Wind Beyond Shadows

Normale Version: Behind the mask
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Der Wohltätigkeitsball schrie geradezu nach passender Ablenkung für den Engel und wo fand man bessere Zuflucht, als an der Bar mit einem schönen Gin Tonic? Menschenmengen waren noch nie sein Ding gewesen und so verbrachte er seine Zeit lieber in der Nähe des Barkeepers, der die einzige Person sein würde, mit der er mehr als zwei Sätze wechselte. Die Garderobe für den Abend gefiel ihm sehr gut - so war die Wahrscheinlichkeit, dass er jemandem den er kannte über den Weg lief und diese Person ihn erkannte, ziemlich gering. Im Haus seiner Hülle hatte er eine recht hübsche schwarze Maske mit dezenter Verzierung gefunden, die gut zu seinem Outfit passte. Einen richtigen Anzug hatte er auf die Schnelle nicht gefunden, also tat es sein rotes Sakko mit seinem gewohnten Silberschmuck.
"Einen Gin Tonic bitte.", teilte er dem Barkeeper mit und nahm am Rand des Tresens Platz, wo er weniger auffiel und vorerst seine Ruhe hatte. Noch war es ruhig, aber er war auch frühzeitig hierher gekommen, da er es Zuhause nicht mehr ausgehalten hatte. Seine Gedanken schweiften ständig ab - zu einer bestimmten Person - über die er ehrlich gesagt momentan nicht nachdenken wollte, denn egal wie viel er grübelte, er fand einfach keinen grünen Zweig, keine Lösung, die ihn zufrieden stimmte. Alles was zwischen ihnen vorgefallen war, seitdem sie sich wieder getroffen hatten, machte ihn viel zu sehr zu schaffen und mittlerweile wusste er die stillen Momente, an denen er an etwas anderes dachte, mehr als zu schätzen. Der Ball war, wie gesagt, perfekt dafür. Auch wenn er sich eher im Hintergrund aufhalten und seinen Drink bei guter Musik genießen würde. Das reichte schon und war abwechslungsreich genug, im Vergleich zu den letzten Tagen, die er eingesperrt in dem Haus verbrachte, wo er sich nur von Instantnudeln und Chips ernährt hatte, um ja nicht das Haus verlassen zu müssen. Sein Drink wurde serviert und er nickte dankend, ehe er an dem eiskalten Glas nippte und danach gedankenverloren mit seinen Ringen am Finger spielte.

Crispin Cipriano

Noch schlimmer konnte dieser Tag eigentlich gar nicht mehr werden, als er es vor wenigen Minuten wurde. Normalerweise waren solche Veranstaltungen wie ein Wohltätigkeitsmaskenball überhaupt nichts für ihn. Crispin hatte schon sehr früh angefangen solche Termine zu schwänzen, wenn ihn seine Familie mal wieder damit nervte, mit hingehen zu müssen. Heute sah die Sache allerdings ein wenig anders aus, denn er war freiwillig hier. Wenn ihm das jemand vor einiger Zeit gesagt hätte, hätte er ihn vermutlich für verrückt erklärt. Doch Zeiten änderten sich und so hatte er beschlossen, ein wenig Ablenkung auf diesem Ball zu suchen - genau das, was er momentan brauchte, da ihm sein Kopf einfach keine Ruhe ließ. Dass es seine Laune ein wenig heben könnte, hierher zu kommen, damit hatte er an sich nicht gerechnet, dass sie noch mieser wurde allerdings auch nicht. Der Mann am Eingang, der die Spenden für den Abend einsammelte, hatte dies jedoch einwandfrei geschafft.
Crispin sah nicht ein, warum er Geld dafür geben sollte, diese Veranstaltung zu besuchen - nicht, weil er es sich nicht leisten könnte, sondern einfach weil er in der Regel von solchen Veranstaltungen überhaupt nichts hielt. Das Problem war nur: wollte er dennoch teilnehmen, musste er sich als Begleitperson für die Auktion bereit erklären. Im ersten Moment wollte er direkt wieder kehrt machen, als er das hörte, doch die erhoffte Ablenkung hatte ihn dann doch zu sehr gelockt und er hatte widerwillig zugestimmt. Zudem war er sich sicher, dass ohnehin niemand für ihn bieten würde - notfalls würde er dafür sorgen, denn er hatte so gar keine Lust, hier jemandem ernsthaft Gesellschaft zu leisten.
Mit einem Seufzen bahnte er sich einen direkten Weg zur nächstbesten Bar. Was - zu seiner Verwunderung - recht einfach war, da es noch relativ ruhig war. Er hoffte, dass ihn der ein oder andere Drink davon ablenkte, dass er im Laufe des Abends eventuell noch versteigert wurde. Wenn man es genau nahm, klang das wie bei einem Sklavenmarkt. Allerdings wäre seine einzige andere Wahl gewesen, wieder zu gehen und das stand genauso wenig zur Debatte, wie das Geld zu bezahlen. Wobei er schon überrascht war, dass niemand etwas wegen seines Outfits gesagt hatte. Von Anzügen hatte er noch nie etwas gehalten, weshalb die seines Bruders auch mit als erstes in den Müll gewandert waren, nachdem er seinen Körper besetzt hatte und in dessen Haus gezogen war. An die Regel, eine Maske zu tragen, hatte er sich jedoch gehalten, nachdem ihm in den letzten Tagen eher zufällig eine ins Auge gefallen war, während er in der Stadt unterwegs war, die ihm genug gefiel und passte.
Nachdem sich Crispin auf einem der Barhocker niedergelassen hatte und der Barkeeper zu ihm kam, musste er nicht lange überlegen, was er haben wollte.
“Einen Wodka und wenn's geht ein wenig zügig.”
Während er darauf wartete, dass der Angestellte zu Potte kam, bemerkte er aus dem Augenwinkel heraus, wie sich ein blau-grüner Haarschopf in sein Blickfeld schob. Ohne in die Richtung zu schauen, hatte er direkt einen Verdacht, um wen es sich dabei handelte - die Haarfarbe war einfach zu ungewöhnlich. Und dennoch wandte er seinen Blick zu der Person und presste sofort die Kiefer aufeinander, als sich sein Verdacht bestätigte und August nur ein paar Meter von ihm entfernt saß - ausgerechnet die Person, der er aus dem Weg gehen und von der er sich an diesem Abend ablenken wollte. Doch das kam davon, wenn man nicht auf die anderen Leute achtete, während man durch das Haus lief. Die unterschiedlichsten Gefühle - alles, was sich in den letzten Tagen angesammelt hatte - stieg in ihm auf und machte es ihm für einen Moment absolut unmöglich, sich zu bewegen oder wegzusehen und wie so viele Male verfluchte er sich selbst dafür.
Passend zum Rhythmus der Musik, tippte er mit den Fingerspitzen auf den Tresen und konnte dabei nicht verhindern, dass seine Gedanken einmal wieder zu einer ganz bestimmten Person schweiften, die er an dem heutigen Abend eigentlich vergessen wollte. Hier ganz alleine an der Bar war es aber schwer nicht an den jungen Dämon zu denken und sein halb leerer Gin Tonic zeigte bei ihm leider keine Wirkung, was er ausnahmsweise schade fand. Ein Rausch wäre ihm jetzt viel zu gut gekommen. So nippte er an dem bitterem Drink ausschließlich wegen des Geschmacks und musste sich wohl oder übel damit abfinden, dass es unmöglich für ihn war, an etwas anderes als die letzten Treffen mit Crispin zu denken. Nervig, wirklich.
So tief, wie er in seinen Gedanken versunken war, merkte er nicht einmal, wie sich eine zweite Person an die Bar setzte - erst als er den Blick des anderen förmlich auf sich spürte, schielte er etwas zur Seite. Das Licht an der Bar war gedämpft und mit der Maske konnte er ohnehin nicht sofort erkennen, um wen es sich handelte. Sicher war jedoch, dass August in dem Moment eine Idee kam. Eine ziemlich dumme, wenn er so darüber nachdachte, aber Nachdenken war heute nicht sein Ziel. Er wollte vergessen, abgelenkt werden und die Person schien sich dafür zu eignen, wenn es auch nur auf ein Gespräch hinauslief.
Er konnte auf den ersten Blick zumindest sagen, dass die Person nicht schlecht aussah. Ja, nahezu schon sein Geschmack, wenn man diesen auf Crispins Aussehen reduzierte, was er so niemals öffentlich bestätigt hätte. Für einen kurzen Moment dachte er auch, dass es eben dieser war, aber er schob es auf seine Paranoia und seine Hoffnung, ihn einfach überall zu sehen. Außerdem war er sich ziemlich sicher, dass der Dämon nicht auf solche Feste ging - hatte er früher schon nicht und stattdessen die Flucht gesucht und seine Zeit bei August verbracht. Hach ja, gute alte Zeiten. Nur leider schon lange vorbei. Und zwar für immer.
August fasste in dem Moment den Entschluss, seinen Plan durchzuziehen, so falsch es sich auch anfühlte, aber er wollte endlich, dass Ruhe in seinem Kopf herrschte, wenn auch nur für kurze Zeit. Der Grünhaarige erhob sich und nahm sein Glas in die Hand, ehe er hinüber zu dem anderen schlenderte und sich neben ihn setzte. Das war eigentlich überhaupt nicht sein Ding. Er war nicht gut in sowas... Doch vielleicht reichte es, um sein Hirn endlich abzuschalten, wenn es der Alkohol schon nicht übernahm. Sein Glas stellte er wieder ab, ehe er sich an den größeren wandte: "Was macht jemand Hübsches wie du-"
Teer.
Er roch nach süßem, dickflüssigem Teer, gemischt mit einer ganz eigenen Note, die ihm sofort auffiel, als er ihn endlich ansah und dann traf es ihn wie ein Schlag.
"C-crispin?!" Was machte er hier? Spielte ihm seine Fantasie wieder einen Streich? Nein, er war es ganz sicher. Diese Augen, diese Lippen, dieser Duft. August lehnte sich sofort weg von ihm, um einen Sicherheitsabstand einzulegen. "Was um Himmels Willen machst du hier?", fragte er, immer noch entsetzt, was wohl eher daran lag, dass er ihn vorhin einfach schamlos angebaggert hatte. Ausgerechnet ihn!

Crispin Cipriano

Nur am Rande bekam Crispin mit, wie der Barkeeper seinen Drink vor ihm auf die Theke stellte. Dass er bis eben noch etwas trinken wollte - und im schlimmsten Fall seine Gedanken im Alkohol ertränkte - war allerdings völlig vergessen. Noch immer lag sein Blick auf August, unfähig etwas zu sagen oder zu tun, während ihn der andere nicht einmal mitzubekommen schien. Dies gab ihm allerdings die Möglichkeit, den Engel genau zu betrachten, dem er in den letzten Tagen mit Absicht aus dem Weg gegangen war, auch wenn er nicht komplett verhindern konnte, dass er seine Nähe regelrecht suchte. Ihn hier nun zu sehen, warf ihn dabei völlig aus der Bahn, da er doch eigentlich etwas völlig anderes vorhatte. Als erstes fiel ihm auf, dass sich das auffällige blau seiner Haare langsam zu einem grün verfärbte und sich dadurch ziemlich mit dem roten Jackett biss. Doch trotz dieser Kleinigkeiten und der Tatsache, dass er der Meinung war, dass dem anderen blonde oder schwarze Haare besser standen, musste er sich eingestehen, dass er wirklich gut aussah, was nur dazu führte, dass er die Zähne noch weiter zusammenbiss, da er doch gerade daran nicht denken wollte.
Unvermittelt wurde er aus seinen Gedanken geholt, als August nun doch zu ihm sah, allerdings anders reagierte, als er es erwartet hätte. Fast schon wie selbstverständlich kam er zu ihm gelaufen und Crispin hätte in diesem Augenblick schwören können, dass August ihn nicht erkannte - was neben der Maske und dem eher gedimmten Licht auch daran liegen konnte, dass er sich seine Haare von rot wieder zu schwarz gefärbt hatte, um weniger aufzufallen. Und dennoch war er vollkommen irritiert, als er neben ihm stand und ihn tatsächlich versuchte anzugraben.
Wäre die Situation zwischen ihnen eine andere, hätte er sich vermutlich tatsächlich ein wenig geschmeichelt gefühlt, dass er ihn hübsch nannte, aber die Situation war eben keine andere - ganz egal, wie sehr er sich das insgeheim auch wünschte. Stattdessen schmerzte es ihn, zu wissen, dass August ihn für jemand anderes hielt und ihn einfach anbaggerte, obwohl er wusste, dass dies eigentlich nicht sein Stil war. Oder hatte er sich diesbezüglich ebenfalls in dem anderen geirrt? Wer wusste schon, was von dem wirklich echt war, was er von August wusste… Dass er schockiert darüber war, dass er und kein anderer es war, der hier saß, traf ihn ebenfalls, doch sich das anmerken zu lassen, war das Letzte, was er wollte. Dafür hatte er - seit sie sich wiedergesehen haben - schon zu viel preisgegeben.
“Wenn das ein Scherz sein sollte, ist er ordentlich in die Hose gegangen! Und sorry? dass ich hier bin. Aber ich bin es mit Sicherheit nicht wegen dir. Du bist aus meinem Leben gestrichen!”
Es war eine mehr als offensichtliche Lüge - zumindest in seinen Ohren. August war der Grund, warum er hier war - wenn auch nur, um sich von ihm abzulenken. Vollkommen aus seinem Leben und seinen Gedanken streichen konnte er ihn nicht, egal wie sehr er es auch versuchte. Der verfluchte Engel schlich sich immer wieder in seinen Kopf oder wie jetzt in sein Leben.
Wenn er es nicht besser gewusst hätte, wäre er glatt der Meinung gewesen, dass jemand von oben diese Situationen erzwang, denn es grenzte schon an ein Wunder, dass sich die beiden Streithälse einmal nicht über den Weg rannten. Es schien, als wären sie immer in der Nähe des anderen, wenn es gerade am meisten nach Abstand verlangte. Früher war das nicht anders, aber da störte es ihn weniger, dass er dem anderen über den Weg lief - im Gegenteil: er sehnte sich danach. Ein kleiner Teil von dieser Sehnsucht schlich sich auch heute in sein Herz und dass er ausgerechnet jemanden ansprechen wollte, der so aussah wie Crispin sprach eigentlich dafür, dass er ihn einfach nicht vergessen konnte, egal wie sehr er es versuchte.
Der Dämon sah gut aus. Sein Haar war pechschwarz, was seine Gesichtszüge harscher wirken ließ und vielleicht wurde August ein wenig schwach bei dem Anblick. Seine Garderobe schrie ebenfalls einfach nach Crispin. Selbst wenn es einen Codex gab, was die Kleidung anging, rebellierte er und dem Engel gefiel das ebenfalls viel mehr, als er zugeben würde. Cris war eben keine x-beliebige Person. Er war rebellisch, wehrte sich, wenn ihm etwas gegen den Strich ging und waren es nicht genau diese Eigenschaften, die der Grünhaarige von anfang an anziehend fand? Wie konnte er bloß denken, jemand anderen auf diesem blöden Ball zu finden, wenn doch niemand so war wie der Jüngere? Aussehen war nicht alles und selbst wenn er jemanden gefunden hätte, der zumindest in der Hinsicht dem Dämon ähnelte, wäre er spätestens nach den ersten Worten, die er mit der Person gewechselt hätte, enttäuscht gewesen, weil sie seine Erwartungen nicht erfüllte.
Es machte ihn krank, dass er an gar keine andere Person denken konnte, dass niemand sonst sein Herz so in Beschlag nahm, wie der Jüngere es tat...
Du bist aus meinem Leben gestrichen. Das schmerzte. Vielleicht sogar mehr als alles was er bis jetzt einstecken musste. Wieso konnte er so einfach mit ihm abschließen, während August an nichts anderes als an ihn denken konnte? In seinem Kopf ging es ständig nur um Cris, Cris, Cris. Und das ununterbrochen. Fast hätte er ihn gefragt, aber dafür war er dann doch nicht verzweifelt genug und zu stolz.
"Gut, dann haben wir ja etwas gemeinsam. Aus meinem bist du nämlich auch gestrichen.", log er wie ein Weltmeister und bemühte sich nicht allzu verletzt zu klingen. Seinen Gin Tonic leerte er in einem Zug, als würde es etwas bringen, aber der gewünschte Effekt blieb wie immer aus. "Also bist du nur hier, um dich zu betrinken? Wie willst du es im betrunkenen Zustand überhaupt nach Hause schaffen?" ,fragte er und hasste sich sogleich dafür, dass er besorgter klang als beabsichtigt. Crispin machte oft Dummheiten, wenn er zu viel Alkohol getrunken hatte und eigentlich sollte es ihm egal sein, aber tief im inneren wusste er, dass das unmöglich für ihn war. Selbst wenn ihn der Dämon hasste und er es ebenfalls tun sollte.

Crispin Cipriano

Dumm - genau das war er wohl, wenn er gedacht hatte, er könnte August mit seiner Lüge treffen. Und ziemlich masochistisch noch dazu, da er mit der Erwiderung des Engels hätte rechnen müssen, wenn er sowas sagte. Doch obwohl er es hätte ahnen können oder müssen, traf es ihn doch ziemlich schwer, als er hörte, dass der andere ihn ebenfalls aus seinem Leben gestrichen hätte. Es verletzte ihn mehr, als er wollte, denn auch wenn er eben gelogen hatte, war es doch genau das, was er sich eigentlich wünschte - oder sich eher wünschen sollte. Dass er den anderen vergaß und er nicht einmal im Entferntesten noch ein Teil seines Lebens war, er keinen einzigen Gedanken mehr an ihn verschwendete. Aber genau das konnte er nicht - nicht, wenn sie sich immer wieder über den Weg liefen, er immer wieder an August erinnert wurde, als würde das Schicksal es wollen, dass er sich damit quälte. Das Schlimmste war jedoch, dass sich ein Gefühl in ihm breit machte, das ihm ebenfalls nur zu deutlich zeigte, wie sehr er noch immer an August hing, obwohl es absolut aussichtslos und ganz offensichtlich nur einseitig war. Eifersucht. Quälende und eigentlich völlig unberechtigte Eifersucht. Dabei hatte er nicht einmal das Recht dazu, eifersüchtig zu sein. Nicht nur, dass er keinen Anspruch auf August hatte, er hatte auch keinen Fremden angesprochen und angebaggert, sondern ihn. Und dennoch konnte er nicht verhindern, dass er genau dieses Gefühl in sich aufsteigen spürte, denn jedes Mal, wenn er nun mitbekam, dass der Engel jemanden ansprach, würde er immer wieder daran denken müssen, dass es aus genau dem Grund sein könnte, der ihn eben auch zu ihm gebracht hatte.
Um sich jedoch nichts anmerken zu lassen, wie sehr ihn das verletzte und welch tiefe Wunde allein schon der Gedanke an August mit einem anderen in sein Herz riss, wandte er seinen Blick von ihm ab, um nach seinem Glas zu greifen, das er bis eben völlig vergessen hatte, jetzt aber eine willkommene Ablenkung war. Mit einem leisen Schnauben setzte Crispin das Glas an, um es in einem Zug zu leeren. Anschließend gab er dem Barkeeper zu verstehen, dass er es noch einmal füllen sollte, bevor er sich doch wieder an August wandte.
“Dann sind wir uns ja wenigstens mal in einem Punkt einig und du könntest aufhören, das Armband zu tragen.”
Nur kurz war sein Blick darauf gefallen, als der Engel sein Glas geleert hatte und es schmerzte ihn, zu sehen, dass er es noch immer trug, es ihm aber mit Sicherheit absolut nichts bedeutete, dass er es von ihm hatte. Bei seinen nächsten Worten horchte er allerdings auf. Hatte er da so etwas wie Sorge herausgehört?! Nein, ganz gewiss nicht. Das bildete er sich nur ein und er schob diesen Verdacht direkt wieder in den Hintergrund.
“Ich wüsste nicht, was es dich angeht, ob ich betrunken nach Hause komme oder nicht. Ich könnte genauso gut im nächsten Straßengraben liegen bleiben und es würde dich nichts angehen!”
Dass sich ein Teil von ihm aber genau das wünschte, dass sich August Sorgen und Gedanken um ihn machte, ignorierte er, denn es war reines Wunschdenken. Als der Barkeeper es endlich geschafft hatte, seiner Arbeit nachzugehen - und das zum Glück ohne ihrem Gespräch große Beachtung zu schenken - trank er demonstrativ einen weiteren Schluck.
Wie schon das letzte mal, als er auf sein Armband angesprochen wurde, reagierte er auf dieselbe Weise: Er bedeckte es sofort mit seiner anderen Hand, als müsse er es wie einen Schatz hüten. "Ich finde es einfach hübsch, okay?!", zischte er zurück und presste sofort die Lippen zusammen, um sich das 'Und es erinnert mich an dich.' zu verkneifen. Das Schmuckstück bedeutete ihm unendlich viel und er hatte es noch nie abgenommen - selbst nicht zu seiner Trainingszeit, wenn es damals auch als andere Motivation diente. Wage erinnerte er sich an einen Tag - es war wenige Wochen nach ihrem ersten Kuss gewesen - als er durch die Straßen schlenderte und damals in einem der Schaufenster ein passendes Armband für den Jüngeren gefunden hatte. Zum Kauf kam es leider nie. Die Gründe dafür offensichtlich. Wahrscheinlich hätte er es sowieso nicht mehr bei sich getragen, wenn August es ihm doch geschenkt hätte. So gut wie er darin war, alles zwischen ihnen einfach zu vergessen, als wäre es... unbedeutend gewesen. Wer hatte hier also mit wem gespielt?
Missbilligend beobachtete er, wie der andere sein Glas leerte und schnalzte leise mit der Zunge. "Hör auf so etwas zu sagen!" Natürlich wäre es ihm nicht egal gewesen, wenn er in irgendeinem Straßengraben lag - um Gottes Willen! Das hätte er nie zugelassen, selbst wenn er sich dagegen wehrte. Und wenn er ihn über die Schulter werfen musste, um ihn nach Hause zu bringen. Der demonstrative Schluck des neuen Glases, ließ seine Augenbrauen zusammenfahren. Seine Hand schloß sich sofort um das Handgelenk, dass das Glas hielt und - ohne den Blick von dem anderen abzuwenden - er nahm dem Dämon einfach den Drink weg. "Crispin, ich meine es ernst. Ich will nicht, dass du in einem Straßengraben landest. Ist es das was du hören willst?", fragte er und zog dann seine Hand zurück, wenn er die des anderen noch gerne weiter gehalten hätte. Es hatte nichts damit zu tun, dass er früher sein Schutzengel war. Schon lange nicht mehr.
Cris hatte sich einfach in sein Herz geschlichen und hielt seinen Platz bis heute... Ihn zu verlieren, wäre das Letzte was er wollte. "Wenn du weiter trinkst, dann bringe ich dich nach Hause.", drohte er und wenn er richtig lag und der Dämon wirklich kein Interesse mehr an ihm hatte, dann war das doch Grund genug, um es bleiben zu lassen.

Crispin Cipriano

Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte Crispin die Geste, mit der August das Armband verdeckte und am liebsten hätte er sich eingeredet, dass er dies tat, weil es ihm doch mehr bedeutete und seine Worte nur eine faule Ausrede waren. Doch so war es nicht und er bildete sich erneut etwas ein, das nicht da war - wie so oft in letzter Zeit, seit sie sich nach so langer Zeit wiedergesehen hatten. Und immer wenn er wieder einmal enttäuscht feststellen musste, dass August ihm und er sich selbst etwas vormachte, wenn er dachte, der Engel würde etwas anderes für ihn als Hass und Ablehnung empfinden, fragte er sich, warum er damals in der Gasse nicht einfach ernst gemacht hatte?! Es war seine einzige Chance gewesen, seinen ursprünglichen Plan umzusetzen, denn so sehr er es sich auch vorgenommen hatte, sich an ihm zu rächen, war dies alles spätestens in dem Moment hinüber, als er dem anderen wieder in die Augen gesehen und am liebsten darin versunken wäre - genau wie jetzt auch. Die Maske lenkte seine Aufmerksamkeit und seinen Blick ganz automatisch zu ihnen, wenn er ihn ansah und er verfluchte sich selbst für diese Reaktion.
“Ich bin sicher, dass du auch noch genug andere hübsche Armbänder besitzt, die du tragen könntest.”
Es war eine völlig übertriebene Reaktion seinerseits, denn eigentlich konnte es ihm doch egal sein, ob der Engel es trug oder nicht. Es sollte ihm egal sein, aber das war es nicht - weil da immer ein kleiner Funken Hoffnung war, dass er August doch etwas bedeutete, den dieser nicht vertreiben konnte - ganz egal, was er tat. Und seine nächsten Worte ließen diesen Funken wieder einmal ein Stück größer werden.
Ja, genau das wollte ich hören. Es lag ihm bereits auf der Zunge, genau dies zu sagen, doch Crispin hielt sich im letzten Moment zurück. Er würde ihm nicht zeigen, dass er sich trotz allem nach der Aufmerksamkeit des anderen sehnte. Bei seiner Berührung und der Tatsache, dass er ihm das Glas abnahm, entfuhr ihm dennoch ein Knurren.
“Fass mich nicht an! Mir ist vollkommen egal, was du sagst, denn ich bleibe bei meiner Meinung, dass es dir egal sein kann. Schließlich hast du mich doch aus deinem Leben gestrichen!”
Crispin konnte in diesem Moment nicht ganz verhindern, dass er leicht verletzt klang. Und gerade jetzt hätte er einen weiteren Schluck gebrauchen können, um dies zu überspielen. Stattdessen funkelte er August nur wütend an, während er dem Barkeeper klar machte, dass er ein neues Glas - vorzugsweise mit Inhalt - brauchte. Vor allem als er hörte, dass der Engel ihn nach Hause bringen würde, wenn er weiter trank. Es war… verlockend. Und absolut dumm! Aus diesem Grund schnaubte er auch nur wieder, um ihm nicht zu zeigen, dass er kurz darüber nachgedacht hatte, genau dies auszunutzen.
“Als ob du das schaffen würdest, wenn ich es nicht selbst wollte. Also spar dir deine Drohung!”
Der Barkeeper stellte ihm ein weiteres Glas vor die Nase, welches er sofort ergriff. Wenn etwas diesen Abend noch halbwegs erträglich machen konnte, dann war es wohl der Alkohol, mit dem er am nächsten Morgen zwar höllische Kopfschmerzen, aber hoffentlich auch ein Loch in seinen Erinnerungen an diesen Abend haben würde.
"Aber keines der anderen erinnert mich an dich!", platzte es aus ihm heraus und er hielt sich sofort die Hand vor den Mund, als hätte er gerade seine Liebe zu dem anderen gestanden. In gewisser Weise hatte er es - indirekt - und das schon mehrere Male, was er wiederum schrecklich fand, denn es ließ ihn schwach wirken. Würden die anderen davon Wind bekommen, wäre er der Spott des ganzen Himmels. Für einen Dämon schwach werden. Reinste Blasphemie. Nie wieder dürfte er einen Fuß in den Himmel setzen! "Dann nimm das blöde Armband doch einfach und schenke es dem nächstbesten.", sagte er dann, um von seinem Ausrutscher abzulenken. Ungeschickt öffnete er das silberne Schmuckstück und knallte es dann mit der flachen Hand auf die Theke, ehe er es zum anderen schob. Sofort fühlte er Reue und vor allem ein Stechen in seinem Herzen. Wieso tust du das? Du liebst das Armband! Es jetzt allerdings wieder an sich zu nehmen wäre dumm gewesen... dumm und kindisch. Wie ein Kind, dass sein Spielzeug erst verschenkt, nur um wieder danach zu verlangen. Nein, er würde jetzt mit Sicherheit keinen Rückzieher machen!
"Als ob du dich bei der Menge, die du normalerweise trinkst, wenn dir etwas gegen den Strich geht, noch großartig wehren könntest!", schnaubte er und deutete dem Barkeeper, dass die Happy Hour für den Dämon vorerst gestrichen war. Das letzte mal, als Crispin sich so richtig betrunken hatte, war es doch auch August gewesen, der ihn zu sich nach Hause trug, ihn in sein Bett legte und ihm durch's Haar strich, bis er eingeschlafen war. Auch die mürrische Laune, aufgrund der Kopfschmerzen, hatte er am nächsten Tag ertragen und ihn mit einer deftigen Mahlzeit versorgt, nur damit es ihm wieder besser ging. Wieso er an dem Abend so viel getrunken hatte, wusste er nicht, aber er wollte Cris nie wieder so gequält sehen wie damals. Damit der Dämon seine Gläser nicht austrinken konnte, schnappte sich August also beide und trank sie in einem Zug aus. Und wenn er am nächsten Morgen Kopfschmerzen bekam, dann soll es eben so sein.
"Manchmal bist du wirklich ein wie ein Kleinkind, Cris.", stellte er fest und schob die Gläser zur Seite. "Man sagt dir, dass du etwas lassen sollst, weil es dir schadet und du tust es trotzdem!" Dabei meinte es der Engel dieses mal wirklich nicht böse, sondern sagte er nur aus Besorgnis. "Was soll ich tun, damit du endlich mehr auf dich achtest?", fragte er dann fast schon verzweifelt. Denn je mehr Sorgen er sich um ihn machte, desto schwerer war es ihn aus seinem Leben zu streichen.

Crispin Cipriano

Wieder einmal tat sein Herz genau das, was es nicht tun sollte: es reagierte darauf, was August sagte, indem es für einen Schlag aussetzte, nur um anschließend schneller weiterschlagen. Und das Problem war, dass er es dieses Mal absolut verstehen konnte. Diesen Satz in Verbindung mit der Tatsache, dass der Engel das Armband trug, falsch zu verstehen, war so gut wie unmöglich und spätestens die anschließende Reaktion sagte einfach alles dazu. Aus diesem Grund weiteten sich auch Crispin Augen, während er abrupt wieder neben sich sah, wo der Engel bereits dabei war, umständlich den Verschluss zu öffnen. August verwirrte ihn und das nicht zum ersten Mal. In einem Moment machte er ihm ungewollt schon beinahe unmissverständlich klar, dass er ihm alles andere als egal war. Er weckte Hoffnung in ihm, nur um sie hinterher durch eine weitere Tat direkt wieder zu zerstören, sodass er keine Ahnung hatte, was er denken oder fühlen sollte. Er wusste nicht, was er davon halten sollte, doch er machte es mit - immer und immer wieder, ohne, dass er etwas dagegen tun konnte. Und auch jetzt war er wegen seiner widersprüchlichen Gefühle wieder vollkommen verwirrt. Genau so wie es weh tat, August mit dem Armband zu sehen, so sehr schmerzte es auch, dass er es ihm gerade einfach so wiedergeben konnte.
Um ihm das nicht zu zeigen, wandte er seinen Blick ab und sah auf das Schmuckstück, während er die Kiefer aufeinander presste.
“Behalt es einfach! Als ob jemand, etwas tragen würde, dass bereits jemand anderem geschenkt wurde.”
Nie im Leben würde er zugeben, dass es niemand anderen gab, dem er es schenken würde und er es außerdem nicht schaffte, es auch nur anzurühren. Es gehörte August und das würde immer so bleiben. Wenn er es nicht mehr haben wollte, sollte er es selbst entsorgen - wobei er hoffte, dass er es nicht tat und auch das verwirrte ihn. Diese ganze Situation zwischen dem Engel und ihm überforderte ihn zusehends, aber auch das würde er nicht zugeben. Genauso wenig, dass August recht hatte. Wenn er wirklich betrunken war, war er kaum in der Lage, sich noch dagegen zu wehren, sollte es der andere nutzen, um ihn doch nach Hause zu bringen. Und ein winziger Teil wollte dies immer noch ausnutzen und testen, ob er es ernst meinte.
“Du bist unglaublich nervig, wenn du so tust, als würde dich das auch nur ansatzweise interessieren!”, knurrte er, als der Engel sein Glas leerte, damit er es nicht tat und ihn anschließend mal wieder als Kleinkind betitelte. Genau wie früher, wenn er sich Sorgen um ihn machte - nur mit dem Unterschied, dass er die Bezeichnung Kleinkind weggelassen hatte.
“Und du verwirrst mich…”, meinte er etwas leiser und bemerkte erst hinterher, dass er dies wirklich ausgesprochen hatte. Und auch wenn es der Wahrheit entsprach, war es doch etwas,das August eigentlich nicht wissen sollte, weil es zeigte, dass dieser ihm nicht so egal war, wie er versuchte, vorzugeben. Vor allem dann nicht, wenn der Engel ihn etwas fragte, worauf er ihm auf der einen Seite am liebsten die Wahrheit sagen würde und es auf der anderen Seite eine absolut falsche Entscheidung wäre, dies zu tun.
“Glaub mir, du bist der Letzte, der da etwas tun könnte.”
Was eine Lüge war, die wieder einmal nur dazu diente, sich und sein Herz zu schützen, weil er ihm sonst nur gesagt hätte, dass er einfach nur bei ihm bleiben sollte.
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