Wind Beyond Shadows

Normale Version: I pretend it isn't there
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In einen viel zu großen Hoddie gehüllt, von dem er auch noch die Kapuze übergestreift hatte, wusste Chiaki nicht, wohin er mit sich sollte. Es war noch recht früh am Morgen, als er sich dazu entschlossen hatte, ein bisschen über das Gelände zu streifen, die Gedanken zu sortieren und ein Ort zu finden, an dem er sich vorerst ein wenig verstecken konnte.
Der gestrige Tag war irgendwie nicht so abgelaufen, wie erwartet. Wobei er nicht sagen konnte, was er erwartet hatte. Es kam ihm einfach nicht richtig vor, irgendwie. Es wurmte ihn, immerhin das konnte er sagen. Es beschäftigte ihn, hatte ihn die halbe Nacht wachgehalten, in der er sich so ruhig, wie es ging, verhalten hatte, damit Xi schlafen konnte. Zumindest redete er sich es ein, während er es besser wusste. Dieser reagierte auf jede Atmung, die anders war, jede Bewegung, etwas, das schon bewundernswert war und gleichzeitig das zu sein schien, was Xi von ihm erwartet.
Sinne, Ahnungen, einen siebten Sinn, die der Ältere sein Leben lang hatte trainieren können, konnte Chiaki aber nicht in einem Jahr erlernen. Und als Strafe dessen, wurde ihm nun das entzogen, um genau das zu lernen, ein Widerspruch in sich und das Gefühl irgendwie nicht auszureichen, machten ihm zu schaffen. Er schob die Hände in die Bauchtasche, ballte sie zu Fäusten und Blickte auf den Weg vor ihm, während er darauf entlang lief.
Wie hatte er den Angriff sehen können? Klar, er war nicht darauf vorbereitet gewesen, obwohl das Training eben genau darauf abzielte. Immer bereit zu sein, reagieren zu können. Sicher, in einem Jahr vielleicht, wenn er die Bewegungen, die auf ihn abzielten auch erahnen konnte. Dann, wenn die Sinne soweit Geschäft waren, doch jetzt…
Tief atmete er die kalte Luft ein, stieß sie wieder aus und wusste, er kam keinen Deut weiter. Schmerz fuhr ihm durch die Brust, was ihn einmal mehr an die Misere erinnerte, die er am liebsten verdrängen würde. Er versuchte doch sein Bestes, um den Ansprüchen gerecht zu werden, die Xi an ihn stellte, aber es schien nicht genug zu sein. War er zu unfähig, oder waren die Ansprüche zu hoch? Wo war der passende Mittelweg? Als ob er sich mit einem Mittelweg zufrieden geben würde…, sagte er sich selbst und wollte es ja auch nicht als Ziel für sich zu haben. Er wollte der beste sein, wollte ja auch bestehen können, allein, damit Xi stolz auf ihn sein konnte, statt die Enttäuschung von gestern erneut sehen zu müssen. Noch immer verfolgte ihn dieser Blick, der ihm ins herz geschnitten hatte. So sehr das er am liebsten irgendwohin geflüchtet wäre…
Er wollte ihm so viel sagen, doch wenn er ihn ansah, kam kein Wort über seine Lippen, was ich selbst frustrierte. Wie sollte er an der Situation was ändern, wenn ihm das Training mit dem Besten nun verwehrt war? Ach verdammt… er hatte das Gefühl für etwas Bestraft zu werden, was er nicht hatte beeinflussen können! Und als würde das nicht reichen, das Training nicht mehr mit ihm haben zu können, war es ja auch noch die zeit mit ihm, die fehlte. Sie sahen sich so schon kaum… Darüber beschweren würde er sich nicht, und doch war es ein Punkt, den er nicht ignorieren konnte.
Chiaki lief weiter und sah in der ferne Mairtin. Er hatte keine Luft auf gute Laune, auf andere, auf Gesellschaft, von ihm aus konnte grade die ganze Welt untergehen, das würde zumindest zu seiner Stimmung passen. Eigentlich hatte er heut einen Umschlag auf Xis Arbeitsschreibtisch deponieren wollen, der die offizielle Aufnahme Bestätigung inkl. der ausgezeichneten Prüfungsergebnisse enthielt, stattdessen gammelte er auf dem Esstisch herum.
„Ach verdammt…“, grummelte er, drehte sich um, damit er eine Gegend fand, an der keine Menschenseele zu finden war. Dort konnte er immerhin in seinem Selbstmitleid ertrinken, ohne Unsinn zu machen. Ja, das kam noch dazu, das er nichts tun konnte, was ihn ablenkte, weil es ihm verboten war. Alles, was ihn aus dieser Stimmung ziehen konnte, würde nur noch zu mehr Stress führen. Er hasste solche Situationen, solche Gefühle, mit denen er nicht umgehen konnte. Zurückweisung, zu enttäuschen, nicht zu reichen. Nun wäre irgendwas selbstzerstörerisches genau passend… das einzige, was er tun konnte, war rauchen… toll Zigaretten rauchen, wie rebellisch…
Er schüttelte den Kopf und hatte nicht mal darauf lust. Blöder JJ… Wenn dieser nicht gewesen wäre, wäre alles noch beim alten. Wäre, Wäre, wäre… ja er wusste selbst wie kindisch es war, ebenso, wie er wusste, das er sich gegen sowas einfaches hätte wehren können. Ja hätte er auch gekonnt, wenn irgendwas darauf hingedeutet hätte… Aber wie es nun mal war, Dämonen kündigten sich nun mal nicht an, bevor sie angriffen.
Eine Eiskugel formte sich in seiner Hand, die er auf die Zielscheibe der Bogenschützen warf. Dort war grad niemand zu sehen, weshalb er sich kurz entschlossen austoben wollte, doch der Schmerz, der durch dessen Brust schoss, ließ ihn keuchen. Ihm kam der schmerz ganz recht… Pure Dummheit ließ ihn, kaum, das die erste Kugel an der Scheibe zerbarst, eine zweite, dritte vierte und fünfte werfen.
Sie trafen nicht direkt ins Schwarze, aber immerhin die inneren Ringe. Wenigstens etwas, das er konnte, dachte er voller Untergangsstimmung.

Mairtin Connolly

Ich konnte die letzte Nacht nicht gerade gut schlafen. Der Grund dafür waren Träume gewesen. Üble Träume. Nelson, die Entführung und die Vergewaltigung. Irgendwann hatte ich schlichtweg nicht mehr schlafen können und es trieb mich aus dem Bett. Anstatt mich zu verkriechen, keimte ein Bewegungsdrang in mir auf. All das registrierte der stille Bruder sehr wohl. Ihm war Sport deutlich lieber, als das ich mich in mein Schneckenhaus zurückzog. Wenn ich erst einmal müde war, konnte ich auch wieder besser schlafen. Obwohl ich nun schon einige Wochen hier war, nahm ich nur sehr langsam zu. Erstens verwertete mein Körper noch nicht gut, das Immunsystem war noch immer angeschlagen genug und ich bekam Immunkuren, um wieder auf die Beine zu kommen. Die Bewegung kurbelte meinen Körper zusätzlich an. Devilstar tat ebenfalls sein Möglichstes. Obwohl er selbst einen beschissenen Reiter gehabt hatte in den letzten drei Jahren, hatte er mich schnell erkannt und ganz eindeutig beschlossen, dass es mir schlechter ging als ihm. Der große, dunkelbraune Hengst schien sich fest vorgenommen zu haben, auf mich aufzupassen. So kam es auch, dass er bisher keine wirklich heftigen Buckelaktionen gezeigt hatte, wie er sie in früheren Jahren schon einmal hatte sehen lassen. Xiao hatte mich gestern dazu ermuntert, es ruhig mit dem Bogen erneut zu versuchen. Es würde aber noch dauern, bis ich wieder all die Kraft hatte, die ich einst besaß. Das war mir bewusst. Aber wie hieß es so schön, wer nicht beginnt, der nicht gewinnt. So verputzte ich also ein kleines Frühstück, um erst mal starten zu können. Nur etwas leichteres, denn mir war noch schlecht. Irgendetwas, dass den Magen beruhigte. Anschließend machte ich mich in meinem Zimmer etwas warm, zog etwas passendes an und raus ging es. Nach draußen. Die kalte Winterluft würde wohl schon dafür sorgen, dass ich wach wurde. Einen Bogen durfte ich noch nicht schießen, nur unter Xiaos Aufsicht. Nicht etwa, weil ich Anfänger war, sondern weil Waffen und ich allein noch keine gute Kombination waren. Eine Anweisung von Jeremiah. Denn auch mit einer Pfeilspitze konnte sich jemand ritzen. Der stille Bruder vertraute dem stellvertretenden Leiter genügend, dass er das einschätzen durfte. Den meisten anderen aber würde er so viel Handlungsfreiheit bei mir nicht geben. Jeremiah war einfach sehr, sehr vorsichtig aufgrund meines Selbstmordversuchs. Immerhin war ich mit noch bandagierten Unterarmen hier angekommen. Er war der Meinung, dass ich mich in Ruhe stabilisieren sollte. Solang ich noch nicht mal so weit war, einen Rasierer allein zu bändigen, war ich auch nicht so weit, alleine an Waffen ran zu dürfen. Ganz einfach.

Als ich rausging, war es ziemlich kalt, sodass ich den Schal enger schloss, ehe ich mich fortbewegte. Ich wollte etwas laufen, mich selbst bewegen, ehe ich später nach Devil schauen ging. Der pennte vielleicht sogar noch. Im Winter war er schon mal ein wahrer Langschläfer. Er erholte sich hier ebenso wie ich. Ich kam an der Außenanlage für die Bogenschützen vorbei. Schon von weitem hörte ich ein dumpfes Fump sowie ein fluchen, dem irgendwie die Power fehlte, auch wenn darin Wut zu hören war. Sogar Verzweiflung. Der Urheber war Chiaki Mikasi, wie ich kurz darauf erkannte. Ich kam näher. „Guten Morgen“ sprach ich ihn ruhig an, merkte aber direkt, dass gut wohl nicht das Wort wäre, mit dem der jüngere den Tag begrüßen würde. „Es wirkt, als würdest Du die Zielscheibe entweder verprügeln wollen oder sie ist gleich Basis für einen Schneemann. Dennoch wird das nicht genug gewesen sein, vermute ich.“ Nun fiel mir auf, wie verzweifelt er aussah. Ach herrje. Da war irgendetwas passiert, das sah doch ein blinder mit einem Krückstock. Auch über Kulturgrenzen hinweg. Trauer, Wut und Ratlosigkeit sowie drangen ihm praktisch aus jeder Pore. Jeremiah registrierte interessiert, dass ich auf meine Mitmenschen achtete, auf sie zuging, trotz meines eigenen Traumas. Die Folter und die Entführung hatten meine Empathie in mir nicht töten können. Interessant genug, dass er es in seinen nächsten Bericht an Xiao einfließen ließ. Auch das waren wichtige Fähigkeiten für einen Soldaten. Gerade wenn der sich vielleicht für mehr eignen oder empfehlen sollte. Jeremiah war klar, dass ich garantiert nicht der klassische Soldat der Shadowhunter werden würde. Dafür war mein Lebensweg zu ‚krum‘. Aber irgendwo auf kleinster Stufe dauerhaft versauern lassen? Dafür war ich zu wertvoll, doch das war ferner klingende Zukunftsmusik, die mir zum Glück auch nicht im vollen Ausmaß bewusst war.

Selbstmitleid, erkannte ich, Ratlosigkeit und offenbar wusste Chi aus irgendeinem Grund nicht weiter. Er war definitiv auch verletzt. Der Atemrhythmus verriet mir das. Die Bewegungen des Oberkörpers dazu ließen vermuten, dass es etwas mit den Rippen zu tun haben musste. Das war fies. Ich hatte schon ganz üble Rippenprellungen gehabt. Die konnten sogar blöder sein als Rippenbrüche. Einiges davon hatte ich im Kampf erlitten, jedoch auch Nelson hatte mir so einiges verpasst. Dass ich kein schweres Bauchtrauma oder schwere, wie lebensgefährliche innere Verletzungen durch den 120 Kilogramm schweren Mann erlitten hatte war beinah ein Wunder.

Jetzt begann Chi sogar auch noch zu rauchen. Garantiert nicht ideal. Das würde er merken, sobald er sich verschluckte. Doch offenbar suchte er eine Möglichkeit, sich irgendwie zu beruhigen. Ich schwieg. Mal sehen, ob er von sich aus kommen würde. Es war die Erfahrung, die mir riet, dies zu tun. Als Lance Corporal hatte ich schon mit Privatiers zu tun gehabt, die mir unterstellt gewesen waren. Junge Männer, die teilweise sogar noch jünger als Chi gewesen waren, oder auch in seinem Alter. Manche waren auch älter als ich gewesen. Ein Lance Corporal führte bis zu vier Privatiers an. Privatiers waren die Soldaten, die direkt aus der Grundausbildung kamen. In der Regel verblieb man vier Jahre in diesem Status, ehe die Person als Lance Corporal aufstieg und diesen Posten für etwa zwei Jahre bekleidete.
Chiaki warf noch ein paar Kugeln aus Eis, doch Befriedigung darüber, das sie an der Zielscheibe zerbarsten, stellte sich nicht ein. Die Wut verrauchte, machte einer tiefen Resignation platz und dem Willen, sich irgendwie zu erklären, in der Hoffnung noch irgendwas retten zu können, doch er wusste, wenn Xi mal eine Entscheidung traf, blieb er dabei. Das machte die Sache nicht besser. Leider. Er wusste, das er sich hätte wehren können, das es Hier und dort was gegeben hätte, um JJ abzuwehren, aber irgendwie… hatte er es nicht gewollt. Nun, wo er die Situation in sich hatte brüten lassen, fiel ihm mehr und mehr davon auf, was er hätte tun können. So lang hatte er ihn nicht gesehen, und doch… Ein kurzes Zögern, ein weigern sogar hatte nun Dinge nach sich gezogen, von denen er nich geglaubt hätte, das sie so passierten.
Mit eisigen Fingern zog er eine Schachtel Kippen hervor, von der er immer nur dann eine Zigarette nahm, wenn es ihm zu viel wurde. Damals, vor Xi waren sie immer mit gras gestreckt gewesen, doch nun waren es nur Zigaretten. Einerseits hatte er es ihm versprochen, kein Gras mehr zu rauchen und andererseits wagte er es nicht, es hier zu rauchen, selbst wenn es entspannte. Erwischte man ihn fiel es auf Xi zurück und das wollte er ihm nicht antun.
Zur Zielscheibe hinüberstarrend dachte er weiter über die Situation nach. Hier und da kannte und konnte er Griffe, aber warum hatte er sie nicht angewandt? Er konnte sich die Frage nicht beantworten. Überraschung war eine Sache, die hatte man ja schnell überwunden, aber dann…? Warum diese Kurzschlussreaktion? Sonst war er doch auch niemand, der in schockstarre verfiel und lieber auf Angriff ging?! Leicht schüttelte er den Kopf, als er auch schon eine stimme hörte. Mit Mairtin hatte er gerechnet, als er ihn vorhin gesehen hatte, er war kein Typ, der einfach wen ignorierte, auch wenn es Chiaki grade recht lieb gewesen wäre. Ihm war weder nach reden, noch nach Gesellschaft und schon gar nicht nach nett sein.
„Würde ich sie zerstören, würde es nur weiter Ärger geben.“, knurrte er kurz angebunden und verspürte den Drang genau das zu tun, die Scheibe zu zerstören, doch was dann? Am Ende durfte er sie nur reparieren oder wieder zusammen kleben oder sonst irgendwas. Es war so ungerecht!
Er schloss die Augen, atmete noch ein paar Mal durch, doch warum beruhigen? So durcheinander, wie er war, wollte er sich nicht beruhigen! Wieder warf er eine Eiskugel gegen die Scheibe, jedoch war sie kleiner, als die vorherigen. Kaum schlug sie ein, legte er die Hand auf seine verletzte Rippe, die sich nun noch deutlicher zu Wort meldete. Irgendwas sagte ihm, das, egal was er machte, er nur das nachsehen haben würde. Ob sich die Verletzung nun verschlimmerte, er die Scheibe zerstörte oder irgendwas anderes anstellte.
Was war richtig? Was sollte er tun, damit alles wieder wie vorher war? Was hatte er falsch gemacht?! Nur weil er sich nicht gewehrt hatte? Wurde er dafür bestraft? Warum musste immer alles so kompliziert sein? Warum konnte er nicht einfach mal ausreichen? Warum musste alles an Bedingungen geknüpft sein?
Seine Kippe, die er eigentlich hatte rauchen wollen, hatte er vergessen. Erst, als sie fast sinnlos verbrannt war, fiel sie ihm wieder ein, sodass es lediglich ein letzter Zug war, den er hatte machen könnten. Er drückte sie mit den Fingern aus, wodurch die glühende Spitze gleich noch durchnässt wurde, ehe er den Stummel in die Schachtel zurück steckte. Später würde er sie entsorgten.
„Dich hat man nicht extra zum babysitten her geschickt, oder?“ Unwahrscheinlich, aber möglich. Zwar wusste keiner, das er hier war, aber er ging davon aus, das man ihn gesehen hatte. Hier passierte nichts ungesehen, denn überall stand irgendjemand.
Chiaki wandte sich um und blickte den Besucher an, der einen besseren Eindruck machte, als das letzte Mal, dennoch war da noch Luft nach oben. Eine erneute welle von Frustration über rollte ihn. Sicher machte Mairtin bessere Fortschritte, als er selbst. So schlecht kann ich doch nun wirklich nicht sein…, sagte er sich, überzeugt davon, das er besser war als das, was er eben nicht gezeigt hatte. Er wusste es einfach, dumm nur, wenn es ihm keiner glaubte.
Allein wenn er an den enttäuschten Blick Xis zurück dachte, die Frage, was er nun wieder angestellt hatte, könnte er sich selbst die haut abziehen. Das Wechselbad der Emotionen, welches zwischen Frustration, Enttäuschung, Trauner und Einsamkeit wechselte, machte es nicht wirklich besser. Warum konnte er Xi nicht einfach mal stolz machen?!

Mairtin Connolly

In diesem Moment wurde mir gewahr, dass Chiaki keine Schneebälle warf, wie zunächst angenommen, sondern Kugeln aus Eis. Splitterndes Glas hörte sich anders an. Als Scharfschütze hatte ich gelernt, Geräusche voneinander zu separieren und zu identifizieren, da daran eine Gefahreneinschätzung festgeknüpft werden konnte. Aber Chiakis Kugeln waren ähnlich glasklar anzusehen. Mir war sofort bewusst, dass seine Seelenqual deutlich tiefer gehen musste, als die körperliche Betätigung hier lindern konnte. Das klappte erst recht nicht mit seinem verletzten Torso. Offenkundig hatte er ein paar gebrochene oder geprellte Rippen. In einigen Fällen schmerzten Kontusionen überdies mehr als tatsächliche Knochenbrüche. Mein Auftauchen ließ den Jüngeren kurz innehalten und seine Gedanken sortieren. Hinter der Stirn arbeitete es sichtbar. Möglicherweise versuchte er grade, zu reflektieren, warum ich hier herkam. Des Weiteren könnte er sich wundern, was ich wollte oder, was mit ihm selbst los war. Es konnte zudem eine Mischung aus allem sein.

Ich schmunzelte kurz. „Ja, eine Zerstörung der Zielscheiben gäbe Ärger. Ziemlich sicher sogar.“ Das hatte auch ein anderer Kadett während meiner Ausbildung erfahren, als er seiner Wut über einen Ausbilder freien Lauf ließ. Nachdem Chiaki eine weitere Runde seiner Eiskugeln geworfen hatte, hielt er sich die Hand an den malträtierten Brustkorb. Fahrig geworden, ließ der Teenager die Minuten verstreichen, bis von seiner Zigarette schließlich nur ein kleiner Stummel übrig blieb, der für genau noch einen Zug ausreichte. Ich hob eine Augenbraue und antwortete trocken „Babysitten? Nein. Du siehst mir nicht nach einem Baby mit Windel, Häubchen, Strampler und Rassel aus. Aber wenn Du unbedingt willst, lässt sich da gewiss etwas organisieren.“ Ich pausierte für einen Moment, ehe ich weitersprach.

„Glaub mir, ich hab die Babysitter ja selbst am Arsch, sobald ich das Gelände des Instituts verlasse. Das ist mitunter nervig, aber anders geht es für mich nicht in die Stadt. Es liegt mir fern, Dir ähnliches anzutun.“ Vielleicht entspannte ihn dieses offene Eingeständnis meinerseits. „Dich frisst irgendetwas von innen auf, Du weißt nicht weiter und das seh ich. Wenn Du reden magst hör ich Dir zu, aber Du musst es nicht. Schweigen ist auch in Ordnung. Manchmal hilft auch das“ führte ich kaum vernehmbar fort. Mal sehen, ob er nun aus sich herauskommen wollte. Ich bohrte nicht weiter, sondern schloss kurz die Augen, um tief einzuatmen und erneut zu dehnen. Ich hatte Verkrampfungen im Rücken. Wenn das sich weiterhin auf diese Weise zeigte, würde Jeremiah mir unter Umständen Massagen verordnen lassen. Für die meisten klang das einigermaßen angenehm. Okay, es kam wohl auf die Stärke der Behandlung selbst an. Mir wiederum bereitete die Vorstellung aufgrund der Vergewaltigung sehr große Angst. Ich wollte beziehungsweise konnte mich nicht in dieser Intensität anfassen lassen. Sogar wenn ich Kleidung tragen durfte oder ein Handtuch über die Intimregion gelegt bekam, war es beängstigend.

Der stille Bruder war über die Probleme, welche ich hatte, im Bilde. Apropos, er nahm auch diese Begegnung mit großem Interesse wahr. Ihm waren ebenso wenig die Spannungen zwischen dem Teenager und Xi entgangen, hatte dies jedoch nicht kommentiert. Jetzt war er gespannt, was sich aus dem Zusammentreffen Chiakis und meiner Wenigkeit ergab. „Ich persönlich würde nicht mit gebrochenen oder geprellten Rippen rauchen wollen. Sobald man sich irgendwie verschluckt, wird es richtig schmerzhaft. Da rede ich aus Erfahrung. Nicht etwa, weil ich früher geraucht hatte. Ich weiß aus anderen Gründen, wie schmerzhaft es ist, bei gebrochenen beziehungsweise geprellten Rippen zu husten.“ In meiner Ausbildungszeit beim Militär war es einmal dazu gekommen, dass ich mir den Torso verletzt hatte. Das Verletzungsbild war ähnlich wie bei Chiaki. Das Abendessen enthielt dummerweise Zwiebeln, weil ein junger Kadett, der schlechter schoss als ich, mir das Gemüse unterschob. Dies hätte ich beinah mit meinem Leben bezahlt. Ich hatte einem durch Zufall anwesenden Offizier zu verdanken, das Ganze überlebt zu haben. Mir waren die Atemwege zugeschwollen. Der Offizier hatte mich kurzentschlossen auf die Krankenstation getragen. Die Ärzte dort jagten mir gnadenlos zwei Adrenalinspritzen in den Körper, während der Offizier mich festhielt.
„Gib mir eine Rassel und ich laufe damit Amok.“, grollte er. Wie er das anstellen wollte, wusste er noch nicht, aber es würde sich sicher Wege finden lassen irgendwas damit anzustellen, was Zerstörung mit sich brachte. Leider reichte der Gedanke nicht aus, um ihn von seinem Tun oder seiner Situation soweit abzulenken, das er es hinter sich ließ. Da brauchte es schon was größeres, wichtigeres, als eine Rassel. Immerhin gab er es vorerst auf mit Eis um sich zu werfen. Dank seiner Rippe, andernfalls würde er weitere Kugeln werfen.
Langsam nickte er, denn kaum, das er die Worte hörte, bemerkte er, wie unsinnig sie waren. Mairtin hatte genug mit sich selbst zu tun, als das man ihn auf ihn ansetzen würde. Dann lieber in namenloser Wächter, den Chiaki weder sehen noch wahrnehmen konnte. Da die Kräfte aber anders wo gebraucht wurden, blieb er wohl verschont. Hier, innerhalb der Mauern passierte nichts, daher wohl keine Bewachung. Würde er aber das Gelände verlassen, war er sich nicht mehr ganz so sicher, was passieren würde. Definitiv würde sein gehen gemeldet werden, doch darüber hinaus? Unwichtig. Nichts, worüber er sich den Kopf zerbrechen wollte.
„Du hast wahrscheinlich recht. Es wäre unlogisch, dich als Aufpasser einzusetzen.“, sagte er ruhig und zündete sich eine weitere Zigarette an, damit er sie diesmal wirklich rauchen konnte. Es schmeckte nicht mal sonderlich, aber lenkte ab und war ein kindischer Akt von Rebellion, den er nun durchsetzen musste. Irgendwie musste er den Frust und all das, was in ihm tobte, los werden. Das Selbstzerstörerische und das, was ihn von innen her auffraß, musste er los werden und wie ging es besser, als über selbst Bestrafung? Diese Macke würde er wohl nie ablegen können. Jemand anderen konnte er für das, was passiert war, nun mal nicht verantwortlich machen. Wobei in dem Fall vielleicht ein bisschen, aber am Ende war es sein eigenes versagen gewesen, das ihn hier her gebracht hatte. Wirkung und Ursache, eine ganze einfache Gleichung.
„Xi ist sauer auf mich, weil ich mich nicht wehrte, als ich angegriffen wurde.“, grummelte er leise und war schon wieder versucht irgendwas von sich zu werfen und damit irgendwas zu zerstören. Nur der Umstand, das es seine Situation weder besserte noch änderte, hinderte ihn daran. Ergeben ließ er stattdessen die Schultern sinken und blickte zu den Zielscheiben hinüber, die danach schrien, zerstört zu werden. Vorsorglich hob er die Hand und ließ eine erneute Kugel aus Eis entstehen. Als sie auf seiner Hand lang, formte er sie so lang, bis er mit den Rundungen zufrieden war und er sie auf seiner Hand rollen lassen konnte. Nicht grade das, was ihn befriedigte, aber es beschäftigte ihn. Zumindest kurzweilig. Den Blick hebend sah er Mairtin wieder an.
„Was macht das schon… Hab es ja verdient.“, sagte er schlicht und machte sich wirklich nichts daraus, wenn es schmerzte. Im Gegenteil, es wäre irgendwie willkommen. Mit körperlichem schmerz konnte er besser umgehen, als seelischen. Ersterer verheilte besser und schneller. Chiaki erwartete nicht, das jemand sein Handeln verstand. In diesem Moment brachte es Erleichterung und das war doch wichtig? Ein Ventil, welches ihm den Druck nehmen konnte, von dem er nicht wusste, wohin damit.

Mairtin Connolly

Aye, da musste ja so einiges im Argen sein, um es mit vorsichtigen Worten auszudrücken. Denn wer mit einer Rassel drohte schon Amokzulaufen, musste mehr als nur ein bisschen unausgeglichen sein. Der Ausdruck brodelnder Vulkan, der am liebsten ausbrechen wollte, war jedoch nicht ganz passend. Dafür war die Wut zu wenig. Das Brüllen und Fauchen fehlte. Doch eines war klar: Der junge Chiaki Mikasi war mehr als nur ein bisschen verzweifelt und wusste kaum, was er tun sollte. Keuchend und sich die schmerzenden Rippen haltend stellte Chiaki das Werfen der Eiskugeln ein. Wir hatten beide einiges gemeinsam: Die Liebe hatte das Leben auf den Kopf gestellt. Für uns beide ging es in eine Welt, mit der wir zuvor nichts zu tun gehabt hatten und die Männer, die das Schicksal für uns erwählt hatte, waren in dieser Welt geboren. Dazu kam, dass wir jünger als die anderen waren. Doch an nichts davon bedachte ich in diesem Moment. Stattdessen lag meine Konzentration auf der vorherrschenden Situation. Ein kleines Grinsen umspielte meine Lippen ob seiner Erkenntnis, dass meine Person als Aufpasser für Chi keine logische Wahl wäre.

„Richtig.“ Dabei zündete Chi sich erneut eine Zigarette an. Herrje, wenn das so weiter ging würde er damit noch mächtig auf die Schnauze fallen. Wenigstens war ich nicht auf Zigarettenrauch allergisch, sondern nur auf Zwiebeln. Dennoch stellte ich mich so, dass ich nicht eingeräuchert werden konnte. Eine Gewohnheit. Es war ziemlich dämlich, wenn man aufgrund des Zigarettengeruchs geortet wurde. Aber es mussten schon Kameraden sein, die rauchten wie eine ganze verfickte Kohlefabrik, bis das passierte. Vorgekommen war es allerdings schon. „Die Wut rauszulassen ist schon ein ganz guter, erster Schritt heißt es. Und ich kann Dir verraten, ich steck da selbst noch im Prozess.“ Im wahrsten Sinne des Wortes. Und genau deswegen war ich vielleicht in diesem Moment gar nicht so falsch als zufälliger Gesprächspartner für Chi. Da spuckte er endlich aus, was los war. Ich nickte sachte. „Hmm, diese Wut ist wohl einfach der Sorge entsprungen.“ Eine kurze Pause. „Die Tatsache, dass Du Dich nicht gewehrt hattest, verrät mir, entweder Du konntest es nicht oder Du wolltest es nicht. Vielleicht auch beides. Und dann führt mich das zu der These, dass Du diese angreifende Person sehr schätzt.“ Lebenserfahrung? Wahrscheinlichkeitsannahmen? Egal, was, es war logisch. „So sehr, dass Du Gewalt nicht anwenden möchtest. Und dann bist Du in einer wirklich blöden Lage.“

Es war aber nicht ausweglos. Da hieß es dann ausweichen, oder kampfunfähig machen, indem man die Person mit möglichst wenig Schaden zu Boden brachte oder umarmen. Auf diese Möglichkeiten war Chiaki ganz offensichtlich nicht gekommen. Mit belehren würde ich nicht weit kommen, noch nützte es ihm. Er fühlte sich schließlich schon beschissen genug. Die Kugel aus Eis irritierte mich und ich legte leicht den Kopf schief. Normal war das definitiv nicht unbedingt. Aber das konnte warten, oder? Nein. Ich gab mir einen Ruck. „Deine Eiskugeln sind schon beeindruckend, aber wohl nichts gegen den Sturm in Deinem Kopf, hm? Da kann ich mir gerade eher einen Blizzard vorstellen.“ Ich schüttelte mein eigenes dunkelblondes Haupt. „Denk in Fortschritten. Wie kommst Du jetzt aus dem Loch wieder raus. Es ist passiert, die Vergangenheit kannst Du nicht mehr ändern. Aber Du kannst die Zukunft beeinflussen und sicherstellen, dass das der Person nicht noch einmal gelingt. Also – wie?“ Ich machte eine kurze Pause.

„Weißt Du ... die überraschendsten Lektionen erteilt einem nicht die Übung, sondern das Leben selbst. Ich hab vor einigen Jahren mal etwas ganz Ähnliches erlebt. Okay, nicht ganz so wie Du. Aber irgendwie vergleichbar. Im Nachhinein muss ich allerdings selbst lachen. Was ich sagen will ist, irgendwie kommt man zu einer passenden Lösung. Wenn ich das damals geschafft habe, dann kriegst Du das auch schon gebacken. Dafür musst Du nicht quarzen, bis der Arzt kommt. Vertrau Dir selbst. Du hast zur Lösung wahrscheinlich schon mehr da, als Dir gerade bewusst ist.“ Und mit typisch irischem Humor setzte ich noch mit einem kleinen Grinsen hinzu „das erste ist sogar immer da.“ Nämlich sein Kopf! Wenn er den vergessen würde, wäre der wohl ab und er hätte fortan gar keine Sorgen mehr. Er wäre tot. Ob ihm klar war, was ich meinte?
Chiaki gab ein kleines brummen von sich, als er bemerkte, wie die Kälte in seine Hände kroch, um von dort aus in seine Arme weiter zu wandern. Nicht angenehm, denn bei der Umgebungstemperatur würde er später vielleicht Mühe haben, wieder warm zu werden. Die Hände jetzt in die Taschen zu schieben, würde daher nicht helfen, daher machte er einen Halben schritt zurück, um den Abstand zwischen sich und dem Kobold ein wenig zu vergrößern, ehe er die Hände hob und eine kleine Flamme entstand, an der er sich wärmen könne. Es erforderte ein wenig mehr Konzentration, als das Eis, denn hier musste er die Temperatur konstant halten oder nur langsam erhöhen, wenn er sich nicht die Hände verbrennen wollte.
Das fast schon rhythmische Tanzen der kleinen Flamme, faszinierte ihn immer wieder, das er sich fast in dessen Anblick verlor, aber dann besann er sich, als er die Stimme des anderen hörte und sah ihn an.
„Ich wollte nicht, war zu überrascht und überhaupt einfach durcheinander. Es sind viele Dinge, die da ineinander spielen. Erst war es Überraschung, dann Fassungslosigkeit, Verwirrung und eben der Gedanke nicht mutwillig zu verletzen und das im Wechsel.“, murmelte er. Zeit genug, um es auseinander zu nehmen und wenigstens zum Teil zu verstehen, hatte er gehabt und er wäre nicht er, wenn er es nicht bis zum Erbrechen durchdacht hätte.
„Schlussendlich hat Xi aber wohl erwartet, das ich genau das tue, ungeachtet, wen ich vor mir habe.“, führte er den Gedanken weiter. „Und weil ich das nicht getan habe, werde ich jetzt bestraft, auch wenn es für ihn wohl keine Strafe ist.“ Es war recht verworren, beide Seiten zu verstehen und diese dann noch in Einklang zu bringen, insbesondere, da sie aus verschiedenen Welten kamen. Chiaki verstand die Beweggründe, glaubte aber, das Xi ihn nicht verstehen konnte, da dieser wieder rum den Fehler bei sich suchte, obwohl es da keinen gab.
Wenn seine Hände nicht mit dem Feuer beschäftigt gewesen wäre, hätte er sich nun durch die Haare gefahren, so aber blieb er stehen und verlagerte nur das Gewicht ein wenig von einen Fuß auf den anderen. Xis Verhalten wollte er hier nicht weiter ausführen, da es nicht zur Problemlösung beitragen würde.
„Hm. Jaa… ein Sturm passt mehr, aber ich musste mich abreagieren.“, antwortete er ruhig, auch wenn er es innerlich nicht war. Er könnte hier herum springen oder… ja, vielleicht sollte er später…nein, Jogging ging wegen der Rippe nicht. Innerlich stöhnte er auf.
„Ich muss an mir arbeiten, noch mal mit ihm reden und versuchen mich zu erklären, aber an seiner Entscheidung wird es nichts ändern. Was bedeutet, das ich mehr an mir arbeiten und das beste aus der Sache machen muss… vielleicht bekomme ich dann wieder, was ich will.“, überlegte er. Dass es nicht heute, morgen oder nächste Woche passieren würde, damit musste er sich abfinden und in Geduld üben. „Er trainierte mich ja nicht aus langer Weile. Also muss ich das, was jetzt auf mich zukommt, mitnehmen und besser werden.“ Und das Denken umstellen. Ein Prozess, der ebenso zeit in Anspruch nehmen würde und das, wo er so ungeduldig war.
„Ach ich hasse das alles grade so sehr.“, meinte er so theatralisch, das jeder Mime neidisch gewesen wäre, doch es wurmte ihn, wenn bei ihnen nicht alles glatt lief und irgendwas zwischen ihnen stand, das er nicht einfach beheben konnte. Und wenn Xi sich dann auch noch ausschwieg und auf Abstand ging, … Chiaki konnte es nicht mal als Wahnsinnig-machen beschreiben. Er könnte sich da eher vor Hilflosigkeit die Haut abziehen. Dieses Kindheitstrauma würde er wohl nie überwinden können, gleich wie viele Therapien er machte. Er konnte auf sehr vieles verzichten, jedoch nicht auf Xi. Da brannte irgendwas bei ihm durch, was er nicht beeinflussen konnte. Wie ein rollender Stein, der ein Gefälle hinabrollte, konnte er nur noch zu sehen, bis der Schaden angerichtet war.

Mairtin Connolly

Das Brummen Chis ignorierend konzentrierte ich mich lieber auf das, was er tat und tatsächlich von sich gab. Statt Eis begann er nun Flammen hervorzubeschwören. Dabei nahm er etwas Abstand zu mir, sodass ich nicht so einfach angesengt werden konnte. Diese Fähigkeit war schon ziemlich surreal, aber Angst hatte ich dennoch nicht. Wahrscheinlich fror Chi sich grade schlichtweg den Arsch ab und nutzte die Flammen als lebenden Taschenwärmer. Herrje, das hätte sich jeder Scharfschütze gewünscht. Denn irgendwas hatte ein Scharfschütze fast immer: Hunger, Durst oder er fühlte Kälte. Wenn das nicht zutraf, dann war es unbequem, an einer bestimmten Stelle beziehungsweise in einer speziellen Position zu liegen, oder irgendwann traten Verspannungen auf. Manches Mal musste man sich auch den großen oder kleinen Ruf der Natur eine Weile verkneifen. Der junge Mann war von seinem eigenen Werk vollkommen fasziniert. „Das sind durchaus verständliche Gründe, aber mit unter können sie trotzdem das Leben kosten. Deswegen ist er wohl sehr besorgt. Er hätte Dich ja im Extremfall verlieren können. Beschützerinstinkt, Verantwortung ... Das dürfte dann hochkommen. Ich vermute, Du hast einen malträtierten Brustkorb. Das wird nicht untergegangen sein.“ Ich machte eine kurze Pause.

„Zumindest ist das meine Vermutung. Ich kann Dir sagen, ein Soldat, der das gemacht hätte, der wäre von seinem Vorgesetzten auch gefaltet worden – und zwar mächtig. Ich hab auch schon mal einigen ziemlich dämlichen Privatiers die Leviten gelesen, aber ich habe es auch erlebt, dass mir der Kopf gewaschen wurde. Auch wenn ich nichts dafür konnte.“ Hm, ob ich dem Jungen ein genaueres Beispiel nennen sollte? Es könnte ihm vielleicht helfen, nach vorne zu sehen und eine Alternative zu suchen. Ich überlegte kurz, suchte nach den richtigen Worten. „Erst einmal, Kopf hoch. Du hast KEIN Loch in der Brust und lebst noch. Das ist etwas Positives. Du kannst daraus lernen und es wieder besser machen. Die Chance hast Du.“

Ich gab mir einen Ruck. „Glaub mir, aus Fehlern lernst Du mehr als Du es aus Büchern kannst oder wenn Du einen Kampfablauf perfekt beschreiben kannst. Nebenbei, Fehler sind in den meisten Fällen nichts Schlimmes, sondern die Möglichkeit zu wachsen, eigene Erfahrungen zu machen. Es ist besser, einen kleineren Fehler JETZT zu machen, als das alles smooth und glattgeht und irgendwann kommt es zu einem richtig großen, der Menschenleben kostet. In Übungssituationen. Ich weiß ganz genau, wovon ich rede. Manches lernst Du erst richtig da draußen. Ein Beispiel? Ausbildung. Wir haben natürlich in Stellung gehen gelernt und dergleichen. Umgebung im Blick behalten ebenso. Also dürfte es ja kein Friendly Fire geben, oder? Erster Afghanistaneinsatz, letzte Mission, kurz vor dem Heimflug. Da habe ich gelernt, dass man sich nicht immer auf die anderen verlassen kann, sondern mit deren BLÖDHEIT rechnen und sich entsprechend stellen muss. Du kannst ja raten, was passiert ist. Ich sage nur so viel, meine Waffe war es nicht gewesen. Den Fehler habe ich nur das eine Mal gemacht, danach nie wieder.“ Ich wollte vorerst noch nicht deutlicher werden. Vielleicht war es auch nicht nötig. Allerdings war die Hoffnung dafür eher klein, denn Chiaki war von Natur aus neugierig.

„Es heißt, es führen viele Wege nach Rom und wenn der Kampf nicht Dein erster ist, ist das auch in Ordnung, sofern Du Dich nicht massiv gefährdest. Das heißt aber nicht, dass Du Dir auf die Nase hauen lassen musst. Es gibt eine Möglichkeit, die Deinen Freund kampfunfähig gemacht hätte, ohne ihm wehzutun, oder das Du selbst kämpfen musst. Obwohl, hm, manchmal ist es auch eine Kampfhandlung und befreien kann sich der Gegner auch.“ Das waren direkt ein paar weitere Hinweise auf das, was ich meinte und ich setzte noch einmal nach. „Er war erregt, das ist klar. Denk nach. Was kannst Du tun? Steck nicht den Kopf in den Sand, der schmeckt nicht und macht Deine Welt auch nicht besser. Lass Dir das von einem gesagt sein, der die Wüste kennt. Gott, du willst nicht wissen, wo überall Sand war.“ Ich dachte weiter nach, ob mir eine weitere, passende Anekdote aus der Armeezeit einfiel. Chi wollte sich abreagieren, wusste aber nicht wie. Viel Sport treiben fiel aus, das würde der Heilung nicht gerade zuträglich sein.

„Andere Herangehensweise: Wie würdest Du vorgehen, wenn Dein Pferd plötzlich meint, alles und jeden umzunieten und Panzer zu spielen? Und jetzt komm mir nicht mit, das lässt sich nicht vergleichen. Ich sag dir, doch ganz genau das.“ Chi meinte nun, dass er noch einmal mit Xi reden sollte. Aber das sollte er auch mit seinem Freund. So viel war klar. Nur bezweifelte ich stark, dass er das ohne Begleitung durfte und ich war ohnehin die falsche Person dafür. Langsam wurde dem jungen Mann bewusst, dass er noch besser werden musste und dies Zeit beanspruchen würde. Das passte nicht zu dem ungeduldigen, fast sprunghaften Wesen des Teenagers. Geduld und Ruhe waren wahrlich nicht seine Stärken. Er war hilflos, ohne zu sehen, dass er selbst noch immer gehen und sich bewegen konnte. Er hatte mehr Möglichkeiten, als ihm klar waren. Aber erkennen musste er selbst. Ich konnte ihn dabei unterstützen. Denn am Langfristigen hielt so etwas an, wenn man selbst mit darauf kam, anstatt dass die Lösung wie eine Portion Sushi serviert wurde. „Jetzt atme mal ganz tief ein und aus.“ Dabei schloss ich den Abstand zwischen uns etwas, nicht zu nah, aber auch ähnlich nah, bevor Chi die Flammen hatte hervorkommen lassen. "Und dann sagst Du mir, warum Du denkst, dass Gewalt keine Lösung gewesen wäre. Erzähl mir von der Situation. Ganz genau."
Chiaki runzelte die Stirn. Hatte er das wirklich übersehen? Er kannte Xi, wusste, wie er sein konnte, das er mit manchen Sachen Probleme hatte, oder es eben einfach nicht zeigte, weil er eben immer so war und er seine ganz eigene Art hatte, mit Dingen umzugehen, die ihn beschäftigten. Ein kleines, flüchtiges Lächeln entstand auf seinen Lippen, verschwand aber nach wenigen Sekunden wieder und er nickte. Nickte zu sein selbst, als Bestätigung, aber auch, um zu signalisieren, das er verstanden hatte, was der Kobold ihm da vor Augen führte.
„Soweit habe ich nicht gedacht.“, gab er zu. Ja bei Xi konnte man schnell was missverstehen, wenn man auf die Kleinigkeiten nicht achtete, die er sonst immer wahrnahm, doch in diesem Fall war er schlichtweg zu blind gewesen, um es zu sehen. „Du hast recht, es ist eben seine Art sich verständlich zu machen.“, überlegte er und ließ sich den gestrigen Tag noch mal durch den Kopf gehen und je mehr er darüber nachdachte, desto mehr bewahrheitete sich, was der Kobold sagte. Xi hatte sich auf seine Art Sorgen gemacht. Soldat eben, der auf Effizienz ausgelegt war, statt auf Emotionen. Und eben jenes fehlen hatte ihn irritiert. Auf lange Sicht wollte Xi schlicht, das er sich verteidigen konnte, das er nicht bei jeder Gefahrensituation damit rechnen musste, das es Chi entschärfte und er sich um eine Beerdigung kümmern musste. Die Welt, in der sie lebten war nun mal leicht Rosarot.
Bei den nächsten Worten nickte er. „Er denkt, wie ein Soldat, ich nicht.“, fasste er den Knackpunkt zusammen, machte aber keinem einen Vorwurf daraus, da es ohnehin nichts nutzen würde. Allenfalls sich selbst, da Xi recht hatte. Er lernte es um sich zu verteidigen. Statt JJ hätte es auch ein Dämon sein können und dann…? Dann hätte sein fehlendes handeln ersthafte Konsequenzen gehabt. Also musste er besser werden und vorallem die bedenken los werden. Wer ihn angriff, musste eben damit leben verletzt zu werden, beschloss er, wusste aber im gleichen Moment, das es leichter war, zu denken, als umzusetzen. Immerhin wurden seine Hände ein wenig wärmer.
Widererwarten amüsierte es ihn, was der Kobold sagte, was wohl auch daran lag, das die Sache gestern passierte und er die Sache klarer sah, als gestern, wo er noch um einiges durcheinander war. Die Tatsache, das er sich unerlaubt ausgetobt hatte, spielte dabei auch eine kleine Rolle.
„Ich weiß. Manches lernt man nur in der Anwendung und vor Fehlern hab ich keine Angst. Angst hab ich davor, ihn zu enttäuschen und seinen Anforderungen nicht gerecht zu werden. Zu Grün hinter den Ohren zu sein. Zu kindisch.“, brachte er es auf den Punkt, was ein vollkommen anderer Gedanke war, als das, worüber sie sprachen. „Wir haben nun mal einen großen Altersunterschied.“ Sehr tief atmete er durch, sah über die Schulter des Kobolds in die ferne, um die Gedanken zu lehren, sich von dem, was er sagen wollte, zu distanzieren. „Meine Mutter war… ist recht… gleichgültig, was mich angeht, ich bin ihr egal. Schon immer.“, offenbarte er, „und der Gedanke, das ich es ihm auch sein könnte..“ Es schnürte ihm den Hals zu. „Oder das ich zu anstrengend werde, das ich nicht passend funktioniere.“ Mehr wollte er nicht preisgeben, denn das würde zu weit führen. All die Hoffnungslosen versuche, die Aufmerksamkeit seiner Mutter zu bekommen, nur um dann doch zu scheitern und gegen eine mauer zu rennen. Chiaki wusste, das er sie nicht vergleichen konnte, wollte er auch nicht. Und doch war da irgendwas unbewusstes, was es immer wieder tat. Die Fehler bei sich zu suchen und … nichts und. Den folgenden Gedanken verdrängte er und sah stattdessen den Kobold wieder an.
„Was du meinst, verstehe ich. Keiner beherrscht irgendwas auf Anhieb.“ Aber das war auch nicht das Problem. „ich konnte auch nicht auf Anhieb Feuer oder Eis machen.“ Ein leichtes Nicken zu seinen Händen. „Übung, Übung, Übung.“ Das Thema ließ er wieder fallen. Wenn es nur Fehler wären, aber da hing so viel mehr an der Sache… Dennoch was das, was der Kobold sagte, nicht weniger wichtig. Chiaki nahm es führ sich auf, irgendwann würde er davon einen Nutzen haben.
„Einfaches Ausweichen hätte in dem Moment auch ausgereicht, aber irgendwas hat da blockiert. Ich verstehe es auch nicht. Der Gedanke, was er da macht, was folgen könnte und noch tausend andere Sachen prasselten gleichzeitig auf mich ein und haben verhindert, das ich etwas TUE.“, grübelte er, denn anders konnte er sich das wirklich nicht erklären. Er war zu sehr Kopfmensch und sich das abzutrainieren würde nicht leicht werden.
„Tja, dann würde ich handeln, etwas, was ich in dem Moment mit JJ nicht getan habe.“, brachte er es auf den Punkt. „Ich verstehe es selbst nicht. Ich KANN es, habe es aber nicht getan, passend zu reagieren. Und das ist der Knackpunkt.“, gab er zu. Leicht runzelte sich seine Stirn, ehe sich ein schmunzeln zeigte, welches zum Grinsen wurde.
„Ein Soldat will über Gewalt philosophieren.“, amüsanter Gedanke. „Gewalt an sich ist nie eine Lösung. Aber…“ Er sah ihn wichtig und mahnend an, hinweisend, das was wichtiges folgen würde. „Es gibt sehr viele Ausnahmen. „Fernab von kriegen uns so weiter, nur auf uns und die Situation bezogen…“ Der faden wurde fallen gelassen, ehe er ein anderes Ende aufnahm. „Ich stand in der Schlange, er stürmte auf mich zu, rief mich, ich drehte mich um, er traf mich.“, fasste er es trotz Bitte ausführlich zu sein, zusammen. „ich hätte ausweichen können, bin es aber nicht. Ich wusste, das wir uns irgendwann treffen würden, aber ich hätte es gern mit Vorbereitung getan. Wir hatten fast 3-4 Jahre keinen Kontakt. Ich schrieb ihm, es kam nichts an, er dachte, ich bin einfach so weg… Naja ich war überrascht und wohl auch überfordert, ihn da zu sehen, vor allen anderen.“ Gern hätte er nun behauptet nobel gehandelt zu haben, das es seine Absicht war, andere zu schützen, in dem er alles auf sich zog, aber das wäre gelogen gewesen.
„Ich weiß es nicht, warum ich nichts getan habe.“, gab er erneut zu. „Im Nachhinein hätte ich es gerne. Irgendwas getan, was Xi mir beibrachte.“ Schwer stieß er die Luft aus, hob den Blick ein wenig und sah den Kobold direkt an.
„Er sucht die schuld bei sich.“, offenbarte er, fand aber, das er nichts damit zutun hatte. Es lag allein an ihm selbst, denn einen besseren Lehrer gab es nicht, doch ehe er das Privileg wieder bekam, bei ihm zu lernen… das konnte Jahre dauern, wie er ihn kannte. Und DAS frustrierte ihn am meisten.

Mairtin Connolly

Stirnrunzelnd folgte Chi meinen Gedankengängen und ich konnte sehen, dass er zum ersten Mal dies bedachte. Die Mundwinkel verzogen sich, bis auf den Lippen ein kleines Lächeln zustande kam. Endlich hatte er eine Lösung für das Verhalten des anderen. Doch die Bedeutung dahinter bereitete ihm wiederum keine Freude. Ich zuckte mit der Schulter. „Man kann nicht immer alles bedenken.“ Jetzt bestätigte Chi noch einmal meine Annahme und dass dies wohl Shixins Art wäre, sich verständlich zu machen. „Typisch strategisches, militärisches Denken. Emotionen zeigen können viele Soldaten nicht allzu oft. Es kann den Tod bedeuten. Das heißt aber nicht, dass es nicht da ist. Oder unterschwellig hier und da durchkommt. Und wehe unterschwellig ist Zickenalarm angesagt. Dann geht es rund. So richtig. Ich hab manches mal auch über einen Soldaten gedacht, boah, wenn der so weiter macht, braucht er einen Baumstamm oder ein ... Gewehr.“ Da konnte ich aus Erfahrung sprechen. Es war für jemanden, der bisher kaum Berührung mit solchen Menschen gehabt hatte, noch schwerer. Ich fühlte mich von Chi an meine eigene Ausbildungszeit sowie manchen Rekruten erinnert. Jung, verspielt und noch grüner als Brokkoli hinter den Ohren. Das traf auch auf den jungen Chi zu. Es arbeitete gerade mächtig in ihm, das konnte ich sehen. Jetzt gab er es sogar selbst zu.

„Also, erst einmal zu Deiner Beruhigung, lernen bedeutet auch Fehler zu machen. Und da ich noch keinen grünen Schimmel hinter Deinen hervorwachsen sehe oder gar einen ganzen Baum, besteht gewiss noch Hoffnung. Und mit GRÜN kenn ich mich als Nordire nun wirklich aus. Glaub mir.“ Ich nickte noch einmal. „Hm, ich denke, es wird sich wieder einrenken. Zeig, dass DU es NUN verstanden hast. Das ist nun das Wichtige.“ Ich wartete ab. Noch einmal nickte ich. Ja, der Altersunterschied war wohl noch ein Problem. Ich selbst war ja auch ein paar Jahre älter als Chi, aber nicht so viel. Da bekannte Chi, dass seine Mutter recht gleichgültig bezüglich seiner Person agierte. Ich nickte noch einmal. Also suchte er Aufmerksamkeit – völlig klar. Auch mit verrückten, krassen Aktionen. „Beziehungen sind manchmal kompliziert. Es ist ein Geben und Nehmen, so einfach. Du wirst den Rest noch lernen. Da bin ich sicher. Ich denke, Du bist nicht grade doof, oder?“ Ich wartete kurz ab, überlegte, was ich sagen konnte, bezüglich seiner Mutter. „Hmm, mit Eltern, die sich als Arschlöcher entpuppen, kenn ich mich auch aus. Meine eigenen waren nun auch nicht grad das gelbe vom Ei, um es vorsichtig auszudrücken.“ Ich wusste nicht, wie viel ich sagen sollte oder auch konnte.

„Na also, siehst Du? Und genauso entwickelt sich die Beziehung. Während meiner Zeit bei der Armee, hatte mein damaliger Freund manchmal auch ein Problem, wenn ich ihm einen Befehl erteilte. Ich stand im Rang höher als er.“ Chiaki hörte ruhig zu, was seine Alternativen gewesen wäre und erkannte, dass ein Ausweichen in dem Moment schon ausreichend gewesen wäre. Ich nickte. „Jep. Dich hat einfach der Schock blockiert, dass Dein bester Freund Dich angreift. Da gefrieren Menschen manchmal und erstarren.“ Ich hörte ihm weiter zu, nickte noch einmal. „Du hast nun alles in der Hand, es demnächst besser zu machen. Du hast alles dafür da. Genauer, zwischen Deinen Ohren.“ Ich meinte das Gehirn. „Du kennst bisher nur Training, nicht den Einsatz des ganzen in einer ernsthaften Situation. Das ist ein gigantischer Unterschied. Das hat Dich wahrscheinlich blockiert. Es ist ganz ähnlich, wenn ein junger Soldat zum ersten Mal den Schießbefehl erhält oder sich seiner Haut tatsächlich erwehren muss. Da hab ich auch schon mal so etwas erlebt. Übrigens, nicht gerade zu empfehlen: Wildschwein. Und Bewaffnung ist nur ein Gewehr mit Übungsmunition. Was ich sagen will, merk Dir, schlimmer geht immer.“

Die Augenbraue hebend sah ich, dass Chi sich gerade prächtig amüsierte. Philosophie und Soldaten passten scheinbar nicht immer zusammen. Umso überraschender, wenn so ein Mensch dann einen solchen Geist mal doch offenbarte. Schließlich schilderte Chi, wie es überhaupt genau zu der Verletzung gekommen war. „Das klingt ja nach einem sehr fröhlichen Wiedersehen und einem netten Zeitgenossen“ kommentierte ich trocken. Dieses Erlebnis würde er wohl sein Lebtag vergessen. Chi drückte noch einmal sein Bedauern aus, und das er es gern anders gemacht hätte. „Glaub mir, jeder hat irgendetwas falsch gemacht, was er gern später anders geregelt hätte. Willst Du nun tief genug graben, um das zu finden? Viel Spaß, das könnte dauern.“ Dass sein Partner sich selbst die Schuld gab, war ein wenig paradox, aber durchaus nachvollziehbar. Es stand mir allerdings nicht zu, das größer zu kommentieren. „Offenbar lag Deine Aufmerksamkeit bei den Lehrstunden eben nicht nur beim Lehrinhalt, sondern auch bei der Person als solchen? Immerhin ein Kompliment. Du hast ein Hirn im Schädel, kannst mit Worten umgehen, also NUTZE das auch. Meinst Du etwa, Feinde hätten früher gesagt, ‚Hallo, britischer Soldat, wärst Du bitte so freundlich stillzuhalten, damit ich Dich erschießen kann? Wo hättest Du denn gern das Loch? Im Kopf? In der Brust? Oder lieber eine Landmine? Ach Raketenwerfer, Granaten und Panzerfaust haben wir auch im Angebot.' Stillhalten war da nicht. Ich vermute stark, das wird hier nicht gerade groß anders sein oder glaubst Du, dass er mit einem 10 Meter mal 10 Meter Schild rumrennt und sagt 'Dämon, Werwolf, Vampir, bitte angreifen, ich halte auch still.' Oder will, dass Du das tust. Es gibt eine Möglichkeit, die die Nähe ausdrückt, die Du mit Deinem Freund verbindest, beziehungsweise die Freundschaft. Aber es ist etwas unüblicher hier. In der Öffentlichkeit. Vielleicht hast Du auch deswegen daran nicht gedacht. Und es macht garantiert kampfunfähig.“ Ich machte noch eine kurze Pause, gab mir dann einen Ruck.

"In meinem ersten Einsatz hab ich kurz vor der Heimfahrt auch einen dicken Fehler gemacht. Das hab ich eben angedeutet. Ich sage nur: Schusslinie nicht beachtet. Freundliches Feuer und wen hat es erwischt? Jep. Mich. Die Narbe hab ich heute noch, die mich dran erinnert. Mein Trupp hat sich mächtig amüsiert. Das ist mir NIE wieder passiert. Dir wird das mit Deinem Freund wohl auch nie wieder passieren, hm?"
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