Crispin Cipriano
28.07.2021, 21:22
In seinem ganzen bisherigen Leben kam es wirklich selten vor, dass Crispin etwas bereute. Seiner Meinung nach war die Zeit, die man auf dieser Welt hatte, viel zu kurz dafür, um Entscheidungen zu bereuen und sich zu wünschen, man hätte etwas anders gemacht. Auch jetzt noch war er dieser Meinung, selbst wenn sein Leben nun weit weniger begrenzt war, als noch zu der Zeit, in der er ein Mensch war. Dennoch bereute er wenig und einige Dinge, die er vor kurzem noch am liebsten anders gemacht hätte, wollte er nun keinesfalls mehr ändern. Denn genau diese Entscheidungen hatten ihn unter anderem an diesen Punkt hier gebracht. Es war kompliziert zwischen ihnen - mehr als je zuvor - aber dennoch konnte er nicht leugnen, dass er alles, was er in seiner Zeit mit dem Engel getan hatte, wieder genauso machen würde.
Gerade in diesem Moment wünschte er sich allerdings, er könnte die Zeit noch einmal zurückdrehen, sodass er auf Augusts Geständnis anders reagieren könnte, als sich dieser von ihm löste und abwandte. Ein stechender Schmerz grub sich in sein Herz, hielt es aber gleichzeitig auch unbarmherzig gefangen. Die Wärme und das angenehme Gefühl einer altbekannten Geborgenheit, die er damals nur bei dem anderen verspürt hatte, verschwanden und machten einem Gefühl der Kälte und Leere Platz. Hinzu kam die Befürchtung, dass seine fehlende Reaktion vielleicht die Situation ruiniert hatte und die kurze Zeit des Friedens zwischen ihnen vorbei war. Dieser Gedanke schmerzte ebenfalls und Crispin ballte die Hände zu Fäusten. Was hatte er aber auch erwartet?! Dass sie ewig so miteinander umgehen würden, wie in den letzten Minuten? Das war vielleicht früher der Fall, doch diese Zeiten waren scheinbar vorüber. Dabei war es genau das, was er sich wünschte. Doch so wie es aussah, war dies nur ein Traum, der niemals in Erfüllung gehen würde und stattdessen jedes Mal, wenn er sich wieder darauf Hoffnung machte, früher oder später wie eine Seifenblase platzte.
Das war es dann wohl?!
Die Frage lag ihm bereits auf der Zunge, aber er kam nicht dazu, sie tatsächlich auszusprechen. August überraschte ihn, als er sich wieder zu ihm wandte, ihn genauso perplex ansah, wie er es selbst eben noch gewesen war und anschließend wieder auf ihn zukam, nachdem er sich gefangen hatte. Seine Nähe und sein Duft benebelten seine Sinne direkt wieder, als der andere vor ihm stand und seine Arme um ihn schlang.
“Genau das war doch insgeheim immer unser Motto”, erwiderte er mit einem kleinen Lächeln, wobei er sich eine Spur Traurigkeit dabei nicht verkneifen konnte. “Und das könnte es auch immer noch sein…”
Zumindest wünschte er sich genau das. Damals waren sie ein gutes Team, alleine hingegen nur zwei verlorene Seelen, die einen Platz suchten, ankommen und jemanden finden wollten, der sie besser verstand als jeder andere - oder in seinem Fall überhaupt verstand. Nun waren sie wieder alleine, im Grunde erneut auf der Suche und landeten doch immer wieder bei dem anderen. Als wären sie noch immer mit einem unsichtbaren Band miteinander verbunden, das sie wie ein Gummiband zueinander zog, wenn sie sich zu weit von dem anderen entfernten.
Halt suchend legte er seine Hände erst auf die Hüfte des Engels, spielte mit dem Saum des Sakkos, bevor er sowohl unter dieses als auch unter das Oberteil schlüpfte, um die warme, weiche Haut unter seinen Fingern zu spüren. Er brauchte das gerade, da die Anspannung mit jeder verstreichenden Sekunde stieg, in der er darauf wartete, wie August auf seine Worte wohl reagierte und er hoffte einfach, dass dies für den anderen in Ordnung war. Als er dann schließlich seine Antwort erhielt, konnte er sich ein Augenrollen nicht verkneifen.
“Ich hatte ohnehin nicht vor, dass hier und jetzt zu besprechen. Schließlich hast du mich gefragt, was ich mir nach diesem Abend erhoffe und nicht von diesem Abend…”
Wobei er letzteres selbst nicht einmal wusste. Als er diesen Ball betreten hatte, war dies anders. Er wollte einfach nur Ablenkung von August. Wodurch diese Situation nun äußerst seltsam war, da er sich gerade nichts anderes wünschte, als dass es so blieb wie jetzt. Friedlich und mit einer Nähe zwischen ihnen, von der er nicht geglaubt hatte, dass sie noch existierte, ohne ein schwacher Abdruck von dem zu sein, was früher da war. Ob dies nach diesem wichtigen Gespräch noch immer so sein würde? Oder war dies seine letzte Gelegenheit, um dem egoistischen Teil seiner selbst das zu gönnen, was er wollte? Crispin wusste es nicht, doch zusammen mit diesen Fragen schoben sich auch ganz andere in seinen Kopf. Fragen, die ihn dazu brachten mit den Fingern noch ein Stück weiter nach oben zu wandern und August so nah an sich zu ziehen, wie es ihm möglich war, ohne dem anderen wehzutun.
Was war, wenn er mit all seinen Vermutungen falsch lag? Was, wenn August nie mit ihm gespielt und er alles zwischen ihnen wegen einer falschen Annahme aufs Spiel gesetzt hatte? Und was, wenn es dadurch trotz dieses Abends und ihrem momentanen Umgang kein Zurück mehr gab? Es würde ihn vermutlich zerstören, zu wissen, dass all ihr Leid der letzten Monate und vor allem Tage, vermeidbar gewesen wäre und er alles kaputt gemacht hatte.
Doch auf der anderen Seite stand auch die Frage im Raum: Was war, wenn er richtig liegt und der Engel ihm die ganze Zeit etwas vorgemacht hatte? War dann alles von diesem Abend und der letzten Zeit ebenfalls nur vorgespielt? Und vor allem: Was würde er tun, wenn es so war? Besonders auf diese Frage wusste Crispin keine Antwort. Richtig wäre es wohl, seinen ursprünglichen Plan umzusetzen und den anderen zu töten. Allein bei dem Gedanken sträubte sich jedoch alles in ihm, denn im Moment würde er wohl eine ganz andere Entscheidung treffen. Eine äußerst masochistische und selbstzerstörerische Entscheidung. Müsste er sich jetzt auf der Stelle entscheiden, ob August ein Teil seines Leben bleiben würde oder nicht, würde er wohl ohne zu zögern ja sagen. Er würde mit der Lüge leben, dass er dem anderen etwas bedeutete, dass es etwas in ihm auslöste, wenn sie sich so nah waren. Er würde es ertragen, dass dem nicht so war, solange er den anderen nur wieder bei sich hatte und nicht mehr alleine war. Crispin wusste, dass ihn das Wissen darüber, dass alles nur ein meisterhaftes Schauspiel des Engels war, langsam aber sicher kaputt machen würde, doch gerade wäre er dazu bereit gewesen.
Beide Szenarien wären unglaublich schmerzhaft und er froh, als August ihn erfolgreich davon ablenkte, als sich dessen Lippen wieder auf seine legten. Bereitwillig ließ er sich darauf ein, wollte einfach wieder alles um sich herum und was ihm durch den Kopf gegangen war, vergessen. Selbst dass er ihn eben noch darum gebeten hatte, bei ihm zu bleiben und sich damit so verletzlich wie schon lange nicht mehr vor dem Engel gezeigt hatte, war vergessen. Dennoch legten sich die Worte des Engels wie ein schützender Mantel um sein Herz und hinterließ ein warmes Gefühl in ihm. Als sie sich kurz voneinander lösten, zog sich Cris die Maske vom Kopf und klaute auch Augusts. Maskenball hin oder her - im Moment empfand er sie als störend. Beide ließ er einfach neben sich zu Boden fallen, während sich ihre Lippen zu einem weiteren Kuss fanden. Erst als sein Körper nach Luft verlangte, löste er sich widerwillig von August, blieb ihm aber dennoch sehr nah.
“Vielleicht sollten wir lieber verschwinden.”
Nicht nur, dass ihm solche Veranstaltungen noch immer nicht interessierten, wollte er im Moment auch am liebsten mit August alleine sein, einfach seine Nähe genießen, ohne dass neugierige Blicke auf ihnen liegen konnten.
“Außer du willst doch noch provozieren, dass wir rausgeschmissen werden”, ergänzte er mit einem frechen Grinsen, da diese Vorstellung durchaus ebenfalls etwas hatte.
Gerade in diesem Moment wünschte er sich allerdings, er könnte die Zeit noch einmal zurückdrehen, sodass er auf Augusts Geständnis anders reagieren könnte, als sich dieser von ihm löste und abwandte. Ein stechender Schmerz grub sich in sein Herz, hielt es aber gleichzeitig auch unbarmherzig gefangen. Die Wärme und das angenehme Gefühl einer altbekannten Geborgenheit, die er damals nur bei dem anderen verspürt hatte, verschwanden und machten einem Gefühl der Kälte und Leere Platz. Hinzu kam die Befürchtung, dass seine fehlende Reaktion vielleicht die Situation ruiniert hatte und die kurze Zeit des Friedens zwischen ihnen vorbei war. Dieser Gedanke schmerzte ebenfalls und Crispin ballte die Hände zu Fäusten. Was hatte er aber auch erwartet?! Dass sie ewig so miteinander umgehen würden, wie in den letzten Minuten? Das war vielleicht früher der Fall, doch diese Zeiten waren scheinbar vorüber. Dabei war es genau das, was er sich wünschte. Doch so wie es aussah, war dies nur ein Traum, der niemals in Erfüllung gehen würde und stattdessen jedes Mal, wenn er sich wieder darauf Hoffnung machte, früher oder später wie eine Seifenblase platzte.
Das war es dann wohl?!
Die Frage lag ihm bereits auf der Zunge, aber er kam nicht dazu, sie tatsächlich auszusprechen. August überraschte ihn, als er sich wieder zu ihm wandte, ihn genauso perplex ansah, wie er es selbst eben noch gewesen war und anschließend wieder auf ihn zukam, nachdem er sich gefangen hatte. Seine Nähe und sein Duft benebelten seine Sinne direkt wieder, als der andere vor ihm stand und seine Arme um ihn schlang.
“Genau das war doch insgeheim immer unser Motto”, erwiderte er mit einem kleinen Lächeln, wobei er sich eine Spur Traurigkeit dabei nicht verkneifen konnte. “Und das könnte es auch immer noch sein…”
Zumindest wünschte er sich genau das. Damals waren sie ein gutes Team, alleine hingegen nur zwei verlorene Seelen, die einen Platz suchten, ankommen und jemanden finden wollten, der sie besser verstand als jeder andere - oder in seinem Fall überhaupt verstand. Nun waren sie wieder alleine, im Grunde erneut auf der Suche und landeten doch immer wieder bei dem anderen. Als wären sie noch immer mit einem unsichtbaren Band miteinander verbunden, das sie wie ein Gummiband zueinander zog, wenn sie sich zu weit von dem anderen entfernten.
Halt suchend legte er seine Hände erst auf die Hüfte des Engels, spielte mit dem Saum des Sakkos, bevor er sowohl unter dieses als auch unter das Oberteil schlüpfte, um die warme, weiche Haut unter seinen Fingern zu spüren. Er brauchte das gerade, da die Anspannung mit jeder verstreichenden Sekunde stieg, in der er darauf wartete, wie August auf seine Worte wohl reagierte und er hoffte einfach, dass dies für den anderen in Ordnung war. Als er dann schließlich seine Antwort erhielt, konnte er sich ein Augenrollen nicht verkneifen.
“Ich hatte ohnehin nicht vor, dass hier und jetzt zu besprechen. Schließlich hast du mich gefragt, was ich mir nach diesem Abend erhoffe und nicht von diesem Abend…”
Wobei er letzteres selbst nicht einmal wusste. Als er diesen Ball betreten hatte, war dies anders. Er wollte einfach nur Ablenkung von August. Wodurch diese Situation nun äußerst seltsam war, da er sich gerade nichts anderes wünschte, als dass es so blieb wie jetzt. Friedlich und mit einer Nähe zwischen ihnen, von der er nicht geglaubt hatte, dass sie noch existierte, ohne ein schwacher Abdruck von dem zu sein, was früher da war. Ob dies nach diesem wichtigen Gespräch noch immer so sein würde? Oder war dies seine letzte Gelegenheit, um dem egoistischen Teil seiner selbst das zu gönnen, was er wollte? Crispin wusste es nicht, doch zusammen mit diesen Fragen schoben sich auch ganz andere in seinen Kopf. Fragen, die ihn dazu brachten mit den Fingern noch ein Stück weiter nach oben zu wandern und August so nah an sich zu ziehen, wie es ihm möglich war, ohne dem anderen wehzutun.
Was war, wenn er mit all seinen Vermutungen falsch lag? Was, wenn August nie mit ihm gespielt und er alles zwischen ihnen wegen einer falschen Annahme aufs Spiel gesetzt hatte? Und was, wenn es dadurch trotz dieses Abends und ihrem momentanen Umgang kein Zurück mehr gab? Es würde ihn vermutlich zerstören, zu wissen, dass all ihr Leid der letzten Monate und vor allem Tage, vermeidbar gewesen wäre und er alles kaputt gemacht hatte.
Doch auf der anderen Seite stand auch die Frage im Raum: Was war, wenn er richtig liegt und der Engel ihm die ganze Zeit etwas vorgemacht hatte? War dann alles von diesem Abend und der letzten Zeit ebenfalls nur vorgespielt? Und vor allem: Was würde er tun, wenn es so war? Besonders auf diese Frage wusste Crispin keine Antwort. Richtig wäre es wohl, seinen ursprünglichen Plan umzusetzen und den anderen zu töten. Allein bei dem Gedanken sträubte sich jedoch alles in ihm, denn im Moment würde er wohl eine ganz andere Entscheidung treffen. Eine äußerst masochistische und selbstzerstörerische Entscheidung. Müsste er sich jetzt auf der Stelle entscheiden, ob August ein Teil seines Leben bleiben würde oder nicht, würde er wohl ohne zu zögern ja sagen. Er würde mit der Lüge leben, dass er dem anderen etwas bedeutete, dass es etwas in ihm auslöste, wenn sie sich so nah waren. Er würde es ertragen, dass dem nicht so war, solange er den anderen nur wieder bei sich hatte und nicht mehr alleine war. Crispin wusste, dass ihn das Wissen darüber, dass alles nur ein meisterhaftes Schauspiel des Engels war, langsam aber sicher kaputt machen würde, doch gerade wäre er dazu bereit gewesen.
Beide Szenarien wären unglaublich schmerzhaft und er froh, als August ihn erfolgreich davon ablenkte, als sich dessen Lippen wieder auf seine legten. Bereitwillig ließ er sich darauf ein, wollte einfach wieder alles um sich herum und was ihm durch den Kopf gegangen war, vergessen. Selbst dass er ihn eben noch darum gebeten hatte, bei ihm zu bleiben und sich damit so verletzlich wie schon lange nicht mehr vor dem Engel gezeigt hatte, war vergessen. Dennoch legten sich die Worte des Engels wie ein schützender Mantel um sein Herz und hinterließ ein warmes Gefühl in ihm. Als sie sich kurz voneinander lösten, zog sich Cris die Maske vom Kopf und klaute auch Augusts. Maskenball hin oder her - im Moment empfand er sie als störend. Beide ließ er einfach neben sich zu Boden fallen, während sich ihre Lippen zu einem weiteren Kuss fanden. Erst als sein Körper nach Luft verlangte, löste er sich widerwillig von August, blieb ihm aber dennoch sehr nah.
“Vielleicht sollten wir lieber verschwinden.”
Nicht nur, dass ihm solche Veranstaltungen noch immer nicht interessierten, wollte er im Moment auch am liebsten mit August alleine sein, einfach seine Nähe genießen, ohne dass neugierige Blicke auf ihnen liegen konnten.
“Außer du willst doch noch provozieren, dass wir rausgeschmissen werden”, ergänzte er mit einem frechen Grinsen, da diese Vorstellung durchaus ebenfalls etwas hatte.