Wind Beyond Shadows

Normale Version: Nice to meet you... or not!
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Eine Melodie.
Erst leise und dann immer lauter, aus einem Musikzimmer, dessen Bescheidenheit nicht zu dem Status des Pianisten passte, welcher gerade vor dem Klavier saß und mit geschlossenen Augen die schlanken Finger über die vergilbten Tasten tanzen ließ. Der Staub wirbelte sanft durch den Raum, fast schon zum Rhythmus der Musik, und vermischte sich mit den Pollen der Blumen, die durch die sanfte Brise durch das offene Fenster ihren Weg in das Zimmer fanden. Der Frühling hatte sie frühzeitig erreicht und zeigte sich von seiner besten Seite, denn es verging kein Tag, an dem die Sonne nicht die Angestellten und des Hausherren des Bellona Anwesens weckte, indem ihre Strahlen sie wach kitzelten. Die friedliche Stimmung, die zu dem Zeitpunkt herrschte, war jedoch nur die Ruhe vor dem Sturm und er hätte gelogen, wenn er behauptete dies nicht gewusst zu haben, aber wo blieb die Zeit zur Sorge, wenn er jetzt gerade, in diesem Moment, zum ersten Mal etwas wie Tranquillität empfand?
'Master Bellona?'
Die Melodie stoppte.
'Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du mich hier nicht so nennen musst?'
Ein schüchterner Blick des anderen, dann ein freches Lächeln.
Hier waren sie sicher. Hier herrschte keine Hierarchie, so wie es draußen von ihnen erwartet wurde. Hier waren sie bloß zwei Seelen, die durch Zufall zueinander gefunden hatten und die gerne Zeit miteinander verbrachten. Gewiss hätten sie ihn zum Tode verurteilt, wenn sie herausfanden unter welchen Umständen sein Sklave hier lebte, denn es waren nur die besten - ja, von den Umständen und vom Lebensstil des Hausherren kaum zu unterscheiden. Man konnte fast meinen, dass der Sklave dieselben Privilegien hatte wie das Adelsgeschlecht und das wäre außerhalb von diesem Haus das Todesurteil eines jedermann gewesen. Sevro lächelte. Er wusste, dass er damit sein Todesurteil unterschrieben hatte, aber gegen die Regeln zu verstoßen war für ihn in dieser grausamen Welt der letzte Hoffnungsschimmer. Von der Familie verstoßen, von der Gesellschaft kritisiert, blieb einem wenig Spielraum und wenige Dinge, die Freude bereiteten. Aber der Schwarzhaarige, der sich gerade von dem Türrahmen abstieß und seinen Weg zu dem blonden Hausherrn machte, war alles, was gegen die Vorschriften der Gesellschaft und gegen das hierarchische System sprach. Angezogen in den feinsten Gewändern aus dunkelblauer Seide, hätte ein Unwissender nie vermutet, dass der Status des Schwarzhaarigen niedriger als der eines Bauern war und doch... 'Das Buch, dass Sie-... dass du mir empfohlen hast ist wundervoll. Der Protagonist ist so anmutig und tapfer. Ich wünschte, ich wäre ein wenig wie er.', sagte der Jüngere und strich dabei ebenfalls mit den Fingern über die Tasten des Instruments, ohne jedoch Druck auszuüben. Gerne hätte er ihm gesagt, dass er durchaus anmutig und tapfer war - tapferer als Sevro selbst, der sich durch die Beziehung, die sie zueinander hatten, in Gefahr begab und sein Leben riskierte. Wenn er den anderen sah, konnte er jedoch nichts anderes, außer Stolz empfinden. So viel hatte er ihm beigebracht und Mica war bereit noch so viel mehr von ihm zu lernen. Wie oft hatte er schon die Chance gehabt, den Blonden zu verraten, weil er kein guter Sklavenherr war, da er sich nicht an die Regeln hielt und stattdessen seine Zeit mit Lese- und Schreibunterricht für den Jüngeren verbrachte, welcher nur dem Adelsgeschlecht vergönnt war? Die Augen hätte man ihm ausgestochen, wenn sie herausfanden, dass Sevro seinen Sklaven ohne dem Lederhalsband frei durch das Anwesen und im Garten mit den Hunden spielen oder auf einer Decke lesen ließ, während er mit den Fingern über die Wasseroberfläche des Teiches strich.
'Ein Bote hat mir erzählt, dass der Kaiser alle Sklaven auf ein Schiff nach-'
'Du bleibst hier. Dafür werde ich sorgen.'
Ein hoffnungsvolles Glänzen in den Augen des anderen, dann ein schüchternes Lächeln. Der Krieg verlangte so viele Opfer, aber Sevro wollte nicht das hergeben, was ihm am meisten bedeutete, was ihm in einsamen Stunden Kraft schenkte.
Weiche Hände suchten die des Pianisten und verschränkten die Finger miteinander, bevor sich ihre Lippen erst zu einem schüchternen, dann aber leidenschaftlichen Kuss trafen. Gemeinsam, Hand in Hand, gegen den Rest der Welt. Sein Todesurteil hatte er schon lange unterschrieben und er würde lieber sterben, als seinen einzigen Hoffnungsschimmer, seine einzige Liebe gehen zu lassen.

Ein Stich durchfuhr die Schläfe des Engels, welcher ihn sogleich aufwachen ließ. Sein Herz fühlte sich schwer an, als wäre da eine Kluft, geprägt von Trauer und Verlust. August spürte einen Klumpen in seinem Hals und am liebsten hätte er geweint, denn das Gefühl war so bedrückend und herzzerreissend - er wusste gar nicht wieso und woher es kam. An seinen Traum konnte er sich nicht mehr erinnern, nur an den Schmerz und das Empfinden von Trauer. Panik stieg in ihm auf. Seine Atmung wurde schneller und er fing an zu zittern. Instinktiv schlang er seine Arme enger um Crispin, der zum Glück noch schlief, und drückte sein Gesicht an die Halsbeuge des anderen, wo er tief einatmete, um sich durch den Duft wieder zu beruhigen. Für einen Moment dachte er, er würde auch Crispin verlieren, was unsinnig war, da er nicht einmal Anspruch auf den Dämon hatte, geschweige denn haben sollte. Und doch konnte er es nicht verhindern, dass die Anwesenheit des anderen reichte, um ihn wieder zu beruhigen. Zu wissen, dass er hier bei ihm, in seinen Armen, war und er - mehr oder weniger - lebte.
Einige stille Momente verstrichen, in denen August den Jüngeren einfach nur festhielt und seine Anwesenheit genoss, auch wenn es nicht sein durfte. Genau dem wurde er sich im nächsten Moment bewusst und wie von der Tarantel gestochen, riss er die Augen auf und rückte vom anderen weg. Oh fuck. Was machte er bloß? Wie konnte das passieren? ...Richtig, richtig. Gestern war er so müde gewesen und neben dem Dämon eingeschlafen. Nun, genau genommen, war das nur die Ausrede, die er dem anderen erzählen wollte, falls dieser früher aufwachte als er - was aber zum Glück nicht der Fall war. Eigentlich hatte er sich ja absichtlich zu ihm gelegt, weil sein verdammter Egoismus wieder mit ihm durchging und er sich so sehr nach dem anderen sehnte, dass er gar nicht anders konnte, als ihn die Arme zu nehmen. Damit war jetzt aber Schluss.
August wollte sich gar nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn der junge Dämon vor ihm aufgewacht und sie so beieinander liegen gesehen hätte. Wahrscheinlich hätte er den Engel auf der Stelle verprügelt - je nach dem in welchem gesundheitlichen Zustand er war.
Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es später Nachmittag war - sie hatten wirklich lange gepennt und irgendwo freute es ihn, dass er endlich einmal wieder ein paar Stunden durchgeschlafen hatte. Um den anderen nicht aufzuwecken, stand er vorsichtig und langsam auf, befreite sich dabei von der Decke und tapste vom Ende des Sofas in die Küche, wo er sich erst einmal streckte und dann in den Kühlschrank spähte, um ein paar Zutaten für den Eintopf, den er kochen wollte, zu finden. Sein Plan war ja, den anderen aufzupäppeln, damit er wieder nach Hause gehen konnte. Nach Hause. Das ließ einen bitteren Nachgeschmack auf seiner Zunge. Vielleicht konnte er das ganze noch weiter hinauszögern, in dem er sich ganz viel Zeit beim Kochen ließ. Und wer sagte schon, dass es Crispin bereits gut ging? Möglicherweise hatte er noch immer Schmerzen? ...Das mochte bei der Heilwirkung der Salbe zwar sehr zweifelhaft sein, aber mit dem Gedanken, dass der Jüngere hier bald hinaus spazieren und sie sich nicht mehr sehen würden, breitete ein sehr mulmiges Gefühl in seinem Magen aus... Von der Theke aus, beobachtete er den anderen, dessen Rücken zu ihm gedreht war und dessen Körper sich regelmäßig hob und senkte.
Geh nicht, geh nicht, geh nicht., war das Einzige, was in Augusts Kopf schwirrte. "Bitte bleib bei mir.", flüsterte er kaum hörbar und biss sich dann auf die Lippe.

Crispin Cipriano

Obwohl ein weiteres Mal einzuschlafen das Letzte war, was Crispin wollte, war es unglaublich schwer, sich dagegen zu wehren. Bereits wenige Minuten, nachdem er wach geworden war und entschieden hatte, so liegen zu bleiben, wie er war, um diese ganze Situation noch ein wenig zu genießen, spürte er, wie ihm die Müdigkeit langsam wieder in die Glieder kroch und ihn schläfrig machte. Wie sollte man sich aber auch dagegen wehren, wenn August ihm so nah war, er dessen leisen und gleichmäßigen Atem hörte und ihn das alles so sehr an ihren gemeinsamen Sommer erinnerte? Er wollte am liebsten die Zeit anhalten, doch da dies nicht ging, wollte er es so lange ausreizen, wie es ging und das am besten im wachen Zustand. Er blinzelte ein paar mal, versuchte die Müdigkeit zu verscheuchen, schaffte es aber nicht wirklich und seine Lider drifteten langsam wieder zu.
Crispin wusste, dass dies alles absolut falsch war. Dass er sich in diesem Augenblick so wohl, wie schon lange nicht mehr, fühlte und dass es sich so unglaublich gut anfühlte, hier zu liegen und dem anderen wieder so nah wie früher zu sein - zumindest physisch gesehen. Seelisch und emotional klaffte eine Kluft zwischen ihnen, die unmöglich zu überwinden war. Dafür saßen die Zweifel und die Vorwürfe zu tief in ihm, und auch August machte ihm Vorwürfe, die es nicht ermöglichten, dass sie sich auch auf andere Art wieder annäherten, da er darauf beharrte, dass er recht hatte und dies wohl auch immer tun würde. Aus diesem Grund wäre dies höchstens ein Traum, der niemals in Erfüllung gehen und auf den er sich umsonst Hoffnungen machen würde. Wobei er vor allem letzteres nur schwer verhindern konnte, da es immer einen kleinen Funken Hoffnung in ihm gab, dass sich ihre Situation noch einmal ändern könnte - so abwegig das Ganze auch war.
Langsam dämmerte Crispin immer weiter weg, fiel wieder in einen erholsamen Schlaf - bis zu dem Zeitpunkt, in dem sich Augusts Arme enger um ihn schlangen und ihn noch näher an die Brust des anderen zogen. Beinahe hätte er einen überraschten Laut von sich gegeben, konnte sich aber zurückhalten und versuchte weiter ruhig und langsam zu atmen, sodass August nicht merkte, dass er bereits wach war. Vielleicht träumte er auch nur sehr intensiv. Anders konnte er sich diese Reaktion zumindest nicht erklären. Warum sollte er ihn sonst noch näher zu sich ziehen, anstatt direkt aufzustehen? Wobei er sich diese Frage Warum? bereits bei der ganzen Situation stellte. Er verstand nicht, warum August sich zu ihm gelegt hatte. Wollte er ihn damit testen? Schauen, wie er reagierte, sollte er es mitbekommen oder ihn einfach nur noch mehr verwirren? Denn genau das tat der Engel seit sie sich in der letzten Nacht wiedergesehen hatten. Bereits in dieser kurzen Zeit gab es so viele Momente, aus denen er einfach nicht schlau wurde.
Allerdings kam er auch nicht dazu, sich darüber wieder den Kopf zu zerbrechen - und damit erneute Kopfschmerzen zu provozieren. Ein Zittern ging durch Augusts Körper, das er durch die Nähe zu ihm mehr als deutlich in seinem Rücken spüren konnte, und sein Atem wurde unregelmäßiger. Unweigerlich machte sich ein Hauch Sorge in ihm bemerkbar, obwohl der andere der Letzte sein sollte, für den er so etwas empfand. Aber sein Herz reagierte nun einmal anders, als sein Kopf es wollte und am liebsten hätte er sich zu ihm gedreht. Doch er ließ es bleiben, was sich bereits im nächsten Moment als schlauste Entscheidung herausstellte, die er seit dem letzten Abend getroffen hatte, als er merkte, wie der Engel sein Gesicht an seinem Hals vergrub. Ein Schauer lief ihm über den Körper - eine Reaktion, die er unmöglich verhindern konnte und die ihn hoffentlich nicht verriet. Auch wenn er sich fragte, warum August dies tat, war er genauso neugierig, was er vielleicht noch tun würde, denn obwohl er es eigentlich nicht sollte, genoss er diese zusätzliche Nähe mehr, als er zugeben würde. Es erinnerte ihn noch viel mehr an damals und auch wenn es unglaublich schmerzte, wollte er im Moment nichts lieber, als so liegen zu bleiben.
Allerdings wurde nichts daraus, da der Engel bereits im nächsten Augenblick Abstand nahm und anschließend vorsichtig aufstand. Crispin tat weiterhin so, als würde er schlafen, denn er zermarterte sich gerade das Hirn darüber, wie er auf das alles reagieren sollte, wenn er wach war. Sollte er so tun, als hätte er nichts mitbekommen oder ihn darauf ansprechen? Eigentlich stellte sich diese Frage gar nicht, denn es juckte ihn in den Fingern, August damit zu konfrontieren. Doch das hieße auch, dass er zugeben musste, bereits munter gewesen zu sein und welche Erklärung sollte er ihm dafür geben, dass er sich nicht dagegen gewehrt hatte, so wie er es normalerweise hätte tun sollen? Er wusste es nicht, aber er wollte das Ganze auch nicht einfach unter den Teppich kehren. Er wollte wissen, warum der andere dies getan hatte.
Leise klappernde Geräusche zogen seine Aufmerksamkeit von den Fragen in seinem Kopf auf seine Umgebung. Es hörte sich an, als würde August in der Küche hantieren und ein leises Magenknurren machte sich bei dem Gedanken, an etwas zu essen, bei ihm bemerkbar. Immerhin hatte er seit dem letzten Abend noch nichts gegessen und es käme wirklich wie gerufen. Zudem war es seine Gelegenheit, noch ein wenig länger hier zu bleiben. Es war dumm und masochistisch bei dem Engel zu bleiben, der ihn vermutlich von allen am meisten verachtete und doch auch am meisten in der Hand hatte, weil er es nie geschafft hatte, seine Gefühle für ihn vollkommen zu vergessen. Sie waren einige Zeit verschüttet, da er es geschafft hatte, sie unter Wut und Hass zu verstecken, aber dies hatte sie dennoch nicht beseitigen können. Und doch wollte er seinen Aufenthalt hier noch ein wenig in die Länge ziehen, auch wenn es noch mehr schmerzen würde - je länger er hier blieb - wenn er wieder ging.
Crispin bewegte sich langsam, als würde er gerade erst wach werden, streckte seine Glieder, die sich ein wenig matt anfühlten und sich mit dem gewohnten Gefühl bemerkbar machten, wenn sie nach langer Zeit in derselben Position wieder bewegt wurden. Dabei überprüfte er auch wie es seiner Seite ging, die von August mit der Salbe behandelt wurde. Und er fühlte… nichts. Überrascht darüber setzte er sich auf, wobei ihm die Decken von der Schulter rutschten, und begutachtete die Stelle, an der ihn der Dolch getroffen hatte und auch da sah er nichts weiter. Lediglich ein roter Streifen war noch zu sehen. Nach den Schmerzen, die ihm die Wunde bereitet hatte, hätte er nicht damit gerechnet, dass sie so schnell heilen würde. Die Salbe war also wirklich fantastisch und ihm kam für einen kurzen Moment der Gedanke, sich dafür bei dem Engel zu bedanken - bis ihm wieder einfiel, dass er dies nicht verdient hatte, da er sie schließlich nur wegen ihm überhaupt erhalten hatte.
Seufzend schüttelte er den Kopf, um diese Idee loszuwerden und wandte sich anschließend Richtung Küche. Dabei glitt sein Blick an einer Uhr vorbei, die ihm endlich zeigte, wie spät es eigentlich war. Nachmittag, fast Abend - kein Wunder, dass sich sein Magen meldete. Aus diesem Grund stand er auch langsam auf und lief Richtung Küche, um zu sehen, was August dort machte - und um ihn zur Rede zu stellen. Dabei merkte er, dass auch die Mattheit durch das Fieber so gut wie weg war, was ihn allerdings nicht wunderte. Jetzt, wo sein Körper nicht mehr damit beschäftigt war, die Verletzung zu heilen, konnte sie sich um sein Fieber kümmern. Dennoch war ihm noch leicht warm und er ließ sowohl die Decken auf dem Sofa als auch seine Sachen dort, wo auch immer die waren. Dass er damit ein weiteres Mal halbnackt vor August stand, als er sich gegen den Türrahmen lehnte, war ihm egal - schließlich gab es da nichts, was der Engel nicht schon gesehen hätte. Der Rahmen fühlte sich kühl an seinem Arm an, doch durch seine noch immer leicht erhöhte Körpertemperatur störte es ihn nicht und es fühlte sich eher angenehm an. Einen Moment lang beobachtete er ihn einfach nur schweigend, da er noch immer nicht ganz wusste, wie er das Ganze ansprechen sollte, geschweige denn, welche Ausrede er nutzen sollte, um nicht zuzugeben, dass er sich gegen Augusts Nähe nicht gewehrt hatte, weil er es genoss und schön fand.
“Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass du mich so schnell wie möglich wieder loswerden willst und jetzt kochst du. Ist das dein Ernst?!”
Crispin ging einfach davon aus, dass der Engel ihn in das Essen mit einbezog - was wohl den Erinnerungen und ihrer gemeinsamen Vergangenheit geschuldet war. Wenn er allerdings damit richtig lag, war dies ebenfalls etwas, das ihn verwirrte, da er nicht wusste, warum sich August solche Mühe machen sollte, wo er ihn doch mit Sicherheit so schnell wie möglich wieder vor die Tür setzen wollte. Eine Tatsache, die ihm einen Stich versetzte, auch wenn er ganz genau wusste, dass es eigentlich das Beste wäre, sofort zu verschwinden. Doch zuerst wollte er noch immer eine Antwort haben.
“Und kannst du mir mal verraten, warum du neben mir lagst?!”
Im Augenblick versuchte Cris noch ruhig zu klingen - wobei er sich fast sicher war, dass sich dies ganz schnell ändern konnte - je nachdem wie der Engel darauf reagierte.
Die Ruhe vor dem Sturm war bedrückend.
Gedanken daran, wie er sich, für das was er getan hatte, rechtfertigen sollte, geisterten durch seinen Kopf, aber eine eindeutige Antwort fand sich nur schwer, denn er wusste selbst nicht genau, warum er so gehandelt hatte. Mach dich nicht lächerlich, du weißt genau wieso. Aber genau das war falsch und er musste diese Gefühle schnellstens abstellen, bevor er das Wesentliche vergaß und seine Gefühle die Oberhand hatten. Sehr gefährlich für jemanden wie ihn und vor allem im Verhältnis zu seiner vergangenen Beziehung mit dem Dämon, der diese Schwäche schamlos ausnutzen konnte. Essen machen und ihn dann nach Hause schicken. Das war der Plan, an den er sich verzweifelt klammerte, damit er nicht auf andere Ideen kam, die ihn noch weiter in Schwierigkeiten brachten. Man stelle sich vor, einer seiner Brüder würde ihn spontan kontaktieren und einen verdammten halbnackten Dämon auf seinem Sofa sehen. Wie erklärst du das, August? Es ist nicht so wie es aussieht? Ist es ja auch nicht, mit der Ausnahme, dass der wahre Grund mindestens genau so schlimm war.
Einen Dämon aufpäppeln. Damit ging August genau so gut als Verräter in die Geschichtsbücher ein und er musste sich langsam wirklich am Riemen reißen, denn das alles ging zu weit. Essen und dann nach Hause. Essen und dann nach Hause., redete er sich still ein und nahm den Deckel vom Topf, um den Eintopf zu kosten. Bisschen scharf, hoffentlich mochte Cris es trotzdem... Moment, nein, falsch. Es war doch völlig egal, ob er es mochte oder nicht. Der Bengel soll dankbar sein, dass du dich überhaupt um ihn kümmerst.
Das Fieber hatte sich bestimmt bereits gesenkt und wer wusste genau was das hieß: Jetzt war Schluss mit der falschen Zuneigung vonseiten des Dämons. Den gestrigen Abend, und dessen fast schon herzschmelzenden Worten und Taten, schob er selbstverständlich nur auf die erhöhte Temperatur des Jüngeren, der in dem Zustand nicht anders handelt konnte. Das war die einzige, logische Erklärung, die er akzeptierte und mit der er sich abfinden musste. August bedeutete ihm nicht mehr, das alles war Geschichte - doch wieso schmerzte sein Herz so sehr? Wieso wurde er mit einem Mal so traurig? Du hättest dir keine Hoffnungen machen sollen. Cris hatte bereits, ohne zu wissen, die Oberhand und der Engel musste sich langsam wieder aufrappeln und sich den Tatsachen stellen: Ihr beide werdet niemals wieder zusammenkommen. Nie.
Der Gedanke verfestigte sich, als er die Worte des anderen vernahm, die ihre Wirkung sofort zeigten. Ist das dein Ernst? Ist es das August? Du bist dumm, dumm, dumm. Kümmerst dich um jemanden, der dir das Herz gebrochen hat. Du machst den gleichen Fehler immer und immer wieder. Er biss die Zähne zusammen und ließ dann sein Kiefer mahlen, bevor er sich mit dem Löffel in der Hand umdrehte und er für einen Moment vergaß, was er sagen wollte, als er den anderen im Türrahmen stehen sah. Natürlich hatte bereits alles an Crispin gesehen, das hieß allerdings nicht, dass er sich an den Anblick gewöhnt hatte und ihn nicht mochte. Doch er fasste sich schnell, als der Dämon die zweite Frage stellte und damit genau das ansprach, über dessen Antwort er vorhin noch nachgedacht hatte und damit war der ganze Glanz wieder verschwunden. "Denkst du ich bekoche dich? Du kannst deine Sachen packen und gehen. Ich halte dich sicher nicht auf.", zischte er und klammerte sich dabei unwillkürlich an den Löffel. Obwohl es genau das war, was er sagen sollte, versetzte ihm seine eigene Aussage einen Stich und er biss sich auf die Unterlippe, damit er sich nicht sofort dafür entschuldigen konnte, denn natürlich hatte er für ihn gekocht, sich dabei in den Finger geschnitten, weil er sich sonst nie die verdammte Mühe machte, etwas frisch zuzubereiten. Seine Augen brannten und wurden glasig, weil er so wütend auf Cris und vor allem auf sich selbst war. Auf Cris, weil er sich so undankbar zeigte und auf sich selbst, weil er ernsthaft dachte und erwartete, dass er für seine Gutmütigkeit so etwas wie Dank verdient hatte. Du bist so dumm. Er handelt richtig, du handelst falsch. Es ist aus. Da ist nichts, rein gar nichts mehr zwischen euch. Sein Verstand rebellierte, stellte sich gegenüber seinem Herzen und er musste ihn gewinnen lassen, denn was blieb ihm außer der Vernunft? Nichts.
"Ich war müde, okay?! Und da du mein mein verdammtes Sofa in Beschlag genommen hast, musste ich mir den Platz mit dir teilen. Denkst du ich war begeistert davon?", fragte er vorwurfsvoll und musste sich zu dem Topf umdrehen, dessen Inhalt drohte überzugehen. "Ach, Mist!", fluchte er und drehte den Herd zwei Stufen tiefer, bevor er mit einem Tuch über den Rest der Herdplatte strich. Den Blick von anderen abgewandt, fand er es auch einfacher seine Gedanken zu ordnen. "Ich nehme an dein Fieber ist weg?", fragte er leise und war sich ziemlich sicher, dass es dem anderen besser ging. Kein Grund also, dass er länger bei ihm blieb. August nahm sich eine Schüssel und einen Schöpfer, um sich etwas vom Eintopf zu nehmen. Dabei sah er den anderen kein einziges mal an, weil er zu große Angst hatte wieder schwach zu werden und seinem Herz nachzugeben. Allerdings hätte er wissen müssen, dass er das auch so, nur mit der Aufmerksamkeit des Jüngeren, war. Seufzend ging er an dem anderen zurück ins Wohnzimmer und stellte dort die Schüssel ab, bevor er seinen Blick doch auf den anderen richtete. "Mir ist der Appetit vergangen. Iss das, danach kannst du verschwinden."
Crispins Kleidung lag noch unter dem Fenster und war mittlerweile trocken. Er nahm alles an sich und legte es dann an's Ende des Sofas. Hatte er etwas vergessen? Ach, nein. Crispin hatte ja keine Jacke bei sich gehabt und das war doch der Hauptgrund dafür gewesen, dass er Fieber bekommen hatte. Ob er ihm eine mitgeben sollte? ...Nein! Du tust es schon wieder. August musste aufhören sich Sorgen zu machen. Er war kein Schutzengel und der andere definitiv kein Mensch mehr... Außerdem sollte man sich keine Mühe für jemanden machen, der einen so hintergangen hatte. Und mit diesem Gedanken drehte er sich wieder zu dem anderen. "Jetzt mach schon, ich habe auch nicht ewig vor dich hier zu behalten."

Crispin Cipriano

Obwohl Crispin gerade kaum etwas anderes wollte, als dass ihm August ein paar Antworten auf seine Fragen lieferte, um hoffentlich die Verwirrung in seinem Kopf aufzulösen, kam er doch nicht umhin, ihn zu beobachten und es zu genießen, dass der andere es nicht mitbekam, da er ihm den Rücken zugedreht hatte. Was vermutlich auch gut so war, da er sich sonst vielleicht noch erklären musste, warum er ihn so musterte und darauf eine Antwort zu finden, bei der der Engel nicht weiter bohren oder misstrauisch sein würde, er aber auch seine wahren Absichten dahinter nicht aussprechen musste, war gerade alles andere als einfach und das lag nicht nur daran, dass ihn Augusts Anblick und die Tatsache, dass er tatsächlich etwas kochte - und das auch noch frisch, wenn er sich in der Küche umsah - ablenkte, sondern auch an der Situation einige Stunden zuvor. Er wusste nicht mehr komplett alles, was passiert war oder worüber sie gesprochen hatten, bevor er erschöpft eingeschlafen war, doch das Wichtigste war in seinen Erinnerungen noch vorhanden. Die kleinen Gesten, mit denen er den anderen aufgefordert hatte, bei ihm zu bleiben und mit denen er seine Nähe gesucht hatte. Crispin konnte nur hoffen, dass August es auf seinen gesundheitlichen Zustand schob und nichts hineininterpretierte, was der Wahrheit so viel näher kam: Dass er noch immer etwas für ihn empfand, denn damit hätte er ihn in der Hand. Im Augenblick wäre so etwas auch undenkbar. Er würde nicht einmal auf die Idee kommen, so etwas zu tun und er war sich fast zu 100% sicher, dass der andere dies auch nicht mehr zulassen würde. Der Zauber dieser kurzen Momente war lange vorbei, auch wenn er für eine Sekunde doch noch einmal so etwas wie aufkeimende Hoffnung verspürte, als August sich zu ihm drehte und er merkte, wie dieser kurz stockte, obwohl er sich sicher war, dass er direkt etwas hatte sagen wollen.
Doch auch dies war bereits einen Wimpernschlag später vorüber, als er endlich die Antwort auf seine erste Frage erhielt, die entsprechend kühl und abweisend klang und ihm einen Stich versetzte. Dabei hätte er damit rechnen müssen. Was hast du auch erwartet, Cris? Dass er sich noch um dich kümmert, sobald es dir definitiv besser geht?! Mach dich nicht lächerlich. Du kannst froh sein, dass er dich überhaupt aufgepäppelt hat, anstatt dich direkt zu töten oder dich einfach blutend in der Gasse liegen zu lassen und dich deinen Schmerzen und deinem Fieber zu überlassen! Mit einem leichten Kopfschütteln und einem anschließenden Schnauben vertrieb er seine innere Stimme - manchmal war sie wirklich einfach nur lästig. Vor allem wenn sie ihn auf Punkte aufmerksam machte, die ihn verwirrten, auch wenn er sich schwach daran erinnerte, dass August ihm dazu eine Antwort gegeben hatte. Nur gab es auf diese Situation überhaupt eine Erklärung, die ihn nicht verwirren würde? Er wusste es nicht und aus diesem Grund konzentrierte er sich auch lieber wieder auf das was der Engel gesagt hatte. Ein weiteres Schnauben entfuhr ihm dabei.
“Du glaubst doch auch nicht wirklich, dass ich von dir etwas essen würde, oder?! Nicht nur, dass deine Kochkünste miserabel sind, wer weiß schon, ob du das Ganze nicht vergiftet hast, um mich doch noch auf diese Weise loszuwerden?!”
Selbst in Crispins Ohren klang das unglaubwürdig, denn warum sollte August ihn erst hierher bringen, sich um ihn kümmern, um anschließend irgendwas ins Essen zu mischen? Es wäre absolut unlogisch, aber wer wusste schon, zu was andere wirklich fähig waren? Früher hätte er gesagt, dass der andere das alles tat, weil er es gerne machte, weil ihm etwas an ihm lag. Doch seine Meinung diesbezüglich hatte sich stark geändert, auch wenn es ihm insgeheim wehtat, so über den anderen zu denken. Wenn er es allerdings nicht tat, würde sein Herz mit Sicherheit die Führung übernehmen und ihn womöglich ins offene Messer rennen lassen. Wobei es das ja bereits getan hatte, sonst wäre er überhaupt nicht hier. Er war in der Nacht schwach geworden, war überrascht, als August ihn so plötzlich geküsst hatte und anstatt das Richtige zu tun, den Kuss zu unterbrechen und den anderen zu töten, da er einmal die Oberhand hatte, war er darauf eingegangen und hatte schlussendlich die Quittung dafür bekommen, auf sein Herz gehört zu haben - in Form eines Dolches in seiner Seite. Nie wieder wollte er dies erleben müssen, weder im wörtlichen noch im übertragenen Sinne.
August nächste Worte machten seinen Entschluss allerdings beinahe wieder zunichte, brachte ihn kurzzeitig ins Schwanken, bis er sich ermahnte, nicht alles, was er sagte, in den ersten Sekunden als wahr anzusehen. Dass er sich anschließend weg drehte, half ihm dabei, sich zu fangen und seine Gedanken ordnen zu können, bevor er etwas darauf erwiderte.
“Du machst dich lächerlich! Wenn du tatsächlich einfach nur müde gewesen wärst, hättest du auch einfach so bleiben können, wie du warst, aber du hast dich zu mir gelegt. Genauso gut hättest du auch wieder auf den Sessel oder ins Bett gehen können, wenn du einmal aufgestanden bist.”
Niemals würde er zugeben, dass er es mehr als nur genossen hatte, den anderen so nah bei sich zu haben. Sehr gut erinnerte sich Crispin an den Moment, in dem er August stumm gebeten hatte, bei ihm zu bleiben und wie erleichtert er war, als dieser ihm versicherte, dass er nicht verschwinden würde. Etwas, aus dem er wieder einmal nicht schlau wurde und ihm lag bereits die Frage auf der Zunge, warum er überhaupt bei ihm geblieben war. Aber er hielt sich zurück, denn er konnte sich bereits denken, dass ihn die Antwort darauf genauso wenig zufrieden stellen würde, wie die von eben. Der Engel wäre auch äußerst dumm, ihm seine wahren Absichten zu nennen, da er somit zugeben müsste, dass das alles für ihn nur ein bescheuertes Spiel war - oder noch unwahrscheinlicher, dass er doch etwas für ihn empfand. Wobei er vor allem Letzteres direkt wieder verdrängte, bevor der Gedanke daran auch nur ansatzweise so etwas wie Hoffnung in ihm wecken konnte.
Die Frage nach seinem Gesundheitszustand holte ihn zudem erfolgreich aus seinen Gedanken, in denen er drohte, zu versinken, und er sah dabei zu, wie August mit einer Schüssel, in der sich Eintopf befand, an ihm vorbei und wieder ins Wohnzimmer lief. Über die Schulter hinweg sah er ihm nach, bevor er sich von dem Türrahmen abstieß und ihm folgte.
“Du kannst es wirklich kaum erwarten mich loszuwerden, kann das sein?!”
Obwohl er es nicht anders erwarten sollte, schmerzte es ihn und er hatte mit einem Mal das Gefühl, dass er absolut dumm war, da er kurzzeitig geglaubt hatte, noch ein wenig länger hierbleiben und zumindest in der Nähe des anderen sein zu können. Wie konnte er nur auf diese Idee kommen? August wollte ihn nicht bei sich haben und es war absolut das Richtige, wieder zu verschwinden und ihm im besten Fall nicht wieder über den Weg zu laufen - was in einer Stadt wie Mystic Falls eine echte Kunst wäre, aber man konnte es zumindest versuchen. Und dass August drängelte, machte ihm bewusst, dass es wirklich richtig und sinnvoll wäre, so zu handeln. Sein Herz wollte jedoch hier bleiben, auch wenn er den anderen nervte und seine Laune in den Keller sank - Hauptsache er war in der Nähe des Engels.
Crispin musste den Kopf schütteln, um diese Gedanken zu vertreiben. Anschließend warf er einen kurzen Blick auf das Essen, welches nun auf dem Tisch vor dem Sofa stand und bei dessen Anblick sich sein Magen kurz vor Hunger verkrampfte. Hier noch etwas zu essen, fiel jedoch aus und so lief er an dem anderen vorbei und schnappte sich seine Kleidung.
“Weißt du was?! Iss dein Zeug alleine! Ich tue dir den Gefallen und verschwinde! Und keine Sorge, du siehst mich hinterher nie wieder. Nicht, dass du dich vielleicht nochmal gezwungen fühlst, mir zu helfen.”
Während er sich erst seine Hose überstreifte und anschließend dasselbe mit seinem Shirt und dem Hoodie tat, würdigte er den anderen keines Blickes. Zu groß war die Angst, dass dieser merken könnte, wie sehr sich ein Teil von ihm danach sehnte, wieder so umsorgt zu werden, wie er es damals und auch in der letzten Nacht getan hatte. Doch dies war im Grunde seit dem Abend am See vorbei - der nächste Schritt in ihrer damaligen Beziehung hatte gleichzeitig auch das Ende dieser eingeläutet.
Nachdem Crispin es geschafft hatte, auch noch in seine Schuhe zu schlüpfen, ohne den anderen dabei anzusehen, zögerte er einen Moment, konnte sich für einige qualvolle Sekunden nicht vom Fleck rühren, da es sich so endgültig anfühlte, sollte er nun von hier verschwinden. Doch er schüttelte diesen Gedanken ab und redete sich ein, dass es genauso sein sollte. Deshalb setzte er auch einen Fuß vor den anderen in Richtung Ausgang. Im Türrahmen zum Wohnzimmer blieb er jedoch stehen und blickte noch einmal zurück.
“Viel Spaß noch in deinem langweiligen Leben. Vielleicht findest du ja ein neues Hilfsprojekt, mit dem du genauso spielen kannst, wie mit mir.”
Schon alleine der Gedanke von August mit jemand anderem, wie er diesem half und sich wie bei ihm um ihn kümmerte, schnürte ihm die Brust zusammen und machte ihm das Atmen schwer. Bevor er sich dies jedoch anmerken lassen konnte, wandte er sich und verließ die Wohnung des Engels mit dem festen Vorsatz, nie wieder hierher zu kommen und auch August nie wieder oder zumindest so schnell nicht wieder zu begegnen.
Das Gefühlschaos in seinem Inneren zu beschreiben, grenzte an Unmöglichkeit. Zum einen wollte er, dass der Dämon verdammt noch einmal dankbar dafür war, dass August seine Zeit für ihn aufgeopfert hatte, um ihn nach Hause zu tragen und hier zu verpflegen, damit er wieder auf die Beine kam, nachdem er seine Klinge zuvor noch in seiner Seite steckte - aber zum anderen wollte er ihn gleichzeitig einfach nur hinausschmeißen, damit er nicht erneut dem Anflug von Hoffnung verfiel, wie am Abend zuvor schon, als er sich zu ihm gelegt hatte.
Er hätte es nicht tun dürfen, das wusste er jetzt ganz genau. Ihn einfach ihn der Gasse liegen zu lassen, war jedoch auch keine Option gewesen und sein Herz hätte dabei auf keinen Fall mitgespielt. "Wer sagt, dass meine Kochkünste immer noch miserabel sind? Vielleicht habe ich in der Zwischenzeit gelernt zu kochen?!", konterte er, wusste aber genau so gut wie der Jüngere auch, dass es nicht der Wahrheit entsprach. Sein Talent lag im Klavierspielen, im Komponieren und im Kampf, aber definitiv nicht im Kochen, was die Wunde an seinem Finger bewies. Und nein, er hatte sich in der Zwischenzeit - damit war der Zeitraum seit ihrem letzten Treffen als "Paar" gemeint - nicht auf magische Art und Weise gelernt zu kochen oder geschweige denn einen Kochkurs über sich ergehen lassen. Nach wie vor war er miserabel und es störte ihn furchtbar, dass der andere genau das von ihm annahm und damit auch noch recht hatte. Als würde er ihn nach wie vor kennen - was nicht stimmte... oder eher nicht stimmen sollte. Cris hatte kein Recht mehr darauf zu behaupten, er kenne ihn. Der Engel tat es umgekehrt doch auch nicht, sonst hätte er es vielleicht erahnen können, dass der andere ihm so in den Rücken fiel.
"Du hast dich wie ein Baby an mich gekrallt und wolltest mich nicht gehen lassen!", zischte er und biss sich dann auf die Innenseite seiner Unterlippe. Selbst wenn er sich nicht an ihn gekrallt hätte, wäre die Versuchung, sich neben ihn zu legen und wenigstens für einen Moment so zu tun, als wäre alles okay, wie beim Alten zwischen ihnen, viel zu groß. Nach so viel Streit und körperlicher Auseinandersetzung hatte es ihm am gestrigen Abend einfach gereicht. Seine Nerven waren ausgezehrt und er sehnte sich einfach nur nach etwas Ruhe und fast schon Frieden zwischen ihnen.
Mit einem Mal ging alles ganz schnell - Crispin wünschte ihm noch viel Spaß und verschwand, nachdem er seine Sachen gepackt hatte und hinterließ milde gesagt einen Krater in Augusts Herz, der drohte mit Traurigkeit und Frustration gefüllt zu werden. Ein anderes Hilfsprojekt. Ist es das was er über ihn dachte? Dass er sich nur um ihn gekümmert hatte, weil er irgendein x-beliebiges Projekt für ihn war? Hatte er nicht klar genug gehandelt und ihm gezeigt wie viel der Jüngere ihm bedeutete? Oder war das alles nur eine Masche um ihn zu verunsichern?
Er war hin und her gerissen, dabei hätte die Lösung auf das alles so einfach sein können. Vergiss ihn einfach. Schließe ab mit eurer Vergangenheit und kehre ihm den Rücken zu. Das ist es doch, was er damit beabsichtigt. Cris hatte offenbar schon längst damit abgeschlossen, also wieso sollte er sich noch weiter an etwas krallen, das gar nicht mehr vorhanden war? Seine Hoffnungen auf die gute alte Zeit mussten begraben werden - er musste sich wieder auf das Wesentliche konzentrieren: Eine Zukunft ohne den Dämon. So wie es sein sollte.
Ohne sich von der Stelle zu bewegen, ließ er den anderen gehen, kämpfte einen Moment mit sich, da ein Teil von ihm ebenfalls aus dem Haus rennen, den anderen einholen und zurückziehen wollte. Ihm sagen, dass er zwar nicht wusste, was er falsch getan hat, aber er alles dafür geben würde, damit sie wieder zusammen sein konnten und er ihn nie wieder verletzen würde, was auch immer kommen mochte. August würde immer für ihn da sein und Cris hätte keinen Grund mehr sauer auf ihn zu sein.
Zum Glück war seine Vernunft stärker.
Er blieb stehen.
Selbst nach mehr als zehn Minuten, als der andere schon weit weg war.
So ist es besser.
Du hast das Richtige getan.
Den Eintopf kippte er in den Müll. Sein Appetit kam an dem Abend nicht wieder, genau so wenig, wie in den nächsten Tagen.

Ein Klopfen an seiner Schlafzimmertür weckte ihn wenige Tage nach dem Verschwinden des Dämons und eine bekanntes Gesicht betrat das abgedunkelte Zimmer. "Der Herr sei mit dir, August. Du meine Güte... Du siehst aus wie ein Geist. Oh und ich sehe du hast deine Haare gefärbt. Schwarz, hm?" Der Mann kam näher, setzte sich an das Ende des Bettes und musterte seinen Bruder. "Menschen färben sich die Haare für gewöhnlich nach einer Trennung, nicht? Schon witzig."
Hätte August in dem Moment besser aufgepasst und wäre er nicht so abgelenkt von den Blättern des Baumes vor seinem Fenster gewesen, die er schon seit Stunden beobachtete, dann hätte er wohl etwas wie Wissen aus der Stimme des anderen gehört.
"Komm, lass uns spazieren gehen. Du brauchst dringend Bewegung und Training. Keine Sorge, ich kümmere mich in den nächsten Tagen um dich."
Es dauerte eine volle Stunde, bis die beiden das Haus verließen und in der Innenstadt verschwanden.


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