Wind Beyond Shadows

Normale Version: Wir beide gegen den Rest der Welt ♡
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Wenn es etwas gab, dass er neben dem Kuscheln mit dem Jüngeren vermisst hatte, dann war es das Necken und das gegenseitige Hochziehen, ohne das der andere dadurch beleidigt war. Was sich liebt, das neckt sich - so hieß es doch oder? Cris war ihm gegenüber von Anfang an sehr direkt gewesen und hatte sich nie mit seinen Kommentaren zurückgehalten und später ließ er es sich auch nicht nehmen den Engel aufzuziehen. Aber das war okay, nichts das ihn jemals geärgert hatte, selbst wenn er so tat. Das Lächeln, dass der andere dadurch auf seinen Lippen trug, war es allemal wert und wen hatte er schon, mit dem er so reden konnte? Seine Eltern? Seinen Bruder? ...August war damals und jetzt erst recht die einzige Bezugsperson für ihn und auch wenn es nicht immer so sein musste, wollte er selbstverständlich für ihn da und jemand sein, bei dem sich der Schwarzhaarige nicht verstellen musste. “Aber ich bin nur zu dir so nett.”, merkte er grinsend an und lehnte sich zurück, wo er den Kopf zurück legte und sich über das Gesicht fuhr. Andere kannten seine zuvorkommende Seite gar nicht… tatsächlich war Cris der Einzige, der diesen Luxus genießen durfte, jedoch war der Engel auch nicht Hals über Kopf in jemand anderen seiner Bekanntschaften verliebt.
So wie es jetzt gerade zwischen ihnen war, fiel es August ebenfalls sehr schwer einfach zu gehen und mehrere Tage am Stück unterwegs zu sein, ohne am Abend zu Crispin zurückzukehren und ihn in den Arm zu nehmen. Jetzt wieder getrennt voneinander zu sein, ging ihm mindestens genauso sehr gegen den Strich, aber er musste vernünftig sein und das Gesamtbild im Kopf behalten, um nicht nicht Opfer seiner egoistischen Seite zu werden, die wieder einmal drohte Überhand zu nehmen, als der andere ihm sagte, dass er alleine genauso in Gefahr war, was ja auch stimmte, aber es war viel sicherer, wenn sie sich jetzt trennten, Informationen sammelten und dann ihre nächsten Schritte planten. Ja, August wäre es auch viel lieber hier zu bleiben, aber es ging einfach nicht, dann wussten sie beide, auch wenn der Jüngere sich sehr dagegen sträubte. “Das ist mir schon bewusst, aber wenn einer der beiden dich hier erwischen sollte, dann ist es viel schwerer sich aus der Situation herauszureden. Damit würdest du den Verdacht, dass wir zusammen sind einfach nur bestätigen und ich weiß nicht was dann mit dir passieren wird…” Sicher nichts Gutes, das stand fest und sich auszumalen, wie Aspen oder Rixon handeln würden, war zu viel für ihn. “Das ganze sollte nicht lange dauern. Hope wird mir vielleicht den ein oder anderen Auftrag aufzwingen, aber die sind für gewöhnlich schnell erledigt und ehe du dich versiehst, bin ich wieder zurück und wir können unsere Sachen packen, um irgendwohin zu fahren.”, versicherte er und strich dabei über den Oberschenkel des anderen, den er mit der Hand umfasste und ihn anhob, um seinen Fuß darunter zu schieben.
“Mir gefällt es auch nicht. Aber selbst wenn Aspen mit folgt, kann ich mich ganz gut aus der Sache reden. Hope ist auch sein Bruder und was ist schon falsch daran, wenn ich ihn mal besuche? Was Rixon angeht…” Keine Ahnung, wie Cris auf ihn reagieren würde, vor allem, da er jetzt bescheid wusste und so klug er auch war - er war mindestens genauso impulsiv und das konnte durchaus ein Problem werden, wenn er seine Emotionen vor dem anderen Dämon nicht unter Kontrolle brachte. Das war es, was dem Engel Sorgen machte. Was, wenn er zurückkam und Cris nicht mehr-... Nein, daran wollte er nicht denken. “Du musst vorsichtig sein. Am besten du verlässt nicht das Haus und wenn Rixon vorbeikommen sollte, dann musst du dich wirklich, wirklich zusammenreißen, verstehst du das? Egal wie wütend du bist. Solange er denkt, dass du mich noch hasst, bist du safe.”, erklärte er und legte einen Arm um seine Schulter. Solange sie die Lüge aufrecht erhielten und die anderen täuschten, sollte ihnen nichts geschehen, denn das war genau das was Aspen wollte oder? Dass sie sich hassten…
Warum, lieber Bruder? Warum hintergehst du mich so? August starrte auf das dunkle Display des Handys und dachte einmal mehr über seine Vergangenheit mit dem anderen Engel nach. Woher diese unbegründete Wut kam, konnte er sich bis heute nicht erklären - vor allem nicht, nachdem sie, wenn man es genau nahm, beide im selben Boot steckten. August hätte ihn niemals verraten oder gar irgendwelche Pläne gegen ihn geschmiedet, er wusste doch wie es war jemanden zu lieben, von dem man sich fernhalten sollte. Im Moment sogar noch besser als zuvor, wo Cris noch ein Mensch gewesen war. Unbewusst besitzergreifend zog er den anderen näher und küsste seine Schläfe. “Wir schaffen das schon. So wie immer.”, versicherte er und unterstrich seine Aussage indem er seine Lippen ein weiteres Mal auf die des jungen Dämons legte, von denen er nicht genug bekam. Ihre verschiedenen Wesen waren kein Hindernis für das was er für den anderen empfand. Cris hätte alles sein können und es wäre ihm mittlerweile egal gewesen, denn solange sie sich etwas bedeuteten, zählte nichts anderes auf dieser Welt.
Bei dem Grummeln des anderen, musste er fast schmunzeln, denn es war furchtbar süß und erwärmte sein Herz sofort. Wie konnte er nur denken, dass alle Dämonen durch und durch böse waren, wo doch einer neben ihm saß und sich friedlich von ihm füttern ließ und sich dabei den ein oder anderen Kuss klaute. “Nachdem du dich nicht dagegen wehrst, schätze ich dass du trotzdem nichts dagegen hast.”, meinte er grinsend und hielt ihm ein Stück von dem Hühnchen vor den Mund und musste wurde sogleich etwas verlegen, bei den Worten des anderen. So viel Zuneigung zu bekommen, vor allem nach den letzten Monaten, war ungewohnt, aber auch sehr schön und August fühlte sich nahezu geschmeichelt, dass der andere ihn wirklich bei sich haben wollte. Sein schlechtes Gewissen nagte zwar ebenso an ihm, aber er hielt sich Konstant sein Ziel vor Augen: eine friedliche, gemeinsame Zeit mit dem Jüngeren, und diese bekam er nur, wenn er Klarheit und somit ihre Probleme aus dem Weg schaffte. Das Versprechen, dass Cris seinen Bauch ignorieren würde, ließ seine Wangen wieder etwas rot werden und er war froh, dass sie dabei auf einer Wellenlänge waren, was zumindest den Wunsch nach mehr, anging. “Verhungern lasse ich dich allerdings auch nicht. Was wäre ich für ein Freund, wenn ich dich hungrig ins Schlafzimmer trage und du mir am Ende noch umkippst?” Nein, nein, nicht mit ihm. Erst galt es sich um das Wohlbefinden des anderen zu kümmern, bevor er sich seinen egoistischen Wünschen widmen durfte.
“Du machst es mir sehr schwer, dich zurückzulassen. Am liebsten würde ich dich mit mir mitnehmen, aber das geht leider nicht. Hope wäre nicht begeistert und je nachdem ob ein anderer Bruder gerade bei ihm ist, würdest du dort in die Höhle der Löwen rennen.” Hope zu überzeugen, dass es sich bei Crispin um einen äußerst friedlichen Dämon handelte, wäre eventuell noch möglich gewesen, aber einen anderen Bruder… uff, eher nicht so. Sie dachten doch alle, dass August blind vor Liebe handelte und ja, das mochte vielleicht stimmen, aber es handelte sich nunmal um eine Tatsache, dass der Jüngere nicht herum rannte und irgendwelche Leute niedermetzelte.
Mal ganz abgesehen davon, dass Crispin nicht wie jemand wirkte, der einer unschuldigen Person etwas anfügen könnte…Wobei… “Cris? Wie genau bist du eigentlich zum Dämon geworden? Die ganze Sache mit dem Einfluss von Rixon verstehe ich schon, aber… Was ist da genau passiert?”, fragte er, den letzten Satz vorsichtig und leise ausgesprochen, denn er kannte nur die klassische Möglichkeit zu einem Dämon zu werden: man musste eine andere Person töten. War Cris dazu imstande gewesen…? Hatte sein Hass ihn wirklich so weit getrieben? War August tatsächlich indirekt an dem Tod einer anderen Person schuld? Denn wäre er nicht gewesen, dann hätte Cris auch nicht beschlossen ein Dämon zu werden. “Hast du-… hast du jemanden…umgebracht?”

Crispin Cipriano

Aber ich bin nur zu dir so nett.
Crispin wusste das durchaus und er würde lügen, wenn er behauptete, dass ihm diese Tatsache nicht außerordentlich gut gefiel. Wenn es nach ihm ging, musste August auch zu keinem anderen so nett sein und wenn das egoistisch und besitzergreifend wirkte, dann war er eben genau das. Er hatte so lange niemanden gehabt, der auf diese Weise mit ihm umging und bei dem er sein konnte, wie er war, ohne dass er die Person damit auf dem falschen Fuß erwischte, dass er das mit keinem anderen teilen wollte.
“Das muss auch niemand anders zu sehen bekommen, wie nett du sein kannst. Genau wie einige andere Dinge.”
Und da gab es so viele kleine und große Dinge, die er - neben solchen Situationen wie gerade eben - nur für sich haben wollte. Das begann bereits bei dem schüchternen Lächeln des anderen, wenn ihm zwar etwas unangenehm war, er sich aber dennoch darüber freute und ging bis hin zu seiner fürsorglichen Art, mit der er sich um sein Wohlergehen kümmerte und darauf aufpasste, dass es ihm gut ging. Cris wusste, dass er Letzteres auch anderen gegenüber teilweise an den Tag legte - er war nun einmal ein Engel und konnte das nicht einfach ablegen. Sollte er auch gar nicht. Es gehörte zu ihm und er liebte diese Seite an ihm genauso wie alles andere. Andernfalls hätten sie sich immerhin vielleicht nie kennen gelernt. Das Problem war nur, dass August das anderen gegenüber auch nicht abstellen konnte, wenn er der Meinung war, dass jemand Hilfe brauchte. Davon ließ er sich nicht abbringen, wenn er sich das einmal in den Kopf gesetzt hatte. In Sachen Sturheit waren sie sich wirklich sehr ähnlich, auch wenn sie unterschiedliche Dinge betraf. Allerdings hatte er keine Ahnung, wie er reagieren würde, wenn er das einmal bei jemand anderem mitbekam. Schließlich war er schon damals auf dem Ball aus der Haut gefahren, als August ihn für jemand anders hielt und ihn angeflirtet hatte und zu diesem Zeitpunkt waren sie noch nicht einmal ansatzweise so weit gewesen wie jetzt. Tief in seinem Inneren hoffte er einfach, dass er niemals Zeuge dessen werden und somit nicht herausfinden musste, wie seine Reaktion dabei ausfiel.
Umgekehrt war August ebenfalls der einzige, von dem er nicht genervt war und den er nicht von sich stieß, um seine Ruhe zu haben. Er hatte ihn gern um sich, am liebsten die ganze Zeit, da er von der Nähe des anderen einfach nicht genug bekam. Genau deshalb fiel es ihm so schwer, sich vorzustellen, dass sie sich nach allem für eine ungewisse Zeit nicht mehr sehen würden. Gerade jetzt wollte er ihn bei sich haben. Seine Anwesenheit lenkte ihn ab, gab ihm und seinem Kopf die Ruhe, die er so lange nicht mehr verspürt hatte. Vor allem wenn er alleine war, machte er sich ständig Gedanken über alles mögliche und nach dem heutigen Morgen gab es auch noch so vieles, über das er nachdenken und was er verarbeiten musste. Dass August gerade zu diesem Zeitpunkt gehen musste und seinem Kopf somit noch mehr Futter für Gedanken gab, war wirklich alles andere als günstig, auch wenn er ihn selbst bei einem günstigeren Zeitpunkt nicht gehen lassen wollen würde. Die logischen Erklärungen des Engels entlockten ihm ein Grummeln und er sah trotzig zur Seite. Sein Herz wollte das nicht hören, denn er hatte recht, mit dem, was er sagte. Wenn Aspen oder Rixon hier auftauchen sollten und ihn erwischten, konnte er ihnen schlecht weiß machen, dass er hier war, weil er August hasste und ihm schaden wollte. Schon alleine der Gedanke daran und die Erinnerung, das dies tatsächlich einmal sein Plan war, hinterließen einen bitteren Geschmack in ihm.
“Okay, ich werde dein Haus meiden… Aber verlang nicht von mir, dass ich mich zu Hause verbarrikadiere, solange du weg bist.”
Dafür war er viel zu gerne draußen und zu Hause würde ihm vermutlich die Decke auf den Kopf fallen oder die Gedanken würden ihn einfach auffressen. Wenn er unterwegs war, gab es immer noch die Chance, dass ihn etwas ablenkte.
“Außerdem würde es auch auffallen, wenn ich anders als sonst nicht aus dem Haus gehe, sollte mich einer von beiden im Auge behalten.”
Crispin konnte die Sorge des Engels durchaus verstehen, aber er wusste einfach, dass er es nicht schaffen würde, nicht raus zu gehen. Zudem war er sich sicher, dass er sich in dem Fall äußerst verdächtig machen würde. Schließlich war er selbst dann unterwegs gewesen, wenn er sich in den letzten Monaten verletzt gefühlt hatte und August aus dem Weg gehen wollte. Er war nun einmal nicht der Typ dafür, so etwas zuhause auszusitzen.
Als er etwas davon hörte, dass dem anderen vermutlich Aufträge aufgerückt werden könnten, sah er zu ihm und runzelte die Stirn dabei.
“Davon war zuvor aber nicht die Rede… Kannst du ihm nicht sagen, dass du dafür keine Zeit hast?”, grummelte er trotzig, denn es bedeutete, dass der andere durchaus schneller zurück sein könnte, wenn dieser Hope ihm nicht irgendwelche Aufträge geben würde. Die Tatsache, das August es jedoch schon so von seinem Bruder kannte, ließ Abneigung gegenüber dem unbekannten Engel in ihm aufsteigen. Abneigung, die noch über das übliche Gefühl gegenüber anderen Engeln als August hinausging. Dass der Schwarzhaarige bei diesem aber vielleicht sicherer war, als er bis eben noch gedacht hatte, beruhigte ihn zumindest ein klein wenig, denn die Worte ergaben Sinn. Als er jedoch auf Rixon zu sprechen kam, biss Cris die Zähne zusammen. Der Name alleine löste in ihm inzwischen eine Welle von Hass aus und er ballte beide Hände so fest zu Fäusten, dass die Stellen, an denen seine Nägel in die Haut drückten, schon nach kürzester Zeit begannen zu schmerzen. Noch immer konnte er nicht fassen, dass er sich von ihm hatte manipulieren lassen, um der Person zu schaden, die er am meisten liebte. Wie er reagieren würde, wenn er ihm wieder gegenüber stand? Er wusste es nicht.
“Ich weiß, dass ich aufpassen muss, aber ich kann nicht versprechen, dass ich mich wirklich zurückhalten kann, wenn ich ihn sehe”, kam es ihm schärfer über die Lippen, als er es eigentlich gewollt hatte und er biss sich auf die Zunge, um sich erst einmal einen Moment lang wieder zu beruhigen und August nicht noch einmal so anzufahren. Immerhin war der Dämon derjenige, der ihn benutzt hatte und nicht der Engel neben ihm. Zusätzlich senkte er das Gesicht und blickte auf den Fuß des anderen, der unter seinem Oberschenkel lag.
“Ich wollte dich nicht so angehen, aber… Rixon trägt eine große Mitschuld daran, dass ich beinahe alles verloren hätte, was mir wirklich wichtig ist… Ich weiß, dass es besser ist, wenn er weiterhin glaubt, dass ich dich noch immer hasse, aber… Hoffen wir einfach, dass ich ihm nicht über den Weg laufe, um nicht herauszufinden, wie ich reagiere, denn ich denke nicht, dass ich für irgendwas garantieren kann, wenn doch. Somit sollte ich mich wirklich verhalten wie sonst auch. Andernfalls würde ihn das sicher auf den Plan rufen…”
Seine Stimme war wieder etwas ruhiger und er hoffte, dass August verstand, dass seine Wut kurz zuvor keineswegs gegen ihn gerichtet war. Diese Zeiten waren vorbei und hatten sie hinter sich gelassen und er wollte es keineswegs je wieder so weit kommen lassen. Aus diesem Grund kuschelte er sich näher an den anderen, als dieser seinen Arm um ihn legte und versteckte sein Gesicht in dessen Halsbeuge. Er wollte nicht, dass das, was sie nun hatten, je wieder endete und er wusste, dass er sich im Grunde dafür zusammenreißen musste, denn wenn er starb, war es ebenfalls vorbei. Daran wollte er allerdings gerade auch nicht denken, denn er merkte, wie dieses ganze Thema seine ganze Stimmung immer mehr in den Keller schickte und auch wenn Augusts leise Worte, dass sie das wie immer schaffen würden, ihn ein wenig beruhigten und wieder runter kommen ließen, rückte er trotzdem noch ein wenig näher zu ihm.
“Ich hoffe es…”, murmelte er leise an die warme Haut. Als der Engel ihn allerdings weiter füttern wollte, musste er sein Gesicht doch von ihm lösen. Eigentlich war ihm der Hunger vergangen, aber er aß das Stückchen Huhn dennoch, das ihm vor die Nase gehalten wurde. Anschließend nahm Cris ihm die Box ab und stellte sie zurück auf den Tisch und bevor der andere etwas dagegen sagen und erneut danach greifen konnte, kletterte er auf dessen Schoß, sodass seine Beine links und rechts neben ihm waren und er seine Arme auf dessen Schultern legen konnte. Er brauchte diese Nähe gerade einfach, vor allem wenn er daran dachte, dass er dies die nächsten Tage nicht tun konnte.
“Genug gegessen. Die Box ist ohnehin so gut wie leer. Und ich werde auch nicht gleich umkippen, wenn mein Bauch knurrt. Der kann also wirklich gerne einfach ignoriert werden.”
Wenn er ehrlich war, fand er es süß, dass sich August erst um ihn und seine Grundbedürfnisse kümmern wollte, aber etwas zu essen war in so einer Situation eigentlich das Letzte, an das er denken wollte. Jeglichen Protest des anderen, mit dem er daraufhin rechnete, wollte er schon mit einem Kuss im Keim ersticken, doch soweit kam er gar nicht, denn er lenkte das Thema wieder auf das vorherige zurück und bestätigte somit seine eigenen Gedanken, dass er nicht mit ihm gehen konnte - ganz egal wie gerne er dies tun würde, wenn es schon nicht anders ging, dass August diesen Hope aufsuchte. Und das dies nötig war, hatten sie ja bereits geklärt. Crispin presste seine Kiefer aufeinander, da es ihn einfach ärgerte, dass sie auch jetzt noch solche Steine in den Weg gelegt bekamen. Dabei hatten sie eigentlich mehr als genug durchgemacht.
“Das ist mir bewusst. Ich wäre dir wahrscheinlich ohnehin keine große Hilfe, wenn etwas passieren sollte. Ich bin als Dämon zwar stärker als früher, aber… das macht dennoch keinen großen Unterschied.”
Er kannte seine Schwächen, wusste, dass er auch in Kämpfen eher unüberlegt handelte - vor allem wenn man ihn provozierte. Als Mensch war das bei seinen Prügeleien kein großes Problem. Schließlich waren die Leute, mit denen er sich angelegt hatte, auch keine professionellen Kämpfer. Nun sah die Sache allerdings anders aus und auch wenn nicht alle Engel Dämonenjäger waren, würde doch keiner von ihnen zögern, einen Dämon zu töten, wenn sie die Gelegenheit dazu bekamen. In diesem Fall würde er August also vermutlich eher im Weg stehen, was ihn noch zusätzlich frustrierte, da es ihm wieder einmal deutlich vor Augen führte, dass es keine andere Möglichkeit gab, als dass er hier zurückblieb und auf den anderen wartete.
Die leise Stimme des Engels holte ihn aus seinen Gedanken, wofür er im ersten Moment wirklich dankbar war, da er diese Situation eigentlich so lange genießen wollte, wie es ihnen möglich war, so beieinander zu sitzen. Im nächsten Moment war von der Erleichterung allerdings nichts mehr übrig, als er die Frage hörte. Augenblicklich biss er sich auf die Unterlippe und lag sein Blick eben noch auf dem Gesicht des anderen, so senkte er diesen nun. Cris wusste einfach, dass es August alles andere als gefallen würde, was er ihm dazu erzählen würde. Früher hätte er ihn vielleicht angelogen oder es mit Trotz in der Stimme erzählt, um ihm anschließend die Schuld daran zu geben, dass es so weit gekommen war. Jetzt, wo er wusste, dass er einen großen Teil der Schuld an allem trug, fiel dies jedoch aus und ihn anzulügen war ebenfalls keine Option mehr. Hin- und hergerissen, weil er nicht wusste, wie er anfangen sollte, kaute er auf seiner Unterlippe herum, die noch nicht wieder vollkommen verheilt war und dabei begann leicht weh zu tun. Allerdings war er froh, dass er nun auf Augusts Schoß saß und dieser somit nicht einfach wieder verschwinden konnte - so wie es das letzte Mal der Fall war, als er ihm etwas gebeichtet hatte, was ihm alles andere als gefiel. Tief in seinem Inneren hoffte er allerdings, dass diese Vorsichtsmaßnahme gar nicht sein musste.
“Du wirst nicht begeistert sein…”, murmelte er leise, während er hinter dem Kopf des Engels begann mit seinen Fingern zu spielen, um sich irgendwie von dem unguten Gefühl in seinem Inneren abzulenken. Es war wie ein schwerer Stein, der ihn runterdrückte und ihm gleichzeitig das Atmen schwer machte.
“Rixon meinte damals, dass es verschiedene Wege gäbe, um ans Ziel zu kommen, diese aber eben unterschiedlich lange dauern. Ich war so blind vor Wut auf dich, dass ich nicht darüber nachgedacht und auch nicht nachgefragt hatte, welche Möglichkeiten es gäbe und habe ihm gesagt, dass es schnell gehen sollte… Ich wollte keine Zeit verlieren… Als er mir allerdings sagte, dass der schnellste Weg zu einem Dämon zu werden, der wäre, jemanden zu töten, hat sich in mir alles dagegen gesträubt, das zu tun. Ich hab ihm gesagt, dass ich das nicht tun werde und er hat mich in dem Glauben gelassen, ich hätte alles selbst in der Hand… Insgeheim hatte er aber wohl schon für sich selbst entschieden, dass es genau dieser Weg sein sollte…”
Crispin unterbrach sich kurz, denn der Stein in seinem Magen schien mit jedem Wort, das er sagte, noch ein wenig schwerer zu werden. Er traute sich auch nicht, August wieder ins Gesicht zu blicken. Dieser Teil seiner Vergangenheit war einfach etwas, dass er tatsächlich zutiefst bereute, denn auch wenn er sich mit jedem anlegte, so war Mord im Grunde nichts, was er wirklich in Erwägung zog. Das mochte ihn zu einem ungewöhnlichen Dämon machen, da es den meisten leicht fiel, Menschen und Wesen das Leben zu nehmen, doch für ihn war das eine Grenze, die er nicht überschreiten wollte. Nicht noch einmal…
“Nach dem Gespräch vergingen einige Tage. Ich habe Streit angefangen, wo ich nur konnte. Bei einer dieser Auseinandersetzungen passierte es, dass der andere ungünstig stürzte und bewusstlos liegen blieb. Im Normalfall hätte ich aufgehört und wäre einfach gegangen, doch Rixon tauchte in dem Moment wie aus dem Nichts auf. Als hätte er mich die ganze Zeit im Auge behalten und nur auf so eine Situation gewartet… Er provozierte mich, meinte, dass ich es nie schaffen würde, mich an dir zu rächen, wenn ich das nicht einmal bei einem Menschen, der sich nicht mehr wehren konnte, schaffen würde… Danach drückte er mir einen Dolch in die Hand und… zwang mich regelrecht dazu, ihn… an die Kehle des anderen zu legen…”
Ein weiteres Mal stockte er in seiner Erzählung und da er es noch immer nicht schaffte, den Engel anzusehen, lehnte er seine Stirn auf dessen Schulter, versteckte sein Gesicht an dessen Halsbeuge, während er sich näher an ihn drückte und murmelte die nächsten Worte, die die Frage des anderen beantwortete, nur leise gegen die Haut.
“Ich hab es getan…”
Mit einem keuchendem "Uff!", dass von dem Tascheln des Gebüsches übertönt wurde, landete August zwischen einem Rosenstrauch auf der dreckigen Erde. Sich aus dem Haus der Ciprianos zu schleichen war mittlerweile zu seiner Gewohnheit geworden und man sollte meinen, dass er hunderte Möglichkeiten kannte um unauffällig einen Abgang zu machen, aber dieses Mal war es sehr knapp gewesen. Ein Klopfen hatte die beiden aus ihrem Gespräch gerissen und es blieb fast keine Zeit um sich voneinander zu verabschieden. Stattdessen kletterte der Engel aus dem Fenster und wollte gerade von dort aus wegfliegen, als er eine vorbeispazierende Nachbarin sah, die ihn mit einem wissenden Blick musterte, aber nichts weiter dazu sagte, jedoch grinsend an dem Haus vorbeiging und ihn so sehr ablenkte, dass er sich fast einen Moment zu spät duckte, als die Tür in Crispins Zimmer aufging und seine Mutter hinein trat um zu fragen, mit wem er denn gesprochen hatte. Es war wohl wirklich besser, wenn er jetzt einen Abgang machte. Das Holzverkleidung des Hauses hinunterkletternd, übersah er eine Sprosse der des Rankengitters aus Holz und verlor damit das Gleichgewicht. “So ein Mist!”, zischte er leise und fischte einige Rosenblätter aus seinem Haar und stand auf. Ein Blick hinauf, versicherte ihm, dass ihn niemand gehört hatte, denn Cris Fenster war bereits zu. Nun aber wirklich los. Von den Eltern erwischt zu werden würde dem Jungen nur noch mehr Ärger einbringen, denn sie konnten sich bestimmt denken, dass August wegen ihm hier war. Gerade als er bei der Eingangstür vorbeiging, öffnete sich diese und im ersten Moment glaubte er, es sei Cris, jedoch deuteten die adretten Klamotten daraufhin, dass es sich um seinen Bruder, Cyrian, handelte. Sie hatten sich zuvor erst einmal kurz gesehen und soweit er wusste, war dem Bruder klar, dass August zum engeren Freundeskreis von Crispin gehörte. “Oh, du warst das.”, sagte er also und schenkte ihm ein sanftes Lächeln. Erwischt. Gut gemacht, August. Nächstes Mal dann bitte ohne einen Sturz in die Rosen. “Keine Sorge, ich sage meinen Eltern nichts. Ich wollte mich nur bei dir bedanken.”
Immer noch stand der Engel mit den Händen in den Jackentaschen da und sah ihn einfach nur an. “Wofür bedanken?”, fragte er. Dafür, dass er dem Gärtner noch mehr Arbeit hinterlassen hatte? “Dafür, dass du dich um Cris kümmerst. Er ist in letzter Zeit nicht mehr so oft in Schwierigkeiten und etwas sagt mir, dass du der Grund dafür bist. Also danke dafür. Ich möchte dich jetzt auch nicht weiter abhalten. Gute Nacht.”
Damit verabschiedete sich der andere und schloss die Tür wieder. August blieb noch einen Moment stehen, bevor er seine Beine in Bewegung setzte, nicht aber, bevor er noch einen Blick zu Cris Fenster warf. Sie waren wohl nicht alle so übel, wie er behauptete…


Cris war ein besitzergreifender Mensch, mit einer gesunden Portion Eifersucht, die nahezu schon schmeichelhaft war und den Engel durchaus verlegen machte, denn er sah sich bei weitem nicht als etwas Besonderes - vor allem, wenn er sich mit dem Jüngeren verglich. Der Dämon hatte schon vor seiner Zeit als übernatürliches Wesen eine gewisse Bad-Boy-Ausstrahlung gehabt und man musste keine Teenie-Romanzen im Fernsehen schauen um zu wissen, dass sich insgeheim jedes Mädchen einen Jungen wie ihn wünschte. Harte Schale, weicher Kern - das Klischee eben, dass es witzigerweise gar nicht so oft in freier Wildbahn gab, denn die meisten Jungs, die sich rebellisch verhielten oder zumindest ein gewisses Maß and Bad-Boy-Haftigkeit besaßen, waren einfach nur Idioten. Sehr zum Leiden der jungen Mädchen, die zwar genau darauf abfuhren, aber jedes Mal aufs neue verletzt wurden. Cris war anders. Hinter seiner Fassade, die er anderen gegenüber zeigte, befand sich fast schon etwas wie ein Schatz dahinter und das zeigte er August jedes Mal auf’s Neue, wenn sie wie jetzt alleine waren und sich in den Armen hielten. Wie konnte also jemand wie der Jüngere bloß eifersüchtig sein, wo er es doch war, der jedes Mal die Aufmerksamkeit auf sich und alle in seinen Bann zog?
“Ach ja? Was für Dinge denn?”, fragte er mit einem frechen Grinsen auf den Lippen und zog den anderen dabei wieder ein Stück näher an sich, wobei er es sich nehmen ließ seinen Oberarm hinauf zu streichen und diesen sanft zu umfassen und zuzudrücken. Kräftiges Bürschchen. August selbst hätte wohl stundenlang aufzählen können, was er alles an seinem Freund liebte und wäre immer noch nicht fertig, denn selbst nach mehr als 2 Jahren fand er jeden Tag neue Dinge, die ihn einerseits überraschten, aber sein Herz immer wieder höher schlagen ließen. Mittlerweile verstand er es, wenn man sagte, dass es möglich war, sich erneut in einen Menschen zu verlieben. Er tat es so gut wie jeden Tag.
“Mich macht es wahnsinnig nicht zu wissen, was die beiden im Schilde führen und wenn dir etwas geschieht, während ich bei Hope bin, dann... “ Er schluckte schwer “...dann könnte ich mir das nie verzeihen. Dich jetzt nach all dem zu verlieren wäre so ziemlich das Schrecklichste, das passieren könnte.” Sie hatten so hart dafür gekämpft zusammen zu sein und ein noch viel größerer Kampf stand ihnen bevor, sobald er Aspen zur Rede stellte - das alles zu verlieren hätte er nie verkraftet, niemals. Cris war sein ein und alles, sein Grund, weshalb er morgens aufstand, seine einzige Motivation im Leben. Von ihm aus könnte die ganze Welt untergehen, wenn er nur bei dem anderen sein dürfte.
Das Stirnrunzeln des anderen verursachte ein sofortiges schlechtes Gewissen. Ups, das mit den Aufträgen hatte er wohl verschwitzt. Mittlerweile war es zur Gewohnheit geworden, dass Hope ihn mit Aufträgen strafte, wenn sie sich trafen und sie waren quasi eine Bezahlung für die Informationen die August von ihm brauchte. Oh, du möchtest wissen ob Aspen dich hintergeht? Klar, aber erst erledigst du mir diesen Ghoul, danach können wir reden! So ungefähr lief es meistens ab und der Schwarzhaarige wusste, dass Hope es nie böse meinte oder ihn ausnutzte. Manche Aufgaben konnte eben nur er erledigen und weigerte sich, nicht zuletzt wegen seiner Beziehung zu Cris, gerade in letzter Zeit dazu, irgendwelche Wesen zu erledigen. Doch Hope wusste schon immer wie er ihn um den Finger wickeln konnte. Genug Informationen und Details darüber, was der Dämon angestellt hatte, riefen schnell den Beschützerinstinkt in ihm hervor und schon war er auf dem Weg, um den Bastard zu erledigen. Dieses Mal würde es wahrscheinlich genauso ablaufen, auch wenn er viel lieber gleich nach dem Treffen in die Arme seines Freundes rennen und ihn mit zwei großen Koffern auf eine Insel verschleppen würde, wo sie für sich alleine waren und genug Zeit füreinander hatten. Der Gedanke daran rief ein wohliges Gefühl in ihm hervor und sein Körper kribbelte nahezu, wenn er daran dachte, dass sie danach tatsächlich abgeschottet von allen Problem zu zweit sein würden. Aber zurück zu den momentan wichtigeren Dingen: “Leider nein. Für gewöhnlich rückt Hope erst mit der Information hinaus, wenn ich ihm mit einem Auftrag helfe. Er selbst ist nicht so begabt was Kämpfen angeht und sonst macht niemand die Drecksarbeit. Auch wenn wir teilweise Dämonenjäger sind, heißt es nicht, dass wir es gerne tun.” Vor allem nicht er, wo er doch mittlerweile einen von ihnen am fast Schoß sitzen hatte und umgekehrt jedem, der sich ihm näherte und auch nur ein Haar krümmte, sofort eine Faust ins Gesicht verpassen wollte. Oh Gott, wann war er bloß so weich geworden? Cris hatte sein Herz quasi in der Hand und konnte damit Tennis spielen, wenn er wollte und es hätte ihm nichts ausgemacht, solange es dem anderen einfach nur gut ging. Das war es, was man blind vor Liebe nannte oder? Noch schlimmer war es wohl, dass er es wusste und es ihn kein bisschen störte - so viel dazu.
Um den Dämon zu beruhigen, nahm er sein Gesicht in die Hand und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen, die dadurch, dass er die Wangen etwas zusammenquetschte, etwas geschürzt waren und nahezu eine Einladung für etliche Küsse darstellten. Die hätte er ihm auch viel zu gerne gegeben, wenn er nicht langsam gehen musste. “Kein Problem, Häschen. Rixon ist allerdings unser gemeinsamer Feind und wenn, dann erledigen wir ihn zusammen. Dafür musst du in seiner Gegenwart so ruhig bleiben wie es geht. Er ist nicht dumm… Aspen leider auch nicht. Wir müssen also sehr, sehr vorsichtig sein. Keine überstürzten Handlungen.” Genau diese waren es, die Cris quasi beschrieben und wenn er sich frühzeitig in Gefahr deswegen begab, hatten sie wirklich ein Problem. Solange Aspen und Rixon nicht von ihrer momentanen Beziehung voneinander wussten, konnten sie in Ruhe Pläne schmieden. “Du machst das schon. Ich glaube an dich.”, sprach er ihm zu und ließ die Hände unter sein Sweatshirt und seine Seite hinauf wandern ließ.
Die Nudelbox war so gut wie leer und er hätte sich am liebsten selbst auf die Schulter geklopft, denn so war zumindest erst einmal das wichtigste Grundbedürfnis des anderen gestillt. Mit hungrigem Magen ließ sich sowieso nur schlecht denken - da sprach August aus Erfahrung, denn wenn man ihm sein Essen verwehrte, konnte er richtig maulig werden. Und nachdem sich Cris danach einfach auf seinen Schoß setzte, hatte er sowieso nichts mehr zu sagen, was vielleicht daran lag, dass ihm die Nähe des anderen die Sprache verschlug. Automatisch legten sich seine Hände an die Hüften des anderen, an denen er ihn dichter an ihn zog, und suchte danach mit seinen blassen Fingern wieder die Wärme seiner Haut, indem er sie erneut unter sein Shirt gleiten ließ. “Mit ein bisschen Training geht das schon. Du kannst ordentlich austeilen, wenn du willst.” Das wusste er wohl am besten, nachdem sie sich nicht nur einmal geprügelt hatten. Es fehlte dem Jüngeren lediglich an Taktik und an dem Umgang mit Waffen. Hände und Füße hielten einen Dämon maximal in Schacht und das auch nur, wenn dieser sich seiner eigenen Kräfte nicht bewusst war. Aber mit einem Dolch oder ähnlichem ließ sich weitaus mehr Schaden anrichten, wenn man nur wusste, wie man diesen einsetzte. Ein paar ungeplante Stichwunden, glichen einer Kitzelattacke, aber verpasste man diese an bestimmten Stellen und möglicherweise gepaart mit Giften, dann konnte man sich sicher sein, dass der Gegner zu Boden ging. Das alles erinnerte ihn an seine Zeit als Trainer, wo er genau solche Dinge mehrmals erklären musste und stundenlang mit seinen Schülern übte, damit sie die einfachsten Handgriffe beherrschten, um auf Missionen nicht komplett hilflos dazustehen. Da sowohl er als auch Cris nun unsterblich waren und durch ihre Beziehung miteinander nicht immer mit offenen Armen empfangen werden würden, war es wichtig, dass sich beide zu wehren wussten, sonst war es das wohl mit der ewigen Liebe.
Die Stimmung kippte viel zu schnell und Augusts Befürchtung, etwas Falsches gefragt zu haben bestätigte sich in wenigen Sekunden, als er sah, wie Cris seinen Blick senkte. Oh-oh...Das bedeutete nichts Gutes…
Seine Hände rutschten hinunter zu den Oberschenkeln des anderen, an denen er sich festhielt, als würde er Halt brauchen, denn etwas in seinem Innersten sagte ihm, dass er für das, was der andere gleich sagen würde, nicht bereit war. Jedes Wort, dass der andere sagte, steuerte immer näher auf die tragische Wahrheit und das Geständnis zu, dass auf ihm mindestens genauso eine große Last ausübte, wie auf den Jüngeren, denn hätte er sich damals mehr bemüht, sich mehr für den Kontakt zu dem anderen eingesetzt, dann wäre das alles nie passiert. Die Beschreibung, dass die andere Person bewusstlos wurde und das Rixon ihn mit Provokationen dazu brachte der Person das Leben zu nehmen, ließ ihn den Atem anhalten und die Lippen fest zusammenpressen. Dieser Dreckskerl. Cris war absolut fragil gewesen und der Dämon nutzte das schamlos aus um ihn die Chance auf ein normales Leben zu nehmen. Ein Leben ohne all diesen Mist, der passierte, ohne das man sich um andere Wesen und das eigene Überleben kümmern musste.
August rührte sich nicht. Die Worte des anderen trafen ihn, wie ein Felsen, der ihn mit voller Wucht traf und auch, wenn es ein Teil von ihm geahnt hatte - ja, es war die einzige logische Erklärung - so war dies sehr schwer zu verdauen, zumal er sich dafür die Schuld gab. Du hättest besser auf ihn Acht geben sollen.
Auch als der Jüngere sein Gesicht in der Halsbeuge versteckte und sich an ihn drückte, brauchte er einen entsetzlich langen Moment, bis er endlich reagierte. Im selben Moment folgte eine weitere Erkenntnis, die ihn noch trauriger und vor allem mitfühlender werden ließ, denn sie bedeutete, das Cris wirklich niemanden mehr hatte und teilweise daran Schuld trug. “War es jemand den du gekannt hast?”, fragte er leise und setzte seinen Körper endlich in Bewegung, indem er die Arme um den Dämon legte, der gerade viel kleiner und zerbrechlicher wirkte, als er eigentlich war, und drückte seine Wange an den Kopf des anderen, während er mit einer Hand über seinen Rücken strich. Es war nicht nur der Hass zu dem Engel, auf den Rixon zugegriffen hatte. Das schlechte Verhältnis zwischen Cris und seiner Familie wurde ebenso schamlos ausgenutzt. Während der Draht zu seinen Eltern kaum noch vorhanden war, hatte August insgeheim immer gehofft, dass sich die zwei Brüder irgendwann einmal wieder gut verstehen würden. Cyrian war ein guter Mensch, das wusste er, und Crispin einfach nur ein missverstandener Teenager. Ihre Beziehung hätte sich durchaus mit der Zeit wieder eingependelt, aber jetzt ... Jetzt war das alles Geschichte und das nur, weil man mit dem fragilen Zustand des Teenagers gespielt und ihn gegen alles gehetzt hatte.
Rixon war für ihn hiermit ein toter Mann. Schon vorher war das Bedürfnis ihn zur Strecke zu bringen da, aber jetzt war aus dieser einfachen Flamme ein Waldbrand geworden. “Es tut mir so Leid, Cris.”, sagte er leise und starrte dabei auf den Couchtisch. “Wäre ich bloß für dich da gewesen… Hätte ich mich mehr um dich bemüht, dann wärst du nie in diese Situation geraten. Du müsstest nicht im Körper deines Bruders leben, hättest jetzt ein normales Leben und keine Probleme... zumindest nicht in diesem Ausmaß. Es ist alles meine Schuld.”, sagte er mit gebrochener Stimme und bereute es so sehr, dass er in der Zelle nicht weiter nach ihm nachgefragt hatte. Wieso war er bloß so dumm gewesen? Aspen hatte ihn von vorne bis hinten verarscht und es hätte nur einen anderen Engel erfordert, um seine Nachrichten an Crispin zu übermitteln, damit dieser sich nicht Sorgen musste.
“Ich bringe ihn um. Das was er dir angetan hat ist unverzeihlich.” Seine Stimme klang etwas entschlossener und kühl. “Ich reiße ihm und Aspen das Herz aus der Brust und wenn es das Letzte ist, was ich tue.”
August verletzten war keine gute Idee, aber Cris mit in die Sache zu ziehen glich einem Todeswunsch, den er jetzt nur zu gerne erfüllen wollte.

Crispin Cipriano

Mit einem Mal wusste Crispin nicht mehr, was er sagen sollte und ein kleiner Teil ärgerte sich durchaus darüber, dass er sich mit seinen Worten einmal mehr in eine Situation manövriert hatte, die er leicht hätte umgehen können, die ihn nun aber leicht überforderte und Augusts freches Grinsen tat sein übriges. Er hatte kein Problem damit, August zu sagen, dass er ihn brauchte und dass er froh war, ihn an seiner Seite zu haben - jetzt noch sehr viel mehr als früher. Wenn es jedoch darum ging, ihm zu sagen, was genau er an ihm liebte und schätzte, sah die Sache ein wenig anders aus. Komplimente waren einfach etwas, das ihm nicht lag und bei jedem anderen als bei August fand er diese zudem übertrieben und einfach nur lächerlich. Immer wenn er so etwas früher mitbekommen hatte, wollte er einfach nur den Kopf schütteln, wenn irgendwelche anderen Jungs einem der Mädels sagten, sie hätten schöne Augen… Auch jetzt, wo er nur daran zurückdachte, stieg in ihm das Bedürfnis auf, genau so zu reagieren, doch er unterdrückte es. Schließlich musste er sich eingestehen, dass er zumindest innerlich diese überzogenen Komplimente verstehen konnte - vor allem, wenn er den Engel neben sich ansah und sich dabei genau dieselben Worte, die er damals bei anderen gehört hatte, in seinen Kopf schlichen. Diese auch auszusprechen, war allerdings alles andere als sein Ding. Dennoch wollte er ihn nicht mit einem einfachen alles abspeisen, denn das wäre bei der Frage, was andere nicht zu sehen bekommen sollten, ebenfalls ein wenig übertrieben.
“Also von dem eben einfach mal abgesehen, gibt es da noch so einiges...”, begann er, wobei er die Situation meinte, bei der sie zuletzt von Aspens Handy gestört wurden und bei deren alleiniger Erinnerung sich eine leichte Gänsehaut über seinen Körper zog. Mit einem kaum merklichen Kopfschütteln vertrieb er die Bilder, die sich vor sein inneres Auge schoben, und konzentrierte sich stattdessen wieder auf die Frage, die noch immer nicht vollständig beantwortet war. Als er weitersprach und das äußerte, was er eben noch im Kopf hatte, schaute er August dabei fest in die Augen.
“Unter anderem dein verlegenes Lächeln, wenn man dir etwas schenkt. Auch wenn du meinst, es sei nicht nötig, sieht man dir deine Freude darüber an.”
Beiläufig strich er mit einer Hand den Arm des Engels hinab, um dessen Handgelenk sich das silberne Armband mit dem Flügel daran befand und bei dem er mit seinen Fingern stehen blieb. Sein Blick folgte der Bewegung und heftete sich ebenfalls auf die Stelle. Cris konnte sich noch sehr gut an den Moment erinnern, als er den anderen damit überrascht hatte und auch wenn er sich zuvor noch nicht sicher war, was genau er eigentlich für ihn empfand, so wurde es ihm vollkommen klar, als sich genau dieses verlegene Lächeln auf die Züge des anderen geschlichen hatte, während er die Freude, die seine dunklen Augen zum glitzern brachte, nicht verstecken konnte. Dafür, dass er es die ganze Zeit über getragen hatte und es hütete wie einen Schatz, liebte er ihn noch mehr, als er es ohnehin schon tat.
“Erinnerst du dich noch an das Spiel, zu dem du mich damals regelrecht gezwungen hast?”
Sein Blick hob sich wieder, suchte in den Augen des Engels nach einer Bestätigung, dass er diese 50 Fragen nicht vergessen hatte.
“Das Kompliment, das ich dir dabei gemacht hatte… Das gehört genauso dazu, wie deine Fürsorge, mit der du dafür sorgst, dass es mir gut geht - und das selbst dann, als wir dachten, Abstand zu halten, wäre die beste Lösung. Ich weiß, dass du sie auch anderen gegenüber nicht ganz ablegen kannst, aber… Ich hoffe einfach, dass ich der einzige bin und bleibe, der sie in vollem Umfang zu spüren bekommt.”
Crispin konnte nicht verhindern, dass sich Eifersucht in ihm breit machte, wenn er nur daran dachte, dass es anders sein könnte, weshalb er die Kiefer aufeinanderpresste und den Blick ein wenig senkte, in der Hoffnung, das der andere ihm diese Gefühlsregung nicht all zu deutlich ansah. Im Moment gab es immerhin keinen Grund dafür, so zu reagieren. Doch neben diesem Gefühl, schlich sich auch eine Spur Angst in sein Herz und auch wenn es eine Zeit gab, in der er sich nicht hätte eingestehen wollen, woher diese kam und was sie bedeutete, so wusste er dies jetzt doch sehr genau: Er wollte den Engel einfach nicht verlieren - vor allem nicht, nachdem genau das beinahe geschehen wäre.
Als könnte August in seinen Kopf schauen und sehen, was darin vor sich ging, sprach er genau das aus, worüber er gerade nachgedacht hatte - zumindest teilweise.
“Damit bist du nicht alleine…”, murmelte er und biss sich leicht auf die Unterlippe, bevor er sich näher zu ihm beugte, um seine Lippen erst sanft und beim zweiten mal etwas stärker auf die des anderen zu legen. Für ihn wäre es ebenfalls das Schrecklichste überhaupt und alleine bei der Vorstellung, zog sich sein Herz zusammen.
Um sich davon abzulenken, konzentrierte er sich voll und ganz auf den Kuss, bevor er diesen löste und sein Blick zu dem kleinen Mobilgerät wanderte, das auf dem Tisch lag. Es hatte ihnen an diesem Tag bereits einen großen Dienst erwiesen, indem es Aspen des Verrats überführte. Dass es ihnen jetzt nicht mehr weiterhalf… Wobei… Warum eigentlich nicht? Angestrengt dachte er darüber nach und seine Stirn zog sich in Falten. Es gab durchaus Möglichkeiten, das Handy auch weiterhin für sie arbeiten zu lassen und so herauszubekommen, was Aspen und Rixon vorhatten. Zumindest wenn sie ihre weiteren Pläne nicht persönlich sondern über diesen Weg miteinander besprachen. Doch dafür müsste er sich erst darüber informieren, welche Apps es dafür gab, die anschließend auf dem Handy installiert werden müsste, um es ausspionieren zu können. Allerdings gab es da sicherlich zig Möglichkeiten mit den unterschiedlichsten Inhalten, sodass er erst herausfinden müsste, welche App genau das tat, was sie brauchten. Und das kostete Zeit. Zeit, die sie nicht hatten…
Mit einem frustrierten Seufzen entließ Cris die Luft aus seinen Lungen und schüttelte den Kopf. Anschließend sah er wieder zu August und presste die Lippen aufeinander.
“Im Prinzip gäbe es Mittel und Wege, um herauszubekommen, was die beiden planen. Das Handy hätte uns dabei helfen können, aber… um das umzusetzen fehlt uns die Zeit…”
Es ärgerte ihn, dass er diese Idee nicht in die Tat umsetzen konnte, weil es einfach zu lange dauern würde, sich darüber zu informieren und am Ende alles einzurichten. Im Moment zählte jede Minute und genau diese schienen ihnen wie Sand immer schneller durch die Finger zu rieseln. Zumindest hatte er genau dieses Gefühl, als er sah, wie dem Engel wohl klar wurde, dass er da einen entscheidenden Punkt schlicht vergessen hatte, zu erwähnen. Irgendwo konnte er die Vorgehensweise des anderen Engels verstehen. Es gab eben nichts umsonst - auch keine Informationen, egal wie wichtige diese waren. Eher im Gegenteil. Je wichtiger, desto höher war die Gegenleistung. Wobei er hoffte, dass es Hope nicht so handhabte. Und auch wenn es ihm logisch erschien, hieß das auch nicht, dass er damit einverstanden war. Ihm wäre es viel lieber, wenn der andere nicht länger als nötig, weg war. Nicht zuletzt, weil ihm zwar vielleicht bei Hope durch Aspen nichts passieren konnte, das aber nicht hieß, dass es während des Auftrages genauso war. Wer wusste schon, auf was für einen Dämon er treffen würde? Was ihn zu einer ganz anderen Frage brachte…
“Dir ist klar, dass mir das mit dem Auftrag überhaupt nicht gefällt?! Bei Hope bist du vielleicht in Sicherheit, aber auf der Mission nicht… Wenn dir dabei etwas passiert…”
Augenblicklich biss er sich auf die Unterlippe und senkte den Blick. Er wollte nicht darüber nachdenken, was dann passierte. Es würde ihn kaputt machen, wieder einmal auf August zu warten und nicht zu wissen, was vorgefallen ist. Erfahren würde er es mit Sicherheit nicht… Kopfschüttelnd versuchte er sich wieder auf die Frage zu konzentrieren, die ihm dazu noch eingefallen war.
“Aber sag mal… Wie werden die Dämonen eigentlich ausgewählt, die ihr jagt? Muss man dafür etwas Bestimmtes getan haben oder nehmt ihr jeden, den ihr entdeckt?”
Die meisten seiner Art waren alles andere als Unschuldsengel. Das wusste Crispin nur zu gut. Ihn interessierten die anderen Dämonen auch herzlich wenig. Ihm ging es in diesem Punkt eher um sich selbst, denn sollte Letzteres der Fall war, würde auch er ständig in der Gefahr leben, einem der anderen Dämonenjäger zu begegnen. August würde ihn zwar beschützen und auch wenn er es genoss, von ihm umsorgt zu werden, so wollte er doch nicht, dass er sich für ihn in Gefahr brachte, indem er sich gegen andere Engel stellen musste.
So tief in dieser Vorstellung versunken, die ihm alles andere als gefiel, wurde er von den warmen Händen auf seinen Wangen und den weichen Lippen des anderen völlig überrascht, sodass er sich im ersten Augenblick nicht rührte. Der Kuss war auch viel zu schnell wieder vorbei, um ihn wirklich erwidern zu können, doch er holte ihn dennoch effektiv aus seinen Gedanken, sodass er sich auf das konzentrieren konnte, was August sagte. Ein leises Brummen entwich ihm dabei, denn er wusste nur zu gut, dass er sich im Grunde zusammenreißen musste, sollte er Rixon in der nächsten Zeit, aber vor allem solange August weg war, über den Weg laufen. Rein theoretisch war ihm das absolut klar, doch zu seinem Leidwesen waren Theorie und Praxis leider zwei vollkommen unterschiedliche Dinge und Sachen, die sich in ersterem leicht anhörten, mussten es in Letzterem noch lange nicht sein. Die Tatsache, dass August ihm jedoch vertraute und sich sicher war, dass er das schaffen würde, entlockte ihm ein ergebenes Seufzen und gleichzeitig hinterließ es auch ein warmes Gefühl in ihm. Dass man an ihn glaubte, war ebenfalls etwas, das er schon lange nicht mehr zu spüren bekommen hatte und was ihn nun dazu brachte, ihm nicht noch einmal zu widersprechen.
“Ich versuche mein Bestes, um mich zusammenzureißen. Aber versprechen kann ich es dir nicht.”
Selbst wenn er wollte, konnte er es einfach nicht. Crispin kannte sein Temperament mehr als gut genug, um zu wissen, dass nur die richtige Provokation reichte, dass er dieses Versprechen brach und das wollte er August einfach nicht antun. Auch wenn ein gebrochenes Versprechen vielleicht das geringere Übel war, sollte ihm durch eine seiner kopflosen Aktionen etwas passieren. Und auch ein wenig Training würde da wohl nichts dran ändern, wenn seine impulsive Seite die Kontrolle übernahm. Bevor er allerdings etwas dazu sagen konnte, zog sich ein weiteres Mal ein angenehmer Schauer über seine Haut, als er die leicht kühlen Finger des Engels auf seinem Rücken spürte. Zusätzlich gab er einen wohligen Laut von sich und legte eine Hand in den Nacken, wo er selbst mit den Fingern immer wieder über die Haut und bis zum Haaransatz strich und anschließend wieder hinab bis er unter den Kragen des Hoodies schlüpfte.
“Aber wer sollte mich trainieren? Ich würde auf Dauer wohl jeden vergraulen, der es versucht. Und…”
Sein Blick suchte den des Engels, während er über seine nächsten Worte nachdachte. August wäre an sich vermutlich perfekt dafür, wenn man bedachte, dass er Dämonen gejagt hatte. Zumindest wieder einmal theoretisch betrachtet. Praktisch sah das vermutlich erneut ganz anders aus.
“Wenn du mich trainieren würdest… Wer weiß, ob wir da wirklich dazu kommen würden.”
Schon zu der Zeit, als noch so vieles zwischen ihnen ungeklärt war, fiel es ihnen mitunter reichlich schwer die Finger voneinander zu lassen. Nun, wo sie sich ausgesprochen hatten und sie nicht mehr von dem Gedanken gequält wurden, dass sie es hinterher vielleicht bereuen könnten, war das nicht anders - auch bei eventuellem Training nicht. Auch wenn er zugeben musste, dass ihm ein wenig Training sicherlich nicht schaden würde, auch wenn er, wie August sagte, bereits recht gut austeilen konnte, wenn er wollte.
“Wobei wir es sicherlich dennoch mal auf einen Versuch ankommen lassen könnten.”
Cris schenkte dem Engel ein kleines Lächeln. Im Moment wäre er wohl auch der einzige, von dem er irgendwelche Anweisungen - selbst wenn es nur um Training ging - entgegennehmen würde, ohne komplett genervt zu sein. Zudem hatte August bereits bei ihrem ersten Wiedersehen in der Gasse angemerkt, dass er wohl einen guten Dämonenjäger abgeben würde. Das war zwar etwas, dass er nicht vorhatte zu werden - dafür waren ihm die anderen einfach zu gleichgültig - aber alleine diese Einschätzung hinterließ jetzt im Nachhinein ein angenehmes Gefühl in ihm, da August somit auch zu dieser Zeit bereits der Meinung war, dass er etwas drauf hatte.
Wenig später war von dem Lächeln und auch von dem positiven Gefühl allerdings nichts mehr übrig. Schuld aber auch Verzweiflung und Angst nahmen diesen Platz ein und hielten sein Herz so fest umklammert, dass er es nicht wagte, sein Gesicht wieder von Augusts Halsbeuge zu lösen. Den Ausdruck in den Augen des Engels wollte er nach seinem Geständnis nicht sehen. Er hatte damals seine persönliche Grenze überschritten, indem er jemandem das Leben nahm, der sich zusätzlich nicht einmal mehr wehren konnte. Die Bilder in seinem Kopf hatten ihn in der ersten Zeit als Dämon noch eine ganze Weile verfolgt, bis er schließlich August das erste mal wieder begegnet war und sich seine gesamte Aufmerksamkeit auf ihn und auf die Tatsache konzentrierte, dass er ihm aus dem Weg ging. Und beides hatte sehr gut geklappt. Doch jetzt kam das alles wieder hoch, sodass er sich noch näher an den anderen drängte und seine Finger am Rücken in den Hoodie krallte.
Dass der Schwarzhaarige einfach nichts sagte und auch sonst keine Reaktion von sich gab, erweckten kurz den Gedanken in ihm, er hätte doch besser lügen sollen. Denn was war, wenn August mit diesem Wissen nicht klar kam?! Vor allem jetzt, wo er schon Aspens Verrat zu verdauen hatte. Natürlich musste ihm klar sein, dass Cris irgendwas getan haben musste. Völlig grundlos wurde man immerhin nicht in die Hölle geschickt und zu einem Dämon, aber ob er damit gerechnet hatte, wusste er nicht.
Es verging eine gefühlte Ewigkeit und mit jeder verstreichenden Sekunde wurde Cris im Inneren immer unruhiger und auch die Angst, dass er es nun doch noch verbockt hatte, nahm gleichermaßen zu. Doch als er sich schon vorsichtig von ihm lösen und nachfragen wollte, legten sich die Arme des anderen um ihn, deren tröstende Geste er in diesem Moment mehr als alles andere genoss, und auch die unangenehme Stille, die zwischen ihnen hing, wurde von ihm durchbrochen. Die Frage überraschte ihn allerdings. Crispin wusste nicht so ganz, womit er gerechnet hatte, aber mit Sicherheit nicht damit, dass er wissen wollte, ob er die Person gekannt hatte. Aus diesem Grund brauchte er auch einen quälend langen Augenblick, bis er darauf etwas erwidern konnte, während er die Berührung von Augusts Händen auf seinem Rücken sehr genoss und sie ihn zudem etwas beruhigte. Dafür löste er sich - doch sehr widerwillig - von dem anderen, hielt den Blick allerdings gesenkt und biss sich auf die Unterlippe, bevor er leicht nickte.
“Er hieß Caleb und ging mit mir in eine Klasse… Schon davor sind wir immer wieder aneinander geraten und ich saß wegen einer Schlägerei mit ihm nicht nur einmal bei der Polizei…”, gab er leise von sich.
Er hatte von Caleb noch nie viel gehalten, wobei dies auf Gegenseitigkeit beruhte. Der andere war ein eingebildeter Snob, der glaubte, dass er wegen dem Geld seiner Eltern alles haben konnte, was er wollte und der mit Vorliebe auf anderen herumhackte und sie provozierte. Auch bei ihm hatte er dies versucht, doch zu seinem Pech ließ er sich das nicht einfach gefallen - vor allem nicht, da er ein Talent dafür zu haben schien, bei ihm genau die Punkte zu treffen, die ihn besonders reizten. Doch egal, wie oft er sich auch mit dem anderen angelegt hatte und wie sehr er von ihm auch genervt war - sein Tod war doch etwas, das er nicht gewollt hatte. Ein anderer Gedanke schnürte ihm jedoch noch mehr das Herz zusammen, als seine ausgeführte Tat.
“Es hätte beinahe Cyrian getroffen… Nachdem du weg warst, bin ich ihn immer häufiger angegangen, weil er mich damit genervt hat, wissen zu wollen, wie es mir geht und was passiert ist. Rixon… Er hatte die Idee, dass er es sein könnte, da es bei Familienangehörigen noch ein wenig schlimmer und effektiver wäre… Aber ich habe mich geweigert…”
Das gute Verhältnis, das er zu seinem Bruder hatte, war lange zerrüttet und zerbrochen, sodass dieses nicht einmal der Grund dafür war. Wenn er schon so weit gehen sollte - auch wenn sich alles in ihm dagegen sträubte - so sollte es doch jemand sein, den er nicht kannte. Dass es am Ende Caleb traf, war ein ungewollter Zufall.
Die Frage danach, ob er die Person kannte, war jedoch nicht das einzige, was ihn vollkommen überraschte. Die Entschuldigung, die darauf folgte, und dass sich August die Schuld an all dem gab, obwohl er derjenige war, der sich dazu hatte hinreißen lassen, übertraf das Ganze noch. Crispin sah nun doch wieder auf und ihm in die Augen, gefolgt von einem vehementen Kopfschütteln. Um etwas zu sagen, brauchte er allerdings noch einen Moment, da es ihm ihn einfach die Sprache verschlagen hatte. Der Engel war schließlich niemand, der sich anderen gegenüber entschuldigte. Dass er es bei ihm dennoch tat, gab ihm wieder einmal das Gefühl, etwas Besonderes zu sein, aber auch wenn er diese Tatsache genoss, sollte er sich nicht die Schuld an etwas geben, was er vermutlich nicht hätte ändern können.
“Es ist nicht deine Schuld. Du meintest selbst, Aspen sei nicht dumm, und diesen Verrat scheint er so genau und von langer Hand geplant zu haben… Glaubst du wirklich, dass er nicht einen Weg gefunden hätte, dir weitere Steine in den Weg zu legen, wenn du versucht hättest, etwas anders zu machen?”
In diesem Moment war Cris über sich selbst überrascht. Darüber, dass er so stark klang, obwohl er sich in der jetzigen Situation nicht unbedingt so fühlte, aber den Anblick von August, wie dieser sich die Schuld an all dem gab, ertrug er einfach nicht.
“Du hattest damals keinen Grund, ihm zu misstrauen. Und außerdem… war ich letztendlich derjenige, der diese Entscheidung getroffen hat… Du hättest nicht wissen können, was passiert…”
Noch vor einiger Zeit hätte er dem anderen beigepflichtet. Er hätte ihm die gesamte Schuld in die Schuhe geschoben, ihm ein noch schlechteres Gewissen gemacht, als er es ohnehin schon hatte und wäre selbst der Meinung gewesen, als einziger derjenige zu sein, der als Opfer aus dieser Sache herausging. Doch das hatten sie hinter sich - nicht zuletzt, weil er nun wusste, dass das alles weit größer und umfangreicher war, als sie die ganze Zeit über gedacht hatten.
Der kalte und schneidende Unterton in der Stimme des Schwarzhaarigen ließ ihn kurzzeitig zusammenzucken, da er zu sehr in seinen Gedanken versunken war. Gleichzeitig lief ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken und er war wirklich froh, dass er selbst diese Seite des anderen nie zu spüren bekommen hatte. Wut, Enttäuschung und auch glühenden Hass - das alles hatte er abbekommen, jedoch nie Angst davor gehabt, da er diese Gefühle ebenfalls in sich trug, doch diese kühle Entschlossenheit war etwas, vor dem man sich vermutlich wirklich in Acht nehmen sollte. Selbst fest entschlossen löste er eine seiner Hände von Augusts Rücken, fuhr dessen Arm entlang bis er eine von dessen Händen in seiner wusste und ihre Finger verschränkte.
“Du machst das nicht alleine. Ich hab da auch noch eine Rechnung offen und gemeinsam sind wir stärker.”
Während es August leicht fiel direkt zu sagen, was er an dem anderen toll fand und was er schätzte, hatte der Dämon damit seine Probleme gehabt, aber das war auch absolut verständlich. Aufgewachsen in einem Umfeld, wo man selten liebevolle Wörter gehört hatte, konnte man nicht erwarten, dass Cris einen mit Komplimenten überhäufte, was August auch gar nicht störte, denn er hatte es sowieso viel lieber, wenn er durch Gesten und Umschreibungen die Zuneigung des anderen herausfiltern konnte. Ihn jetzt jedoch so offen darüber reden zu hören, verschlug ihm im ersten Moment die Sprache. Anfangs war es nur ein Witz gewesen, denn er wusste doch genau wie sehr sich der Jüngere dagegen sträubte seine Zuneigung in Worte zu fassen, aber dass er es ernst nahm und trotzdem tat, ließ den Engel mit offenem Mund und sprachlos zu ihm sehen. Mal abgesehen davon, dass sein Gesicht mal wieder drohte rot anzulaufen und er beinahe “Stopp” sagen wollte, damit der andere ihn nicht weiter in Verlegenheit brachte, denn für so eine ehrliche Ansprache war er gar nicht bereit gewesen. Er freute sich, oh Gott und wie er das tat, aber es war gerade zu viel für ihn und es machte es so viel schwerer den anderen für die nächsten Tage in der Stadt zurückzulassen, ohne seine Nähe zu genießen und nur die Erinnerung an diese schönen Worte in seinem Herz zu tragen, als Motivation dafür, seine Aufträge so schnell wie möglich auszuführen und zurück zu kehren, um dem Jüngeren all die Aufmerksamkeit zu schenken, die er verdient hatte.
“Hm?...Ach, du meinst diesen Fragebogen.”, murmelte er und dachte dabei daran zurück, wie er schamlos manche Fragen eigennützig ausgetauscht hatte, um mehr über die Absichten des anderen zu erfahren. So gut wie er es sich erhofft hatte, ging das das ganze nicht vonstatten, wenn man bedachte, dass sie sich zwar danach mehrmals geküsst hatte, aber im Endeffekt im Streit auseinander gingen. Du warst so dumm, August. Ja, in der Tat. Eine einfache Aussprache, bei der sie dem anderen aufmerksam zuhörten und gleichzeitig versuchten die Absichten des anderen zu verstehen, hätte damals Wunder gewirkt und sie vielleicht sogar viel schneller dazu gebracht sich zu versöhnen, wobei der Streit eigentlich von Anfang an unsinnig gewesen war. Beide hatten keine Kontrolle darüber gehabt, denn die Fäden zog jemand ganz anderes…
Aber genug davon. Cris offenbarte ihm gerade, wie viel es ihm bedeutete, dass der Engel sich um ihn sorgte, während seine Gedanken drohten zu seinem verräterischen Bruder abzuschweifen, der es eigentlich nicht einmal verdient hatte auch nur angesehen zu werden, nachdem seine Absichten klar waren - teilweise zumindest. Dass diese nicht von freundlicher Natur waren, konnte jedoch zu diesem Zeitpunkt niemand abstreiten.
“Du bleibst für mich immer an erster Stelle, hörst du? Egal was auch kommen mag, egal was geschieht: dein Wohlergehen wird immer das Wichtigste für mich sein. Und das nicht nur weil ich mal dein Schutzengel war… sondern einfach, weil ich dich niemals verlieren möchte. Solange ich lebe, werde ich immer auf dich Acht geben. Muss ich ja schließlich auch, falls du dich wieder in Gefahr geben solltest.” Letzteres entlockte ihm ein schwaches Grinsen und erinnerte ihn an ihre gemeinsame Zeit, ganz am Anfang. Wie oft musste er hinunter auf die Erde, um seinen Schützling zu retten? Anfangs war es maximal alle drei Wochen, aber es wurde schnell zu einer wöchentlichen Aufgabe und irgendwann sahen sie sich fast jeden zweiten Tag. Einmal drohte Cris von einem Gebäude zu fallen, ein anderes Mal hatte er sich den Knöchel verstaucht, als er vor den Bullen geflüchtet war, nachdem diese seine Gruppe beim Sprayen erwischt hatten. August war immer an Ort und Stelle um entweder das schlimmste zu vermeiden oder sich um den bereits verletzten Teenager zu kümmern.
Die stillen Momente, die sie danach miteinander teilten, weckten den Wunsch in ihm, die Zeit einfach anzuhalten, damit sie ewig so bleiben konnten. Frustration bereitete sich in ihm aus, wenn er daran dachte, was ihnen noch bevorstand… Endlich hatten sie sich ausgesprochen und ihre Zuneigung füreinander war nicht abzustreiten und dennoch… Dennoch waren sie noch so weit davon entfernt einfach in Frieden miteinander leben zu können und das nur wegen außenstehenden Personen und deren Gründen, die noch nicht einmal zu hundert Prozent feststanden. Ja, zu sagen, dass er frustriert war, glich einer wahnsinnigen Untertreibung. An die nötigen Informationen zu kommen, ohne dass er die Seite seines Freundes verlassen musste, erschien für einen sehr kurzen Moment als eine Lösung, doch auch er realisierte schnell, dass ihnen schlichtweg die Zeit fehlte. Vielleicht verstand er nicht viel von Computern und anderen technischen Geräten, aber wenn es schon eine Nacht dauerte, um ein blödes Passwort herauszufinden, dann dauerte der Vorschlag von Cris bestimmt länger. Und wer sagte, dass sie wirklich etwas fanden? Was, wenn sie erneut auf kryptischen Inhalt stießen, der wieder nur Vermutungen, ohne wirkliche Bestätigung aufkommen ließ? Hope trug nun mal die Antwort mit sich und das wussten beide. Ein Treffen war unausweichlich, so schade es auch war, dass sie erneut ihre Wege trennen mussten. Aber es sind doch nur ein paar Tage… Es mochte sich sehr kitschig anhören, aber für August war gerade jeder Tag, den er ohne Cris verbringen musste die reinste Hölle - witzig, wenn man bedachte, dass der Jüngere wirklich durch diese gegangen war. Und seit wann war der Engel zu so einem Kitschmonster geworden? Einfach nur schrecklich! Trotzdem sträubte sich alles in ihm einfach so zu gehen.
“Ich weiß, ...ich weiß. Mir gefällt es auch nicht, okay? Aber es ist der einzige Weg zu erfahren wo die Absichten von Aspen liegen und ich muss es einfach wissen, weil es mir einfach ein Rätsel ist, weshalb er so etwas tun sollte.”, entgegnete er dem anderen und hoffte so sehr, dass das dumpfe Gefühl in seinem Herzen bald vorbeiging, den es vermisste die Präsenz des anderen jetzt schon furchtbar. Um den anderen ein weiteres Mal davon abzuhalten, seine Lippen zu verletzen, indem er ständig auf sie biss, legte er beide Hände an sein Gesicht und drückte erst einen und danach mehrere sachte Küsse auf den Mund des Dämons. Nicht auszumalen, wie sie wohl nach den paar Tagen aussehe würden, wenn Cris genug Zeit hatte, um sich den Kopf zu zerbrechen, ohne dass ihn jemand gekonnt ablenkte. Dabei fiel ihm plötzlich ein, dass der Jüngere mehr als einen selbstzerstörerischen Weg hatte, um mit seinen Problemen umzugehen und deshalb ergriff er sofort das Wort, damit er zumindest behaupten konnte, dass er es versucht hatte: “Cris. Während ich weg bin gibt es für dich noch eine weitere Regel.”, fing er an und sah dem anderen dabei fest in die Augen “Kein Alkohol. Wir wissen beide, dass du deine Gedanken gerne in dem Zeug ertränkst, aber ich will, dass du die paar Tage darauf verzichtest. Dir wird es nur schlechter gehen und das Kätzchen braucht bestimmt auch jede Menge Aufmerksamkeit, weshalb du erst mal darauf verzichten solltest.” Mal abgesehen davon, dass er - wenn er übertrieb - eventuell auch nicht mehr zurechnungsfähig war und was, wenn in genau dem Moment Rixon oder sonst jemand bei ihm auftauchte? Uff, manchmal hatte er das Gefühl, dass er seine Sorgen irgendwie ertränken sollte, denn es verging keine Minute, in der er nicht um die Sicherheit des anderen bedacht war.
“Hm?”
Die Frage warf ihn etwas aus dem Konzept, denn er hatte eigentlich nie so wirklich darüber nachgedacht. Normalerweise bekam er einfach seine Aufträge und führte sie aus, denn wenn Hope behauptete, dass ein Dämon aus dem Weg geschafft werden musste, dann wurde das meistens auch nicht hinterfragt. Zumindest nach einer Weile. “Hope sucht sie meistens aus. Wenn es Todesfälle gibt, die man sich nicht so einfach erklären kann oder einer von uns angegriffen wird, dann ist es mit Sicherheit ein Dämon. Es wird Bericht erstattet und bei ersterem wird nachgeforscht, ob es sich auch wirklich um einen von euch handelt. Manchmal sind es einfache...äh, Serienmörder. Die sind dann leider nicht unser Beuteschema.” Diese galten als die Probleme der Menschen beziehungsweise der Polizei, auch wenn der ein oder andere Schutzengel selbstverständlich eingriff. Nur hatte eben nicht jeder Mensch einen, leider.
“Du fällst demnach nicht in das Schema, keine Sorge. Nur manche Engel sind… skrupellos was das angeht. Sie greifen auch Frischlinge an, ohne dass sie etwas getan haben…”, sagte er und wurde dabei etwas leise, da auch er zu dieser Fraktion gehörte, wenn er auch nur der Meinung gewesen war, dass man das Problem schon im Anfangsstadium beseitigen sollte. Diese Meinung hatte er selbstverständlich mit dem Aufeinandertreffen in der verregneten Nacht abgelegt und irgendetwas sagte ihm, dass er fortan große Schwierigkeiten damit haben würde, sich einem Dämon zu stellen… Cris hatte ihn einfach viel zu sehr aus der Bah geworfen und seine Sicht bezüglich Gut und Böse komplett geändert. Zwar entsprach der Jüngere nicht dem Klischee-Dämon, aber wer sagte denn, dass es nicht auch noch andere gab, die so dachten?
“Das weiß ich zu schätzen.”, sagte er leise und nickte kurz. Dass er es zumindest versuchte, war schon ein großer Fortschritt, denn er könnte genauso gut alleine losziehen und Rixon zur Rede stellen, was er Cris anfangs zugetraut hatte, aber jetzt brauchte er sich deswegen wohl keine Sorgen mehr machen. Ihnen blieb nichts anderes über, als einfach zu hoffen, dass in den nächsten Tagen nichts passierte, sie die Wahrheit erfuhren und gemeinsam überlegen konnten wie es danach weitergehen sollte.
Trotz der ernsten Lage, schlich sich ein Schmunzeln auf seine Lippen, als es um das gemeinsame Training ging. Cris kannte ihn einfach viel zu gut und hatte schon recht, wenn er sagte, dass sie wohl nicht wirklich zum Trainieren kommen würden… was August gar nicht erst abstreiten wollte. Sich in dem Fall selbst zu belügen, machte keinen Sinn. “Wahrscheinlich hast du recht… Du, verschwitzt im Trainingsanzug… Das lenkt durchaus ab.” Alleine die Vorstellung gefiel ihm und ließ die Tatsache, dass sie eigentlich aus Selbstschutz und nicht aus ästhetischen Gründen trainieren sollten, schnell außer Acht. “Wir versuchen es einfach einmal und sehen dann wie weit wir kommen. Falls wir uns schon nach 10 Minuten die Klamotten vom Leib reißen und uns in eine Ecke verziehen, können wir zu 100% bestätigen, dass es nicht funktioniert.”, scherzte er und fuhr mit seinen Händen die Seiten des anderen entlang. Ihm gefiel der Gedanke weitaus besser als er sollte, aber vielleicht lag es einfach an der Frustration, dass sie bis jetzt nicht wirklich einen ungestörten Moment alleine hatten und immer etwas dazwischen kam. Möglicherweise fühlte sich August auch wie ein frustrierter Teenager, aber wer konnte es ihm schon übel nehmen, wenn man zu dem jungen Mann auf seinem Schoß sah, der eigentlich nun offiziell sein Freund war, aussah wie die sündhaft süße Schokoladentafel für einen Diabetiker, aber mit dem er noch keine zwei Minuten ungestört beisammen sein konnte.
Wieder verbrachten sie einige Stille Minuten, in denen sie einfach nur aneinander gekuschelt auf dem Sofa saßen und im Hintergrund das leise Ticken des Sekundenzeigers zu hören war, dass mit jeder Sekunde fordernder klang, als würde es den Engel ermahnen endlich loszulassen und aufzustehen. Stattdessen schlang er die Arme enger um die schmale Taille des anderen und fing seine Lippen zu einem zärtlichen Kuss ein, der verspielt, aber auch sehr Sehnsüchtig war. August wollte nicht gehen, denn sobald er Cris Zuhause abgesetzt hatte, hieß es, dass er alleine war und auch wenn er es schon davor für mehrere Monate gewesen war, so hatte er sich in den letzten Tagen so schnell an die Anwesenheit des Jüngeren gewöhnt, dass sich in seinem Herz sofort eine erdrückende Leere ausbreitete, wenn er nicht bei ihm war. Als sie sich wieder voneinander löste, sah er dem Dämon in die Augen und lächelte sanft. Er war so unsterblich verliebt, dass es beinahe weh tat und weil er an nichts anderes, als an Cris denken konnte, zog er ihn wieder fest an sich und schmiegte die Wange an die des anderen. Es war bemerkenswert, wie stark der andere selbst jetzt war, obwohl er so viel geopfert hatte. Dafür bewunderte August ihn schon immer, denn er hatte das Gefühl, dass er selbst eher schwach war. Klar, er hatte seine speziellen Fähigkeiten, aber wenn man von diesen Absah und sich nur das Grundgerüst ansah, war er doch eher mickrig und ...machtlos. Cris hingegen war schon als Mensch so unglaublich stark und hatte ein starkes Durchhaltevermögen gehabt, selbst wenn er selbstzerstörerische Neigungen hatte. Und gerade jetzt bauten die Worte des anderen ihn erneut auf, nahmen ihm ein kleines Stück von der schweren Last, die auf seinem Herzen und seinem Gewissen lag und er hätte nicht dankbarer sein können. “Mhm, ich weiß. Ich habe dich nach einer dieser Schlägereien verpflegt und mir den Typen genauer angesehen.”, gab er kleinlaut zu und erinnerte sich an den Abend zurück, an dem er sich in das Sekretariat der Schule geschlichen und die Schulakte des Mitschülers durchgegangen war. Natürlich war ebenfalls einer dieser reichen Snobs - so wie alle auf der privaten Schule, aber er gehörte ebenfalls zu denen, die dachten, dass Geld alles bedeutete und jemand der aus gutem Hause kam, besser war und sich demnach alles erlauben konnte. August war so froh, dass es Cris niemals um Geld ging und er jeden gleich behandelte - vielleicht etwas schroff und genervt, aber immerhin gleich. Geld weckte keine Sympathie und das konnten nicht wenige von sich behaupten.
“Trotzdem… Vielleicht hätte sich Aspen einfach etwas anderes gesucht und nicht ausgerechnet dich mit hineingezogen. Er hätte mich auch anders aus dem Himmel werfen können, wenn es nur darum ging mich loszuwerden. Dass er sich mit einem Dämon zusammengetan und dir so etwas Schreckliches angetan hat ist… Cris, das macht mich einfach fertig, weil ich genau weiß, dass es bestimmt Wege gab das alles zu vermeiden.” Seine Frustration bildete einen schweren Kloß in seinem Hals und ließ seinen Kopf schütteln. “Das ist alles so frustrierend.” Um seine Aussage zu unterstreichen, warf er den Kopf zurück und nahm eine Hand von der Taille des anderen, um sich die Schläfe mit geschlossenen Augen zu reiben. “Aber bitte mach dir keine Sorgen, Häschen. Rixon hat dich eindeutig manipuliert. Ich kenne dich, weiß wie du tickst und er weiß es anscheinend auch. Mir ist bewusst, welche Mittel und Wege Dämonen eingehen und jemand der innerlich so verletzt ist wie du…” Die Vorstellung alleine ließ sein Kiefer erneut malen und seine Augen öffnen. “Er wird es bereuen. Genau wie Aspen. Sie hätten es beide nur auf mich absehen können, aber dass sie dich mit hineingezogen haben, ist unverzeihlich. Ich wollte dir ein sorgloses Leben bieten und dass sie mir dabei einen Strich durch die Rechnung gemacht haben, war ein großer, großer Fehler.” Seine Stimme klang gegen Ende wieder kühl und er schüttelte erneut den Kopf, da er sich daran erinnern musste, dass seine Wut gerade fehl am Platz war. Lieber hob er sich das alles für den Moment auf, an dem er auf die beiden traf, damit er im letzten Moment nicht unnötig zögerte. Wie immer half Cris durch wenige Worte, seinen schnellen Puls zu beruhigen und als Dank dafür, strich er ihm über die Wange. “Zusammen schaffen wir das, da bin ich mir sicher.”
Lange blieb ihnen allerdings keine Zeit mehr, denn ein Blick auf die Uhr reichte, um festzustellen, dass August sich auf den Weg machen musste, wenn er den letzten Bus aus der Stadt erwischen wollte. An Tagen wie diesen wünschte er sich wirklich ein Auto oder ein Motorrad, aber für beides besaß er keinen Schein, wobei er vielleicht den Besuch bei Hope, gleich dafür nutzen konnte. Das Fahren selbst war ja kein Problem, auch wenn er von zu viel technischem Schnickschnack in Autos nichts hielt, außer vielleicht von diesen Landkartenbildschirmen, deren korrekte Bezeichnung er vergessen hatte. Aber als er das letzte mal in einem Auto saß und dieses Teil ausprobiert hatte, war er mit einem seiner Brüder in einer ganz anderen Stadt gelandet und seitdem traute er auch diesen Dingen nicht so wirklich.
“Ich muss langsam los.”, flüsterte er und nahm sich noch einen Moment, um den anderen zu mustern. Ihr Gespräch hatte sehr viel geholfen. Schade eigentlich, dass sie sich nicht schon viel früher ausgesprochen hatten, aber beide waren wohl blind vor Wut gewesen, sodass reden gar keine Option darstellte. Seufzend und sehr unwillig löste er sich von dem anderen und stand gemeinsam mit ihm auf, nicht aber, ohne sich noch einen Kuss zu klauen und ihre Hände miteinander zu verschränken, damit er ihn mit in das Vorzimmer ziehen konnte. Seine Schlüssel und sein Portemonnaie schob er beide in seine Hosentaschen. “Oh, warte, dein Laptop. Und das Handy.” Beides holte er und stellte es vorerst mal auf dem Wohnzimmerschrank ab, um sich die Schuhe und seine Lederjacke anziehen zu können. Ein Blick auf Cris genügte, um ihn noch einmal kurz verschwinden zu lassen, denn wie immer war er zu leicht bekleidet und die Temperaturen waren nicht mehr so hoch wie im Sommer. Wie eine besorgte Mutter brachte er dem anderen einen schwarzen Schal, den er um dein Hals des Dämons wickelte und dabei abschließend seine Nase küsste. Den Laptop räumte er in die dazugehörige Tasche, während sich Cris die Schuhe anzog und das Handy steckte er vorerst ebenfalls in seine Hosentasche. Bevor er nämlich zu Hope ging, musste er es nämlich erst zu seinem Besitzer zurückbringen und das mulmige Gefühl, dass sich in ihm ausbreitete, ließ ihn nervös werden. Schleichaktionen waren eigentlich genau sein Ding und er brauchte keinen Grund um nervös zu sein, aber normalerweise hatte er es auch nicht mit einem Engel vom selben Kaliber zu tun. Du schaffst das schon. Bleib ruhig. Etwas anderes blieb ihm nicht übrig. “Falls du noch irgendetwas vergessen hast, bringe ich es dir einfach, wenn ich wieder da bin.”, sagte er und griff wieder nach der Hand des anderen, als sie beide fertig und bereit zum Auszug nach Jeru- äh, Augusts Haus waren. Draußen war es, wie erwartet, kühl und fast totenstill. Etwas anderes konnte man sich um 2:37 auch nicht erwarten, außer es war Wochenende, aber selbst dann war die Gegend, in der er lebte, relativ ruhig. Jugendliche zog es meistens sowieso eher in Innenstadt, wo sich ein Club nach dem anderen befand. “Stört es dich, wenn wir zu Fuß gehen? So haben wir noch ein wenig mehr Zeit füreinander.”, fragte er und drückte dabei unbewusst die Hand des anderen. Sich jetzt einfach herzlos in einen Bus zu setzen, hätte die ganze Stimmung zerstört und sie hätten zudem auch noch aufpassen müssen, über was sie sprachen. Die Zeit für den Spaziergang nach Hause, hatte er selbstverständlich mit einkalkuliert, denn so schnell wollte er den anderen auch nicht zurück in seine vier Wände bringen.
Hand in Hand schlenderten sie die Straße hinunter und wenn man davon absah, dass er bald auf dem Weg aus der Stadt war, war es eigentlich recht schön gerade. Er mochte es in der Nacht zu spazieren, denn die Kühle Luft und die Stille, die seine Wohngegend umgab, machten es einfach nachzudenken. So konnte er es gar nicht verhindern, dass seine Gedanken erneut abdrifteten. Dieses Mal allerdings zu etwas weniger traurigem.
“Sag mal… Wegen den 50 Fragen. Da gab es ein paar Antworten, die du mir noch schuldig bist.” Damals waren die Umstände anders gewesen und sie hatten beide gewisse Fragen ausgelassen, deren Antwort er jetzt nur zu gerne hören würde. “Zum Beispiel… Hmm…Dein Lieblingszeitpunkt in der Vergangenheit. Die Frage wolltest du unbedingt überspringen. Oder… Ohne welche Sache oder welchen Menschen könntest du dir ein Leben nicht vorstellen?” Er kannte die Antwort bereits, zumindest bei der letzten Frage, aber er wollte es hören, wollte Cris sagen hören, dass er es war, als Kraft für die nächsten Tage, wenn er nachts alleine im Bett lag und sich nichts anderes, als den Dämon an seiner Seite wünschte.

Crispin Cipriano

Ihnen beiden war klar, dass das eben eine kleine Premiere war, als Crispin es geschafft hatte, doch einmal in Worte zu fassen, wofür er August liebte, auch wenn es bei weitem nicht alles, sondern nur eine kleine Auswahl war. Die Überraschung darüber war dem anderen deutlich ins Gesicht geschrieben, als er ihn erst sprachlos und dann peinlich berührt ansah und er war der Meinung, dass es sich alleine für diese Reaktion durchaus gelohnt hatte. Normal war er niemand, der Ausnahmen machte. Wenn man einmal damit anfing, war das der erste Schritt in die Richtung, dass aus einer Ausnahme mehrere wurden und es irgendwann zur Gewohnheit wurde. In diesem Punkt wäre es zwar kein Weltuntergang und für August hatte er diese Ausnahme wirklich gerne gemacht, aber es konnte dennoch der Anfang davon sein,auch in anderen Situationen etwas zu tun, was man normalerweise niemals getan hätte. Somit würde dieser Moment wohl eine einmalige Sache bleiben, aber er war sich sicher, dass August kein Problem damit hatte, wenn er ihm auch weiterhin nur auf seine gewohnte Art und Weise deutlich machte, wie viel er für ihn empfand und wie wichtig er ihm war. Der Engel kannte ihn - besser als jeder andere. Wer, wenn nicht er, sollte es also verstehen, sollte es nicht noch einmal dazu kommen, dass er so offen darüber sprach? Zudem wusste er, dass er den Engel auch mit seiner Art, ihm Komplimente zu machen, durchaus in Verlegenheit bringen konnte und es somit gar nicht nötig war, dass er es so explizit aussprach. Der Schwarzhaarige konnte seine Reaktionen besser als jeder andere deuten und darüber war er mehr als froh.
Die leise gemurmelten Worte zeigten Crispin, dass sich der andere ebenfalls noch sehr gut an diesen Tag erinnern konnte. Bis heute fragte er sich, wieso ihm August diese ganzen Fragen überhaupt gestellt hatte. Schließlich war er damals der Meinung gewesen, dass er ihn nervte und der andere so wenig Zeit wie möglich mit ihm verbringen wollte. Schon alleine die Tatsache, dass er ihn am Abend zuvor nach Hause gebracht hatte, war für ihn zum damaligen Zeitpunkt ein Rätsel gewesen. Immerhin hätte er ihn in seinem angetrunkenen Zustand auch einfach alleine lassen können, auch wenn er es regelrecht provoziert hatte, dass August genau dies nicht tat. Crispin musste sich allerdings eingestehen, dass vieles, was der andere damals getan hatte, für ihn unbegreiflich war. Auf der einen Seite machte er ihm immer wieder deutlich, wie enttäuscht, verletzt und wütend er auf ihn war und andererseits kümmerte er sich um ihn, als hätte nie etwas zwischen ihnen gestanden. Auch an diesem Tag war dies der Fall. August hatte ihn zutiefst verwirrt und gleichzeitig genug provoziert, um auf dieses Spiel einzugehen. Und er selbst war zu schwach, um gegen seine egoistische Seite anzukämpfen, die es trotz allem genoss, den Engel bei sich zu haben, und die ihn auch soweit einknicken ließ, dass er seinem Bedürfnis, ihn zu küssen, nachgegeben hatte. Bei der Erinnerung daran wanderte sein Blick zu den vollen Lippen des anderen, die ihn unbewusst dazu brachten, sich über seine zu lecken. Der damalige Ausgang des Tages, der Schmerz über die Zurückweisung und die Gründe, die überhaupt zu all dem geführt hatten, rückten komplett in den Hintergrund. Genauso wie die Frage, die ihm zu dem Fragebogen auf der Seele brannte und die er dem anderen bis eben noch dazu stellen wollte. Langsam beugte er sich näher zu ihm, überbrückte auch noch den Rest der Distanz zwischen ihnen, um ihn anschließend sanft zu küssen. Und ganz egal, wie oft er dies auch tat, es löste ein angenehmes Kribbeln in seinem Körper aus, das er jedes Mal aufs Neue genoss. Anders als damals musste er nun zudem nicht mehr damit rechnen, dass August es nicht zuließ oder ihn von sich stieß, genauso wenig, wie er sich darüber Gedanken machen musste, ob er es später nicht vielleicht bereute.
Etwas widerwillig löste er sich von dem Engel, als er merkte, wie dieser etwas sagen wollte und mit seinen anschließenden Worten ließ er sowohl sein Herz schneller schlagen, vertrieb gleichzeitig aber auch die Eifersucht, die in ihm aufgestiegen war, als er nur daran gedacht hatte, August könnte sich um jemand anderen einmal genauso kümmern, wie um ihn. Noch immer fühlte es sich in solchen Momenten wie in einem Traum an, dass er dieses Privileg wirklich wieder genießen durfte, an erster Stelle bei dem anderen zu stehen, da dies vor nicht einmal 24 Stunden noch ganz anders aussah. Unglaublich wie viel sich nur innerhalb eines Tages ändern konnte, auch wenn er dies bereits vor knapp zwei Jahren erleben musste - nur eben auf negative Art und Weise.
“Da wirst du aber auch weiterhin viel zu tun haben. Wie du weißt, ziehe ich Gefahr magisch an.”
Ein schwaches Grinsen schlich sich auf seine Lippen, welches das des Engels widerspiegelte, denn im Grunde zog er Gefahr nicht an, sondern suchte sie regelrecht und begab sich mit voller Absicht in diese. Zumindest war es früher so, doch auch jetzt konnte ihn sein Temperament immer noch in Situationen bringen, denen er alleine nicht gewachsen war und denen er sich dennoch nicht entziehen würde, weil er dafür auch einfach zu stur war, um klein beizugeben. Nur schlecht war diese Eigenschaft von ihm jedoch glücklicherweise nicht. Immerhin hatte seine Sturheit dazu beigetragen, dass er nicht aufgegeben hatte, seinem Verdacht was Aspen betraf nachzugehen, auch wenn August der Meinung war, sein Bruder würde ihm - anders als er - nicht in den Rücken fallen.
Eine erneute Welle von Schuld stieg in ihm auf, verscheuchte das Grinsen aus seinem Gesicht und brachte ihn wieder dazu, den Blick zu senken. Wie sehr wünschte er sich, er wäre damals nicht auf Rixon hereingefallen. Sie hätten sich so vieles ersparen können und auch wenn er sicher war, dass Aspen in dem Fall einen anderen Weg gefunden hätte, August zu schaden, so wären sie doch immerhin zusammen gewesen und hätten von Anfang an gemeinsam dagegen vorgehen können. Vielleicht wäre ihnen so schon viel eher aufgefallen, dass der Engel ein falsches Spiel spielte. Ein Spiel mit einem Ziel, das er mit Sicherheit auch noch immer verfolgte, weshalb ihm der Gedanke, den Schwarzhaarigen gehen lassen zu müssen nicht gefiel - egal, wie sehr er auch wusste, dass es nötig war, weil ihnen schlicht und ergreifend die Alternativen fehlten.
“Ich weiß… Ich weiß, wie sehr es einen beschäftigt, die wahren Gründe nicht zu wissen und sich zu fragen, warum jemand etwas tut…”, flüsterte er noch immer mit gesenktem Blick. Schließlich ging es ihm lange Zeit nicht anders, während er sich immer und immer wieder den Kopf darüber zerbrochen hatte, warum August so plötzlich nicht mehr für ihn da war - ganz besonders nachdem sie sich wieder gesehen hatten und jedes Aufeinandertreffen neue Fragen aufwarf. Somit wusste er sehr gut, wie wichtig es für den anderen war, herauszufinden, warum Aspen ihn aus dem Weg haben wollte und auch er selbst wollte wissen, in welches durchtriebene Spiel er mit hineingezogen wurde, weil er sich in August verliebt hatte.
“Ich will nur einfach nicht, dass dir etwas passiert… Alleine der Gedanke daran…”
Mit einem Kopfschütteln vertrieb er die Vorstellung und die Bilder vor seinen Augen, die August verletzt in irgendeiner verlassenen und dreckigen Gegend zeigten, ohne, dass ihm jemand helfen konnte, und setzte neu an, um auszusprechen, was er hatte sagen wollen.
“Anders als damals bestünde vermutlich nicht einmal die Chance, dass ich es erfahren würde und das-”
Wieder brach er ab und biss sich auf die Unterlippe. Cris war sich sicher, dass er nicht aussprechen musste, wie verrückt es ihn machen würde, in so einem Fall nicht zu wissen, was geschehen war. Schon damals hatte es ihn Tag und Nacht beschäftigt, bis ihm sein Schutzengel anschließend den Boden unter den Füßen weggezogen hatte, als sie ihm die Lüge auftischte, August hätte sich wichtigeren Dingen zugewandt und ihn somit fallen lassen. Bevor er drohen konnte, zu sehr in dieser Erinnerung zu versinken, lenkten die warmen Hände des Engels, die sich auf seine Wangen legten, seine Aufmerksamkeit gekonnt wieder auf ihn und ein leises Seufzen entwich seinen Lippen, als er die sanften Küsse spürte und sie nur zu gerne zuließ. Wieder einmal wurde ihm klar, wie sehr er das vermisst hatte - sowohl die Möglichkeit, die Nähe des anderen in vollen Zügen genießen zu können, als auch, dass er so einfach von seinen Gedanken abgelenkt wurde, die immer wieder drohten, ihn völlig zu vereinnahmen und ihm schlussendlich Kopfschmerzen bereiteten, wenn er es nicht schaffte, sich von ihnen loszureißen. Ein gutes Mittel dafür war so oft der Griff zum Alkohol gewesen, um seine Gedanken und Probleme zumindest für kurze Zeit einfach vergessen zu können, auch wenn es am Ende dieselben Konsequenzen hatte: ein Kopf, der sich anfühlte, als würde man ihn mit einem Presslufthammer bearbeiten. Genau diese Konsequenz wollte der Engel mit seinen nächsten Worten und einer weiteren Regel wohl vermeiden. Als er hörte, dass er ihm sozusagen untersagte auch in den nächsten Tagen diese Art der Verdrängung zu nutzen, blickte er ihm in die Augen, die ihm ernst entgegen sahen. Andere würden bei diesem Blick vielleicht tatsächlich kuschen und ihm versprechen, es zu unterlassen, aber auch dies war ein Punkt, den er ihm nicht versprechen konnte.
“Du willst mir also ernsthaft verbieten, zu trinken?!”
Ein kleiner Teil von ihm konnte schon nachvollziehen, warum er darauf drängte. Vor allem in ihrer jetzigen Situation war es alles andere als eine gute Idee, wenn er darauf zurückgriff, um seine Gedanken darin förmlich zu ertränken. Ganz besonders, weil er schon nicht einsah, sich in dieser Zeit zu Hause einzusperren. Betrunken draußen herumzulaufen… Er kannte sich gut genug, um zu wissen, welche Konsequenzen das haben konnte. Nicht selten endeten solche Situationen in Streit und Schlägereien. Inzwischen war er stärker und konnte mehr einstecken als früher, aber es war immerhin nicht gesagt, dass er dabei nur Menschen über den Weg lief. Genauso gut konnte er in genau so einem Moment auch Aspen oder Rixon begegnen. Daran musste wohl auch August denken und somit verstand er noch viel mehr, warum er ihm das Versprechen abnehmen wollte, nichts zu trinken. Der Trotz und der Unglauben, die er eben noch in der Stimme hatte, verschwanden und er presste die Lippen aufeinander, während er ein wenig zur Seite schaute.
“Ich kann es dir nicht versprechen, aber ich werd es versuchen…”
Als er hörte, wie August das Kätzchen erwähnte, fragte er sich nicht, wieso er dachte, sie wäre noch immer bei ihm. Viel mehr fiel ihm mit einem Mal ein, was er vollkommen vergessen hatte: seine neue Mitbewohnerin. Sein Blick huschte zu der Uhr an der Wand und als er sah, welche Uhrzeit diese anzeigte, fluchte er leise vor sich hin.
“Oh verdammt! Ich hab Cookie total vergessen…”
Schon seit Jahren war er es nicht mehr gewohnt, dass jemand auf ihn wartete und die Verantwortung für ein Haustier hatte er noch nie besessen. Seine Familie hatte zwar einen Hund - einen kleinen überaus nervigen Chihuahua - aber die Abneigung füreinander war auf beiden Seiten vorhanden, wobei er es bei dem Hund immer auf das Verhalten seiner Familie schob, das sich auf ihn übertrug. Nun jedoch hatte er beschlossen, dem kleinen Kätzchen aus dem Atelier ein Zuhause zu bieten und trotzdem hatte er sie vergessen. In den letzten Stunden war einfach viel zu viel passiert, um auch nur einmal an sie zu denken. Auf der Straße hätte sie zumindest die Chance gehabt, irgendwo etwas zu Fressen zu finden, bei ihm zu Hause sah das Ganze ein wenig anders aus. Dass er sich trotz ihrer Probleme, die sich seit dem letzten Abend herauskristallisiert hatten, darüber ärgerte, den Fellball vergessen zu haben, war wohl untertrieben. Nicht zuletzt, weil er sich eingestehen musste, dass sein Ärger über seine Vergesslichkeit trotz allem mit seinem Egoismus kollidierte, der einfach nur weiter bei dem Engel bleiben wollte, um seine Nähe so lange wie es eben ging genießen zu können.
Bei diesem Gedanken wandte er sich wieder zu August, musterte sein Gesicht und nahm dabei jedes kleine Detail wahr, als wäre es das letzte Mal, dass er die Möglichkeit dazu hatte - was aufgrund der Tatsache, dass sie sich einige Tage nicht sehen würden, vielleicht gar nicht so abwegig war.
“Ich glaube, ich werde bei ihr jede Menge wieder gut machen müssen, weil ich nicht an sie gedacht hab…”
Was er auch definitiv tun würde und vielleicht war es wirklich eine halbwegs gute Ablenkung und die Zeit verging somit ein wenig schneller. Zumindest hoffte er es.
Die Erklärung, die der andere ihm auf seine Frage hin gab, beruhigte ihn im ersten Augenblick. Er hatte nicht vor, irgendwelche Menschen zu töten, weshalb er froh war, dass er somit wohl nicht auf der Abschussliste der Dämonenjäger landen würde. Als August jedoch hinzufügte, dass es einigen Engeln egal war, ob Dämonen etwas getan hatten oder nicht und vermutlich einfach jeden aus dem Weg räumten, der ihnen über den Weg lief, war von der beruhigenden Wirkung absolut nichts mehr vorhanden. Vor allem da er durchaus merkte, wie der Schwarzhaarige zum Ende hin immer leiser wurde und sich dabei ein Verdacht in seinen Kopf schlich. Aufmerksam legte er seinen Blick auf ihn und ließ ihn bei seinen nächsten Worten nicht aus den Augen.
“Hast du das auch getan?”, fragte er ohne weiter darüber nachzudenken, denn das würde ihm im Grunde nichts bringen - schon gar keine Antwort. Diese konnte ihm am Ende nur der andere geben, auch wenn er nicht ganz wusste, mit welcher Antwort er rechnete. Schon damals, als August noch keine Dämonen gejagt hatte, saß sein Hass gegenüber seiner Spezies sehr tief, was er ihm auch nicht verübeln konnte. Er selbst spürte diese natürliche Abneigung gegenüber Engeln tief in sich, die lediglich bei seinem ehemaligen Schutzengel eine Ausnahme machte, in dessen Gegenwart er sich gut aufgehoben und alles andere als unwohl fühlte. Nachdem er sich jedoch dafür entschieden hatte, ebenfalls ein Dämon und somit genau zu dem zu werden, was der andere verabscheute, war dessen Hass mit Sicherheit noch um einiges gewachsen. Dass er somit ebenfalls zu den Jägern gehörte, die auch jungen Dämonen gegenüber keine Gnade zeigten, konnte er sich durchaus vorstellen.
“Ich könnte es dir nicht verdenken. Immerhin… bist du wegen meiner Entscheidung zu einem Dämonenjäger geworden.”
Cris wandte den Blick ein wenig ab, indem er nach unten schaute und einen Punkt auf Augusts Shirt fixierte. Dass er manipuliert wurde und aus diesem Grund die Entscheidung getroffen hatte, zum Feind des Engels zu werden, spielte dabei gerade keine Rolle. Die anderen Dämonen waren ihm auch immer noch ziemlich egal, aber die Schuld, dass der andere eventuell ebenfalls so gehandelt hatte, lag dennoch durchaus bei ihm.
Obwohl seine Gedanken gerade alles andere als positiv waren, schaffte es August ihn aus diesen ganz einfach herauszuholen und ein Grinsen schlich sich auf seine Lippen. Gleichzeitig schlug sein Herz einige Takte schneller, als er sich nur vorstellte, wie sie beide trainieren würden. Genau wie der andere war er beinahe sicher, dass sie das Training nicht lange ernst nehmen und sich stattdessen schon nach kurzer Zeit in eine Ecke verziehen würden. Die Hände, die seine Seiten lang wanderten, verstärkten dieses Gefühl noch zusätzlich. Er sah ihn wieder an und schenkte ihm ein freches Grinsen.
“Bist du wirklich sicher, dass wir es so lange aushalten? Ich denke eher, dass wir es keine fünf Minuten schaffen, das Training für das zu nutzen, für das es eigentlich gedacht wäre.”
Auch wenn es sich scherzhaft anhörte, war er sich sicher, dass es tatsächlich so sein würde. Säße ihnen der Zeitdruck nicht im Nacken, würde er sich wohl auch jetzt nicht davon abhalten lassen, ihre gemeinsame Zeit ganz anders zu gestalten, als nur auf Augusts Schoß zu sitzen und mit ihm zu reden. Bislang hatte er bei niemandem Interesse an so etwas gezeigt und auch bei dem Schwarzhaarigen hielten sich diese Gedanken bei ihm im Rahmen. Damals als Mensch hatte er lange gebraucht, um sich überhaupt darüber klar zu werden, was er für ihn empfand und hinterher waren einfach ganz andere Gefühle und Wünsche vorherrschend gewesen. Nun sah die Sache ein wenig anders aus, aber genau jetzt, fehlte ihnen schlicht die Zeit und dass ihn das frustrierte, wäre wohl eine Untertreibung. Allerdings war er sich beinahe sicher, dass es ihm dabei nicht ganz alleine so ging, auch wenn es das Ganze nicht wirklich besser machte.
Um die Nähe des anderen aber dennoch so gut es eben gerade ging zu nutzen, legte er seine Hände erst auf Augusts Hüften, bevor er unter dessen Oberteil schlüpfte und seinen Rücken so weit hinaufwanderte, wie er kam. Gleichzeitig kuschelte er sich enger an ihn und genoss es, wie der andere ihn zusätzlich ebenfalls näher zu sich zog. Am liebsten hätte er jetzt die Zeit angehalten und der sanfte Kuss, in den er verwickelt wurde und den er sehr bereitwillig erwiderte, ließ ihn sich dies noch sehr viel mehr wünschen. Schon jetzt spürte er, wie sich die Sehnsucht in ihm breit machte, weil er ganz genau wusste, dass ihnen die Zeit wie Sand durch die Finger rann, der Moment, in dem sie sich zwar für nur kurze aber dennoch unbestimmte Zeit voneinander trennen mussten und er dann wieder alleine war, mit jedem Ticken des Sekundenzeigers, der durch die Stille beinahe viel zu laut zu hören war, immer näher rückte.
Ein enttäuschter und leicht frustrierter Lauf entwich ihm, als sich der Engel für seinen Geschmack viel zu schnell wieder von ihm löste, auch wenn dessen Lächeln, das er so lange gar nicht gesehen hatte und das sein Herz schneller schlagen ließ, es ein wenig wieder gut machte. Er liebte dieses Lächeln und er war der Meinung, das der andere es viel zu selten zeigte, auch wenn er wusste, dass sie beide lange Zeit keinen Grund zum Lächeln geschweige denn zum Lachen hatten. Überraschung ließ ihn das jedoch im nächsten Moment vergessen, als er hörte, dass August Caleb kannte oder diesem scheinbar zumindest hinterherspioniert hatte.
“Was meinst du mit, du hättest ihn dir genauer angesehen?”
Eigentlich sollte er gar nicht überrascht sein. Schließlich wusste er doch, wie August war, wenn es um ihn ging. Schon damals wollte er immer nur das Beste für ihn und wenn es jemand gewagt hatte, sie beide auch nur schief oder zu lange anzusehen, bekam derjenige einen passenden Kommentar serviert, der nicht immer von ihm ausging, obwohl es auch ihn nervte, wenn Leute zu sehr starrten. Dass er sich Caleb angesehen hatte, war somit also wenig verwunderlich. Was er vermutlich von ihm hielt, musste er nicht aussprechen. Sie beide hatten eine ähnliche Meinung, wenn es um Leute ging, die dachten, sie könnten sich durch ihr vieles Geld alles erlauben.
Doch im Gegensatz zu dem Problem, das sie nun wegen Aspen und Rixon hatten, waren die Schlägereien und seine Aufenthalte bei der Polizei dadurch der reinste Kindergarten. Nicht nur August quälte der Gedanke, ob sie nicht irgendetwas hätten anders machen können, damit es nicht so weit gekommen wäre. Seine Entscheidung, ein Dämon zu werden und Calebs Tod lasteten schwer auf ihn, genau wie die Zeit, in der er dem anderen unrecht tat, ihm immer wieder dieselben Vorwürfe an den Kopf warf, anstatt einfach einmal in Ruhe miteinander zu reden. Das alles hätte vielleicht nie passieren müssen, wenn sie an irgendeiner Stelle anders gehandelt hätten.
“Ja, vielleicht hätte er das, aber auch wenn er etwas anderes gefunden hätte… Sobald du deinen Posten als mein Schutzengel verloren hattest, betraf es auch mich. Ich hätte keinen anderen Schutzengel gewollt…”, gab er zu und biss sich anschließend wieder einmal auf die Unterlippe, denn er wusste, dass er ohne einen Engel, der auf ihn aufpasste, damals am Ende gewesen wäre.
“Und vielleicht war es für ihn die schnellste Methode, um an sein Ziel zu kommen. Schließlich war unser Verhältnis zueinander schon ein Verstoß, sodass es für ihn das einfachste war, darauf aufzubauen.”
Crispin gefiel dieser Gedanke nicht, denn er bedeutete, dass alles, was passiert war, vielleicht doch nicht zu vermeiden war und damit wollte er sich nicht zufrieden geben, auch wenn der Gedanke, dass sie vielleicht doch etwas hätten ändern können, genauso frustrierend war. Ganz egal, wie sehr sie auch darüber nachdachten - sie würden nie auf eine zufriedenstellende Antwort kommen, da sie die Zeit nicht zurückdrehen und nichts an der Vergangenheit ändern konnten. Es würden somit immer reine Überlegungen bleiben.
Augusts Versuch, ihm einen Teil der Last von den Schultern zu nehmen, wusste er durchaus zu schätzen, aber obwohl er inzwischen wusste, dass Rixon ihn manipuliert hatte, machte er sich Vorwürfe, dass er auf ihn hereingefallen war. Der Druck seiner Finger auf den Rücken des Engels verstärkte sich und er senkte den Blick. Er schaffte es nicht, ihm weiter in die Augen zu sehen.
“Du hast recht, aber eine Mitschuld trage ich dennoch an dem Ganzen… Du hast mir nicht nur einmal etwas über Dämonen erzählt und trotzdem bin ich auf einen reingefallen…”
Aus dem Augenwinkel heraus sah er, wie der Schwarzhaarige zur Uhr an der Wand sah und ihm wurde wieder einmal deutlich bewusst, dass der Moment immer näher rückte, an dem sie gehen mussten. Dennoch versetzte es ihm einen Stich, als er hörte, dass es nun so weit war, denn er hatte sich noch immer nicht mit der Tatsache angefreundet, die nächsten Tage ohne August verbringen zu müssen. Wenn er ehrlich war, konnte er sich auch nicht daran gewöhnen und er wollte es auch gar nicht. Diese ganze Situation nervte und frustrierte ihn zutiefst, vor allem da sie nun endlich wieder völlig normal miteinander reden konnten, ohne dass sie Angst haben mussten, dass die Stimmung auf eine Art und Weise kippte, die dazu führte, dass sie sich am Ende wütend Dinge an den Kopf warfen, mit denen sie sich verletzten und die sie hinterher vielleicht dennoch bereuten.
Nur widerwillig zog er seine Hände unter dem Shirt des anderen hervor, um anschließend gemeinsam mit ihm aufzustehen und in den Flur zu laufen. Zuvor schnappte er sich jedoch noch sein Handy vom Tisch und schob es zu seinen Kopfhörern in seine Hosentasche. In dem kleinen Vorraum schlüpfte er in seine Schuhe und sah August nach, als diesem einfiel, dass sie auch noch seinen Laptop und Aspens Mobilgerät mitnehmen mussten. Sein Notebook hätte er tatsächlich vergessen - genau wie Cookie - was wohl ein Indiz dafür war, wie anstrengend die letzten 24 Stunden durch seinen Zusammenbruch nicht nur auf physischer sondern auch auf psychischer Ebene waren. Als ihm der andere auch noch einen Schal holte und ihm diesen um den Hals wickelte, entlockte ihm dies doch ein kleines Lächeln, weil es wieder einmal zeigte, dass er auf ihn acht gab - und wenn es sich dabei nur darum handelte, dass ihm nicht kalt wurde. Durch diese erneute Erinnerung stieg ein warmes Gefühl in ihm auf, was es nur noch schwerer machte, zu akzeptieren, dass sie sich bald trennen mussten. Aber auch die Angst, dass dem Schwarzhaarigen etwas passieren könnte -egal ob beim Zurückbringen des Handys oder bei der Mission, die er aufgedrückt bekommen würde - schlich sich wieder in sein Herz, die ihn auch die nächsten Tage begleiten würde, bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie wieder zusammen sein würden.
“Ich denke, ich hab alles.”
Mit diesen Worten verschränkte er seine Finger mit denen des anderen und - so kitschig das vielleicht auch klang - jetzt hatte er tatsächlich alles, was er brauchte. Bei diesem Gedanken kam ihm eines dieser eigentlich völlig sinnlosen Sprüchebilder in den Kopf, die es massenweise im Internet zu finden gab und die damals in der Schule auch mal die Runde gemacht hatten. Wenn du mich mal verlässt, darf ich dann mitkommen? Zwar war dabei ein völlig anderes verlassen gemeint, als es ihnen bevorstand, aber er konnte nicht leugnen, dass er ihn dennoch gerne begleiten würde. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass sie darüber gesprochen hatten und es nun einmal nicht möglich war. Er wäre im Großen und Ganzen nur eine Last und keine wirkliche Hilfe. Seufzend schob er den Gedanken beiseite,während sie das Haus verließen und in die Nacht hinaustraten. Die Kälte kroch automatisch unter seine Sachen, doch ihn störte das wenig, denn Augusts Hand strahlte genug Wärme aus, dass die Temperaturen es nicht schaffen würden, ihn zum frieren zu bringen. Zudem war er auch bei weitem nicht so kälteempfindlich wie sein Freund. Aber auch die Frage des anderen sorgte dafür, dass ihn eine angenehme Wärme von innen heraus einhüllte.
“Ich wäre ziemlich blöd, wenn ich nicht jede Chance, dich länger bei mir zu haben, ausnutzen würde. Von mir aus könnten wir auch gerne einen langen Umweg nehmen.”
Crispin wusste jedoch, dass dies nicht möglich war und auch seiner kleinen Fellnase gegenüber, die sicher schon sehnsüchtig auf Futter wartete, wäre dies alles andere als gerecht, nachdem er schon nicht daran gedacht hatte, ihr genug hinzustellen, da seine Gedanken nur darauf gerichtet waren, Aspen zu überführen. Dabei hatte er auch nicht daran gedacht, dass er eventuell länger als nur über Nacht bei August bleiben würde. In den letzten Monaten hatten sie nie so viel Zeit miteinander verbracht, da es immer wieder passierte, dass die ruhige Atmosphäre doch durch etwas zerstört wurde und dass er mit dem Handy des anderen Engels Erfolg haben würde, war auch nicht zu 100% klar gewesen.
Bevor er drohen konnte, in seinen Gedanken zu versinken, die ihn nur noch mehr frustrieren würden, hörte er eine Frage, mit der er gerade so gar nicht gerechnet hatte. Überrascht sah er zu dem anderen, bevor er auf seine Unterlippe biss und wieder nach vorn sah.
“Die eine oder andere Antwort hätte dir zum damaligen Zeitpunkt mit Sicherheit auch nicht gefallen”, murmelte er, wobei man es dennoch hörte, denn die einzigen Geräusche, die sie umgaben, waren das seltene Motorengeräusch eines Autos und die Rufe nachtaktiver Vögel.
“Und wenn ich dich daran erinnern darf, hattest du ebenfalls Fragen übersprungen und wolltest die Antworten nicht wissen. Aber wegen den beiden Fragen…”
Nun schaute Cris doch wieder zu ihm, denn er wollte ihm in die Augen sehen, wenn er sie beantwortete. Damals hatte er Angst davor gehabt, zu viel zu verraten, was seine Gefühle für den anderen betrafen, doch jetzt war diese nicht mehr vorhanden, denn er wusste, dass August mit diesem Wissen nichts anstellen würde, was ihm schaden könnte.
“Mein Lieblingszeitpunkt ist unser erster Kuss am See und er war es auch damals während des Spiels. Deswegen wollte ich darauf nicht antworten. Und… die Person, ohne die ich nicht mehr leben will, ist kein Mensch sondern ein Engel.”
Eigentlich sollte es vollkommen klar sein, dass er den Schwarzhaarigen neben sich meinte, um dies zu verdeutlichen, lehnte er sich während des Laufens jedoch näher zu ihm und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Es fühlte sich gut an, das nun doch laut aussprechen zu können, nachdem er erst dachte, es würde nie wieder so werden, und dann für kurze Zeit auch annahm, er hätte trotz der Wahrheit alles verloren, was ihm wichtig war. Als er an den Moment im Bad zurückdachte, fiel ihm ein, dass er die Antwort auf die erste Frage im Grunde genommen noch erweitern musste, denn zu dem Moment im Sommer hatte sich noch ein weiterer hinzugesellt.
“Das klingt jetzt wahrscheinlich seltsam, aber... Es gibt auch noch einen Augenblick, der für mich zu den schönsten überhaupt zählt…”, begann er leise, zögerte dann aber doch kurz, da er nicht genau wusste, wie er das in Worte fassen sollte und da er auch nicht wusste, wie August darauf wohl reagieren würde. “Auch wenn unsere jetzige Situation nicht unbedingt die Beste ist, aber der Moment, als du mir sagtest, dass du mich trotz dessen, was ich getan hab, nicht verlässt… Dieser Moment gehört ebenfalls zu den schönsten für mich…”
August hatte ihn und sein weiteres Leben zu diesem Zeitpunkt vollkommen in der Hand. Er hätte alles tun können und er wäre ihm hilflos ausgeliefert gewesen. Ohne große Probleme hätte er ihn komplett zerstören können, indem er ihm endgültig den Rücken gekehrt hätte, doch stattdessen hatte er das getan, womit er da am allerwenigsten gerechnet hatte.
Seine Gedanken wanderten weiter, gingen noch einmal jede Minute durch, die sie danach erst im Bad und dann im Schlafzimmer aneinander gekuschelt verbracht hatten, bis ihm etwas einfiel, was er unbedingt wissen wollte.
“Sag mal… Hast du eigentlich die Bilder auf meinem Handy gefunden, die du unbedingt sehen solltest?”
Der eisige Herbstwind ließ in einem den Wunsch aufsteigen sich schnell wieder in das Bett zu verkriechen und sich unter einer Decke von der Außenwelt abzuschotten. Wäre sein Auftrag nicht so dringend gewesen, hätte August vielleicht auch genau das getan. Zusammen mit Crispin, dessen Hand er fest mit seiner umklammerte, als hinge sein Leben davon ab, hätte er wahrscheinlich den ganzen Tag gemeinsam mit ihm, einem heißen Americano und ein paar Snacks, das Bett gehütet. Wenn er genauer darüber nachdachte, klang so ziemlich alles verlockender als den Jüngeren nach Hause zu begleiten, nur um ihn dann dort alleine zurückzulassen und erst nach mehreren Tagen wieder zu sehen. Crispins Sicherheit steht auf dem Spiel., erinnerte er sich selbst und nutzte diesen Gedanken als Motivation dafür nicht alles über Bord zu werfen und sich seinen egoistischen Gedanken zu ergeben, denn egal wie verlockend es auch klang sich mit dem anderen abzuschotten und der ganzen Welt den Rücken zuzukehren, so war dies nur schwer möglich, wenn die besagte Person verletzt - oder noch schlimmer, tot war.

Aspens Motive mochten zwar noch nicht klar für sie sein, aber dass er im richtigen Moment nicht zögern würde, den jungen Dämonen umzulegen, war selbst ohne den Masterplan, den er geschmiedet hatte, klar. Beide, er und August, waren sich in diesem Punkt ähnlich gewesen...jedenfalls früher, als sie ohne zu überlegen einen Dämon nach dem anderen ausgelöscht hatten. August erzählte Cris davon, erklärte ihm, dass es in ihn hinein getrichtert wurde und er seit ihrer ersten Begegnung keinen einzigen seiner Art getötet hatte - er konnte es einfach nicht mehr. Vor Aspen hatte er natürlich noch seine große Klappe, aber in Wirklichkeit war er momentan schwächer denn je, denn er überlegte mittlerweile, ob es sich wirklich lohnte jeden von ihnen auszuschalten, ohne die Hintergründe zu kennen. Das Problem bei den Wurzeln zu packen und es zu entfernen war somit keine Option mehr für ihn und hätte sein Bruder davon gewusst, wäre er längst damit beschäftigt den Schwarzhaarigen zu jagen. August war mittlerweile das, was im Himmel als “ein Engel mit dunklen Gedanken” bezeichnet wurde. Er war der Versuchung verfallen und somit unbrauchbar und auch wenn diese Tatsache ihn an einem früheren Zeitpunkt erschüttert hätte, so konnte es ihm im Moment nicht gleichgültiger sein, denn für ihn zählte nichts mehr als Crispin. Punkt.

Der Nachtspaziergang oder eher das Thema, das sie anschlugen, lockerte die gedämpfte Stimmung etwas auf, wenn auch gezwungen und nur für einen Moment. Die Erinnerung an ihren ersten Kuss erwärmte sein Herz - es war auch seine liebste Erinnerung. An diesem Tag erschien nichts unmöglich, ihre Ziele waren plötzlich zum Greifen nah und so hoch sie an dem Tag geflogen waren, stürzten sie mindestens doppelt so tief, als ihr Geheimnis aufgedeckt wurde. Augusts Mundwinkel senkten sich etwas, aber er nickte dennoch zustimmend. “Ist auch mein Lieblings Zeitpunkt.” Wenn nicht dieser, welcher sonst? Sie hatten sich ewig wie Geier umkreist und an dem Tag endlich nachgegeben. Trotz des bitteren Endes war es eine wundervolle Erinnerung, an die er in traurigen Momenten oft zurückgedacht hatte, damit er Kraft tanken konnte.
Die zweite Antwort ließ ihn dann allerdings für einen Moment stocken. Die Zuneigung und Liebe, die in ihr steckte, war zu viel für sein Herz und ließ es nahezu platzen. Um sein Gesicht, das bestimmt schon wieder rot angelaufen war, nicht wie das Schwein am Silbertablett zu präsentieren, versteckte er es hinter gehobenen Händen. Vor Cris musste er sich nicht schämen, aber es war ihm trotzdem etwas peinlich, dass ihn die Worte so verlegen machten. Er versuchte er es irgendwie zu überspielen, machte es dadurch allerdings nur schlimmer und die zweite Erinnerung, die der Jüngere mit ihm teilte sowieso, sodass er ihn sanft in die Schulter boxte und dann mit beiden Armen den Bizeps des anderen umarmte. “Selbstverständlich lasse ich dich nicht mehr alleine.” Dafür liebe ich dich zu sehr., beendete er den Satz in Gedanken. Ich liebe dich waren keine Worte, die er einfach so von sich geben wollte, auch wenn er sich schon lange zu hundert Prozent sicher war. Aber für diese Worte wollte er dann doch einen besseren Zeitpunkt wählen, wo sie vielleicht mehr Zeit füreinander hatten als jetzt gerade, wo sie doch so kurz vor dem Abschied standen.
Das Gebäudekomplex, in dem sich Crispins Penthouse befand, näherte sich langsam und mit jedem Schritt wurde das mulmige Gefühl in seinem Magen schwerer und schwerer, bis es sich wie ein Kloß anfühlte, der fest in seiner Magengrube saß. Die Frage bezüglich der Fotos lenkte ihn jedoch wieder geschickt von dieser Tatsache ab und als er sich an den Vortag erinnerte, an dem er sich die Fotos angesehen und sogar noch selber welche gemacht hatte, hoben sich seine Mundwinkel automatisch zu einem Grinsen. “Ja, habe ich. Es hat auch gar nicht so lange gedauert bis ich sie gefunden habe...genauso wie die Kamera”, deutete er vielsagend an und verriet nicht mehr als das. Cris würde es schon verstehen und das Bild war seiner Meinung nach zuckersüß, genauso wie das, das er danach von ihnen beiden geschossen hatte. Der emotionale Ausbruch, den er dabei hatte, blieb ebenfalls verschwiegen.
Im langsamen Tempo erreichten sie Cris Penthouse-Komplex und wieder stieg das unangenehme Gefühl in ihm auf, dass ihn beinahe zu erdrücken schien und als sie vor der Tür zum Gebäude stehen blieben, war er es, der sich als erster zu Wort meldete. “Bitte pass gut auf dich auf, während ich weg bin.” Ohne Augusts Aufsicht musste er selbst auf sich Acht geben und der Engel wiederum konnte nichts anderes tun als darauf zu vertrauen. Ein letztes Mal legte er die Arme um den Größeren und schob seine Hände in den Nacken des anderen, um ihn hinunter zu ziehen und zu küssen. Keine zwei Sekunden und die Sehnsucht setzte sofort ein und traf ihn wie eine riesige Welle, denn genau auf das hier musste er die nächsten Tage verzichten. Nur unwillig lösten sie sich wieder voneinander, blieben aber noch einen Moment so stehen, während August das hübsche Gesicht vor ihm mit den Fingerspitzen nachfuhr. “Du hast das Kätzchen Cookie genannt? Furchtbar süß.”, flüsterte er lächelnd an die Lippen des anderen und verband sie noch einmal kurz, bevor er hinauf zu einem der Fenster sah, wo sich das Penthouse des anderen befand. “Sie wartet sicher schon sehnsüchtig auf dich.” Die Kleine brauchte immerhin viel Aufmerksamkeit und so ganz alleine in den eigenen vier Wänden war es sicher langweilig. Mal abgesehen davon, dass sie gerne mit Gegenständen am Boden spielte oder Dinge hinunter warf, wenn man sie nicht rechtzeitig fütterte. Aus Trotz eben. So war es zumindest im Atelier gewesen, weswegen der Engel es sich erspart hatte dort aufzuräumen. “Wenn ich wieder zurückkomme, dann muss ich mich wohl daran gewöhnen dich mit der Kleinen zu teilen, hm? Sie scheint dich immerhin sehr gerne zu haben.” Wer konnte es ihr auch verübeln? So wie Cris mit ihr umgegangen war...Diese liebevolle Art bekam nicht jeder zu sehen und sie spürte sicher, dass er eine gute Seele hatte und einfach etwas Zeit brauchte um sich zu öffnen. So wie Cookie selbst, wenn er so darüber nachdachte. Der Gedanke brachte ihn zum Schmunzeln, denn irgendwo waren sich die beiden wohl doch sehr ähnlich und das konnte man doch nur süß finden. Je näher allerdings ihr Abschied in den Vordergrund rückte, desto mehr senkten sich seine Mundwinkel. Gerade jetzt fand er es doch etwas schade, dass er keines dieser hoch komplizierten Handys besaß, denn es hätte die Distanz zwischen ihnen etwas erleichtert, wenn sie Abends miteinander reden konnten. Die Stimme des Dämons hätte es zumindest erträglicher gemacht abends alleine einzuschlafen und August hätte auch sichergehen können, dass es ihm gut ging. Nach dem Auftrag wäre es wohl wirklich mal an der Zeit einen Handyshop aufzusuchen und sich zumindest einmal umzusehen. So blöd waren die Dinger gar nicht und vielleicht gab es ja eine Option für ihn die weniger komplex war, denn für den Kontakt mit seinem Liebsten hätte es sich allemal gelohnt.
“Mach’s gut Häschen. Hoffentlich erledigt sich das alles so schnell wie möglich und ich kann dich bald wiedersehen.”, murmelte er erneut an seine Lippen und küsste ihn abschließend ein weiteres Mal.
Zeit zu gehen, August., hörte er die leise Stimme in seinem Kopf sagen und so schwer es ihm auch fiel, ließ er den anderen los und drückte kurz seine Hände. “Bis in vier Tagen. Vielleicht auch nur drei, mal sehen.” Er versuchte gleichgültig mit der Schulter zu zucken und hinunter zu spielen wie sehr es ihn gerade mitnahm, dass er gehen und den anderen vorerst zurücklassen musste, aber es war schwer, so so schwer - vor allem weil sie die letzten Stunden so friedlich miteinander verbracht hatten. Ein abschließender Kuss auf die Wange und eine lange Umarmung später, entfernte er sich langsam von Crispin und winkte ihm noch zum Abschied, bis er in der nächsten Gasse verschwand und von der Dunkelheit der Nacht komplett verschluckt wurde.

Crispin Cipriano

Für sein persönliches Empfinden war die kalte Herbstnacht gerade so noch erträglich, die August hingegen doch zu schaffen machte. Er beschwerte sich zwar nicht, aber er wusste einfach, dass der andere weder übertriebene Wärme noch Kälte mochte. Er selbst war nicht ganz so empfindlich, auch wenn er statt einer dicken Jacke nur seinen Hoodie trug und so gut gemeint der Schal von dem anderen auch war, hielt er die Kälte doch nicht davon ab, bei jeder Böe unter seine Sachen zu kriechen und ihm somit jedes mal aufs Neue eine Gänsehaut zu bereiten. Dennoch störte es ihn nicht. Man könnte nun meinen, dass ihn sein Wesen eventuell etwas resistenter gegen die Temperaturen gemacht hatte, aber bereits vor seiner Zeit als Dämon war es nicht anders. Während andere einer Frostbeule glichen und sich warm einpackten, war er selbst noch immer in Sachen unterwegs, die eher darauf hätten schließen lassen, es wäre nicht schon empfindlich kühl. Vielleicht lag es einfach daran, dass er ein Herbstkind war. Er mochte diese Jahreszeit, wenn die mitunter unerträgliche Wärme des Sommers verging, aber die tiefen Minustemperaturen des Winters noch nicht Einzug gehalten haben. Zudem mochte er die Farben und den Geruch des Herbstlaubs. So kitschig das vermutlich auch klang: Gerade zu dieser Zeit war er gerne draußen unterwegs.
Etwas, das der Engel neben ihm vermutlich nicht ganz so nachvollziehen konnte. Die Hand des anderen, die fest in seiner lag, wurde durch den eisigen Wind immer kälter und ohne groß darüber nachzudenken, schob er ihre Hände in die Tasche seines Hoodies. Dort waren sie zwar nicht komplett vor der Kälte aber doch vor dem Wind geschützt und konnten sich wieder ein wenig aufwärmen. Auch wenn er vielleicht nicht ganz so offen fürsorglich wie August war, so war er doch daran interessiert, dass es auch ihm gut ging und dazu gehörte auch, für warme Hände zu sorgen. Dass er somit noch um einiges mehr zeigte, dass der Schwarzhaarige zu ihm gehörte, war noch ein zusätzlich positiver Nebeneffekt, auch wenn es kaum noch Leute gab, die unter der Woche um diese Uhrzeit unterwegs waren.
Bei dem Gesprächsthema, das er mit seinen Fragen selbst angeschnitten hatte, war dies aber vermutlich auch ganz gut so. In der Öffentlichkeit über dämonenjagende Engel zu reden war nicht unbedingt schlau - zumindest nicht, wenn jeder Zeit jemand etwas davon mitbekommen könnte. Zum Glück war dies nicht der Fall und Crispin konzentrierte sich voll und ganz auf das, was August ihm erzählte.
Hätte er Aspen nicht schon zuvor abgrundtief gehasst, für das, was er August angetan hatte, dann wäre es spätestens jetzt der Fall. Die meisten Dämonen mochten es wirklich verdient haben, dass man sie aus dem Weg räumte, aber wer wusste schon, ob es nicht noch andere wie ihn gab, die relativ unschuldig in diese Welt hineingerutscht waren, weil sich irgendein Dämon einen Spaß erlaubte oder andere Ziele verfolgte? Etwas anderes, als dass einfach jeder seiner Art, der dem Engel über den Weg lief, vernichtet wurde, hatte er Aspen allerdings nicht zugetraut. Somit überraschte ihn dessen Vorgehensweise nicht im geringsten. Und auch bei dem Schwarzhaarigen neben sich konnte er es nachvollziehen, dass er so gehandelt hatte. Nicht nur, dass es ihm - wie er selbst sagte - so eingetrichtert wurde während des Trainings, er selbst trug mit Sicherheit ebenfalls eine gewisse Mitschuld am Handeln des anderen. Dass er seit ihrem Wiedersehen keinen einzigen Dämon mehr getötet hatte, überraschte ihn daher, weshalb er ihn für einen Moment auch einfach nur sprachlos ansah, bevor er seine Hand einmal fest drückte. Es beruhigte ihn. Crispin konnte nicht genau sagen warum, denn die anderen waren ihm egal. Doch wenn er genau darüber nachdachte, wäre es - vor allem jetzt - doch sehr heuchlerisch, wenn August weiter dieser Tätigkeit nachginge, wenn er dann abends zu seinem Dämon zurückkehrte. Mal ganz davon abgesehen, dass er sich schon jetzt Sorgen um ihn machte, wenn er daran dachte, dass er - sobald sie bei ihm waren - ein letztes Mal auf die Jagd gehen würde, ohne dass er wusste, was genau auf ihn wartete.
Die Tatsache, dass ihr erster Kuss auch Augusts liebster Zeitpunkt der Vergangenheit war, ließ sein Herz für einen Moment schneller schlagen und auch die Temperaturen um sie herum waren völlig egal, da sich eine angenehme Wärme in ihm ausbreitete. Der Engel war schon so lange am Leben, hatte sicher so einiges erlebt und unzählige Erinnerungen gesammelt, dass es ihn umso mehr freute, dass ausgerechnet ein Moment, den sie gemeinsam geteilt hatten, auf der Liste seiner schönsten Augenblicke ganz oben stand. Dass, was dieser Moment ausgelöst hatte, war zwar das komplette Gegenteil von schön und er konnte nicht abstreiten, dass er auf diese Erfahrung, die letzten zwei Jahre, gut und gerne hätte verzichten können, aber auch diese Zeit und die Geschehnisse hatten nicht ausgereicht, um sie vollkommen zu trennen. Es hatte sich gezeigt, dass ihre Gefühle stärker waren, als Aspens Plan und auch die Manipulation von Rixon.
Für einen Augenblick war er in dieser Erinnerung versunken, bis August seine Hand aus seiner löste, um sein Gesicht dahinter zu verstecken. Die leichte Röte, die sich auf seine Wangen geschlichen hatte, war nur dank der vielen Straßenlaternen um sie herum zu sehen, aber es reichte, um ein Lächeln auf seine Lippen zu zaubern. Bevor er allerdings etwas dazu sagen konnte, boxte ihn der andere, bevor er sich an ihn klammerte. Crispin fand es unheimlich süß, wie sein Freund darauf reagierte, obwohl er ihn kannte und wusste, auf welche Art und Weise er seine Zuneigung äußerte. Sein Freund… Als solchen konnte er ihn nun doch bezeichnen, oder? Er liebte ihn - das stand außer Frage - und er war sich inzwischen sicher, dass es auch von Augusts Seite so aussah. Somit war diese Bezeichnung doch zutreffend, auch wenn sie für ihn noch ein wenig ungewohnt war - was aber wohl einfach daran lag, dass er noch nie in einer Beziehung und vor August auch in niemanden verliebt war.
“So selbstverständlich war das bis vor kurzem leider nicht”, murmelte er leise, während sich wieder einmal die Frage in seinen Kopf schob, ob sich der andere wohl überlegt hatte, ihm komplett den Rücken zuzukehren, wenn sein Plan mit Aspens Handy nicht die gewünschten Informationen gebracht hätte. Allerdings verkniff er es sich, sie auszusprechen. Die Stimmung zwischen ihnen war unterschwellig gedrückt genug. Da musste er sie nicht noch mehr ruinieren, indem er diese Situation dem Engel wieder ins Gedächtnis rief. Aus diesem Grund verdrängte er sie ebenfalls wieder.
Genug Zeit für dieses Gespräch wäre ohnehin nicht, denn sie bogen bereits in die Straße ein, in der er wohnte und mit jedem Schritt, den sie nun liefen, sank seine Stimmung sehr weit ab. Der Moment, den er am liebsten noch unendlich weit in die Ferne geschoben hätte, war nun zum Greifen nah und dass er sich schlecht fühlte, war noch sehr untertrieben. Wieder einmal stieg in ihm das Bedürfnis auf, dass er den anderen nicht gehen lassen wollte. Am liebsten hätte er seine Hand ergriffen und ihn mit in sein Penthouse gezogen, um sich dort mit ihm für die nächsten Stunden - wenn nicht sogar Tage - einfach zurückzuziehen und ein Teil der gemeinsamen Zeit, die ihnen in den letzten Monaten und Jahren verwehrt blieb, nachzuholen. Da half es auch wenig, dass ihm August erzählte, dass er die Bilder auf seinem Handy gefunden hatte. Oder zumindest half es nur bedingt, denn auch dies ließ den Wunsch in ihm aufsteigen, ihn irgendwie dazu zu bringen, bei ihm zu bleiben. Die Erwähnung der Kamera ließ ihn dann aber doch stutzen und seinen egoistischen Wunsch kurzzeitig vollkommen vergessen. Überrascht sah er den Engel neben sich an und auch wenn er das Gefühl hatte, dass ihm dieser nicht alles sagte, was diesen Moment betraf, war seine Neugier geweckt. Am liebsten hätte er sofort danach geschaut, doch er schob diesen Gedanken beiseite, denn dafür war auch später noch Zeit. Stattdessen grummelte er gespielt beleidigt, weil er durchaus verstand, dass ihn der andere im Schlaf fotografiert hatte.
“Mich zu fotografieren, während ich schlafe, ist nicht gerade fair. Das hätten wir viel besser auf die Zeit danach schieben können.”
Dass er es damals selbst so gehandhabt und ein Bild des schlafenden Engels gemacht hatte, als sich dieser für eine kurze Zeit bei ihm ausgeruht hatte, nachdem er ihn nach Hause brachte, ignorierte er dabei gekonnt, auch wenn der Schwarzhaarige dieses Foto mit Sicherheit ebenfalls auf seiner Cloud gefunden hatte.
Wenig später war von der kurzzeitig aufgelockerten Stimmung nichts mehr übrig, als sie schlussendlich vor der Haustür des Gebäudes stehen blieben. Wenn es nach Cris ging, hätte sich dieser Moment noch ewig hinauszögern können, aber wie sich zeigte, gab ihm das Leben selten genau das, was er haben wollte - oder eben nur für kurze Zeit. Wenn er an etwas wie Karma glauben würde, hätte er sich gefragt, ob dies aufgrund seines Verhaltens so war oder er eben einfach nur Pech hatte. Schon jetzt spürte er, wie ihm die Einsamkeit im Nacken saß und nur darauf lauerte, ihn zu quälen, sobald August ihm den Rücken zuwandte und ging. Vermutlich könnte man sagen, er solle sich nicht so anstellen. Immerhin war er erwachsen und auch die letzten zwei Jahre vorrangig alleine. Somit sollten ein paar Tage ein Kinderspiel sein. Aber das waren sie nicht. Nicht einmal im geringsten. So lange hatte er sich danach gesehnt, dass es zwischen ihm und dem Engel wieder so war wie jetzt, hatte so oft gesehen, wie seine Hoffnungen darauf wie eine Seifenblase zerplatzten und ihn verletzt zurückließen und jetzt - wo er ihn endlich wieder an seiner Seite hatte - wollte er ihn einfach nicht gehen lassen.
“Ich bin zwei Jahre mehr oder weniger ohne dich zurechtgekommen, da sollten ein paar Tage kein Problem sein”, schnaubte er und versuchte damit herunterzuspielen, wie sehr es ihm missfiel. Zudem war ihre jetzige Situation eine vollkommen andere als zu der Zeit, in der sie sich gehasst hatten. Schließlich gab es da keinen Engel und keinen Dämon, die ihnen auf die Schliche kommen und herausfinden könnten, dass sie sie überführt hatten. Dieses Wissen war für sie beide gefährlich, denn nach seinem Gefühl waren sowohl Aspen als auch Rixon unberechenbar. Er traute beiden alles zu, sollten sie herausfinden, dass August und er sehr weit davon entfernt waren, sich zu hassen oder gar zu töten. Was die nächste Situation nur allzu deutlich zeigte, als der andere ihn zu sich zog und ihre Lippen kurz darauf aufeinander lagen. Gleichzeitig bestärkte der Kuss seinen Wunsch, bei dem er doch wusste, dass er nicht in Erfüllung gehen konnte. Er musste einige Tage ohne den anderen zurechtkommen und auf seine Nähe verzichten, die er genauso sehr brauchte wie die Luft zum Atmen. Aus diesem Grund legte er auch seine Hände auf die schmalen Hüften, um ihn ein Stück näher zu sich zu ziehen. Ein leiser unwilligen Laut entfuhr ihm, als sie sich voneinander lösten, doch die kühlen Finger, die sein Gesicht nachfuhren, waren zumindest eine kleine Wiedergutmachung.
“Eigentlich hat sie sich den Namen indirekt selbst gegeben. Sie fand die Keksverpackung nach dem Einkaufen so interessant, dass sie alles auf dem Boden verteilt und ihren Kopf in die Verpackung gesteckt hat”, erwiderte er leise und die Erinnerung daran ließ ihn leicht lächeln, was sich auch während des erneuten Kusses nicht änderte.
Crispins Blick folgte dem seines Freundes und bei den anschließenden Worten seufzte er fast tonlos. Die Schuldgefühle, weil er sie total vergessen hatte, machten sich wieder in ihm bemerkbar, denn das wieder gut zu machen, könnte ein hartes Stück Arbeit werden.
“Sie wird mir das sicher nicht so einfach verzeihen, dass ich sie vernachlässigt habe. Ich habe das Gefühl, da hat sie mit mir sehr viel gemeinsam. Ob sie mich nach dem Tag, wo sie alleine war, noch gern hat, werd ich wohl gleich sehen.”
Auch er war in diesem Punkt wirklich sehr nachtragend. Dass er es bei August nicht war, lag lediglich daran, dass er selbst daran schuld war, dass alles so gekommen war. Andernfalls stünden sie vielleicht nicht so nah beieinander vor seiner Haustür, während er sich wünschte, sie müssten sich nicht gleich voneinander verabschieden. Aber die Zeit ließ sich nicht anhalten. Sie lief erbarmungslos weiter, auch wenn sich Crispin schon jetzt sicher war, dass sie sich in den nächsten Tagen wie alter Kaugummi ziehen würde. So witzig er es auch fand, dass sich August nicht für die moderne Technik interessierte und immer wieder Probleme hatte, damit umzugehen, wenn er es doch einmal musste, so sehr ärgerte er sich nun darüber. Hätte der andere nicht so eine Abneigung gegen Handys und besäße eins, könnte er mit ihm in Kontakt bleiben und würde erfahren, ob es ihm - zumindest physisch - gut ging. Doch darauf würde er genauso verzichten müssen, wie auf die Nähe des Schwarzhaarigen und seine Abschiedsworte, genauso wie der sanfte Kuss, läuteten ihre letzten gemeinsamen Augenblicke ein.
“Auch wenn ich hoffe, dass du schnell wieder da bist, hoffe ich, dass du nicht unaufmerksam wirst. Also pass gut auf dich auf.”
Er klammerte sich ein letztes Mal etwas mehr an den anderen, zog ihn so nah wie möglich an sich, als dieser ihn umarmte, bevor er seine Hände widerwillig von ihm löste. Es muss sein. Seine innere Stimme war in diesem Moment wirklich wenig hilfreich, auch wenn sie recht hatte, denn der Anblick von August, der versuchte das alles herunterzuspielen, versetzte ihm einen Stich im Herzen. Bevor er allerdings dazu kam, noch etwas darauf zu erwidern, wandte sich der Engel von ihm ab, um zu gehen. Crispin selbst blieb stehen und sah ihm nach, unfähig sich auch nur einen Millimeter zu bewegen, während August langsam in der Dunkelheit verschwand. Und auch als er schon einige Minuten nicht mehr zu sehen war, machte er keine Anstalten, hineinzugehen. Die Einsamkeit, die genau auf diesen Augenblick gewartet hatte, überwältigte ihn und er biss sich auf die Unterlippe, die in den letzten 24 Stunden schon so sehr gelitten hatte. Der Schmerz, der sich dadurch allerdings bemerkbar machte, holte ihn aus seiner Starre und ihm wurde klar, dass es nichts brachte, weiter vor der Tür stehen zu bleiben, auch wenn er wusste, warum er das getan hatte. Ein kleiner Teil von ihm hatte gehofft, dass August noch einmal zurückkam, auch wenn es ihren Abschied nur noch sehr viel schwerer gemacht hätte. Und auch wenn genau dieser Teil enttäuscht war, war er doch froh darüber, dass sich der andere nicht noch einmal gezeigt hatte. Es hätte ihr Wiedersehen nach dem Auftrag nur hinausgezögert.

Nach einem letzten Blick in die Gasse, in der August verschwunden war, wandte er sich ebenfalls ab, öffnete die Tür und bahnte sich seinen Weg zu seiner Wohnung. Bereits im Treppenhaus hörte er das klägliche Miauen, das ihn seine Schritte beschleunigen ließ. Sich um Cookie zu kümmern, würde ihn hoffentlich eine Weile ablenken und genug Zeit verstreichen lassen. Dass er diese Nacht noch ein Auge zutat, daran glaubte er nicht. Nicht nur, dass er durch den erholsamen Schlaf bei dem anderen relativ fitt war, wusste er, dass ihm sein Kopf keine ruhige Minute geben würde, solange er alleine war.
Als er die Wohnungstür aufschloss, mauzte Cookie immer noch und der Blick, der ihn traf, als er das Licht anschaltete, war vorwurfsvoll. Er konnte es ihr allerdings absolut nicht verübeln, denn er hatte sie immerhin bei sich behalten, um ihr ein schönes Zuhause zu bieten und stattdessen glichen diese vier Wände einen Tag lang eher einem Gefängnis.
Sich um die kleine Fellnase zu kümmern, ihr Futter und auch einige Leckerlis zu geben und anschließend noch mit ihr zu spielen, bis sie müde war und sich auf seinem Bett zusammenrollte, um dort zu schlafen, dauerte bei weitem nicht so lange, wie er gehofft hatte. Auch das Chaos, das sie veranstaltet hatte, war schnell wieder beseitigt, sodass es noch immer mitten in der Nacht war, als sich Cris mit der Kuscheldecke, die ursprünglich August gehörte und bei der er froh war, dass er sie damals behalten und dem Engel stattdessen seine eigene gegeben hatte, auf die Fensterbank in seinem Schlafzimmer verzog. Dort holte er sein Handy aus seiner Hosentasche und steckte die Kopfhörer hinein, um leise Musik darüber laufen zu lassen. Dabei fiel ihm wieder ein, dass August heimlich Fotos gemacht hatte, die er nun in seiner Galerie suchte und aufrief. Das erste Bild, das ihm entgegensprang, sorgte dafür, dass sich sein Herz schmerzhaft zusammenzog. Seit der andere erwähnt hatte, dass er auch die Kamera entdeckt hatte, war er davon ausgegangen, dass er lediglich ein Bild von ihm gemacht hatte. Das gemeinsame Foto war daher eine schöne Überraschung, die ihm auch wieder aufzeigte, was er die nächsten Tage nicht haben würde. Ein weiteres Mal malträtierte er seine Unterlippe, zog die Beine dabei näher an seinen Körper, während er das Handy an seinen Oberkörper drückte und sich anschließend über seine Knie beugte.
Gedanken und Fragen schossen ihm in den Kopf. Hatte er den Engel wirklich verdient? Hatte er es verdient, dass er bei ihm blieb und sich nun für ihn in Gefahr brachte? Inzwischen wussten sie, dass Aspen und Rixon unter einer Decke steckten, sie beide manipuliert hatten und doch konnte er nicht abstreiten, dass er eine große Mitschuld an allem trug. Hätte er August vertraut, wäre er nicht der Meinung gewesen, er hätte ihn - nach allem, was er für ihn getan hatte - ebenfalls im Stich gelassen, sogar mit ihm nur gespielt, dann hätte er sich niemals von Rixon dermaßen um den Finger wickeln lassen. Niemals hätte er die Entscheidung getroffen, ebenfalls zu einem Dämon zu werden, weil er so wütend war, dass er sich zeitweise sogar vorgemacht hatte, er wäre in der Lage, sich ernsthaft an der Person zu rächen, die er tief in seinem Inneren auch zu diesem Zeitpunkt immer noch geliebt hatte. Es wäre alles anders gekommen und auch wenn sie nicht wussten, ob sich die beiden nicht am Ende einfach etwas anderes hätten einfallen lassen, um ihnen zu schaden, so war es nicht von der Hand zu weisen, dass er August nicht genug vertraut hatte. Dabei war dieser der einzige, der ihn so akzeptierte, wie er war, der für ihn da war, wenn er ihn brauchte und nach all dem hatte er so lange so ein schlechtes Bild von ihm. Konnte ihm das der andere also wirklich einfach verzeihen, auch wenn er ihm das so sagte?
Mit all diesen Gedanken im Kopf, die seine noch immer nicht wieder komplett aufgefüllten Energiereserven ein weiteres Mal völlig ausschöpften, fiel er nach einer gefühlten Ewigkeit in einen unruhigen Schlaf.

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