruhigen. Ich packte ihn nun am Gebiss, zog das großen Kopf zu mir und murmelte leise, „bleib hier, alles gut. Ich bin da und beschütz Dich, keine Sorge. Ich bin da“ murmelte ich ihm zu, kraulte ihn zwischen den Ohren und schaffte es endlich, dass er sich beruhigte. Wie angewachsen standen die vier Hufe nun still, aber ich spürte die Spannung in dem großen Pferdekörper. Er war bereit, noch einmal loszulegen. Wahrscheinlich wollte er mich auch vor dem unbekannten irgendwie beschützen. Ich saß ab, griff das Pferd am Zügel, um ihm nun mehr Sicherheit zu vermitteln, indem ich vorne weg ging. Langsam. Mal sehen, ob ich nachher einen Baumstamm fand, den ich nutzen konnte, um aufzusteigen oder ich mich so auf den Rücken schwingen musste. Früher hatte ich das durchaus gekonnt, es aber nur selten gemacht, um den Pferderücken zu schonen. Aktuell wusste ich aber nicht, ob ich dafür genügend Kraft schon wieder aufgebaut hatte. Dabei kam ich dem Wesen immer näher, was meinen Hengst so in Panik versetzt hatte. „Hier schau, alles gut?“ sprach ich dem Holsteiner zu.